Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 372/02 Verkündet am:
9. Dezember 2003
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 133 B; 157 F
Zur Auslegung einer individualvertraglichen Haftungsbegrenzung.
BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003 - XI ZR 372/02 - KG Berlin
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 9. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. September 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Hypothekenbank darauf verzichtet hat, den Kläger über eine von ihm geleistete Barsicherheit hinaus aus einer Bürgschaft und aus einer persönlichen Haftungsübernahme in Anspruch zu nehmen.
Der Kläger gründete zusammen mit dem Kaufmann S. im Jahre
1991
die P. KG . Die Rechtsvorgängerin der Beklagten gewährte ihr für den Erwerb und die Entwicklung des Grundstücks B. ... in B. Ende des Jahres 1992 zwei Darlehen in Höhe von 24,5 Millionen DM und 3 Millionen DM. Am 16. Februar 1993 übernahm der Kläger für zwei von der P. KG zur Sicherung der Kredite bestellte Grundschulden in Höhe von 25 Millionen DM und 2,5 Millionen DM die persönliche Haftung und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Am 13. April 1993 erteilte er außerdem eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die Darlehen. Zur Sicherung eines am 30. November 1995 gewährten Darlehens über 1,2 Millionen DM bestellte die P. KG eine weitere Grundschuld. Der Kläger übernahm am 13. September 1995 die persönliche Haftung mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.
Im Jahre 1996 verhandelten die Parteien über ergänzende Sicherheiten für die genannten Darlehen und die ein weiteres Projekt des Klägers betreffenden Kredite, weil infolge der Wertentwicklung auf dem Grundstücksmarkt die Kredite, bezogen auf die dinglichen Sicherheiten, ausfallgefährdet waren. Am 19./20. Dezember 1996 schlossen sie folgende "Sicherungszweckvereinbarung":
"Wirtschaftlicher Zweck dieser Vereinbarung ist es, die Fortführung der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch Stellung ausreichender werthaltiger Sicherheiten bei gleichzeitiger Begrenzung der persönlichen Inanspruchnahme des Bürgen (Kläger), zu ermöglichen. 1. Den nachstehend genannten Gesellschaften
a) E. GmbH & Co. KG (Darlehen insgesamt DM 41.000.000,-- auf dem Grundstück ... in B. )
b) P. KG (Darlehen insgesamt DM 28.700.000,-- auf dem Grundstück B. ... in B. )
sind von der B. Hyp Darlehen von insgesamt DM 69.700.000,-- zugesagt sowie größtenteils ausgezahlt wor- den. 2. Als Sicherheit für die Darlehensforderung dienen Grundschulden auf den jeweiligen Objekten, persönliche Schuldanerkenntnisse der Gesellschafter, des (Kläger) und weiterer Personen sowie weitere jeweils vertraglich vereinbarte Sicherheiten. 3. Nunmehr stellt (Kläger) für alle Forderungen der B. Hyp aus Darlehensverträgen mit den genannten Gesellschaften folgende Zusatzsicherheiten zur Verfügung: ein Kontoguthaben in Höhe von DM 21.000.000,-- auf einem im Hause der B. Hyp einzurichtenden Konto. Die B. Hyp wird einem Austausch der Sicherheiten zustimmen , wenn die ersatzweise gestellten Sicherheiten mindestens die gleiche Bonität aufweisen und gesetzliche und bankaufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen. 4. Bis zu einer Verwertung liegt die wirtschaftliche Disposition über die Anlageform der Sicherheiten bei (Kläger) (Ziff. 3 letzter Satz). Die Erträge aus diesen Anlagen stehen zu seiner freien Verfügung. Die B. Hyp wird durch diese Sicherheiten gesicherte Forderungen nicht an Dritte übertragen, es sei denn, daß der Erwerber der Forderungen den zwischen der B. Hyp und (Kläger) getroffenen Regelungen ausdrücklich beitritt. 5. Jede dieser Sicherheiten dient allen Ansprüchen aus den Darlehensverträgen mit den in Ziff. 1 genannten Gesellschaften. Aus welcher Sicherheit die B. Hyp ggf. vorgehen oder welche sie jeweils freigeben wird, bleibt der Bestimmung durch die B. Hyp vorbehalten, soweit nicht im Einzelfall andere Vereinbarungen getroffen werden oder getroffen sind. Jedoch kann die B. Hyp die oben genannten Sicherheiten erst nach Ablauf einer Nachfrist von 12 Monaten, nachdem fällige Leistungen nicht erbracht wurden, verwerten, wenn (Kläger) dies binnen 3 Monaten, nach denen fällige Leistungen nicht erbracht wurden , beantragt.
Bei einer Verwertung innerhalb der genannten Frist von 12 Monaten ist die B. Hyp verpflichtet, bei einer Gestaltung, die die steuerlichen Belange und Gestaltungswünsche von (Klä- ger) berücksichtigt, mitzuwirken, soweit ihr daraus kein materieller Nachteil entsteht und eine Verzögerung über die Frist von 12 Monaten hinaus nicht zu erwarten ist. Die in der beantragten Nachfrist entstehenden Darlehenszinsen sind von (Kläger) ungeachtet der weiteren Regelungen dieser Vereinbarung zu tragen. Sofern es zu einer Verwertung der Zusatzsicherheiten kommt, steht ein Erlös, der den Betrag von DM 21.000.000,-- übersteigt, dem Sicherungsgeber zu. 6. Nach Stellung der Sicherheiten gem. Ziffer 3 dieser Vereinbarung kann die B. Hyp für die bisher gegebenen Darlehen an die genannten Gesellschaften eine weitere Verstärkung von Sicherheiten nicht mehr fordern. 7. Nach einer Verwertung aller bisher gestellten und nunmehr zu stellenden Sicherheiten, soweit sie nicht in Forderungen gegen (Kläger) (insbesondere die von ihm gegebenen Bürgschaften über die hier durch Zusatzsicherheit unterlegten Beträge hinaus) persönlich oder die in diesem Absatz genannten Gesellschaften bestehen und demzufolge nicht verwertet werden können, kann die B. Hyp keine Forderungen gegen (Kläger) und Unternehmen seiner Unternehmensgruppe (...) mehr stellen und keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn und die genannten Unternehmen vornehmen. Ebenso werden Ansprüche auf ausstehende Kommanditeinlagen bei den Grundstücksgesellschaften zu Ziff. 1 a) und b) dieser Vereinbarung durch die B. Hyp gegenüber (Kläger) nicht - auch nicht mittelbar - geltend gemacht. Sicherheiten, die in Forderungen gegen (Kläger) oder die in diesem Absatz genannten Gesellschaften bestehen, können nur soweit geltend gemacht werden, wie dies zur Geltendmachung einer Forderung gegen andere Gesellschaften erforderlich ist; Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden dabei nicht durchgeführt.
Dies gilt nicht für Darlehenszinsen, die in der oben genannten Nachfrist von 12 Monaten entstehen werden, sofern diese Nachfrist beantragt wird. 8. Wenn bei den Grundstücken G. ... in B. oder B. ... in B. die Darlehen abgelöst oder mit Genehmigung der B. Hyp die Verpflichtungen daraus einem Erwerber des jeweiligen Grundstücks oder einem neuen Gesellschafter der Grundstückseigentümer übernommen werden, kann (Kläger) die Rückgabe der gewährten Sicherheiten in folgender Höhe verlangen: G. ... in B. 65% der Sicherheiten B. ... 35% der Sicherheiten. Bei einer Teilablösung oder Teilübernahme gilt dies für einen entsprechenden Anteil. Soweit die Darlehensbeträge gem. Ziff. 1a und 1b unter die dort genannten Beträge zurückgeführt werden, wird die B. Hyp einen jeweils gleich großen Betrag der gestellten Zusatzsicherheiten freigeben. Die B. Hyp verpflichtet sich, bei Vorlage langfristiger Mietverträge mit bonitätsmäßig einwandfreien Mietern die Objekte neu einzuwerten und auf der Basis der Ergebnisse dieser Neubewertung nicht mehr erforderliche Zusatzsicherheiten in größtmöglicher Höhe freizugeben. Verlangt (Kläger) eine dieser Sicherheiten zurück, so entfällt der Verzicht der B. Hyp auf die persönliche Inanspruchnahme von (Kläger) und seiner o.g. Unternehmen entspr. Ziff. 7 (sog. "Deckelung"). Sofern die Regelung nach Ziff. 7 erhalten bleiben soll, kann (Kläger) die Freigabe der Sicherheiten maximal zur Hälfte des betreffenden Teils verlangen. Sofern Zusatzsicherheiten noch nicht vollständig gestellt sind, wird die Freigabe durch den Verzicht auf den Anspruch zur Stellung weiterer Sicherheiten ersetzt. In keinem Fall dienen die in dieser Vereinbarung in Ziff. 3 genannten geregelten Zusatz-Sicherheiten für andere Darlehen als
die in Ziff. 1 a) und b) genannten Darlehen an die dort genannten Gesellschaften. 9. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, wird dadurch die Vereinbarung im übrigen nicht berührt. Im Falle der Unwirksamkeit einer Bestimmung haben die Parteien eine Ersatzregelung zu treffen, die der unwirksamen Bestimmung im wirtschaftlichen Ergebnis soweit wie möglich entspricht." Der Kläger leistete die vereinbarte Zusatzsicherheit in Höhe von 21 Millionen DM. Die Beklagte kündigte die Kredite wegen Zahlungsrückständen. Über das Vermögen der P. KG wurde das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger zahlte an den Konkursverwalter aufgrund rechtskräftiger Verurteilung eine noch ausstehende Kommanditeinlage in Höhe von 7.046.260,65 DM.
Der Kläger vertritt die Auffassung, durch die Sicherungszweckvereinbarung sei seine persönliche Haftung für alle darin genannten Forderungen auf 21 Millionen DM begrenzt worden. Er begehrt noch, die Beklagte zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde vom 13. April 1993 und die Urkunde vom 13. September 1995 betreffend seine persönliche Haftungsübernahme herauszugeben und den Konkursverwalter anzuweisen, den Betrag, der aus der Konkursmasse an die Beklagte fließen würde, bis zur maximalen Höhe von 7.046.260,65 DM an ihn auszuzahlen, sowie die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden über seine persönliche Haftung für unzulässig zu erklären.
Die Beklagte steht hingegen auf dem Standpunkt, durch die Sicherungszweckvereinbarung sei ihr lediglich eine zusätzliche Sicherheit ge-
währt worden. Die Vereinbarung regele nicht den Fall der Kündigung der Darlehen oder des Konkurses der Darlehensnehmer.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr zunächst im wesentlichen stattgegeben. Nachdem der Bundesgerichtshof (WM 2002, 377) das Berufungsurteil aufgehoben hat, hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Sicherungszweckvereinbarung könne weder das vom Kläger noch das von der Beklagten vertretene Auslegungsergebnis entnommen werden. Der Inhalt der Vereinbarung sei mehrdeutig. Das Erlöschen der alten Verpflichtungen des Klägers sei nicht ausdrücklich vereinbart worden. In der Präambel sei zwar von einer Begrenzung seiner Haftung, aber nicht von einer Entlassung aus der Haftung die Rede. Die Bezeichnung der neuen Barsicherheit als Zusatz- und nicht als Ersatzsicherheit deute darauf hin, daß der Kläger an seinen bestehenden Verpflichtungen
festgehalten werden sollte. Dafür sprächen auch die Nr. 2 und 3 der Vereinbarung , die die bestehenden Verpflichtungen des Klägers aufzählten, ohne ihr Erlöschen vorzusehen. Die Detailgenauigkeit und Komplexität der Vereinbarung seien weitere Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien das Zusammenspiel verschiedener Sicherheiten regeln wollten. Die Argumentation des Klägers, die Beklagte habe ihn formal aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen sollen, damit er einen Rückgriffsanspruch gegen S. habe, sei nicht zwingend, weil S. kein solventer Schuldner gewesen sei. Auch Nr. 5 der Vereinbarung ergebe kein zwingendes Argument für die Auslegung des Klägers. Die Regelungen, daß der Kläger binnen einer Nachfrist vor einer Verwertung der Sicherheiten die Darlehenszinsen zu tragen habe und im Verwertungsfall einen den Betrag von 21 Millionen DM übersteigenden Erlös beanspruchen könne, seien doppeldeutig. Nr. 7 der Vereinbarung enthalte ebenfalls keinen eindeutigen Verzicht auf die bereits bestehenden Sicherheiten. In Abs. 1 sei nur von einem Ausschluß der Verwertung, aber nicht von einem Verzicht oder Erlaß die Rede. Auch Abs. 3, wonach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden sollten, sei nicht eindeutig. Diese Regelung könne bedeuten, daß der Kläger von einer Inanspruchnahme verschont werden sollte; sie könne aber auch dafür sprechen, daß die Vereinbarung im Krisenfall nicht gelten sollte, sondern nur eine freiwillige Abstandnahme der Beklagten von Maßnahmen gegen den Kläger habe zum Ausdruck bringen sollen, solange das Kreditengagement noch intakt war.
Die Genese der Sicherungszweckvereinbarung beseitige die Unklarheiten nicht. Der Beklagten sei es zu Beginn der Verhandlungen um eine Verstärkung der bestehenden Sicherheiten gegangen. Der Kläger
habe zwar eine Entlassung aus den bestehenden Verpflichtungen angestrebt. Dies habe aber in der abgeschlossenen Vereinbarung keinen eindeutigen Niederschlag gefunden.
Auch die Interessenlage führe zu keinem eindeutigen Auslegungs- ergebnis. Einerseits sei der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, daß ein Kreditinstitut in der Regel nicht bereit sei, vorhandene werthaltige Sicherheiten aufzugeben, wenn es dafür keinen Vorteil erlange, sondern vielmehr das eigene Risiko erhöhe. Wenn die Beklagte den Kläger gegen Erbringung der Barsicherheit aus seinen übrigen Verpflichtungen entlassen hätte, wäre die Rückführung der Darlehen nicht mehr gesichert gewesen. Anlaß der Verhandlungen der Parteien sei der gesunkene Verkehrswert des von der P. KG zu entwickelnden Grundstücks gewesen. Deswegen habe nach dem Hypothekenbankgesetz Handlungsbedarf für die Beklagte bestanden. Hätte sie das für diesen Fall in den Darlehensverträgen vereinbarte Kündigungsrecht ausgeübt, hätte sie angesichts des Vermögens des Klägers, das dieser auf 141.786.999 DM beziffert habe, mit ihrer vollen Befriedigung rechnen können. Sie habe keine Veranlassung gehabt, den Kläger ohne entsprechende Gegenleistung aus seiner Haftung für Verbindlichkeiten in Höhe von 69,7 Millionen DM zuzüglich Zinsen zu entlassen. Andererseits sei aber die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß der Beklagten die Sicherung durch das Grundstück und die Zusatzsicherheit zu ihrer Befriedigung ausgereicht hätte.
Da die Sicherungszweckvereinbarung keinen sicheren Aufschluß über das Gewollte gebe, obliege dem Kläger der Beweis, daß die Beklagte im Austausch gegen die Zusatzsicherheit auf ihre sonstigen An-
sprüche gegen ihn verzichtet habe. Dieser Beweis sei dem Kläger nicht gelungen. Die Aussage des Zeugen F., eines Rechtsanwalts des Klägers, sei im entscheidenden Punkt unergiebig, weil der Zeuge nur seine persönliche Einschätzung des Vereinbarungsinhalts wiedergegeben , aber keine konkreten Geschehnisse geschildert habe. Der Zeuge L., ein Angestellter der Beklagten, sei unglaubwürdig. Die Aussagen der Zeugen V. und K., weiterer Angestellter der Beklagten, stützten den Vortrag des Klägers nicht ansatzweise.
Nach dem Konkurs der P. KG könne die Beklagte wieder auf die vom Kläger gestellten persönlichen Sicherheiten zurückgreifen. Die "Sperre" gemäß Nr. 7 Abs. 1 und 3 der Sicherungszweckvereinbarung sei mit dem Konkurs der P. KG weggefallen, weil kein anderer Fall vorstellbar sei, in dem die Beklagte auf die Sicherheiten zurückgreifen könnte. Einen endgültigen Verzicht habe die Beklagte aber nicht aussprechen wollen. Die Vereinbarung habe nach ihrer Präambel die Fortführung der Darlehen bezweckt und nur das intakte Kreditengagement abgedeckt. Auch die Beweisaufnahme habe bestätigt, daß die Parteien allein die Fortführung des Engagements, aber nicht einen möglichen Konkurs im Auge gehabt hätten.
Der Kläger könne von der Beklagten auch nicht die Freigabe seiner Kommanditeinlage bei der P. KG verlangen. Es sei schon zweifelhaft, ob Nr. 7 Abs. 2 der Sicherungszweckvereinbarung, der die Geltendmachung von Ansprüchen auf ausstehende Kommanditeinlagen ausschließe, die streitgegenständliche Einlage erfasse. Jedenfalls sei diese "Sperre" durch den Konkurs der P. KG entfallen.
Der nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 2. September 2002 gebe zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Auslegung von Individualvereinbarungen als tatrichterliche Würdigung unterliegt nach ständiger Rechtsprechung (Senat BGHZ 139, 357, 366; Senat, Urteil vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01, WM 2002, 1687, 1688, jeweils m.w.Nachw.) im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Ein solcher Rechtsfehler liegt hier nicht vor.

a) Das Berufungsgericht hat sich, anders als die Revision meint, nicht unter Verstoß gegen § 565 Abs. 2 ZPO a.F. zu weitgehend durch das erste Revisionsurteil gebunden gefühlt. Die Revision geht selbst davon aus, daß eine Bindung grundsätzlich bestand (vgl. BGHZ 22, 370, 373) und das Berufungsgericht die im Revisionsurteil genannten Auslegungsfehler nicht wiederholen durfte. Dies hat das Berufungsgericht beachtet , indem es von einer im Sinne des § 565 Abs. 2 ZPO a.F. bindenden Beurteilung durch das Revisionsgericht ausgegangen ist. Die Annahme einer darüber hinausgehenden Bindung ist dem Berufungsurteil,
anders als die Revision meint, nicht zu entnehmen. Die eingehende Be- gründung des Berufungsurteils zeigt, daß das Berufungsgericht die Vereinbarung frei und eigenständig ausgelegt hat. Daß seine Beurteilung im Ergebnis und in Einzelheiten der Begründung mit dem ersten Revisionsurteil übereinstimmt, rechtfertigt nicht die Annahme, das Berufungsgericht habe sich insoweit gebunden gefühlt.

b) Fehl geht auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die gebotene Gesamtwürdigung der Vereinbarung unterlassen und deshalb übersehen, daß die von der Beklagten vertretene Auslegung völlig unplausibel sei. Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung umfassend gewertet, in diese Gesamtwürdigung neben der von der Beklagten vertretenen Auffassung auch die Auslegung des Klägers einbezogen und die Vorzüge und Schwächen beider Auslegungen gegeneinander abgewogen. Daß dem Berufungsgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind, zeigt die Revision nicht auf.

c) Die Würdigung der einzelnen Vertragsklauseln durch das Berufungsgericht hält den Angriffen der Revision ebenfalls stand. Die Revision versucht in unzulässiger Weise, ihre Auslegung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen, ohne Rechtsfehler darzulegen. Sie zeigt insbesondere keine vom Berufungsgericht rechtsfehlerhaft übergangene, für die Auslegung wesentliche Gesichtspunkte auf.
aa) Daß das Berufungsgericht den Wortlaut der Präambel der Vereinbarung und die darin genannte Begrenzung der persönlichen Inanspruchnahme des Klägers als mehrdeutig angesehen hat, entspricht der Sichtweise des ersten Revisionsurteils und ist rechtlich nicht zu bean-
standen. Da in der Präambel nicht von einer Haftungsentlassung, sondern nur von einer Haftungsbegrenzung des als Bürgen bezeichneten Klägers die Rede ist, während seine vollstreckbaren Schuldanerkenntnisse in Höhe der Grundschuldbeträge nicht angesprochen werden, läßt sich die Präambel unter Berücksichtigung des darin angesprochenen Zwecks der Fortführung der Realkredite auch als eine bloße Begrenzung der Pflicht zur Stellung weiterer Sicherheiten bei einem weiteren Wertverfall der belasteten Grundstücke verstehen. Daß der Kläger nicht Partner der Realkreditverträge war und ihn persönlich deshalb von vornherein keine Pflicht zur Sicherheitsverstärkung traf, macht eine solche Auslegung entgegen der Ansicht der Revision nicht unmöglich. Obwohl beiden rechtskundig vertretenen Parteien klar war, daß eine Sicherheitsverstärkungspflicht nur die Gesellschaften des Klägers treffen konnte, ist nur mit ihm persönlich darüber verhandelt worden, weil nur er, nicht aber seine Gesellschaften zur Sicherheitsverstärkung in der Lage war.
bb) Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts , die durchgehende Verwendung des Begriffs "Zusatzsicherheit", nicht Ersatzsicherheit, spreche für die von der Beklagten vertretene Auslegung. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht diesen Begriff auf die persönlichen Verpflichtungen des Klägers, der die Vereinbarung mit der Beklagten abgeschlossen hat, und nicht nur auf die von den Darlehensnehmerinnen bestellten und unstreitig fortbestehenden Grundschulden bezogen hat. Das gilt besonders, da die Vereinbarung keine Regelung über die Rückgabe der Schuldurkunden , insbesondere der vollstreckbaren Schuldanerkenntnisse des Klägers , enthält.
cc) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die vom Berufungsgericht als doppeldeutig angesehenen Regelungen in Nr. 5 der Vereinbarung seien mit der von der Beklagten vertretenen Auslegung unverein- bar. Soweit die Revision die Regelung, daß der Kläger die Darlehenszinsen trage, als sinnlos bezeichnet, sofern er ohnehin persönlich unbeschränkt für diese Zinsen haftete, zeigt sie nicht auf, welche Gründe gegen eine deklaratorische Regelung sprechen. Auch ihre Auffassung, es wäre sinnlos gewesen, dem Kläger den Übererlös aus seiner Zusatzsicherheit zuzusprechen, wenn seine übrigen persönlichen Verpflichtungen fortbestehen sollten, überzeugt nicht. Wenn die Parteien die Zusatzsicherheit auf 21 Millionen DM begrenzen wollten, war es auch bei Fortbestehen der übrigen Verpflichtungen des Klägers konsequent, ihm die Zinserträge der Zusatzsicherheit zuzuweisen.
dd) Auch Nr. 7 der Vereinbarung ist vom Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt worden. Diese Klausel enthält zwar, wie das Berufungsgericht hervorhebt, Regelungen, die für die Auffassung des Klägers sprechen. Sie ist aber entgegen der Ansicht der Revision nicht völlig eindeutig. Dem steht entgegen, daß hier nur die Verwertung der Sicherheiten und das Betreiben der Zwangsvollstreckung geregelt, nicht aber die Aufhebung und Rückgabe der bisher bestellten Sicherheiten , insbesondere der vollstreckbaren Schuldanerkenntnisse, vereinbart worden sind. Auch Nr. 8 Abs. 4, die die Regelung in Nr. 7 als Verzicht auf die persönliche Inanspruchnahme des Klägers bezeichnet, bringt eine vertragliche Aufhebung der bisher bestellten Sicherheiten nicht zum Ausdruck und läßt auch nicht erkennen, ob der Verzicht - wie von der Revision angenommen - auf Dauer oder nur für einen begrenzten Zeitraum gelten sollte.

ee) Insgesamt betrachtet hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Auffassung des Klägers, die Beklagte habe endgültig darauf verzichtet, ihn über die Barsicherheit in Höhe von 21 Millionen DM hinaus in Anspruch zu nehmen, durch den Wortlaut der Vereinbarung nicht eindeutig bestätigt wird. Eine dahingehende ausdrückliche und unmißverständliche Regelung, die angesichts des Vermögenswertes dieses Verzichts in Höhe von 48,7 Millionen DM (69,7 Millionen DM - 21 Millionen DM) besonders nahegelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, WM 2002, 822, 824), enthält diese Vereinbarung nicht.

d) Das Berufungsgericht hat auch die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gewürdigt. Seine Auseinandersetzung mit der Korrespondenz der Parteien vor Abschluß der Vereinbarung verstößt nicht gegen § 286 ZPO. Das Berufungsgericht ist aufgrund eingehender Würdigung des Schriftwechsels zu der Auffassung gelangt, daß der Kläger zwar eine Entlassung aus seiner Haftung anstrebte, dieses Bestreben aber wegen des entgegenstehenden Interesses der Beklagten an einer Verstärkung der bestehenden Sicherheiten in der Vereinbarung keinen eindeutigen Niederschlag gefunden hat. Eine noch umfassendere Darlegung dieser Würdigung war entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2001 - X ZR 176/99, LM ZPO § 286 (A) Nr. 79).

e) Die Würdigung der Interessenlage der Parteien bei Abschluß der Vereinbarung durch das Berufungsgericht hält den Angriffen der Revision ebenfalls stand.

Die Revision zeigt nicht auf, daß das Berufungsgericht Umstände, die für die Interessenabwägung von Bedeutung sind, verfahrensfehlerhaft außer acht gelassen hat. Das Berufungsgericht hat insbesondere berücksichtigt, daß die Beklagte aufgrund der Vereinbarung als vermögenswerten Vorteil ein Bardepot in Höhe von 21 Millionen DM erhalten hat. Es hat ferner die Möglichkeit erwogen, daß der Beklagten die Sicherung durch dieses Bardepot und die Grundschulden ausreichte, und deshalb der Interessenlage keinen eindeutigen Hinweis zur Auslegung der Sicherungszweckvereinbarung entnommen.
Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, daß das Vermögen des Klägers, das weitgehend in Immobilien bestand und durch die Krise des Immobilienmarktes negativ beeinflußt werden konnte, tatsächlich den vom Kläger angegebenen Wert hatte. Hierauf kommt es nicht an. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entscheidend darauf abgestellt, daß die Beklagte keine Veranlassung hatte, die Vermögensübersicht des Klägers über rund 141 Millionen DM in Zweifel zu ziehen, auf die aus ihrer Sicht realisierbare Haftung des Klägers in Höhe von 69,7 Millionen DM zu verzichten und sich ganz auf die freiwillige Bedienung der Realkredite durch den Kläger zu verlassen. Die Feststellung, daß die Beklagte keine Kenntnis von einer etwaigen Vermögensverschlechterung hatte, greift die Revision nicht an.
Auch die Gesamtwürdigung der Interessenlage, die nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis führt, ist rechtsfehlerfrei. Die Revision gelangt selbst lediglich zu
dem Ergebnis, daß die Interessenlage der Beklagten nicht gegen die vom Kläger vertretene Auslegung spricht.
2. Rechtsfehlerfrei ist nicht nur die Auslegung der Vereinbarung vom 19./20. Dezember 1996, sondern auch die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, derzufolge der beweisbelastete Kläger auch im übrigen einen Verzicht der Beklagten auf ihre sonstigen Ansprüche und Sicherheiten nicht bewiesen hat.

a) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Aussage des Zeugen F. bei dessen Vernehmung vor dem ersten Berufungsurteil übersehen, ist unbegründet. Die Begründung der tatrichterlichen Entscheidung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 1992 - III ZR 28/90, WM 1992, 1031, 1034). Dies ist hier der Fall, weil der Zeuge F. vor dem zweiten Berufungsurteil erneut umfassend als Zeuge ausgesagt hat und das Berufungsgericht diese Aussage eingehend gewürdigt hat. Daß es dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, seine Aussage sei letztlich unergiebig , weil der Zeuge im wesentlichen seine persönliche Einschätzung des Vereinbarungsinhalts wiedergegeben habe, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

b) Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe die Aussage des Zeugen L. nicht nur als unglaubhaft ansehen dürfen, sondern ihr das bewußte Verschweigen einer Haftungsbeschränkungsver-
einbarung entnehmen müssen, versucht sie in unzulässiger Weise ihre Beweiswürdigung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen.
3. Das Berufungsgericht ist aufgrund der Vereinbarung vom 19./20. Dezember 1996 und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß die Beklagte ihre über das Bardepot hinausgehenden Ansprüche gegen den Kläger nach dem Konkurs der P. KG wieder geltend machen darf. Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der zuvor vertretenen Ansicht, der Vertragsurkunde vom 19./20. Dezember 1996 könne weder die vom Kläger noch die von der Beklagten behauptete Vereinbarung entnommen werden und auch die Beweisaufnahme habe keinen Verzicht der Beklagten auf ihre sonstigen Ansprüche gegen den Kläger ergeben. Bei der Erörterung der Frage, ob die Beklagte auf den Zugriff auf die über das Bardepot hinausgehenden Sicherheiten verzichtet hat, konnte sich das Berufungsgericht darauf beschränken, den vom Kläger behaupteten Verzicht nicht als feststellbar anzusehen. Ob die von der Beklagten vertretene Auslegung zutrifft, war in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Die erst für die Fälligkeit des Anspruchs der Beklagten erhebliche und in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, daß ein endgültiger Verzicht nicht vereinbart worden und die in der Sicherungszweckvereinbarung festgelegte Verwertungssperre mit dem Konkurs der P. KG weggefallen sei, macht das Berufungsurteil weder widersprüchlich noch unplausibel.
4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei durch Nr. 7 Abs. 2 der Vereinbarung nicht gehindert, im Konkurs der
P. KG auf die Kommanditeinlage des Klägers zuzugreifen, beruht auf einer entsprechenden Begründung wie die Bejahung der Fälligkeit der persönlichen Verbindlichkeiten des Klägers und ist ebenso wie diese rechtsfehlerfrei.
5. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 2. September 2002 beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.


Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 565 Anzuwendende Vorschriften des Berufungsverfahrens


Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z

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Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger nehmen die beklagte Direktbank, die Wertpapieraufträge online im Internet, telefonisch und per Telefax entgegennimmt, auf Auszahlung des Gewinns aus Börsentermingeschäften in Anspruch.
Die Kläger, ein Jurastudent und eine Unternehmensberaterin, unterschrieben am 13. Juli 1999 eine Unterrichtungsschrift der Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 BörsG und orderten am 1. Oktober 1999 telefonisch bzw. online im "Sekundenhandel" von der S. emittierte Aktienoptions-
scheine. Diese veräußerten sie alsdann am 1. und 4. Oktober 1999 mit einem Gewinn in Höhe von 189.198,43 DM. Die Beklagte stornierte bis zum 5. Oktober 1999 sämtliche Geschäfte und machte geltend, die Emittentin habe die Ausführungsgeschäfte storniert, weil ihr bei der Stellung der Kurse ein Irrtum unterlaufen sei. Hierzu sei die Emittentin aufgrund eines Vertrages, den sie mit ihr am 5./17. August 1999 geschlossen habe, berechtigt gewesen. Der Vertrag enthalte in § 8 folgende Regelungen:
"Mistrades (1) Die Parteien sind verpflichtet, Einwendungen gegen einen Geschäftsabschluß innerhalb von 5 Handelstagen zu erheben. Geschäfte sind bei fristgemäßer Einwendung rückabzuwickeln, wenn der Geschäftsabschluß auf einem Irrtum einer Partei oder eines Kunden der D. beruht oder auf einer Fehlfunktion von T. oder auf einer Fehlfunktion eines der an T. angeschlossenen elektronischen Systems der Parteien beruht. Erscheint für beide Parteien bei einem Irrtum über die Preisstellung eine Abwicklung zum historischen Kurs unter Berücksichtigung der zu dem Zeitpunkt herrschenden Marktbedingungen gleichermaßen vorteilhaft, so ist diese einer Rückabwicklung vorzuziehen. (2) Verspätete Einwendungen können zurückgewiesen werden. Bei verspäteten Einwendungen sind die Parteien allerdings verpflichtet , sich um den Ausgleich der Interessen zu bemühen." Die Klage auf Zahlung von 189.198,43 DM nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Wertpapiergeschäfte mit den Klägern zu stornieren. Da es sich um Festpreisgeschäfte handele, könne die Beklagte sich nicht auf § 8 ihres Vertrages mit der Emittentin berufen. Für die An- und Verkäufe seien feste Preise vereinbart worden. Die Beklagte habe die Kläger nicht darauf hingewiesen, daû sie als Kommissionärin handeln wolle.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Wertpapiergeschäfte der Parteien seien Festpreisgeschäfte, d.h. Kaufverträge, ist rechtsfehlerhaft. Die Parteien haben Kommissionsverträge abgeschlossen, so daû die Klageforderung nicht gemäû § 433 Abs. 2 BGB begründet ist.

1. Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf , ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff auûer acht gelassen wurde (BGH, Urteile vom 29. März 2000 - VIII ZR 297/98, WM 2000, 1289, 1291 f. und vom 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195, 1196 m.w.Nachw.). Letzteres ist hier der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daû die Beklagte den Klägern in den Wertpapierabrechnungen vereinbarungsgemäû nicht nur den Kurswert der Optionsscheine, sondern zusätzlich Provisionen in Rechnung gestellt hat. Dies spricht deutlich gegen Festpreisgeschäfte, die grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn die Parteien eines Wertpapiergeschäfts einen festen, bestimmten Preis vereinbaren und die Bank keine zusätzlichen Gebühren für eine Geschäftsbesorgung in Rechnung stellt (vgl. Nr. 23 der AGB der Beklagten, die Nr. 9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362) entspricht; Jütten, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 7/68). Zudem ist die Ausführung von Aufträgen zum Kauf von Wertpapieren im Wege der Kommission der Regelfall (Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. (8) AGBWPGeschäfte 1 Rdn. 1). Dies muûten die Kläger, die sich seit über 10 Jahren mit Wertpapieren beschäftigen, wissen. Die Beklagte hat die Kläger auch nicht darüber informiert, daû Kaufverträge zustande kommen. Dazu wäre sie bei Abschluû von Festpreisgeschäften nach Nr. 4.3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel vom 26. Mai 1997 (BAnz 1997, 6586) verpflichtet gewesen.
3. Auch die Darstellung der Wertpapiergeschäfte in der Werbung der Beklagten rechtfertigt die Annahme von Festpreisgeschäften nicht. In ihrer Werbung garantiert die Beklagte im sogenannten Sekunden- oder Echtzeithandel Ausführungskurse, zu denen Kunden binnen fünf Sekunden , nachdem die Beklagte ihnen den Kurs mitgeteilt hat, Geschäfte abschlieûen können. Diese Garantie soll die Kunden lediglich vor für sie negativen Kursbewegungen zwischen der Kursmitteilung und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts schützen und die mit Kosten verbundene Setzung eines Kurslimits entbehrlich machen. Der Abschluû von Festpreisgeschäften, d.h. Kaufverträgen zwischen der Beklagten und ihren Kunden zu einem festen Gesamtpreis, ist zu diesem Zweck nicht erforderlich und nicht beabsichtigt. Dies erhellt insbesondere auch aus der in der Werbung der Beklagten hervorgehobenen Tatsache, daû den Kunden eine Verbesserung des Kurses zwischen der Kursansage und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts zugute kommt und die Kursgarantie nur im Falle der Verschlechterung des Kurses greift. Von der Vereinbarung eines festen Preises kann danach keine Rede sein. Die Verträge zwischen den Parteien sind vielmehr, wie im Effektengeschäft üblich (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. Rdn. 10.27; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 104 Rdn. 106 f.), Kommissionsverträge.
4. Diese Auslegung kann der erkennende Senat selbst vornehmen, da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 aaO).

III.


Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.).
1. Ein Garantieversprechen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 13. Juni 1996 - IX ZR 172/95, WM 1996, 1467, 1469 und vom 18. Juni 2001 - II ZR 248/99, WM 2001, 1565, 1566; Senat, Urteil vom 16. April 2002 - XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt ) der Beklagten kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Die Beklagte hat sich nicht verpflichtet, für den Abschluû von Kaufverträgen zu den von der Emittentin gestellten Kursen einzustehen. Sie hat ihren Kunden - wie dargelegt - durch die Garantie von Ausführungskursen lediglich das Risiko von Kursverschlechterungen zwischen der Kursmitteilung und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts abnehmen wollen. Daû das Ausführungsgeschäft wirksam zustande kommt und daû die Emittentin es nicht wegen Willensmängeln rückgängig machen kann, hat die Beklagte den Klägern nicht garantiert.
2. Die Kläger haben gegen die Beklagte nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch keinen Anspruch gemäû § 394 Abs. 1 HGB. Die Beklagte hat zwar in Nr. 22 Abs. 8 Satz 1 ihrer AGB die Haftung für die ordnungsgemäûe Erfüllung des Ausführungsgeschäfts durch ihren Vertragspartner übernommen. Ihre Haftung setzt aber gemäû § 394 Abs. 2 Satz 1 HGB eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft voraus. Daran fehlt es nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Beklagten.
Die Beklagte hat behauptet, die Emittentin habe die Wertpapiergeschäfte gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 storniert, weil sie die Kurse aufgrund eines Irrtums erkennbar um ein Vielfaches zu niedrig angegeben habe.
§ 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 ist wirksam. Die Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gemäû §§ 9-11 AGBG, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat und die Parteien nicht vorgetragen haben, daû es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Sie verstöût auch nicht wegen ihrer Auswirkungen auf die Kunden der Beklagten gegen die guten Sitten (vgl. zu den Anforderungen an ein sittenwidriges Verhalten von Vertragsparteien gegenüber Dritten: BGHZ 103, 235, 241; 121, 357, 367; BGH, Urteile vom 18. März 1996 - II ZR 10/95, NJW-RR 1996, 869 und vom 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2947; Staudinger/Sack, BGB 13. Bearb. § 138 Rdn. 333 ff.).
3. Die Klage ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht wegen positiver Vertragsverletzung des Kommissionsvertrages zwischen den Parteien begründet. Der mit der Klage geltend gemachte Gewinn, ist den Klägern nicht infolge der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten entgangen.

a) Ein Kommissionär hat allerdings die Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen (Koller, in: Staub, HGB 4. Aufl. § 384 Rdn. 17) und die Kommission für ihn sachgerecht und vorteilhaft auszuführen (Krüger, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 384 Rdn. 12). Dazu gehört auch, daû er das Ausführungsgeschäft zu Bedingungen abschlieût, die den Interessen des Auftraggebers angemessen Rechnung tragen. Dem
genügt § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 nicht, weil er eine Rückabwicklung des Ausführungsgeschäfts ermöglicht, ohne eine Schadensersatzpflicht entsprechend § 122 BGB vorzusehen. Den Kunden der Beklagten drohen deshalb erhebliche Vermögensschäden, wenn sie im Daytrading, für das die Kursgarantie der Beklagten im Sekundenhandel insbesondere gilt, Gewinne sofort in neue Geschäfte investieren, dabei verlieren und sodann das erste, gewinnbringende Geschäft als "Mistrade" rückabgewickelt wird. Diese Pflichtverletzung rechtfertigt aber nicht die Klageforderung, weil die Kläger, wenn in dem Ausführungsgeschäft ein dem § 122 BGB entsprechender Schadensersatzanspruch vereinbart worden wäre, nur den Schaden, der ihnen durch ihr Vertrauen auf die Gültigkeit des Ausführungsgeschäfts entstanden ist, nicht aber den Gewinn aus dem Ausführungsgeschäft, der den Gegenstand der Klage bildet , ersetzt verlangen könnten.
Ob bereits die Vereinbarung des Stornierungsrechts gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999, insbesondere die lange Stornierungsfrist von fünf Handelstagen gegen die Pflicht der Beklagten, die Interessen der Kläger zu wahren, verstöût, bedarf keiner Entscheidung. Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem Ausführungsgeschäft folgt hieraus nicht. Der Sachvortrag der Parteien enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daû der Beklagten bei Erfüllung ihrer Pflicht zur Interessenwahrung der Abschluû des Ausführungsgeschäfts ohne das Stornierungsrecht oder mit einer erheblich kürzeren Stornierungsfrist möglich gewesen wäre.

b) Ein Kommissionär hat seinen Auftraggeber ferner über alle Umstände zu benachrichtigen, die für die Ausführung des Geschäfts wichtig
sind und Anlaû zu Weisungen geben können (Baumbach/Hopt aaO § 384 Rdn. 7; Krüger aaO § 384 Rdn. 16). Ob die Beklagte deshalb im vorliegenden Fall verpflichtet war, die Kläger in unmiûverständlicher und unübersehbarer Form darauf hinzuweisen, daû das Ausführungsgeschäft das Stornierungsrecht der Emittentin und die lange Stornierungsfrist von fünf Handelstagen enthielt, und die Weisung der Kläger einzuholen, ob das Geschäft in dieser Form abgeschlossen werden solle, kann dahinstehen. Eine etwaige Verletzung dieser Pflicht könnte die Klage nur rechtfertigen, wenn die Kläger bei gehöriger Benachrichtigung die Optionsscheine anderweitig ohne das Stornierungsrecht oder mit einer kürzeren , angemessenen Stornierungsfrist, erworben hätten. Dafür enthalten die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Sachvortrag der Parteien keinen Anhaltspunkt.
4. Die Kläger berufen sich ohne Erfolg darauf, die Beklagte habe den Gewinn ihrem Girokonto bereits gutgeschrieben und sei zur Stornierung dieser Gutschrift nicht berechtigt gewesen. Da die Kläger keinen Anspruch auf den Gewinn hatten, stand der Beklagten ein Rückzahlungsanspruch gemäû § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB und somit ein Stornierungsrecht gemäû § 8 Abs. 1 Halbs. 1 ihrer AGB zu.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die Kläger bestritten haben, daû die Beklagte mit der Emittentin das Recht zum Rücktritt gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 vereinbart hat und daû diese Vereinbarung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Sie haben ferner bestritten, daû der Emittentin bei Stellung der Kurse ein Irrtum unterlaufen ist. Hierzu ist, gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag, Beweis zu erheben. Da der Irrtum der Emittentin nach dem Vortrag der Beklagten insbesondere an der starken Abweichung der angegebenen Kurse von den korrekten Kursen deutlich wird, kommt eine Begutachtung durch einen Sachverständigen in Betracht.
2. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, daû die Emittentin nicht zum Rücktritt gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 berechtigt war, sind Feststellungen zu dem von der Beklagten erhobenen Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu erheben. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, die Kläger hätten die unrichtige Kursstellung bei Auftragserteilung erkannt und deshalb anders als bei früheren Geschäften, bei denen sie nur bis zu 1.000 ? eingesetzt hätten, ihr gesamtes Guthaben in Höhe von 53.810 ? in den Options- scheinen angelegt. In einem Telefonat vom 4. Oktober 1999 habe die Klägerin zu 2) eingeräumt, den Fehler bei der Kursstellung erkannt zu haben.
Damit sind die Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung schlüssig vorgetragen. Ein interner, einseitiger Kalkulationsirrtum berechtigt zwar nicht zur Anfechtung (BGHZ 139, 177, 180). Es kann aber eine unzulässige Rechtsausübung gemäû § 242 BGB darstellen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt, obwohl er wuûte
oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzog, daû das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruhte, und wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGHZ 139, 177, 184 f.).
Nobbe Siol Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bungeroth ist wegen Urlaubs gehindert , seine Unterschrift beizufügen. Nobbe
Joeres Mayen

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 91/00 Verkündet am:
15. Januar 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht
nicht angenommen werden, ohne daß bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen
sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind.
BGH, Urt. v. 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - KG Berlin
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 3. April 2000 verkündete Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Klage auch in Höhe eines Betrages von 10.442,63 Euro (20.424,-- DM, Anl. K 15, Position 4 nebst Mehrwertsteuer - GA I 109) nebst 12,5% Zinsen seit Klagezustellung abgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin beteiligte sich an einer Ausschreibung des Beklagten und erhielt den Auftrag (im folgenden: ursprünglicher Vertrag) zur Lieferung, Auf-
stellung und Installation eines Novell-Netzwerks für die Abteilung Volksbildung des Bezirksamts W.. Dabei vereinbarten die Parteien die Geltung der Besonderen Vertragsbedingungen-Kauf (BVB-Kauf) sowie, daß der Beklagte wegen nicht ausreichender Haushaltsmittel die u.a. ausgeschriebenen Verkabelungsarbeiten in eigener Zuständigkeit durchführe.
Bei der Ausführung des Auftrags kam es zu Verzögerungen und Unstimmigkeiten. Unter dem 26. August 1994 wies die Klägerin auf viele durch Veränderungen des Systems verursachte Probleme hin, die sie "schon seit sechs Monaten ständig" habe "beheben" müssen, und forderte die Unterzeichnung eines Wartungsvertrags. Mit Schreiben vom 1. September 1994 teilte die Klägerin dem Beklagten sodann im Zusammenhang mit der bevorstehenden Begutachtung ihrer Leistungen durch einen Sachverständigen mit:
"Wie gestern telefonisch vereinbart entstehen dem Bezirksamt W. keine Kosten für den Gutachter.
Nur für den Fall, daß das Bezirksamt W. Technik Soft- und Hardware und Installation nicht anerkennt und den BVB-Vertrag nicht erfüllt, kann ... Schadensersatz geltend gemacht werden.
Wie Sie wissen, haben wir von vornherein jegliche Fehler (PC 18 Supervisor, Printserver, Netzwerkkarten, Installation von Windows mit 2 bzw. 4 MB, nicht angeschlossenes Netzwerkkabel , Umtausch der Netzwerkkarte, Kabeltopologie, Multiconnecttreiber , Prisma-Office-Update vom DOS von 6.0 auf 6.2,
Einbauen einer Festplatte), die an unseren Systemen eingebaut wurden, ohne Probleme und bisher auch ohne Kosten beseitigt."
Am 9. November 1994 erklärte der Beklagte die Abnahme der von der Klägerin erbrachten Leistung. Die nach dem ursprünglichen Vertrag vorgesehene Vergütung wurde bis auf einen hier nicht mehr interessierenden Rest bezahlt.
Unter dem 21. November 1995 erteilte die Klägerin eine weitere Rechnung , die sich über sechs Positionen verhält. Als Position 4 verlangte die Klägerin für in einer beigefügten Aufstellung aufgeschlüsselte 148 Stunden an zusätzlicher Leistung in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 einen Betrag von 20.424,-- DM (einschl. MwSt.).
Mit ihrer am 23. September 1997 zugestellten Zahlungsklage hat die Klägerin u.a. die Positionen 1 und 3 bis 6 dieser Rechnung und für die Jahre 1994 bis 1997 ein Wartungsentgelt gerichtlich geltend gemacht.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen teilweise entsprochen. Es hat die Positionen 1 und 3 der Rechnung vom 21. November 1995 für begründet erachtet, die Position 4 hingegen nur in Höhe eines Teilbetrages von 9.384,-- DM; insoweit habe die Klägerin dargelegt, daû 1994 aufgewendete Arbeitsstunden als Mehrleistung nur deswegen erforderlich gewesen seien, weil der Beklagte eine inkompatible Verkabelung verlegt habe. Ein Wartungsentgelt hat das Landgericht der Klägerin nur für das Jahr 1994 zugebilligt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf Grund des behaupteten Wartungsvertrages einen weiteren Betrag verlangt. Der Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung - auch im Umfang der Klageerweiterung - zurückgewiesen; die Anschluûberufung hatte hingegen im wesentlichen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin lediglich einen Betrag von 2.318,40 DM (Positionen 1 u. 3 der Rechnung vom 21. November 1995) nebst Zinsen verlangen.
Wegen der Zurückweisung ihres Begehrens im übrigen hat die Klägerin Revision eingelegt. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit mit dem Rechtsmittel ein Betrag von 20.424,-- DM nebst Zinsen weiterverfolgt wird.
Die Klägerin beantragt,
im Umfang der Revisionsannahme das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 10.442,63 Euro nebst 12,5 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe


1. Da die zulässige Revision im Übrigen nicht angenommen worden ist, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Klägerin - wie von ihr mit Position 4
der Rechnung vom 21. November 1995 verlangt - für die in der Anlage zu diesem Schreiben aufgelisteten Arbeiten den berechneten Betrag von 10.442,63 Euro (= 20.424,-- DM) - nebst Zinsen - als Entgelt für Leistungen beanspruchen kann, die nicht bereits im Rahmen des ursprünglichen Vertrags zu erbringen waren und deshalb mit der insoweit vereinbarten und bezahlten Vergütung abgegolten sind. Diese Frage hat das Berufungsgericht verneint. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
2. Mangels tatrichterlicher Feststellungen hierzu ist bei dieser Überprüfung davon auszugehen, daû die Klägerin in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 die in der Anlage zur Rechnung vom 21. November 1995 aufgelisteten und in der ebenfalls zu den Gerichtsakten gereichten Aufstellung gemäû Anlage K 14 näher bezeichneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, die ergänzende Hardwareinstallationen, Softwareinstallationen, Besprechungen , Beseitigung von sogenannten Manipulationen am Netz, Gerätetests usw. betrafen. Diese Leistungen haben im wesentlichen werkvertraglichen Charakter und ihre Erbringung durch einen Unternehmer kann normalerweise nur gegen eine Vergütung erwartet werden. Dies hat zur Folge, daû die Klägerin jedenfalls die übliche Vergütung verlangen kann (§ 631 Abs. 1, 2, § 632 Abs. 1, 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - im folgenden: a.F.), wenn sie diese Leistungen jeweils dem Wunsche des Beklagten entsprechend neben der Erfüllung des ursprünglichen Vertrages und damit auf konkludent geschaffener neuer vertraglicher Grundlage erbracht hat.
3. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, weil die Klägerin nicht im einzelnen unter Beweisantritt dargetan habe , daû es sich bei den in der Anlage zur Rechnung vom 21. November 1995
im einzelnen bezeichneten Arbeiten um zusätzliche Leistungen gehandelt habe , die über die Erfüllung des ursprünglichen Vertrags, insbesondere die Beseitigung bei der Erfüllung dieses Vertrags aufgetretener Fehler hinausgingen.
Diese Bewertung ist nicht prozeûordnungsgemäû zustande gekommen. Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dabei wiederholte Darlegungen der Klägerin übersehen und das angefochtene Urteil enthalte keine Begründung, warum das Berufungsgericht selbst im Hinblick auf die Leistungen einen Zusatzauftrag nicht als dargetan erachtet habe, für die das Landgericht der Klägerin ein zusätzliches Entgelt zugesprochen habe. Jedenfalls für einen Groûteil der Werkleistungen, von denen revisionsrechtlich davon auszugehen ist, daû sie erbracht worden sind, kann dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ohne weiteres eine schlüssige Darstellung entnommen werden, daû die Arbeiten weder im ursprünglichen Vertrag vereinbart waren noch einer im Rahmen dieses Vertrages geschuldeten Mängelgewährleistung dienten. Da das Berufungsgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteil festgehalten hat, daû die Klägerin zur Begründung der beanspruchten Vergütung im einzelnen unter Beweisantritt vorgebracht habe, daû sie die betreffenden Mehrleistungen jeweils auf Wunsch und in Erfüllung zusätzlicher Forderungen des Beklagten erbracht habe, kann mithin die Bewertung des Berufungsgericht, das Vorbringen der Klägerin sei unsubstantiiert, keinen Bestand haben.

a) Die Klägerin hat beispielsweise schriftsätzlich geltend gemacht, der erste Installationsversuch sei gescheitert, weil der Beklagte einen anderen Kabeltyp verlegt habe als ursprünglich vorgesehen. Durch Einbau und Tests von neuen Netzwerkkarten sei zusätzlicher Zeitaufwand entstanden. Dies weist Arbeiten, die laut Anlage K 14 am 28. Januar, 25. Februar, 4., 17., 24. und
31. März 1994 erbracht worden sind, dem Bereich der zusätzlich zu vergütenden zu. Denn die Klägerin brauchte ohne entsprechenden Hinweis seitens des Beklagten nicht damit zu rechnen, daû die Verkabelung nicht wie vorgesehen ausgeführt werde. Mehraufwendungen, die durch diese Änderung entstanden sind, waren mithin vom ursprünglichen Vertrag nicht umfaût. Das Landgericht hat der Klägerin die auf die genannten Positionen entfallende Vergütung demgemäû auch zugesprochen. Das Berufungsurteil läût nicht erkennen, weshalb es diese Bewertung für falsch hält.

b) Die Klägerin hat auûerdem behauptet, der Beklagte habe zusätzliche Hard- und Software bestellt bzw. verlangt, daû die Netzwerkeinbindung von Geräten anders vorgenommen werde als ursprünglich vorgesehen. Das steht in erkennbarer Beziehung zu Leistungen, die laut Anlage K 14 am 8. März, 7. und 18. April, 25. Mai, 6. Juni, 12. Juli sowie 4. August 1994 erbracht worden sind, und läût ebenfalls einen zusätzlichen Vergütungsanspruch als entstanden erscheinen. Wenn der Beklagte nachträglich zusätzliche Geräte oder eine andere Einstellung von Netzwerkparametern begehrte, war auch dies vom ursprünglichen Auftrag nicht umfaût. Das Berufungsgericht durfte sich angesichts dessen nicht damit begnügen, den Vortrag der Klägerin pauschal als unsubstantiiert zu bewerten. Es hätte ihm vielmehr nachgehen, dann aber auch den Einwendungen des Beklagten Rechnung tragen müssen, wonach in einigen Fällen vereinbart gewesen sei, nur das Material ohne Arbeitszeit habe gezahlt werden sollen, der in Rechnung gestellte Aufwand sei zu hoch oder Änderungen seien rechtzeitig abgestimmt worden und hätten deshalb keinen Mehraufwand verursacht.

c) Ein Groûteil des übrigen Aufwandes (Leistungen vom 8. und 11. April, 1., 2., 13., 21., 24., 29. und 30. Juni, 6. und 27. Juli, 2., 12. und 17. August 1994 der Anlage K 14) ist nach Behauptung der Klägerin überdies dadurch entstanden, daû Mitarbeiter der Beklagten eigenmächtig die Netzwerkkonfiguration verändert haben, was zu Fehlern geführt habe. Die Klägerin habe den entsprechenden Zeitaufwand benötigt, um die Fehler aufzufinden und zu beheben. Auch dieser Vortrag macht einen zusätzlichen Vergütungsanspruch schlüssig. Der Beklagte war nicht befugt, die Konfiguration des Netzwerks eigenmächtig zu ändern. Zumindest seine zur Vertragsabwicklung eingesetzten Mitarbeiter waren insoweit seine Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 Satz 1 BGB. Für aus ihren eigenmächtigen Änderungen resultierende Mängel und deren Behebung hat deshalb im Zweifel der Beklagte einzustehen. Gemäû § 16 Nr. 2 der zwischen den Parteien vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen (BVB-Kauf, veröffentlicht u.a. in GMBl. 1974, 326 ff.), die der Senat als allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann (vgl. BGHZ 7, 365, 368; BGHZ 105, 24, 27), weil sie als öffentlichen Auftraggebern in Bund und Ländern zur Verwendung vorgegebene Regeln in Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte angewendet werden, war der Beklagte als Auftraggeber verpflichtet , Änderungen an der Anlage der Klägerin als Auftragnehmerin rechtzeitig anzuzeigen. Daû dies geschehen sei, ist nicht festgestellt. Nach Abs. 3 der genannten Regel erlosch damit die Gewährleistung für Änderungen, die nicht im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer durchgeführt wurden, es sei denn, daû ein Mangel erkennbar nicht auf die Änderung zurückzuführen ist.
Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung entfällt entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hingegen nicht schon deshalb, weil die Klägerin durch Mitarbeiter des Beklagten vorgenommene Netzwerkmanipulationen durch un-
zureichenden Paûwortschutz erst ermöglicht hat. Zum einen würde ein derartiges Verhalten der Klägerin die von ihr behauptete Veranlassung von Zusatzarbeiten des Beklagten nicht ohne weiteres ausräumen. Unabhängig davon rügt die Revision zu Recht, daû das Berufungsgericht auch zu diesem Streitpunkt den Vortrag der Klägerin nicht ausreichend gewürdigt hat. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung nämlich dargelegt, sie habe eigens ein Paûwort eingerichtet und dieses nur auf Verlangen des für die Vertragsabwicklung zuständigen Mitarbeiters des Beklagten an diesen bekannt gegeben. Die sog. Supervisor -Rechte, mit deren Hilfe die in Streit stehenden Veränderungen vorgenommen worden seien, habe dann ein Mitarbeiter der Beklagten vergeben.
4. Ob eine Vergütungspflicht auch für weitere der aufgelisteten Arbeiten als schlüssig dargetan anzunehmen ist, kann für die revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils dahinstehen. Bereits nach dem bisher Ausgeführten ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daû der Klägerin wegen der Arbeiten in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 ein zusätzlicher Vergütungsanspruch entstanden ist. Unter diesen Umständen kann auch die Feststellung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, ein Anspruch der Klägerin sei wegen eines negativen Schuldanerkenntnisses i. S. v. § 397 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, in dem nach dem 17. August 1994 an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 1. September 1994 habe die Klägerin in Kenntnis, daû ihr wegen der erbrachten Leistungen möglicherweise ein Vergütungsanspruch gegen den Beklagten zustehe, anerkannt , daû insoweit ein Schuldverhältnis nicht bestehe. Denn aus dem Inhalt
des Schreibens gehe klar hervor, daû die Klägerin für die im einzelnen bezeichneten Tätigkeiten eine besondere Vergütung nicht beanspruchen wolle.
Diese Begründung ist nicht tragfähig, wie die Revision zu Recht geltend macht. Ein eindeutig auf einen Verzichtswillen der Klägerin hindeutender Wortlaut ist nicht gegeben. Die Formulierung "bisher auch ohne Kosten", aus der das Berufungsgericht seine Bewertung herzuleiten scheint, besagt zunächst nur, daû für die aufgeführten Tätigkeiten in der Vergangenheit nichts berechnet worden ist. Für die Feststellung, daû die Klägerin auch in Zukunft nichts habe verlangen wollen und dies auch erklärt habe, hätte es deshalb zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft. Hiermit hat sich das Berufungsgericht jedoch nicht befaût, obwohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlaû oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden muû und die der Erklärung zugrundeliegenden Umstände besondere Bedeutung haben (neuerdings wieder BGH, Urt. v. 10.5.2001 - VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325). Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, daû eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben (Sen.Urt. v. 18.4.1989 - X ZR 85/88, NJW-RR 1989, 1373, 1374; ebenso BGH, Urt. v. 16.11.1993 - XI ZR 70/93, NJW 1994, 379, 380; ähnlich - "strenge Anforderungen" - BGH, Urt. v. 22.6.1995 - VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237). Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne daû bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind.
Zu ihnen gehört im vorliegenden Fall, daû - wie aus dem ersten Satz des Schreibens vom 1. September 1994 hervorgeht - damals eine Begutachtung der von der Klägerin erbrachten Leistungen durch einen Sachverständigen bevorstand. Das konnte - auch für den Beklagten erkennbar - Grund für die Klägerin sein, das Ergebnis dieser Überprüfung erst einmal abzuwarten, bevor sie über die Vergütungsforderung disponierte. Die Erklärung der Klägerin, bisher keine Kosten für die genannten Arbeiten berechnet zu haben, könnte deshalb durchaus in ihrem wörtlichen Sinne und als indirekter Hinweis zu verstehen gewesen sein, daû eine nachträgliche Geltendmachung nicht ausgeschlossen sei, zumindest für den Fall, daû der Beklagte auf die anderweitigen Forderungen , insbesondere diejenige nach dem Abschluû eines entgeltpflichtigen Wartungsvertrags nicht eingehen werde. Diese Deutung würde auch im Einklang mit dem Umstand stehen, daû die Klägerin sich im zweiten Satz des Schreibens vom 1. September 1994 Schadensersatzansprüche vorbehalten hat, insoweit also durchaus auf Wahrung ihrer Rechte bedacht war.
5. Das angefochtene Urteil erweist sich im Umfang der Annahme auch nicht aus einem anderen Grund als richtig. Die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift gegenüber dem geltend gemachten zusätzlichen Vergütungsanspruch nicht.
Gemäû § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. unterliegt diese Forderung einer Verjährungsfrist von zwei Jahren, die gemäû §§ 201, 198 BGB a.F. am Schluû des Jahres beginnt, in dem der Anspruch zur Entstehung gelangte, worunter bei unbedingten Forderungen Fälligkeit zu verstehen ist (z.B. BGHZ 113, 193). Fällig konnte die zusätzliche Vergütung aber nicht werden, bevor die Klägerin sie mit Schreiben vom 21. November 1995 dem Beklagten in Rechnung stellte.
Dies folgt aus § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 BVB-Kauf. Diese Regelung sieht vor, daû der Auftraggeber alle Rechnungen unverzüglich nach Eingang prüft, feststellt und den Betrag erst dann zahlt. Daraus ergibt sich, daû die Klägerin wegen der zusätzlichen Vergütung Zahlungsklage frühestens im Jahre 1995 hätte erheben können. Die hiernach bis zum 31. Dezember 1997 laufende Verjährung ist durch Klageerhebung am 23. September 1997 unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB a.F.).
6. Die Sache ist deshalb zu weiterer Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten zu übertragen ist.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 176/99 Verkündet am:
7. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kabeldurchführung II
Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht
ohne weiteres übernehmen. Sachverständige Ä ußerungen sind vom Tatrichter
eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben
enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein
von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen.
Das Urteil muß erkennen lassen, daß dies geschehen ist.
BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. MeierBeck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision des Klägers im übrigen wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben, soweit es die auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klageanträge unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 1992 abgewiesen und insoweit die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war bis zu dessen Ablauf eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 89 13 829.5 (Klagegebrauchsmusters), das auf eine Anmeldung vom 23. November 1989 zurückgeht. Die Beklagte hat das Löschungsverfahren betrieben. Das Klagegebrauchsmuster ist teilweise gelöscht worden; Schutzanspruch 1 ist in folgender Fassung aufrechterhalten worden:
"Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen, wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen, wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist und die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses (1) gebildet sind, welches an seiner von der Schrankwand (6) abgewandten Seite (8) wenigstens eine Öffnung (9-11) und an seiner der Schrankwand (6) zugewandte Seite eine Öffnung (4) um das Loch in der Schrankwand zur Durchführung des Kabels (7) aufweist, daß die Teilungsfuge (12), die das Gehäuse (1) der Länge nach teilt, durch die Kabelöffnungen (9-11) an der von der Schaltschrankwand (6) abgewandten Seite (8) des
Gehäuses (1) hindurchgeht, daß die Schelle (18-20) zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile (3) befestigt ist, daß die Schrauben (22, 23), die in hülsenförmigen Vorsprüngen (27, 28) an der Innenseite eines Gehäuseteils (3) vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse (1) zusammenhalten und das von den Schrauben (22, 23) zusammengehaltene Gehäuse (1) an der Schrankwand (6) befestigbar ist."
Ein weiteres, von einem Dritten betriebenes Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist wegen Ablaufs des Klagegebrauchsmusters in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Beklagte stellte her und vertrieb vor Ablauf des Klagegebrauchsmusters eine Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in Form eines eckigen Gehäuses , in das in jeweils eigene Kammern Schaumstoffmanschetten zur Einlage der Kabel und Zugentlastungsschellen eingefügt sind. Der Kläger sieht hierdurch sein Klagegebrauchsmuster verletzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und - jeweils im wesentlichen wie beantragt - auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung erkannt.
Das mit der Berufung angerufene Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat dieses Berufungsurteil aufgehoben (Urt. v. 04.02.1997, BGHZ 134, 353 - Kabeldurchführung). Das Berufungsgericht, an das die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, hat ein Sachverständigengutachten
eingeholt und die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage erneut abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht dem Kläger auferlegt, wobei es erkannt hat, daß der Kläger im Umfang des aufgrund des Zeitablaufs des Klagegebrauchsmusters übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO zu tragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der beantragt wird,
das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlußanträgen des Klägers in der Berufungsinstanz zu erkennen.
Die Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die nach § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Eine Kostenentscheidung eines Oberlandesgerichts nach § 91 a ZPO ist nicht anfechtbar (§§ 567 Abs. 4, 99 Abs. 1 ZPO). Dies gilt auch dann, wenn sie als sogenannte Mischentscheidung im Rahmen eines streitigen Urteils getroffen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91 a Rdn. 27, 56 jeweils m.w.N.).
II. Im übrigen ist die Revision zulässig und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht hat in der Sache ausgeführt: Das Klagegebrauchsmuster gehe von einem Stand der Technik aus, bei dem das in der Wand eines Schaltschranks zum Durchführen eines Kabels mit angebrachtem Stecker vorzusehende Loch mit zwei Platten abgedeckt werde. Die Platten wiesen halbkreisförmige Ausnehmungen auf und würden links und rechts des Kabels so auf das Loch gelegt, daß sie aneinanderstießen und sich eine kreisrunde Öffnung für das Kabel ergebe. Wegen der Fuge zwischen den beiden Platten und der kreisförmigen Öffnung für das Kabel werde bei dieser Abdekkung die gewünschte Dichtigkeit nicht erreicht. Auch werde das Kabel nicht fixiert; der Stecker im Schaltschrank werde schon bei nur relativ geringem Zug auf das Kabel herausgezogen. Hiernach liege der Erfindung zugrunde, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Dichtigkeit und eine Zugentlastung des Kabels gewährleiste. Gelöst werde die damit verbundene Problematik durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich - wie auch die Parteien übereinstimmend meinten - in folgende Merkmale gliedern lasse:
1. Vorrichtung zum Abdichten eines in einer Schrankwand eines Schaltschranks angebrachten Lochs zur Durchführung eines Kabels in den Schaltschrank mit
2. zwei an der Außenseite der Schrankwand an gegenüberliegenden Seiten des Lochs angeordneten Teilen,
2.1. wobei jedes der beiden Teile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen ist, welche das Kabel umschließen,
2.2. wobei an einem der beiden Teile wenigstens eine Schelle zur Befestigung des Kabels befestigt ist,
2.3. die beiden Teile durch Schrauben miteinander verbunden sind,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
3. die beiden Teile durch die beiden Teile eines zweiteiligen rechteckigen Gehäuses gebildet sind,
3.1. welches an seiner von der Schrankwand abgewandten Seite wenigstens eine Öffnung
3.2. und an seiner der Schrankwand zugewandten Seite eine Öffnung
3.2.1. um das Loch in der Schrankwand
zur Durchführung des Kabels aufweist,
3.3. daß die Teilungsfuge, die das Gehäuse der Länge nach teilt,
3.4. durch die Kabelöffnungen an der von der Schaltschrankwand abgewandten Seite des Gehäuses hindurchgeht,
3.5. daß die Schelle zur Kabelbefestigung an der Innenseite eines der beiden Gehäuseteile befestigt ist,
4.1. daß die Schrauben, die in hülsenförmigen Vorsprüngen an der Innenseite eines Gehäuseteils vorgesehene Gewinde eingreifen, das Gehäuse zusammenhalten und
4.2. das zusammengehaltene Gehäuse an der Schrankwand befestigbar ist.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich seiner Merkmalsanalyse lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beanstandungen.
2. Das Berufungsgericht hat die auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge abgewiesen, weil die durch die angegriffene Ausführungsform verkörperte Lösung Erfindungsqualität besitze und deshalb vom Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters nicht umfaßt werde. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Merkmale 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite ) seien bei der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 nicht in einer mit der Anweisung des Schutzanspruchs 1 identischen Form verwirklicht. Der Dichtungskörper fülle die Gehäusehälften nicht aus; für die Schaumstoffkörper der angegriffenen Ausführungsform seien vielmehr eigene Facheinteilungen ge-
schaffen. Das Kabel sei nicht mit einer Schelle an einem Gehäuseteil befestigt; bei der angegriffenen Ausführungsform sei es mittels Schellenverbindung in einer weiteren Facheinteilung eingespannt. Das führe zwar zu Funktions- und Wirkungsgleichheit, bedeute aber konstruktive Unterschiede zur Lehre des Klagegebrauchsmusters. Die Überwindung dieser Unterschiede beruhe nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen auf eigenständigen erfinderischen Überlegungen des Durchschnittsfachmanns, die vom Stand der Technik in keiner Weise beeinflußt seien.

a) Bei der Feststellung, daß die angegriffene Ausführungsform auf eigenständiger erfinderischer Überlegung beruhe, ist das Berufungsgericht nicht den Anforderungen gerecht geworden, denen der Tatrichter bei der Würdigung dessen zu genügen hat, was als wahr zu erachten ist.
Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist er auch dann nicht enthoben, wenn er ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen deshalb nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Ä ußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muß die tragenden Gesichtspunkte
für die der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen.
Daran fehlt es hier. Was die Frage einer sich in der angegriffenen Ausführungsform verkörpernden erfinderischen Leistung anlangt, verweist das angefochtene Urteil ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Diese beschränken sich ihrerseits im schriftlichen Gutachten auf die Aussage, die Überwindung der konstruktiven Unterschiede, welche die Schaffung einer Facheinteilung mit Einstichen für die Aufnahme eines Abdichtungskörpers , einer davon beabstandeten weiteren Facheinteilung für die Aufnahme der das Kabel einspannenden und fixierenden Schellenverbindung und die Abkehr von der unmittelbaren Befestigung des Kabels mittels einer Schelle an einer der beiden Gehäuseteile umfaßten, hätten mehr als nur einen erfinderischen Schritt erfordert, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen ; der Durchschnittsfachmann werde nämlich jeden dieser zu überwindenden Unterschiede als nicht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters umfaßt begreifen. Das ist - auch wenn man die ansonsten umfangreichen schriftlichen und mündlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mitheranzieht - kaum mehr als eine Behauptung. Schon das hätte Anlaß zu näherer Darlegung geben müssen, warum das Berufungsgericht sich gleichwohl von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen hat überzeugen lassen.
Bei der Feststellung, daß der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, hat das Berufungsgericht außerdem die aktenkundig gemachten Ä ußerungen des vom Kläger hinzugezogenen Privatgutachters nicht berücksichtigt. Dieser Sachverständige ist ausweislich seines Ergänzungsgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, die angegriffene Ausführungs-
form verkörpere die Entwicklung einer durch Spritzguß herstellbaren serienreifen Vorrichtung, wie man sie von einem Durchschnittsfachmann bei Beachtung der allgemeinen Gestaltungsrichtlinien erwarten müsse. Mit dieser dem gerichtlichen Gutachten entgegenstehenden Bewertung hat das Berufungsgericht sich - anders als hinsichtlich anderer Differenzen in der Begutachtung durch die beiden Sachverständigen - in keiner Weise befaßt. Das widerspricht dem Grundsatz, daß zu der dem Tatrichter gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO obliegenden Beweiswürdigung insbesondere gehört, sich auch mit solchen Umständen und Beweismitteln auseinanderzusetzen, die zu einer anderen als der getroffenen Beurteilung führen können (Sen.Urt. v. 16.09.1997 - X ZR 54/95, GRUR 1998, 366, 368 - Ladewagen). Das schließt ein, auch das in Erwägung zu ziehen, was einem vorgelegten Privatgutachten über einen entscheidungserheblichen Punkt zu entnehmen ist. Denn jede widersprüchliche Begutachtung kann Anlaß zu Zweifeln geben, ob die von Gerichtsseite eingeholte Begutachtung ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung bietet (vgl. Sen.Urt. v. 20.07.1999 - X ZR 121/96, GRUR 2000, 138 - Knopflochnähmaschinen).
Daß ein Anlaß zu solchen Zweifeln gerade auch hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, ergibt die durch Ausbildung und beruflichen Werdegang belegte Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und des von dem Kläger eingeschalteten Privatgutachters andererseits. Der gerichtliche Sachverständige ist nach seinem Studium und seiner etwa fünfjährigen Industrietätigkeit Metallurge; es ist auch nicht ersichtlich, daß er aufgrund seiner sich daran anschließenden Tätigkeit beim Deutschen Patentamt und am Bundespatentgericht besondere Erfahrungen auf dem hier interessierenden technischen Gebiet der Schaltschrankabdichtung hat erwerben
können. Das schließt zwar nicht aus, daß sein Gesamtkenntnis- und Erfahrungsschatz - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - für die Beantwortung der Streitfragen des vorliegenden Falles ausreichend ist, zumal der gerichtliche Gutachter während seiner patentrechtlichen Tätigkeit mit Schutzrechten auch auf Gebieten wie Bauzubehör, Beschläge, Sicherheitseinrichtungen und Brandschutz befaßt war. Der Privatgutachter kann aber als Professor der Fachhochschule München, der als solcher den Fachbereich Feinwerk- und Mikrotechnik/Physikalische Technik, Entwicklungsmethodik, Mechatronik, Konstruktionstechnik betreut, als gerade auf dem hier interessierenden Gebiet der Technik besonders sachkundig gelten. Auch das hätte nähere eigene Darlegungen des Berufungsgerichts erfordert, warum es in der eingangs genannten Frage dem gerichtlichen Sachverständigen folgt (Sen., aaO - Ladewagen).

b) Die Feststellung, die angegriffene Ausführungsform liege außerhalb des äquivalente Lösungen umfassenden Schutzbereichs des Klagegebrauchsmusters , ist schließlich deshalb von Rechtsirrtum geprägt, weil der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht sie allein aufgrund einer Bewertung der Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 in ihrer konkreten Gestaltung getroffen haben.
Der Umstand, daß eine angegriffene Ausführungsform ihrerseits eine nicht durch den Stand der Technik nahegelegte erfinderische Lehre zum technischen Handeln verkörpert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.) noch kein hinreichender Grund, eine Benutzung einer durch ein (älteres) Patent geschützten Lehre zu verneinen. Für das Gebrauchsmuster gilt nichts anderes. Auch hier kann die angegriffene Ausführungsform zugleich eine allgemeinere Lehre verkörpern
und wegen ihrer sie konkretisierenden Gestaltung erfinderischen Charakter haben. Beinhaltet eine angegriffene Ausführungsform eine erfinderische Leistung , ist deshalb auch dann, wenn die Verletzungsklage auf ein Gebrauchsmuster gestützt ist, regelmäßig zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform vom Fachmann als Ausgestaltung einer - konkrete Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform außer Betracht lassenden, von der angegriffenen Ausführungsform aber gleichwohl verkörperten - allgemeineren Lehre zum technischen Handeln erkannt werden kann, die entweder wortsinngemäß mit einem Anspruch des Klageschutzrechts übereinstimmt oder sich diesem gegenüber als äquivalent darstellt (vgl. wiederum zum Patent: Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II). Diese Möglichkeit ist auch im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen , weil das Berufungsgericht gerade wegen der Abkammerungen im Inneren des Gehäuses der angegriffenen Ausführungsform, also wegen einer zu gebrauchsmustergemäßen Merkmalen hinzutretenden besonderen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform deren Erfindungsqualität bejaht hat.
Die danach erforderliche Prüfung geht im Falle abgewandelter, aber gleichwirkender Ausführungsformen dahin, ob für eine die angegriffene Ausführungsform erfassende allgemeinere Lehre festgestellt werden kann, daß sie vom Durchschnittsfachmann aufgrund von Überlegungen aufgefunden werden konnte, die sich an der in dem Schutzanspruch umschriebenen Erfindung orientieren. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat sich mit dieser Frage nicht befaßt.
3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben; die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem zur Herbei-
führung einer einheitlichen Kostenentscheidung auch die Befugnis einzuräumen ist, über die das Revisionsverfahren betreffenden Kosten zu befinden. Das Berufungsgericht wird dabei Rechnung zu tragen haben, daß rechtskräftig entschieden ist, daß der Kläger hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreit (Unterlassungsklage) gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen hat. Die für eine eigene abschließende Sach- und Kostenentscheidung des Senats notwendige Entscheidungsreife kann nicht festgestellt werden, weil noch tatrichterliche, Kenntnisse und Fähigkeit des Durchschnittsfachmanns betreffende Feststellungen notwendig sein können.
Die Entscheidungsreife folgt insbesondere nicht aus einem Geständnis der Beklagten. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen , daß die Beklagte im Sinne des § 288 ZPO zugestanden habe, die angegriffene Ausführungsform beruhe wegen ihrer abweichenden Merkmale nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Ein Geständnis ist Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners. Vorhandensein oder Fehlen eines erfinderischen Schrittes sind keine Tatsachen; denn sie können nur aufgrund einer komplexen Bewertung erkannt werden, die sich sowohl an rechtlichen als auch an tatsächlichen Maßstäben zu orientieren hat.
Deshalb geht auch der Vorwurf der Revision fehl, das Berufungsgericht habe eine etwaige Erfindungsqualität der angegriffenen Ausführungsform nicht berücksichtigen dürfen, weil dies in eindeutigem Widerspruch zu dem jahrelangen früheren Tatsachenvortrag der Beklagten stehe, ohne daß nachvollziehbare Gründe für die Ä nderung dieses Vortrags angegeben seien.

4. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich nicht auf eine Befassung mit der Frage beschränken können, ob die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 als abgewandelte Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters fällt. Es wird vielmehr - vorrangig - auch noch einmal der Behauptung des Klägers nachzugehen haben, daß die angegriffene Ausführungsform den Anweisungen zu 2.1 (Schaumgummiabdichtung) und 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) ihrem vernünftig verstandenen Wortsinne nach genüge, was - ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den sonstigen Merkmalen des Schutzanspruchs - bedeuten würde, daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 insgesamt von der Lehre des Schutzanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch macht. Denn die Auslegung des Schutzanspruchs durch das Berufungsgericht, die zur Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung der Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 geführt hat, ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei.

a) Zur Begründung seiner Annahme, Merkmal 2.1 (Schaumgummiabdichtung ) sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht , hat das Berufungsgericht wiederum nur auf das eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen. Ergänzend ist lediglich ausgeführt, es sei verständlich, wenn der Gerichtssachverständige Schlüsse daraus ziehe, daß die Gebrauchsmusterschrift in der Beschreibung auf S. 2 unten sowie S. 4 unten angebe, die beiden Gehäusehälften seien bzw. jede Gehäusehälfte sei "gefüllt"; das sei auch aus der Zeichnung, welche die Erfindung näher erläutere , zu entnehmen. Hieraus ergibt sich, daß nach Ansicht des Berufungsgerichts die Anweisung zu Merkmal 2.1 dahin geht, daß Schaumgummi oder Kunststoff-
schaumstoff das zweiteilige, rechteckige Gehäuse in Form von Körpern aus diesem Material ausfüllt. Das kann in dieser Form keinen Bestand haben.
Die Verständlichkeit eines Schlusses, den ein gerichtlicher Sachverständiger zieht, bietet für sich allein keine Gewähr dafür, daß das richtige Ergebnis gefunden worden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen außerdem nicht erkennen, daß die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze beachtet worden sind.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusterschutzanspruchs wird durch den Anspruchswortlaut definiert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GebrMG). Er, nicht die Beschreibung oder die Zeichnungen, ist deshalb maßgeblich. Entscheidend ist, welche Lehre zum technischen Handeln der Durchschnittsfachmann den durch den Schutzanspruch in Worte gefaßten Anweisungen entnimmt. Dies verbietet eine einengende Auslegung von in den Schutzanspruch aufgenommenen allgemein gehaltenen Anweisungen jedenfalls dann, wenn ihre Befolgung trotz der allgemeinen Fassung geeignet ist, zu der Lösung des Problems beizutragen , das dem Schutzrecht zugrunde liegt. Die betreffende Anweisung hat dann eine ohne weiteres im Sinne des Schutzrechts liegende sinnvolle Bedeutung und bedarf nach Aufgabe und Lösung des Schutzrechts keiner Konkretisierung. Sofern die Beschreibung oder die Zeichnungen des Schutzrechts konkretisierte Gestaltungen beschreiben, kennzeichnen sie unter diesen Umständen lediglich bevorzugte Ausführungen der allgemeiner gefaßten Anweisung des Schutzanspruchs.
Ein solcher Fall kann auch hier gegeben sein, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters seinem
Wortlaut nach nur verlangt, daß beide Gehäuseteile innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff versehen sind, wodurch das Kabel umschlossen wird.
Der Merkmal 2.1 betreffende Wortlaut geht danach zunächst ganz allgemein dahin, die beiden Teile des Gehäuses der Vorrichtung innen mit einem Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu versehen. Einem Fachmann, der das Problem bewältigen will, das durch das Klagegebrauchsmuster gelöst werden soll, muß es nicht notwendig erscheinen, das gesamte Gehäuseinnere mit dem vorgeschlagenen Material zu füllen. Bei einer Kabeldurchführung vermittels gattungsgemäßer Vorrichtung ergeben sich verschiedene Stellen bzw. Bereiche, die einer Abdichtung bedürfen; das sind zum einen die Trennfuge zwischen den beiden Teilen der Vorrichtung (Teilungsfuge gemäß Merkmal 3.3), zum anderen die zwischen Kabel und Vorrichtung umlaufende Fuge und schließlich die Fuge, die bei stirnseitiger Anlage der Vorrichtung zwischen dieser und der Schrankwand entsteht. Bei der den Stand der Technik betreffenden Nachteilsschilderung in der Beschreibung (S. 2 2. Abs.) sind nur die beiden ersten als die Dichtigkeit beeinträchtigende Gegebenheiten erwähnt. Hieraus kann entnommen werden, daß die Fuge zwischen der Vorrichtung und der Schrankwand - ohne daß es einer Festlegung durch den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bedürfte - anderweit zuverlässig abgedichtet werden kann. Bestätigt wird dies durch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels und die Fig. 2. Danach kann diese Abdichtung beispielsweise durch ein umlaufendes Profilgummi erfolgen (S. 6 2. Abs.). Aber auch bezüglich der Teilungsfuge (Merkmal 3.3) erwähnt die Beschreibung einen Dichtring als Abdichtung (S. 6 1. Abs.). Dies läßt es entbehrlich erscheinen , im Inneren Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff zu ha-
ben, welche diese Fuge über ihre gesamte Länge abdecken. Lediglich für den umlaufenden Spalt zwischen dem Kabel und den Gehäusehälften der Vorrichtung gilt etwas anderes. Insoweit ist eine andere Abdichtungsmöglichkeit nicht erwähnt. Hier muß sich deshalb der jeweilige Körper aus Schaumgummi oder Kunststoffschaumstoff bewähren. Hierzu muß das Kabel von dem Schaumstoffmaterial umschlossen sein, wie es im Schutzanspruch 1 auch ausdrücklich und die im übrigen allgemeine Anweisung konkretisierend heißt. Im Lichte der den Schutzanspruch 1 erläuternden Beschreibung kann damit in dieser Notwendigkeit das die Lösung gemäß Merkmal 2.1 Kennzeichnende liegen. Dies wird bestätigt durch Seite 2 letzter Abs. der Beschreibung, weil es dort heißt, dadurch, daß das Kabel umschlossen werde, werde es sicher abgedichtet. Angesichts der in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters angegebenen Möglichkeiten, Trennfuge und Fuge zwischen Vorrichtung und Schrankwand undurchlässig zu machen, ist hiermit dann auch die eigentliche Abdichtung des Lochs in der Schrankwand beschrieben, wie auf S. 6 1. Abs. der Beschreibung erwähnt ist. Mithin legt das Klagegebrauchsmuster dem Fachmann nahe, Merkmal 2.1 lediglich die Anweisung zu entnehmen, in beiden Teilen des Gehäuses einen das Kabel umschließenden Körper aus Schaumgummi bzw. Kunststoffschaumstoff vorzusehen.
Dies hat das Berufungsgericht unbeachtet gelassen, weil es - wiederum - kritiklos die Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen übernommen hat. Befaßt sich ein gerichtlicher Sachverständiger mit der Auslegung des Wortlauts eines Schutzanspruchs, gehört zu der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung vor allem auch die Überprüfung, ob dabei den Auslegungsregeln genügt ist. Diese Prüfung hätte hier ergeben, daß der gerichtliche Sachverständige bei seiner Bewertung des Schutzanspruchs 1 den Vorrang der An-
spruchsfassung vor der Beschreibung und den Zeichnungen mißachtet hat. Überdies fehlt selbst in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters jeglicher Hinweis für die Richtigkeit der die abschließende Meinung des gerichtlichen Sachverständigen prägenden Ansicht, erfindungsgemäß sorge das Zusammenpressen der beiden Gehäuseschalen dafür, daß das darin angeordnete gummielastische Dichtungsmaterial aus der kabelaustrittsseitigen Öffnung teilweise herausgepreßt und gegen den Randbereich des Lochs der Schrankwand abdichtend gedrückt werde. Ein solcher Vorgang ist im Klagegebrauchsmuster weder beschrieben noch gezeigt. Dafür, daß er nach dem fachmännischen Verständnis erfindungswesentlich sei, fehlt damit jeder Beleg.

b) Auch der Verneinung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.2/3.5 (Schellenbefestigung an der Innenseite) liegt keine Auslegung des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters zugrunde, wie sie nach dem Vorgesagten im Verletzungsrechtsstreit erforderlich ist. Der Senat hat bereits im ersten Urteil beanstandet, daß das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers eingegangen sei, die Schellen seien bei der angegriffenen Ausführungsform in Ausnehmungen einer Gehäusehälfte so angeordnet , daß sie beim Schließen der Gehäusehälften in den Ausnehmungen und damit an der Innenseite einer Gehäusehälfte befestigt seien. Dies habe eine Darlegung erfordert, warum nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns eine in drei Ebenen unbewegliche Anbringung erforderlich sei und warum der Durchschnittsfachmann aufgrund des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit der Beschreibung des Schutzrechts eine formschlüssige Verbindung, die eine Zugentlastung des Kabels in axialer Richtung bewirke, nicht für ausreichend erachte. Auf diese Darlegung habe nicht verzichtet werden können, weil gegen das Verständnis des Berufungsge-
richts die Zielsetzung des Klagegebrauchsmusters spreche, auch eine Zugentlastung des Kabels zu erreichen (S. 2 Abs. 2 u. 3, insbes. S. 3 Abs. 2 der Beschreibung). Zwar seien in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 1 des Klagegebrauchsmusters die Schellen in allen drei Ebenen unbeweglich, weil sie mit Schrauben befestigt seien (S. 5 Abs. 2 der Beschreibung). Auf eine solche Befestigung stelle aber der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nicht ab; ausweislich S. 3 Abs. 2 der Beschreibung genüge es, eine Schelle vorzusehen, mit der das Kabel befestigt werde. Hierzu sei eine unbewegliche Befestigung in drei Ebenen nicht ohne weiteres erforderlich. Bei vernachlässigbarem Spiel des Kabels in der dritten Ebene, wie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sei, könne eine Sicherung des Kabels in zwei Richtungsebenen genügen.
Diesen Beanstandungen trägt das angefochtene Urteil nicht Rechnung. Wiederum ist nur ein Schluß des gerichtlichen Sachverständigen als verständlich bezeichnet. Er ist allein daraus gezogen worden, daß nach der Beschreibung S. 5 oben die jeweilige Schelle an dem Steg der Gehäusehälfte mit Schrauben befestigt sei, während bei der angegriffenen Ausführungsform ein das Kabel umgreifende Schellenpaar in ein eigenes Fach allein formschlüssig eingelegt sei. Das ist keine Befassung mit den vom Senat genannten Gesichtspunkten. Vor allem die Erläuterung des Schutzanspruchs 1 auf S. 3 Abs. 2 der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters haben der gerichtliche Sachverständige und demgemäß auch das Berufungsgericht vernachlässigt. Hierdurch ist dem Fachmann nahegelegt, daß nach Schutzanspruch 1 jede Befestigung einer Kabelschelle an der Innenseite des Gehäuses ausreicht, die bei in der Schelle eingeklemmtem Kabel verhindert, daß der Stecker in dem Schaltschrank herausgezogen wird, wenn Zug auf das Kabel wirkt.

5. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Fachmann, der sich mit der Lehre des Klagegebrauchsmusters beschäftigt, keine sich etwa aus seinem allgemeinen Fachwissen ergebende Hinderungsgründe sieht, die Merkmale 2.1 und 2.2/3.5 in der wie vorstehend ausgeführt durch das Schutzrecht nahegelegten Weise zu verstehen, und sollte der nochmalige Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit der Lehre des Gebrauchsmusters ergeben, daß eine wortsinngemäße Benutzung vorliegt, kann es aus Rechtsgründen nicht auf die Frage ankommen, ob der angegriffenen Ausführungsform eine erfinderische Leistung zugrunde liegt. Diese Frage ist allein von Bedeutung, wenn eine angegriffene Ausführungsform in mindestens einer Hinsicht von den Anweisungen des sinnvoll verstandenen Wortlauts des Schutzanspruchs abweicht und deshalb zu klären ist, ob sie gleichwohl vom Ausschließlichkeitsschutz umfaßt ist.
Sollte das Berufungsgericht hingegen wiederum zu dem Ergebnis gelangen , daß die Kabeldurchführungsvorrichtung SZ.2400 lediglich als abgewandelte Ausführungsform zum Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters gehören kann, wird es für den Fall, daß die Prüfung, die nach den zu 2. gemachten Ausführungen nachzuholen ist, eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich ergibt, dem sogenannten FormsteinEinwand nach Maßgabe der Ausführungen des Senats in dem ersten Revisionsurteil nachzugehen haben.
Rogge Jestaedt Scharen

Mühlens Meier-Beck

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.