Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2003 - XI ZR 1/02
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine luxemburgische Bank, verlangt von dem Beklagten 487.433,91 DM nebst Zinsen zum Ausgleich des Sollsaldos auf einem Konto, das sie für ihn geführt hat. Über dieses Konto hat der Beklagte zahlreiche Börsentermingeschäfte abgewickelt, die zu erheblichen Verlusten geführt haben.
Der Beklagte verweigert den Ausgleich des Sollsaldos mit der Begründung , die Börsentermingeschäfte seien für ihn mangels Termingeschäftsfähigkeit unverbindlich gewesen. Die Klägerin hält die Börsentermingeschäfte für verbindlich und hat im Berufungsrechtszug ergänzend vorgetragen, der Sollsaldo des Kontos beruhe nicht ausschließlich auf den Verlusten aus Börsentermingeschäften, sondern im Umfang von 150.961,11 DM darauf, daß die Auszahlungen an den Beklagten seine Einzahlungen um diesen Betrag überstiegen hätten.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der erkennende Senat hat die Revision der Klägerin nur hinsichtlich eines Teils der Klageforderung in Höhe von 150.961,11 DM nebst Zinsen angenommen.
Entscheidungsgründe:
Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine
Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung , im wesentlichen ausgeführt:
Ein Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Sollsaldos bestehe nicht, weil die zugrunde liegenden Börsentermingeschäfte des Beklagten nach den §§ 61, 53 BörsG unverbindlich seien. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren 150.961,11 DM als Differenz der Ein- und Auszahlungen auf dem streitgegenständlichen Konto verlange, werde ein Bereicherungsanspruch aufgrund eines neuen Sachvortrags geltend gemacht. Darin liege eine Klageänderung (Änderung des Klagegrunds), der der Beklagte nicht zugestimmt habe und die das Berufungsgericht nicht als sachdienlich im Sinne der §§ 523, 263 ZPO ansehe.
II.
Soweit das Berufungsgericht es abgelehnt hat, sich mit dem Vortrag der Klägerin zu den Ein- und Auszahlungen auf dem streitgegen-
ständlichen Konto in der Sache zu befassen, halten seine Ausführungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das neue Vorbringen der Klägerin stellt keine Klageänderung dar. Mit ihrem Vortrag zu den Ein- und Auszahlungen auf dem streitgegenständlichen Konto hat die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen neuen Bereicherungsanspruch in den Rechtsstreit eingeführt. Sie hat vielmehr nach wie vor ihre Saldoforderung aus einem Kontokorrent (§ 355 HGB) geltend gemacht und lediglich den Versuch unternommen, den Termineinwand des Beklagten für einen Teil dieser Saldoforderung mit der Behauptung zu entkräften, der Saldo beruhe zu einem bestimmten Teil nicht auf Börsentermingeschäften, sondern auf der Differenz von Ein- und Auszahlungen. Darin liegt eine Ergänzung der tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Klägerin, die am Klagegrund nichts ändert und nach § 264 Nr. 1 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen ist.
Der Vortrag der Klägerin ist auch - falls er sich entgegen dem Bestreiten des Beklagten als zutreffend erweisen sollte - geeignet, der Klage in Höhe der behaupteten Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Umfang beruht das Berufungsurteil daher darauf, daß das Berufungsgericht es zu Unrecht abgelehnt hat, sich mit dem Vorbringen der Klägerin sachlich auseinanderzusetzen und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.
III.
Das Berufungsurteil mußte daher in dem Umfang aufgehoben werden , in dem der erkennende Senat die Revision der Klägerin angenommen hat (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Insoweit war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Joeres Wassermann
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§ 26e findet bis zum 27. Februar 2023 keine Anwendung.
(1) Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
(2) Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muss, ist § 274 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.
Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.
(1) Steht jemand mit einem Kaufmanne derart in Geschäftsverbindung, daß die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (laufende Rechnung, Kontokorrent), so kann derjenige, welchem bei dem Rechnungsabschluß ein Überschuß gebührt, von dem Tage des Abschlusses an Zinsen von dem Überschuß verlangen, auch soweit in der Rechnung Zinsen enthalten sind.
(2) Der Rechnungsabschluß geschieht jährlich einmal, sofern nicht ein anderes bestimmt ist.
(3) Die laufende Rechnung kann im Zweifel auch während der Dauer einer Rechnungsperiode jederzeit mit der Wirkung gekündigt werden, daß derjenige, welchem nach der Rechnung ein Überschuß gebührt, dessen Zahlung beanspruchen kann.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.