Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2002 - X ZR 68/00

bei uns veröffentlicht am06.06.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am:
X ZR 68/00 6. Juni 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Prof. Dr. Jestaedt, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Klägers wird das am 18. Februar 2000 verkündete Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 1. Juni 1999 - 6 O 376/98 - abgeändert. Die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf vom 22. Mai 1995 - 17 U 159/94 - wird für unzulässig erklärt.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien schlossen am 22. Mai 1995 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einen Prozeßvergleich, der - unter Berücksichtigung der geänderten Prozeßrollen - folgenden Inhalt hat:
"1. Der Kläger verpflichtet sich, an den Beklagten auf dessen Konto ... bei der ... Bank ... 43.000,-- DM inklusive Mehrwertsteuer zu zahlen und zwar in monatlichen Raten von je 1.000,-- DM, zahlbar jeweils bis zum 10. Werktag des Monats, beginnend mit dem Monat Juni 1995.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
3. Sollte der Kläger mit einer Rate über das Ende des laufenden Monats in Verzug geraten, so hat er 80.000,-- DM abzüglich der bereits geleisteten Raten an den Beklagten zu zahlen, und zwar nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Juni 1992.
In diesem Fall hat er auch die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien, auch soweit sie nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, ausgeglichen."
Der Kläger zahlte durch Dauerauftrag von seinem Konto bei einer griechischen Bank die vereinbarten Raten in Höhe von 1.000,-- DM monatlich, insgesamt 43.000,-- DM. Die Rate für April 1998 wurde jedoch erst am 4./7. Mai 1998 überwiesen.
Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus Nr. 3 des Vergleichs und hat den geschuldeten Betrag bei Erteilung des Vollstreckungsauftrages mit 65.781,62 DM berechnet.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger anstrebt, daû die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:


Da der Beklagte trotz ordnungsgemäûer Ladung in der Verhandlung über die Revision nicht vertreten war, ist antragsgemäû durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81).
In der Sache hat die Revision Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet. Die Zwangsvollstrek-
kung aus dem Prozeûvergleich vom 22. Mai 1995 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist für unzulässig zu erklären.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe sich mit der Zahlung der Aprilrate seit Beginn des Monats Mai 1998 in Verzug befunden. Die Parteien hätten für die Ratenzahlungen in Nr. 3 des Vergleichs eine nach dem Kalender bestimmte Zeit (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB) vereinbart, nämlich das jeweilige Monatsende. Für die Säumigkeit der von ihm eingeschalteten Bank habe der Kläger gemäû § 278 BGB einzustehen. Er habe nicht dargetan, daû die Bank ihrerseits einem schuldlosen Versehen unterlegen sei. Schlieûlich ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, der Beklagte habe seinen Zahlungsanspruch nicht gemäû § 341 Abs. 3 BGB verloren, denn diese Regelung finde keine Anwendung auf die Vereinbarung einer Verfallklausel der vorliegenden Art. Die Regelung in dem Prozeûvergleich, den das Berufungsgericht seit langen Jahren bei vergleichbar gelagerten Sachverhalten den Parteien vorschlage , beinhalte nicht, wie der Kläger meine, ein Vertragsstrafeversprechen. Vielmehr habe der Kläger durch den Vergleichsschluû eingewilligt, daû dem Beklagten der Betrag von 80.000,-- DM zustehen solle, wobei der Kläger bei vergleichsgemäûer Erfüllung seiner Zahlungspflicht in den Genuû einer erhebl ichen Leistungsreduzierung und Stundung habe kommen sollen.
Die Revision rügt, die Regelung in Nr. 3 des Prozeûvergleichs setze den Verzug voraus, begründe ihn aber nicht. Die Regelung in Nr. 1 des Vergleichs lasse das Erfordernis einer Mahnung nicht entfallen, weil die Leistungszeit danach nicht bestimmt, sondern nur bestimmbar sei. Auûerdem habe die Verzögerungsgefahr bei Geldleistungen der Gläubiger zu tragen. Die vom Kläger beauftragte Bank sei nicht seine Erfüllungsgehilfin. Der Kläger habe stets vorgetragen , daû sein Konto ausreichende Deckung aufgewiesen habe und der Dau-
erauftrag einmalig aufgrund eines Bankversehens nicht rechtzeitig ausgeführt worden sei. Schlieûlich rügt die Revision, bei der Regelung in Nr. 3 des Prozeûvergleichs handele es sich nicht um eine Verfallklausel, sondern um ein Vertragsstrafeversprechen. Selbst wenn man aber von einer Verfallklausel ausgehen wolle, so entfalle der Vorbehalt nach § 341 Abs. 3 BGB nicht.
Es kann dahinstehen, ob die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich mit der Zahlung der Aprilrate 1998 in Verzug befunden, rechtsfehlerhaft ist. Offenbleiben kann auch, ob die Parteien in dem Vergleich ein Vertragsstrafeversprechen vereinbart haben oder ob die hier streitige Vertragsbestimmung - wie das Berufungsgericht meint - als eine Verfallklausel zu verstehen ist. Dafür könnte zwar der Wortlaut sprechen. Maûgebend für diese Auslegung ist nicht, von welchem eigenen Verständnis das Berufungsgericht bei solchen Vergleichen ausgeht; dessen Inhalt wird davon bestimmt, welche Vorstellung die Parteien mit den Erklärungen des jeweiligen Vertragspartners verbinden konnten und durften. Nachdem das Berufungsgericht aber ausgeführt hat, es verwende diese Formulierung seit langen Jahren, ist jedenfalls nicht auszuschlieûen, daû die Parteien sich das Verständnis des Berufungsgerichts über den Regelungsgehalt des Prozeûvergleichs zu eigen gemacht haben.
Auch wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daû es sich bei der in dem Prozeûvergleich getroffenen Regelung nicht um die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, sondern einer Verfallklausel gehandelt hat, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (seit BGH, Urteil vom 27. Juni 1960 - VII ZR 101/59, NJW 1960, 1568) Verfallklausel und Vertragsstrafe insoweit gleichzusetzen, als die Vorschriften der §§ 339 ff. BGB auch auf die Verfallklausel zumindest entsprechend anzuwenden sind (BGH, Urt. v. 08.10.1992 - IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243 ff., 246 m.w.N. auf die st. Rspr.).
Das Berufungsgericht hat zwar gemeint, dies gelte nicht für eine Verfallklausel der vorliegenden Art. Es hat jedoch hierfür keine Begründung gegeben. Gründe , die eine solche abweichende Interpretation rechtfertigen konnten, sind auch nicht ersichtlich; sie ergeben sich insbesondere weder aus dem festgestellten Sachvortrag noch dem sonstigen Vorbringen der Parteien. Dieses läût lediglich eine den genannten Entscheidungen entsprechende Interessenlage erkennen. Das Berufungsgericht hat insbesondere auch keine Feststellungen dazu getroffen , daû die Parteien etwa § 341 Abs. 3 BGB abbedungen hätten oder sich sonst aus dem Vergleich ergäbe, daû die Parteien anderes vereinbart hätten. Daû es dabei wesentlichen Sachvortrag übergangen hätte, ist nicht ersichtlich.
Da der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Annahme der verzögerten Ratenzahlung einen Vorbehalt nicht erklärt hat, ist damit schon aus diesem Grunde die Vollstreckung aus dem Vergleich für unzulässig zu erklären, weil dem Beklagten ein vollstreckbarer Anspruch aus dem Vergleich nicht mehr zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Melullis Jestaedt Mühlens
Meier-Beck Asendorf

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 341 Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung


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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2009 - VIII ZR 272/08

bei uns veröffentlicht am 14.10.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 272/08 Verkündet am: 14. Oktober 2009 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Hat der Schuldner die Strafe für den Fall versprochen, dass er seine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise, insbesondere nicht zu der bestimmten Zeit, erfüllt, so kann der Gläubiger die verwirkte Strafe neben der Erfüllung verlangen.

(2) Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der nicht gehörigen Erfüllung zu, so findet die Vorschrift des § 340 Abs. 2 Anwendung.

(3) Nimmt der Gläubiger die Erfüllung an, so kann er die Strafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme vorbehält.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.