Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10

bei uns veröffentlicht am13.09.2011
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 14/09, 17.02.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 62/10 Verkündet am:
13. September 2011
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher, Hoffmann und die
Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 17. Februar 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 771 048 (Streitpatents), das am 21. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier deutscher Patentanmeldungen vom 26. Oktober 1995 und 31. Mai 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in einem Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt beschränkt aufrechterhalten worden. Patentanspruch 1 von insgesamt vier Patentansprüchen hat danach folgenden Wortlaut: "Schlauchförmige Hülle zur Isolation von elektromechanischen und/oder elektronischen Bauelementen, deren überstehende Endbereiche unter Einhalten der elektrisch notwendigen Abstände durch Flachpressen verschlossen sind, dadurch gekennzeichnet, dass der zu verschließende Endbereich (2, 2a und 7a, 7b) der Hülle (1 bzw. 7) vor dem Ver- pressen an gegenüberliegenden Seiten faltenförmig (Falten 3, 4 und 8, 9) eingeschlagen ist und dass die Falten (3, 4 und 8, 9) so tief sind, dass die verschlossenen Endbereiche (2, 2a und 7a, 7b) gegenüber dem übrigen Hüllenkörper keilförmig verjüngt sind."
2
Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Ferner sei der Gegenstand des Streitpatents weder neu noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
4
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen.
5
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Streitpatent betrifft eine schlauchförmige Hülle zur Isolation von elektromechanischen oder elektronischen Bauteilen wie z.B. Thermoschutzschaltern , Kondensatoren, Relais, Spulen und dergleichen.
7
1. Die Streitpatentschrift setzt solche Hüllen als bekannt voraus. Die beiden Enden solcher Hüllen werden in der Regel vor bzw. nach dem Einsetzen des Bauteils unter Wärmeeinwirkung durch Flachpressen zu einer Kappe geformt bzw. weitestgehend verschlossen. Hierdurch entstehen an den Enden sichelförmige Flächen (2 und 2a), die wie in der nebenstehenden Figur 3 der Streitpatentschrift gezeigt, scharfkantig nach außen hervorstehen. Diese Kanten können im Verlauf des Einbaus eines so isolierten Bauteils in eine Schaltung oder ein Gerät zur Verletzung benachbarter Komponenten führen. Insbesondere beim Einbringen von auf diese Weise elektrisch isolierten Bauteilen, wie zum Beispiel bei einem zwischen Windungen einer Wicklung eingebauter Temperaturschutzschalter, besteht die Gefahr, die empfindliche Drahtisolation zu verletzen.
8
Der Lehre des Streitpatents liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine isolierende Hülle für elektrische Bauteile zu schaffen, bei der die Verletzungsgefahr für benachbarte Bauteile auf ein Minimum reduziert wird.
9
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 eine Hülle vor, die sich wie folgt in Merkmale gliedern lässt: (1) Die Hülle (1; 7) ist schlauchförmig und dient der (elektrischen ) Isolation von (in die Hülle eingeführten) elektromechanischen und/oder elektronischen Bauelementen (5; 10). (2) Die Endbereiche (2, 2a; 7a, 7b) der Hülle (1; 7) sind vor dem Verpressen an gegenüberliegenden Seiten faltenförmig (Falten 3, 4; 8, 9) eingeschlagen. (3) Die Endbereiche (2, 2a; 7a, 7b) sind (a) unter Einhaltung der elektrisch notwendigen Abstände flachgepresst und hierdurch verschlossen und (b) durch entsprechend tiefe Falten (3, 4; 8, 9) gegenüber dem übrigen Hüllenkörper keilförmig verjüngt.
10
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
11
a) Die Isolation im Sinne von Merkmal 1 meint, wie das Patentgericht zu Recht und unangefochten ausgeführt hat, eine elektrische Isolation. Die Streitpatentschrift befasst sich ausschließlich mit einer Isolation im elektrischen Sinne. An mehreren Stellen bezeichnet sie die Isolation ausdrücklich als eine elektrische Isolation (Abs. 1 Sp. 1 Z. 4; Abs. 3 Sp. 1 Z. 39; Abs. 4 Sp. 1 Z. 43). Wegen der elektrisch isolierenden Eigenschaften der Luft muss die Hülle das Bauteil deshalb nicht luftdicht verschließen. Die Anwendungsbeispiele der Streitpatentschrift geben auch deutlich zu erkennen, dass die Hülle in der Regel nicht unter Wasser eingesetzt wird, weshalb die Isolation das Bauteil auch nicht wasserdicht verschließen muss. Es reicht vielmehr aus, das Bauteil so zu verschließen, dass andere Bauteile oder Gegenstände, die sich in der Nähe befinden, keinen elektrischen Kontakt mit dem verhüllten Bauteil bekommen können. Ein solcher Kontakt wird auch ausgeschlossen, wenn die Hülle das Bauteil mit tunnelförmig verbleibenden Öffnungen umschließt und die Öffnungen klein genug sowie der tunnelförmige Abstand zum Bauteil weit genug sind, um einen elektrischen Kontakt zu vermeiden.
12
Dementsprechend ist auch die "Einhaltung der elektrisch notwendigen Abstände" gemäß Merkmal 3a zu verstehen.
13
b) Eine Isolation der zum Bauteil führenden Leiter wird von den Merkmalen 1 und 2 nicht gefordert. Da diese Leiter aus der Hülle herausführen , müssen diese selbst hinreichend isoliert sein.
14
c) Die keilförmige Verjüngung der Endbereiche gemäß Merkmal 3b muss sich nicht nur nach dem faltenförmigen Einschlagen der Hülle in diesem Bereich ergeben, sondern auch noch nach dem Verpressen vorhanden sein. Um wie angestrebt die Verletzungsgefahr für benachbarte Bauteile zu reduzieren, bedarf es nicht nach außen vorstehender, viel- mehr sich keilförmig verjüngender Endbereiche auch und gerade nach dem Verpressen der Hülle.
15
d) Mit dem faltenförmigen Einschlagen der gegenüberliegenden Seiten der Hülle beschreibt Merkmal 2 einen Endzustand der Hülle, bei dem die eingeschlagenen Falten auch nach dem Verpressen noch sichtbar sind, oder einen solchen, gegebenenfalls mit anderen Mitteln wahrzunehmenden Zustand, der durch ein Falten vor dem Verpressen zu erzielen ist. Auch bei einem Sachanspruch muss der Anspruchswortlaut nicht vollständig durch räumlich-körperlich oder funktional umschriebene Sachmerkmale definiert werden. Vielmehr können einzelne Merkmale des erfindungsgemäßen Erzeugnisses auch durch Eigenschaften, Zustände oder sonstige Umstände aus dem Herstellungsprozess beschrieben werden , mit denen ein solcher Gegenstand gewonnen werden kann, wenn deren Auswirkungen auf das Erzeugnis sich nicht, nicht kurz oder nur vage durch die im Endzustand vorzufindenden Sachmerkmale beschreiben ließen (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 - X ZB 13/90, BGHZ 122, 144, 154 mwN - Tetraploide Kamille; vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 unter V 1 - zipfelfreies Stahlband; vom 19. Mai 2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 unter B I 2 - Aufzeichnungsträger).
16
II. Das Patentgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung wie folgt begründet:
17
1. Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik neu. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 41 10 455 (NK10) und der US-amerikanischen Patentschrift 2 997 411 (NK12) seien schlauchförmige Hüllen zur Isolation eines elektrischen Bauteils bekannt, wobei aber nach diesen Druckschriften nicht beide, sondern nur ein Endbereich verschlossen werde. Außerdem würden die Endbereiche nicht keilförmig verjüngt, sondern die Kontur des übrigen Hüllenkörpers geradlinig verlängert.
18
Auch die weiteren dem Streitpatent entgegengehaltenen Druckschriften nähmen dessen Lehre nicht neuheitsschädlich vollständig vorweg.
19
Weiterhin beruhe die schlauchförmige Hülle gemäß Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.
20
Ausgehend von schlauchförmigen Hüllen, wie sie aus den Druckschriften NK10 und NK12 bekannt gewesen seien, möge der Fachmann - ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik, der auch über Kenntnisse der Kunststoff- und Verfahrenstechnik verfüge - zwar beide Endbereiche im Bedarfsfall flachgepresst haben. Aber weder durch diese Druckschriften selbst noch durch anderen im Verfahren befindlichen Stand der Technik habe er einen Hinweis darauf bekommen, die zu verschließenden Endbereiche vor dem Verpressen an den Seiten faltenförmig so einzuschlagen, dass diese Bereiche sich dadurch gegenüber dem übrigen Hüllenkörper keilförmig verjüngen würden.
21
Die in der US-amerikanischen Patentschrift 3 385 922 (NK11) gezeigte schlauchförmige Hülle für ein elektrisches Bauelement weise zwar faltenförmig eingeschlagene Endbereiche auf. Die Hülle diene indes nur als Verpackung, die vor der Verwendung des Bauelements wieder zu entfernen sei. Sie gebe dem Fachmann keinen Hinweis, eine solche Hülle in gleicher Weise zur Isolierung eines elektrischen Bauteils zu verwenden.
22
2. Soweit die Klägerin geltend mache, die Streitpatentschrift offenbare die Erfindung nicht so deutlich, dass ein Fachmann sie ausführen könne, werde damit nicht die Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre , sondern lediglich deren Brauchbarkeit in Frage gestellt.
23
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
24
1. Die Lehre des Streitpatents wird in der Patentschrift hinreichend deutlich und vollständig offenbart, damit ein Fachmann sie ausführen kann.
25
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, zieht die Klägerin nicht die Herstellbarkeit einer Hülle mit den Merkmalen 1 bis 3b in Zweifel, sondern stellt lediglich in Abrede, dass hiermit die in der Streitpatentschrift angegebenen Vorteile erreicht werden. Ob auch erfindungsgemäß scharfe Kanten entstehen, ist unerheblich. Die Gefahr der Beschädigung benachbarter Bauteile soll nicht durch "Entschärfung" der Kanten, sondern durch die Keilform der Endbereiche reduziert werden; ein gänzlicher Ausschluss solcher Gefahren wird vom Patentanspruch nicht verlangt.
26
Der Ausführbarkeit steht auch nicht entgegen, dass der Patentanspruch nicht angibt, wie bei der erfindungsgemäßen Hülle mehrere zum Bauteil führende Leiter gegeneinander isoliert werden, wenn diese nach derselben Seite aus der Hülle herausgeführt werden. Eine solche Isolation wird von der Lehre des Streitpatents nicht umfasst, vielmehr ist für den Fachmann erkennbar, dass diese Leiter eine eigene Isolation aufweisen müssen und die erfindungsgemäße Hülle keine isolierende Wirkung für diese Leiter untereinander entfalten muss.
27
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.
28
a) Die Lehre des Streitpatents war neu im Vergleich zum Stand der Technik.
29
aa) Die NK10 nahm diese Lehre nicht neuheitsschädlich vorweg. Diese zeigt eine elektrisch isolierende Umhüllung für eine Verbindungsstelle von mehreren elektrischen Leitern , auf die zumindest in den beiden Endbereichen mittels Ultraschall formgebend eingewirkt wird. Dabei wird in einem Ausführungsbeispiel die Hülle entsprechend der nebenstehenden Figuren 1 und 2 mit Ultraschall so zusammengeschweißt, dass sich an einem Ende eine flächenartige Schweißnaht ergibt, die mit ihren Rändern geradlinig der Kontur der Hülle folgt.
30
Die NK10 gibt nicht zu erkennen, dass die Hülle in ihren Endbereichen keilförmig zu verjüngen ist und hierfür Falten zu bilden sind. Die Merkmale 2 und 3b werden folglich von ihr nicht offenbart.
31
bb) Auch die NK12 offenbarte die Merkmale der Lehre des Streitpatents nicht vollständig. Diese Druckschrift zeigt isolierte elektrische Verbinder , die unter Druck einen elektrischen Kontakt unter den Drahtenden mehrerer elektrischer Leiter herstellen. Hierfür wird eine metallische Klemmhülse von einer Kunststoffhülle umgeben, die nach einem Ausführungsbeispiel über dem geschlossenen Ende der Hülse entsprechend der nebenstehenden Figur 7 der NK12 durch Zusammendrücken des Kunststoffs unter Erzeugung einer Naht verschlossen wird (NK12 Sp. 3 Z. 5-8).
32
Die NK12 beschreibt, dass bei diesem Ausführungsbeispiel der Endverschluss leicht eine größere Breite erreicht als die Hülse selbst. Um dem zu begegnen, sollen spezielle Werkzeuge zum Verschluss der Kunststoffhülle wie die in der nebenstehenden Figur 10 der NK12 dargestellten verwendet werden, die eine Extrusion des Kunststoffs nach außen begrenzt. Die NK12 stellt sich damit wie das Streitpatent die Aufgabe, den Kunststoff nicht sichelförmig über die Kontur der Hülle heraustreten zu lassen. Sie löst diese Aufgabe indessen nur insoweit, dass die Naht nicht breiter wird als der Durchmesser der Hülle, womit die Seitenränder des Endverschlusses rechtwinklig auf die Naht zulaufen.
33
Demnach offenbart die NK12 jedenfalls nicht eine keilförmige Verjüngung entsprechend dem Merkmal 3b, weil dies größere als rechte Winkel im Endbereich des Hüllenverschlusses voraussetzen würde.
34
cc) Der Gegenstand des Streitpatents wurde auch nicht von der deutschen Offenlegungsschrift 34 39 699 (NK7) vorweggenommen. Hierbei handelt es sich um eine Einlage für Schrumpfmuffen , die sich entsprechend der nebenstehenden Figur 2 der NK7 in ihren Endbereichen konusförmig verjüngt, um so ein gleichmäßiges Anschmiegen der darüber zu schrumpfenden Umhüllung zu ermöglichen.
35
Die als Gegenstand der NK7 dargestellte Hülle stellt als Einlage für eine Hülle nicht die Hülle selbst dar, so dass es insoweit schon an einer Offenbarung des Merkmals 1 fehlt. Hinsichtlich der in der NK7 angespro- chenen Umhüllung wird zumindest ein dem Merkmal 3a entsprechendes faltenförmiges Einschlagen der Hülle nicht offenbart; vielmehr soll diese Hülle auf der Einlage gemäß der NK7 möglichst homogen, mithin ohne Falten anliegen.
36
b) Schließlich war der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
37
Ausgehend von der NK12 gab es im Stand der Technik ein Verfahren mit dem der Endbereich einer schlauchförmigen Hülle, die ein elektrisches Bauteil isoliert, durch Flachpressen verschlossen wird. Die NK10 zeigte dem Fachmann ebenfalls eine solche Verschlussform, wenngleich danach der Verschluss nicht durch Flachpressen sondern mittels Ultraschallschweißen hergestellt wird.
38
Beide Druckschriften geben indessen keine Anregung dafür, die verschlossenen Endbereiche erfindungsgemäß durch das Einschlagen von Falten keilförmig zu verjüngen. Die NK12 zeigt zwar ein weiteres Ausführungsbeispiel, bei dem entsprechend der nebenstehenden Figur 6 der NK12 Falten gebildet werden. Diese Falten bezwecken indessen nicht, die seitlichen Ränder eines als Fläche ausgebildeten Endbereichs keilförmig zu verjüngen. Vielmehr soll anstelle einer eindimensionalen Verschlussnaht ein kreuzförmiger Verschluss entstehen, dessen Ränder ebenso wie in dem obigen Ausführungsbeispiel zur Figur 7 der NK12 der Hüllenkontur folgen und somit rechtwinklig enden. Ein Hinweis , durch das faltenförmige Einschlagen eine keilförmige Verjüngung zu erzielen, um weniger spitze oder rechtwinklige Winkel in den Endbereichen zu erzeugen, die benachbarte Bauteile beschädigen könnten, ist der NK12 nicht zu entnehmen.
39
Dass hierfür auch die weiteren in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen keine Anregung bieten, hat das Patentgericht zutreffend ausgeführt; die Berufung wendet sich hiergegen auch nicht.
40
3. Die Unteransprüche 2 bis 4 stellen jeweils nähere Ausgestaltungen des Patentanspruchs 1 dar, womit sie sich ebenso wie dieser als patentfähig erweisen. Ausgehend von der oben ausgeführten Auslegung der Patentansprüche, ergeben sich auch für die Unteransprüche keine Bedenken zu deren Ausführbarkeit und einer hinreichenden Offenbarung derselben.
41
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Gröning Bacher Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.02.2010 - 4 Ni 14/09 (EU) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2011 - X ZR 62/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Mai 2005 - X ZR 188/01

bei uns veröffentlicht am 19.05.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 188/01 Verkündet am: 19. Mai 2005 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juni 2001 - X ZR 159/98

bei uns veröffentlicht am 19.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 159/98 Verkündet am: 19. Juni 2001 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 159/98 Verkündet am:
19. Juni 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
"zipfelfreies Stahlband"
Wird das geschützte Erzeugnis im Patentanspruch durch das Verfahren seiner
Herstellung gekennzeichnet, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln
, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Herstellungsweg durch
diesen bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die
das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren.
BGH, Urt. v. 19. Juni 2001 - X ZR 159/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Melullis, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 3. März 1998 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert : Das deutsche Patent 38 03 064 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß die Patentansprüche folgende Fassung erhalten: 1. Verfahren zur Herstellung eines kaltgewalzten Bleches oder Bandes mit guter Umformbarkeit aus Stahl mit folgender Zusammensetzung in Gewichtsprozenten: 0,02 bis 0,06 % Kohlenstoff, vorzugsweise 0,03-0,048 % Kohlenstoff , 0,01 bis 0,40 % Silizium, 0,10 bis 0,80 % Mangan, 0,005 bis 0,08 % Phosphor, 0,005 bis 0,02 % Schwefel, max. 0,009 % Stickstoff, 0,015 bis 0,08 % Aluminium, 0,01 bis 0,04 % Titan, max. 0,15 % von einem oder mehreren der Elemente Kupfer, Vanadium, Nickel, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen, wobei der Titangehalt auf mindestens dem Vierfachen des Stickstoffgehalts eingestellt wird, bei dem eine Zipfelfreiheit oder zumindest Zipfelarmut bei einem hohen Streckgrenzenniveau eingestellt wird, indem die Bramme auf oberhalb 1120 ° C erwärmt und zu Warmband bei einer Walzendtemperatur oberhalb des Ar -Punktes ausgewalzt und das

3

Band bei 520 ± 100 ° C gehaspelt, anschließend kaltgewalzt und nach dem Kaltwalzen rekristallisierend im Bund unterhalb A ge-

1

glüht wird, wobei die Kaltwalzung in Abhängigkeit vom Titangehalt mit nachstehenden Umformgraden (Epsilon) erfolgt:
ca. 0,01 % Titan: Epsilon 20 bis 60 %, vorzugsweise 30 bis 50 %,
ca. 0,02 % Titan: Epsilon 10 bis 15 % oder Epsilon 40 bis 85 %, vorzugsweise 50 bis 80 %,

ca. 0,03 % Titan: Epsilon 5 bis 25 %, vorzugsweise 10 bis 20 %, oder Epsilon 50 bis 85 %, vorzugsweise 60 bis 80 %,
ca. 0,04 % Titan: Epsilon 15 bis 25 %, vorzugsweise 20 %, oder Epsilon 55 bis 80 %, vorzugsweise 60 bis 70 %.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem nach dem rekristallisierenden Glühen mit einem Umformgrad von ca. 1 % dressiert wird.
3. Zum Tiefziehen geeignetes Blech oder Band aus Stahl in der gegebenen Zusammensetzung und hergestellt nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2 mit einer Ferritkorngröße feiner als ASTM 7 für einen Titangehalt von ca. 0,01 % und feiner als ASTM 9 für Titangehalte von 0,015 bis 0,04 %.
4. Verwendung eines gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 hergestellten Bleches oder Bandes für das zipfelarme Tiefziehen, vorzugsweise von rotationssymmetrischen Teilen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu ¾ der Klägerin und zu ¼ der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 29. Januar 1988 angemeldeten deutschen Patents 38 03 064 (Streitpatents), das ein Verfahren zur Herstellung eines kaltgewalzten Bleches oder Bandes mit guter Umformbarkeit aus Stahl sowie ein zum Tiefziehen geeignetes kaltgewalztes Blech oder Band aus Stahl und dessen Verwendung betrifft.
In einem Einspruchsverfahren, an dem auch die Klägerin beteiligt gewesen ist, hat das Bundespatentgericht das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten (Beschl. v. 26.07.1994, 13 W (pat) 103/92). Wegen des Wortlauts der Ansprüche in der aufrechterhaltenen Fassung wird auf die geänderte Patentschrift (C-2-Schrift) Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat sie das Streitpatent nur noch beschränkt verteidigt. Danach sollten die Patentansprüche wie folgt lauten:
1. Verfahren zur Herstellung eines kaltgewalzten Bleches oder Bandes mit guter Umformbarkeit aus Stahl mit folgender Zusammensetzung in Gewichtsprozenten:
0,02 bis 0,06 % Kohlenstoff, vorzugsweise 0,03-0,048 % Kohlenstoff , 0,01 bis 0,40 % Silizium, 0,10 bis 0,80 % Mangan, 0,005 bis 0,08 % Phosphor, 0,005 bis 0,02 % Schwefel, max. 0,009 % Stickstoff, 0,015 bis 0,08 % Aluminium, 0,01 bis 0,04 % Titan, max. 0,15 % von einem oder mehreren der Elemente Kupfer, Vanadium, Nickel, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
wobei der Titangehalt auf mindestens dem 3,5fachen des Stickstoffgehalts eingestellt wird,
bei dem eine Zipfelfreiheit oder zumindest Zipfelarmut bei einem hohen Streckgrenzenniveau eingestellt wird, indem die Bramme auf oberhalb 1120 ° C erwärmt und zu Warmband bei einer Walzendtemperatur oberhalb des Ar -Punktes ausgewalzt und das

3

Band bei 520 ± 100 ° C gehaspelt, anschließend kaltgewalzt und nach dem Kaltwalzen rekristallisierend im Bund unterhalb A ge-

1

glüht wird, wobei die Kaltwalzung in Abhängigkeit vom Titangehalt mit nachstehenden Umformgraden (e) erfolgt: ca. 0,01 % Titan: e 20 bis 60 %, vorzugsweise 30 bis 50 %, ca. 0,02 % Titan: e 10 bis 15 % oder e 40 bis 85 %, vorzugswei- se 50 bis 80 %,
ca. 0,03 % Titan: e 5 bis 25 %, vorzugsweise 10 bis 20 %, oder e 50 bis 85 %, vorzugsweise 60 bis 80 %, ca. 0,04 % Titan: e 15 bis 25 %, vorzugsweise 20 %, oder e 55 bis 80 %, vorzugsweise 60 bis 70 %.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem nach dem rekristallisierenden Glühen mit einem Umformgrad von ca. 1 % dressiert wird.
3. Zum Tiefziehen geeignetes Blech oder Band aus Stahl in der gegebenen Zusammensetzung und hergestellt nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2 mit einer Ferritkorngröße feiner als ASTM 7 für einen Titangehalt von ca. 0,01 % und feiner als ASTM 9 für Titangehalte von 0,015 bis 0,04 %.
4. Verwendung eines gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 hergestellten Bleches oder Bandes für das zipfelarme Tiefziehen, vorzugsweise von rotationssymmetrischen Teilen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Klageabweisung im übrigen dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß die Patentansprüche die verteidigte Fassung erhalten haben; sein Urteil ist in BPatGE 40, 104 veröffentlicht.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Für den Fall, daß das Streitpatent mit den ihm durch das angefochtene Urteil gegebenen Ansprüchen keinen Bestand haben sollte, verteidigt sie das Streitpatent hilfsweise mit diesem Anspruchssatz mit der Maßgabe, daß die Einstellung des Titangehalts in Anspruch 1 mit mindestens dem Vierfachen (statt 3,5fachen) des Stickstoffgehalts angegeben wird.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. rer. nat. G. G. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten des Prof. Dr.-Ing. habil. L. M. vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Mit den in erster Instanz verteidigten Ansprüchen ist das Streitpatent nicht patentfähig. Der Senat hat jedoch nicht die Überzeugung gewonnen, daß das Streitpatent auch mit den hilfsweise verteidigten Ansprüchen nicht patentfähig und daher insgesamt für nichtig zu erklären ist (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4, 21 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 PatG).
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines kaltgewalzten Stahlbleches oder -bandes mit guter Umformbarkeit sowie ein zum Tiefziehen geeignetes kaltgewalztes Stahlblech oder -band und dessen Verwendung.
Hinsichtlich der allgemeinen Grundlagen der in Streit stehenden Erfindung ist nach den Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen und dem unstreitigen Vorbringen der Parteien zunächst von Folgendem auszugehen:
Mit der plastischen Verformung von Kristallen ist je nach Art der Verformung eine charakteristische Ä nderung der Kristallorientierung verbunden. Durch die Ä nderung der Orientierungen beim Walzen wird eine ursprünglich regellose Orientierungsverteilung in eine nicht-regellose, für Material und Umformvorgang typische Verteilung überführt, so daß einige Orientierungen besonders häufig, andere Orientierungen dagegen seltener vorkommen. Die Häufigkeitsverteilung von Orientierungen wird auch als Textur bezeichnet; sie ändert sich durch Rekristallisation in charakteristischer Weise.
Die Ausbildung einer nichtregellosen Textur hat Konsequenzen für die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffs, insbesondere bei der Blechumformung. Unterwürfe man einen einzelnen Kristalliten aus einem vielkristallinen Werkstoff in unterschiedlichen Richtungen einer Zugbelastung, so wären die entsprechenden Spannungs-Dehnungs-Diagramme verschieden; in manchen Richtungen erscheint der Kristallit weicher, in anderen härter. Liegt deshalb in einem Vielkristall eine ausgeprägte Textur vor, so verformt sich das Material nicht in allen Richtungen einheitlich (Anisotropie). Ausgeprägte Texturen bringen Schwierigkeiten für die Blechumformung mit sich.

Die Auswirkungen der Textur auf die Blechumformung lassen sich durch die Bestimmung des r-Wertes und des Dr-Wertes abschätzen. Bei der Blechumformung ist ein möglichst leichter Materialfluß parallel zur Blechoberfläche und ein möglichst erschwerter Materialfluß senkrecht zur Blechoberfläche , also in Blechdicke, wünschenswert. Auskunft darüber gibt der r-Wert, für den nach einer Zugverformung parallel zur Blechrichtung die Dehnung in den dazu senkrechten Richtungen, also parallel zur Blechdicke und parallel zur Blechoberfläche (senkrecht zur Blechdicke), gemessen wird. Ein großer r-Wert ist für die Blechumformung von Vorteil, weil ein erschwertes Fließen in Blechdicke eine schnelle Dickenabnahme beim Umformen verhindert, was der Gefahr einer Rißeinleitung entgegenwirkt. Zur Bestimmung des r-Wertes wird üblicherweise aus dem Blech eine Probe so herausgeschnitten, daß die Zugrichtung senkrecht zur Walzrichtung liegt. Da eine einzelne Richtung in der Blechebene keinen Aufschluß darüber geben kann, wie der r-Wert unter einem anderen Winkel zur Walzrichtung aussehen würde, wird zur Bestimmung der Schwankung des r-Wertes in der Blechebene (planaren Anisotropie) der Dr- Wert bestimmt, indem man Zugproben parallel und senkrecht zur Walzrichtung und unter einem Winkel von 45° dazu ausschneidet, die jeweiligen r-Werte bestimmt und nach der Formel Dr = (r - 2r + r )/2 berechnet. 0 45 90
Eine planare Anisotropie, derzufolge bei der Blechumformung das Material nicht in allen Richtungen des Bleches gleich gut fließt, schlägt sich in einer Unebenheit der Ränder nieder und führt bei rotationssymmetrischen Ausgangsblechen zur Bildung von Zipfeln. Diese Zipfel sind zum einen nachteilig, weil sie in einem nachfolgenden Arbeitsgang entfernt werden müssen, wodurch
auch Material verlorengeht, zum anderen, weil sie zu einer uneinheitlichen Blechdicke des hergestellten Bauteils führen.
Wie die Streitpatentschrift erläutert, wird daher zum Tiefziehen von rotationssymmetrischen Stahlteilen möglichst texturfreies kaltgewalztes Band oder Blech eingesetzt, damit ein quasi-isotropes Umformen möglich und das gezogene Teil möglichst zipfelfrei ist.
In der Zeitschrift "Blech, Rohre, Profile" 9/1977, S. 341 ff. (Anl. P 3) wird von Singer die Ursache für die Zipfelbildung beschrieben und ein Maß für die relative Zipfelhöhe Z sowie die ebene Anisotropie Dr definiert, für die jeweils Ergebnisse mit dem Wert Null (zipfelfreies Material) ideal wären. Für die in der Vorveröffentlichung erwähnten Stähle lasse sich jedoch, so die Streitpatentschrift weiter, zipfelfreies Material nur durch (mit einer zweimaligen Gefügeumwandlung verbundenes) Normalglühen des kaltgewalzten Bandes in einer Durchlaufglühe bei etwa 1000 ° C erreichen, wobei im Endzustand eine Korngröße ASTM 8 (Korngrößenklasse der American Society for Testing of Materials ) bei einer relativen Zipfelhöhe von 0,3 bis 0,4 % und Dr ca. ± 0,1 erzielt werde. Für nicht normalisierend geglühtes Band sei nur ein zipfelarmer Zustand durch Kompromisse bei der Verfahrensführung erreichbar, wobei die Walzendtemperaturen bei ca. 750 ° C und die Kaltwalzgrade entweder unter 25 % oder über 80 % liegen sollten; auch solle mit für die Zipfeligkeit als ungünstig bezeichneten Rekristallisationstemperaturen von über 600 ° C gearbeitet werden.
Hieraus und aus den Angaben der Patentschrift zur Aufgabe der Erfindung ergibt sich das technische Problem, ein Stahlblech und ein Verfahren zu
seiner Herstellung vorzuschlagen, das zumindest weitgehend zipfelfrei und auch im übrigen tiefziehgeeignet ist und kostengünstig unter Verzicht auf Normalglühen produziert werden kann.
Die in den verteidigten Ansprüchen 1 und 3 angegebenen erfindungsgemäßen Lösungen lassen sich wie folgt gliedern:
Anspruch 1: Verfahren zur Herstellung eines kaltgewalzten Bleches oder Bandes mit guter Umformbarkeit
1. aus Stahl mit folgender Zusammensetzung in Gewichtsprozenten :
1.1 0,02 bis 0,06 % Kohlenstoff, 1.2 0,01 bis 0,40 % Silizium, 1.3 0,10 bis 0,80 % Mangan, 1.4 0,005 bis 0,08 % Phosphor, 1.5 0,005 bis 0,02 % Schwefel, 1.6 max. 0,009 % Stickstoff, 1.7 0,015 bis 0,08 % Aluminium, 1.8 0,01 bis 0,04 % Titan, 1.9 max. 0,15 % von einem oder mehreren der Elemente Kupfer , Vanadium, Nickel, 1.10 Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
1.11 wobei der Titangehalt auf mindestens dem 3,5-fachen des Stickstoffgehalts eingestellt wird,

2. bei dem eine Zipfelfreiheit oder zumindest Zipfelarmut bei einem hohen Streckgrenzenniveau eingestellt wird,
2.1 indem die Bramme auf oberhalb 1120 ° C erwärmt,
2.2 zu Warmband bei einer Walzendtemperatur oberhalb des Ar -Punktes ausgewalzt,

3


2.3 das Band bei 520 ± 100 ° C gehaspelt,
2.4 anschließend kaltgewalzt,
2.4.1 wobei die Kaltwalzung in Abhängigkeit vom Titangehalt mit nachstehenden Umformgraden (e) erfolgt: ca. 0,01 % Titan: e 20 - 60 % ca. 0,02 % Titan: e 10 - 15 oder 40 - 85 %, ca. 0,03 % Titan: e 5 - 25 oder 50 - 85 %, ca. 0,04 % Titan: e 15 - 25 oder 55 - 80 %,
2.5 und nach dem Kaltwalzen rekristallisierend im Bund geglüht wird,
2.5.1 unterhalb der Temperatur A (721 ° C).

1


Anspruch 3: Zum Tiefziehen geeignetes Blech oder Band aus Stahl
A. mit der Zusammensetzung
A.1 0,02 bis 0,06 % Kohlenstoff, A.2 0,01 bis 0,40 % Silizium, A.3 0,10 bis 0,80 % Mangan, A.4 0,005 bis 0,08 % Phosphor, A.5 0,005 bis 0,02 % Schwefel, A.6 max. 0,009 % Stickstoff, A.7 0,015 bis 0,08 % Aluminium, A.8 0,01 bis 0,04 % Titan, A.9 max. 0,15 % von einem oder mehreren der Elemente Kupfer , Vanadium, Nickel, A.10 Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen,
A.11 wobei der Titangehalt auf mindestens dem 3,5-fachen des Stickstoffgehalts eingestellt ist,
B. mit einer Ferritkorngröße feiner als ASTM 7 für einen Titangehalt von ca. 0,01 % und feiner als ASTM 9 für Titangehalte von 0,015 bis 0,04 % und
C. hergestellt nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1.
Die Erfindung wird von der Streitpatentschrift dahin erläutert, daß bei Anwendung der erfindungsgemäßen Brammen-, Glüh-, Walz- und Haspeltemperaturen (Merkmale 2.1 bis 2.3) für den genannten Stahl (Merkmal 1) ein rekristallisierendes Glühen eines Bundes im Haubenofen (Merkmal 2.5) ausrei-
che, um dem Stahlband hervorragende Tiefzieheigenschaften, insbesondere eine extreme Zipfelarmut, zu geben. Die üblicherweise beim Stand der Technik für den Stahl St 4 Nz oder RSt 14 durch Normalisieren erreichten Werte der Korngröße von bestenfalls ASTM 8 könnten durch rekristallisierendes Glühen unterschritten werden, wobei zusätzlich durch die vom Titangehalt abhängige Wahl entsprechender Kaltwalzgrade (Merkmal 2.4.1) eine niedrige Streckgrenze (R , definiert als der Spannungswert, bei dem nach Entlastung eine Deh- p0.2 nung von 0,2 % verbleibt) beibehalten werden könne. Das ist im Sinne von - für eine leichte und hohe Verformbarkeit vorteilhaften - relativ niedrigen Werten zu verstehen, denn nach Darstellung der Streitpatentschrift hat sich überraschend gezeigt, daß den "zipfelfreien" Umformgraden jeweils ein bestimmtes Zugfestigkeits - und Streckgrenzenniveau zugeordnet werden konnte und die größte Zipfeligkeit bei der niedrigsten Streckgrenze/Zugfestigkeit festzustellen war (Merkmal 2). Ursachen für die günstigen Eigenschaften des erzeugten Blechs sieht die Streitpatentschrift ferner in der frühzeitigen Bildung von Titannitrid (Merkmale 1.8 und 1.11), die verhindere, daß während des rekristallisierenden Glühens ein nachfolgend noch näher erläutertes "pancake-Gefüge" durch Aluminiumnitrid -Ausscheidungen entstehen könne, sowie in durch die Wahl niedriger Haspeltemperaturen überraschend erzielten Warmbandqualitäten, die nach dem Kaltwalzen ein zipfelfreies Material gewährleisteten und eine zusätzliche Kornverfeinerung ermöglichten.
II. Anspruch 1 des Streitpatents in der von der Beklagten verteidigten Fassung des angefochtenen Urteils ist neu.
1. Als von der Streitpatentschrift angesprochenen Fachmann hat das Bundespatentgericht zutreffend einen mit der Herstellung und Entwicklung von
tiefziehfähigem Kaltband befaßten Diplomingenieur mit Hochschulausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung angesehen. Der gerichtliche Sachverständige hat dies dahin ergänzt, daß es sich in der Regel nicht um einen Physiker oder Metallkundler, sondern einen diplomierten (oder auch promovierten) Ingenieur mit eisenhüttenkundlicher Hochschulausbildung handele.
2. Der auf dem Symposium "Warmband für Kaltwalzer" gehaltene Vortrag "Kaltband mit globularem Gefüge" von Bleck/Hübner (Anl. 5 = D 1) nimmt die Lehre des Streitpatents trotz weitgehender Übereinstimmung nicht vollständig vorweg. Es wird dort beschrieben, daß aufgrund der Vorteile der Stranggußtechnik weltweit vermehrt eingesetzte Aluminium-beruhigte Stähle bei der normalen Warmband-Temperaturführung am haubengeglühten Kaltband ein gestrecktes, verhältnismäßig grobes Korn bildeten (sog. pancake-Gefüge). Dieses Gefüge und die damit verbundene Textur seien, obwohl an sich für hohe Umformansprüche sehr vorteilhaft, wegen der Ausbildung einer aufgerauhten Oberfläche ("Orangenhaut") dann unerwünscht, wenn wie z.B. bei Batteriehülsen eine dekorative Oberfläche gefordert sei. Die Autoren schildern die Entwicklung neuer, Al-beruhigter Stähle, die auf der Erkenntnis beruhe, daß sich ein pancake-Gefüge nur bilde, wenn bei der Rekristallisation des kaltgewalzten Stahls feine Aluminiumnitride ausgeschieden würden, die zu einer Gefügeanisotropie und zu einer Texturbeeinflussung führten. Daraus ergebe sich die Aufgabe, die zur Alterungsbeständigkeit notwendige Stickstoffabbindung einem anderen Legierungspartner als Aluminium zu überlassen. Die NAffinität der untersuchten Nitridbildner Bor, Aluminium, Titan nehme in dieser Reihenfolge zu (B/N = 0,77; Al/N = 1,93; Ti/N = 3,42). Sowohl mit stöch. stöch. stöch. einer Ti- als auch mit einer B-Legierung könne die pancake-Bildung im Kaltband unterdrückt werden. Neben für eine Umformung günstigen mechanischen
Eigenschaften des Warmbandes sei der Vorteil der neu entwickelten Stähle in ihrem feinen globularen Gefüge zu sehen. Die Korngröße des Kaltbandes sei dabei stark vom Kaltwalzgrad abhängig; eine Korngröße ³ 9 werde ab einem Kaltwalzgrad von ca. 50 % erzielt. Das feine Gefüge führe allerdings insbesondere beim Ti-legierten Stahl zu einem höheren Streckgrenzenniveau.
Die Zusammensetzung des untersuchten Stahls St 14 (Ti) entspricht derjenigen in Merkmal 1 des Streitpatents. Zwar ist sie in der Druckschrift selbst nicht angegeben; der Fachmann konnte sie jedoch z.B. in der vom Verein Deutscher Eisenhüttenleute herausgegebenen Stahl-Eisen-Liste 1981, in der die in der Bundesrepublik Deutschland hergestellten Stahlsorten mit ihrem Kurznamen und ihrer chemischen Zusammensetzung angegeben sind (Anl. 12 S. 30), nachsehen und liest sie insofern mit, wenn der untersuchte Stahl mit dem Kürzel St 14 bezeichnet wird.
Die Einhaltung des Merkmals 1.11 folgt aus dem Zusammenhang der Vorveröffentlichung. Zwar ist zu Vergleichszwecken ein unterstöchiometrisch legierter Ti-Stahl untersucht worden, von dem auf S. 7 gesagt wird, daß es bei ihm nach einer Teilrekristallisation zu einer Verzögerung bei der Rekristallisation infolge AlN-Ausscheidung komme. Eine solche Rekristallisationsverzögerung wird der Fachmann jedoch wegen der dadurch nötigen längeren Glühzeit ohne weiteres als nachteilig ansehen. Wenn der Vortrag mit dem Satz schließt, es bleibe festzuhalten, daß im Vergleich zum klassischen Kaltband mit keiner Rekristallisationsverzögerung bei den neu entwickelten Stählen zu rechnen sei, ergibt sich, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, hieraus für den Fachmann, daß die unterstöchiometrische Legierung des Ti-Stahls nur zur Verdeutlichung der Zu-
sammenhänge erfolgt ist, tatsächlich jedoch vermieden werden soll. Auch den Hinweis der Schrift auf die höhere Streckgrenze des titanlegierten Stahls wird der Fachmann nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht dahin verstehen , daß sich deswegen ein unterstöchiometrisches Titan-StickstoffVerhältnis empfehle.
Zwischen einer stöchiometrischen Einwaage und dem im Streitpatent angegebenen Verhältnis von Ti/N ³ 3,5 kann, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, gleichfalls kein sachlicher Unterschied gesehen werden, da der Fachmann zur Sicherstellung einer vollständigen Abbindung stets geringfügig überdosieren wird.
Eine Stoßofentemperatur von 1250 ° C (und damit eine Erwärmung der Bramme auf oberhalb 1120 ° C, Merkmal 2.1) wird auf S. 3 als üblich bezeichnet. Aufgrund dieser von dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Üblichkeit würde der Fachmann einen Hinweis erwarten, wenn diese Temperatur bei der Herstellung der geschilderten Stähle trotz ihrer ausdrücklichen Erwähnung nicht angewandt werden soll. Der Fachmann wird eine solche Temperatur daher als nach der Druckschrift auch für das geschilderte Verfahren sinnvoll und angebracht ansehen.
Die Walzendtemperatur (Merkmal 2.2) ist nicht explizit angegeben. Die Klägerin hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, daß es den Normalfall darstellt , das Warmwalzen bei einer Temperatur oberhalb Ar , bei der austeniti-

3

sches (g) in ferritisches (a) Gefüge übergeht, zu beenden. Daher bedurfte dies für den Fachmann als selbstverständlich keiner besonderen Erwähnung; auch das hat der Sachverständige bestätigt.

Nach dem Haspeln wird das Band kaltgewalzt (Merkmal 2.4) und entsprechend Merkmal 2.5 nach dem Kaltwalzen rekristallisierend im Bund geglüht (S. 1).
Daß die Kaltwalzung in Abhängigkeit vom Titangehalt mit den in Merkmal 2.4.1 angegebenen Umformgraden erfolgen solle, sagt die Schrift in dieser Form zwar nicht. Sie erwähnt und stellt in Bild 6 jedoch Kaltwalzgrade von ³ 50, insbesondere einen Kaltwalzgrad von 60 % dar, den Merkmal 2.4.1 des Streitpatents für sämtliche angegebenen Titangehalte zuläßt.
Nicht vorgegeben sind hingegen eine Haspeltemperatur von 520 ± 100 ° C (Merkmal 2.3), die Ausführung des rekristallisierenden Glühens bei einer Temperatur unterhalb A (721 ° C) (Merkmal 2.5.1) und die Einstellung

1

von Zipfelfreiheit oder zumindest Zipfelarmut bei einem hohen Streckgrenzenniveau.
3. Die von der Klägerin gleichfalls als neuheitsschädlich angesehene japanische Offenlegungsschrift Sho 59-67321 (Anl. 11/11 a = D 6) nimmt den Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls nicht vorweg.
Versuchsbrammen der Stähle mit der in Tabelle 1 angegebenen, Merkmal 1 entsprechenden Zusammensetzung wurden allerdings zu Vergleichszwecken teils auf 1200 ° C, teils auf eine niedrigere Temperatur von 1060 ° C erwärmt. Obwohl die Schrift die höhere, Merkmal 2.1 entsprechende Erwärmung verwirft, ist sie gleichwohl beschrieben und damit dem Fachmann offenbart. Die Brammen wurden bei einer Fertigtemperatur von 850 - 900 ° C warm-
gewalzt (Merkmal 2.2), bei unterschiedlichen, bevorzugt zwischen 300 und 540 ° C liegenden Temperaturen gehaspelt (Merkmal 2.3), anschließend mit einem Kaltwalzgrad von 75 % bei ca. 0,03 % Titan kaltgewalzt (Merkmale 2.4 und 2.4.1) und geglüht.
Die Glühung erfolgte jedoch nicht im Bund, sondern im Durchlauf bei einer Temperatur von 820 ° C (entgegen Merkmalen 2.5 und 2.5.1).
4. Die übrigen von den Parteien diskutierten Schriften liegen weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents und sind ebensowenig neuheitsschädlich. Das hat der Sachverständige bestätigt, und auch die Klägerin macht nichts Gegenteiliges mehr geltend. Sie bedürfen daher an dieser Stelle keiner Erörterung.
III. Die technische Lehre des verteidigten Anspruchs 1 war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt. Es bedurfte keiner erfinderischen Tätigkeit, um von der Entgegenhaltung D 1 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen.
Der Fachmann mußte hierzu nur bei der Nacharbeitung des in der Druckschrift beschriebenen titanlegierten Stahls eine Haspeltemperatur im Bereich von 520 ± 100 ° C (Merkmal 2.3) wählen und das rekristallisierende Glühen bei einer Temperatur unterhalb des Punktes A (721 ° C) ausführen (Merk-

1

mal 2.5.1). Beides bot sich ihm nach seinem allgemeinen Fachwissen und seiner praktischen Erfahrung an.
1. Zur Haspeltemperatur heißt es in der Entgegenhaltung, die Aluminiumnitridbildung setze erst im Coil ein bzw. werde bei Haspeltemperaturen < 600 ° C sogar vollständig unterdrückt (S. 3 unten). Wie die Beklagte zu Recht vorbringt und der Sachverständige bestätigt hat, ist dem allerdings nicht die Anweisung an den Fachmann zu entnehmen, das Band bei einer unter 600 ° C liegenden Temperatur zu haspeln. Denn der Satz steht im Zusammenhang mit der Erörterung der Ausscheidungstemperatur der untersuchten Nitridbildner B, Al und Ti: bei der üblichen Stoßofentemperatur von 1250 ° C gingen alle Bornitride in Lösung, während die Titannitride noch weitestgehend ausgeschieden seien; in der Warmbandstraße finde dann die BN-Bildung bereits im Austenit in einem weiten Temperaturbereich statt, während die AlN-Ausscheidung auf ein engeres Temperaturintervall zwischen 650 und 850 ° C beschränkt sei und bevorzugt erst im Ferrit erfolge. Es werden insoweit nur, wie der Sachverständige ausgeführt hat, die metallkundlichen Grundlagen der beschriebenen Stahlherstellung referiert. Bei einer stöchiometrischen Titanlegierung besteht wegen der TiN-Ausscheidung tatsächlich keine Notwendigkeit, eine Aluminiumnitridbildung im Coil zu unterdrücken.
Andererseits entnimmt der Fachmann der Druckschrift in diesem Zusammenhang entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht den Hinweis, das Warmband bei einer höheren Temperatur zu haspeln, um ein weicheres Warmband zu produzieren, auf das bei der anschließenden Kaltverformung ein geringerer Druck aufgebracht werden muß und das ein Kaltband mit niedrigerer Streckgrenze ergibt. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen können hohe Haspeltemperaturen zwar für einen gewünschten weichen Stahl gewählt werden, der Fachmann wird bei einem kaltzuwalzenden
Band jedoch das Gefüge als die entscheidende Größe ansehen und deswegen eine hohe Haspeltemperatur als bloße Möglichkeit betrachten.
Die Haspeltemperatur wird vom Fachmann, wie der Sachverständige weiter dargelegt hat, typischerweise experimentell bzw. anhand von Erfahrungswerten bestimmt. Gegen eine hohe Temperatur kann dabei die sich hieraus ergebende Kornvergrößerung sprechen. Der im Streitpatent angegebene Bereich liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen dessen , was der Fachmann üblicherweise in Betracht ziehen und erproben wird. Eine Bestätigung findet dies etwa in der Abhandlung "Strain hardening of highstrength steels" (Anl. 7 = D 3), in der die Haspeltemperatur mit 580 ° C angegeben wird, ebenso wie in der japanischen Offenlegungsschrift Sho 59-67321 (Anl. 11/11 a = D 6), die Haspeltemperaturen von 300 bis 540 ° C erwähnt, die sie einer "hohen Haspeltemperatur" von 650 ° C oder darüber gegenüberstellt (S. 2 - 5 der Übersetzung).
2. Das rekristallisierende Glühen bei einer Temperatur unterhalb des Punktes A , bei dem das ferritische Gefüge in das austenitische übergeht, aus-

1

zuführen, lag für den Fachmann gleichfalls nahe. Denn er wählte, wie der Sachverständige erläutert hat, die Glühtemperatur so, daß er einerseits eine vollständige Rekristallisation erreichte, andererseits negative Effekte wie ein unerwünschtes Kornwachstum möglichst vermied. Wegen der Texturschädlichkeit der Gefügeumwandlung glühte er daher im allgemeinen unterhalb des Übergangs zum Austenit. Die Druckschrift D 1 gab dem Fachmann keinen Hinweis , daß bei der Herstellung des beschriebenen titanlegierten Stahls etwas anderes sinnvoll sein könne.
3. Damit legte die Schrift dem Fachmann in Verbindung mit seinem allgemeinen Fachwissen und seiner praktischen Erfahrung die Gesamtkombination der Merkmale des verteidigten Anspruchs 1 nahe. Daß Zipfelfreiheit oder Zipfelarmut bei hohem Streckgrenzenniveau (Merkmal 2) nicht erwähnt sind, ist dabei unerheblich. Denn sie sollen sich nach dem Streitpatent durch die Einhaltung der in den Merkmalen 2.1 bis 2.5.1 ergebenden Parameter bei der Herstellung eines Stahlbandes mit der Zusammensetzung nach Merkmal 1 ergeben und sind daher ebenso notwendige Folge des nahegelegten Herstellungsverfahrens.
IV. Dagegen hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, daß es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um vom Stand der Technik zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrages der Beklagten zu gelangen.
1. Von der mit dem Hauptantrag verteidigten Anspruchsfassung unterscheidet sich diese dadurch, daß nach Merkmal 1.11' der Titangehalt auf mindestens das Vierfache des Stickstoffgehalts eingestellt wird. Gegen eine solche Anspruchsfassung, die eine Beschränkung gegenüber der Mindestangabe in der primär verteidigten Anspruchsfassung darstellt und den ursprungsoffenbarten Ausführungsbeispielen des Streitpatents entspricht, die den Titangehalt gleichfalls mit mindestens dem Vierfachen des Stickstoffgehalts angeben, bestehen keine Bedenken.
Mit dieser Anspruchsfassung ist ein Verfahren bezeichnet, bei dem der Titangehalt ausgeprägt überstöchiometrisch eingestellt wird, so daß sich durch die Bildung von Titankarbid die Streckgrenze erhöht und der Stahl härter wird.

2. Der Vortrag Bleck/Hübner (D 1) konnte dem Fachmann das so umschriebene Herstellungsverfahren nicht nahelegen.
Zwar hat der Sachverständige das Vorbringen der Klägerin bestätigt, daß der Fachmann, dem es um eine zuverlässige Bindung des Stickstoffs zu tun ist, in der Praxis etwas überstöchiometrisch einwiegen möge. Auch wenn unter diesem Gesichtspunkt mit der Klägerin eine Überdosierung um 10 bis 15 % in Betracht gezogen wird, ergibt sich hieraus jedoch lediglich ein Titangehalt, der das 3,76- bis 3,93fache des Stickstoffgehalts beträgt. Der beanspruchte Gehalt liegt darüber.
Der Fachmann entnimmt der Druckschrift D 1 zwar, wie ausgeführt, daß eine unterstöchiometrische Einstellung des Titangehalts wegen der hierdurch verursachten Verzögerung der Rekristallisation nicht sinnvoll ist. Andererseits fehlt jedoch jede Anregung, Titan gezielt und ausgeprägt überstöchiometrisch in einem Maße einzuwiegen, welches deutlich über das hinausgeht, was zur sicheren Vermeidung eines unterstöchiometrischen Verhältnisses angemessen ist. Nach dem Inhalt der Druckschrift erscheint dies dem Fachmann vielmehr, wie der Sachverständige bestätigt hat, nachteilig, da er die Titanlegierung zwar benötigt, um die gewollte Unterdrückung der pancake-Bildung zu erreichen, dies jedoch nach der Entgegenhaltung D 1 nur um den Preis erreicht wird, daß die Streckgrenzen des beschriebenen Stahl St 14 (Ti), wie auf S. 6 angegeben, insgesamt auf einem an sich unerwünscht höheren Niveau liegen. Aufgrund des feineren Korns seien, so heißt es dort, höhere Dressiergrade zur Beseitigung der Streckgrenzendehnung und zum Erreichen des Streckgrenzenminimums notwendig; für das in Bild 9 gezeigte Beispiel bedeute das konkret, daß
beim Einsatz von St 14 (Ti) anstelle von St 14 der Dressiergrad von 0,5 auf 1,5 % habe angehoben werden müssen und daß im ausdressierten Zustand mit einem um 40 Newton/mm2 höheren Streckgrenzenniveau gerechnet werden müsse. Das entspricht der vom Sachverständigen bestätigten Lehrmeinung zum Prioritätszeitpunkt, für tiefziehgeeignete Bleche eine niedrige Streckgrenze anzustreben, und muß den Fachmann von einer ausgeprägten überstöchiometrischen Titaneinwaage abhalten, von der eine noch höhere Streckgrenze zu erwarten ist.
Aufgrund dessen wird der Fachmann eine solche überstöchiometrische Einwaage auch nicht deshalb erwägen, weil sonst im Stand der Technik höhere Titangehalte erwähnt werden, wie etwa in der Abhandlung "Verbesserung der Eigenschaften von Warmbreitband aus weichem unlegiertem Stahl" in Stahl und Eisen 106 (1986) S. 122 ff. (Anl. 10 = D 5), wo gesagt wird, bei Ti-haltigem Stahl werde das Ti/N-Verhältnis im Bereich zwischen 2 und 4 angestrebt. Denn das ändert nichts daran, daß aus diesem - ohnehin sehr ungenauen - Bereich dem Fachmann bei der Herstellung des titanlegierten Stahls, zum dem ihn die Druckschrift D 1 anregt, nur ein stöchiometrisches Titan-Stickstoff-Verhältnis brauchbar erscheinen wird und er deshalb ein Verhältnis 2:1 ebenso verwerfen wird wie ein Verhältnis gleich oder größer 4:1.
3. Auch im übrigen kann nicht festgestellt werden, daß das Verfahren nach Anspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung durch den Stand der Technik nahegelegt worden ist.

a) In einem weiteren Vortrag von Bleck/Hübner mit dem Titel "Kaltband mit besonderen Tiefzieheigenschaften" (Anl. 5 c) wird geschildert, daß es bei
der üblichen Herstellweise von Tiefziehblechen zur Ausbildung einer planaren Anisotropie komme, die beim Tiefziehen zur Zipfelbildung führen könne. Durch geeignete Maßnahmen sei es möglich, die planare Anisotropie zu minimieren und sogar vollständig zu unterdrücken. Dazu gehöre zunächst der Kaltwalzgrad. Kaltwalzgrade über 70 % könnten die planare Anisotropie verringern, seien aber nicht in allen Fällen technisch machbar. Auch bei Kaltwalzgraden von etwa 30 bis 40 % sei der r-Wert nahezu richtungsunabhängig, nachteilig seien jedoch ein geringes r-Wert-Niveau und das sich beim rekristallisierenden Glühen einstellende grobe Gefüge. Sondermaßnahmen wie geänderte Temperaturführung beim Warmbandwalzen, Warmbandglühen oder ein Legieren mit stickstoffaffinen Elementen könnten die Differenzen in der r-Wert-Charakteristik deutlich verkleinern. In diesem Zusammenhang wird ein Bor-legierter Stahl als günstige Alternative zu einem vakuumentkohlten Sonderstahl mit überstöchiometrisch zulegiertem Titan (IF-Stahl) zur Herstellung von gut umformbarem Kaltband mit geringer planarer Anisotropie empfohlen.
Die Aussagen über einen Bor-legierten Stahl lassen sich jedoch, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, nicht ohne weiteres auf einen Titan -legierten Stahl übertragen. Gegen eine solche Übertragung spricht auch, daß der Vortrag selbst zwar auch einen Titan-legierten Stahl erwähnt, jedoch nur als vakuumentkohlten Sondertiefziehstahl und gerade nicht als Alternative zu einem Bor-legierten Stahl im Zusammenhang mit der Vermeidung planarer Anisotropie und daraus sich ergebender Zipfelbildung. Im übrigen fehlen auch hier Hinweise auf eine überstöchiometrische Boreinwaage; vielmehr wird eingangs des Textes (S. 2) darauf hingewiesen, daß die chemische Zusammensetzung des Stahls so zu wählen sei, daß die festigkeitssteigernden Elemente möglichst minimiert würden.


b) Der Schlußbericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften "Recristallisation des tôles d'aciers extra-doux durcies" (D 9) gelangt zu dem Ergebnis, daß die endgültigen Eigenschaften der untersuchten Stähle von den Bedingungen des Warmwalzens, insbesondere von der Temperatur am Ende des Walzens und der Abkühlgeschwindigkeit vor der Haspelung, abhängig seien , während die Haspeltemperatur demgegenüber wenig Einfluß habe (Schlußfolgerung 9.2, S. 9 = S. 13 Übersetzung). Zwar ist, worauf die Klägerin verweist, dem Rapport auch zu entnehmen, daß der untersuchte Stahl Ti-2 mit einem Ti/N-Verhältnis von 49:1 nach einem Haspeln bei einer Temperatur von 500 ° C einen Dr-Wert von 0,02 aufwies (Tab. XIII - (1), also nahezu Isotropie zeigte. Der Stahl Ti-2 entspricht jedoch weder hinsichtlich des (geringeren) Aluminium- noch hinsichtlich des (höheren) Titangehalts den Vorgaben des Streitpatents (Merkmale 1.7 und 1.8). Zudem zeigt Tab. XIV dem Fachmann, daß mit dem Stahl Ti-1, dessen Titangehalt mit 0,12 % noch deutlich höher liegt (Tab. I), mit Haspeln bei hoher Temperatur und Haubenglühen bei 800 ° C mit einem Dr-Wert von Null eine Anisotropie vollständig vermieden wird. Die Empfehlung des Rapports geht dahin, eine Ti- oder Nb-Zugabe von 0,5 bis 0,7 % mit der sorgfältigen Auswahl der Bedingungen für das Warmwalzen und das Kaltwalzen mit einem Verformungsgrad um 70 % und einem geeigneten Durchlaufglühzyklus zu kombinieren, um Bleche mit hoher Festigkeit bei einem günstigen Anisotropiekoeffizienten zu erhalten (9.4). Eine in Richtung auf die Lehre des Streitpatents weisende Anregung ist nicht erkennbar, und auch die Klägerin ist auf die Entgegenhaltung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zurückgekommen.

c) In der japanischen Offenlegungsschrift (D 6) werden zwei Stahlzusammensetzungen mit deutlich überstöchiometrischem Titananteil (16:1 bzw. 11:1) untersucht. Da die Schrift die erfindungsgemäße Stoßofentemperatur ausdrücklich verwirft, entnimmt ihr der Fachmann jedoch, wie die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, keine zum dem Verfahren nach dem Streitpatent führende Anregung.
V. Auch für Anspruch 3 des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags der Beklagten lassen sich die Voraussetzungen einer Nichtigerklärung nicht feststellen.
1. Anspruch 3 ist ein auf ein zum Tiefziehen geeignetes Blech oder Band gerichteter Sachanspruch. Sein Gegenstand ist durch drei Merkmale gekennzeichnet : zum ersten durch die "gegebene Zusammensetzung", d.h. die Stahlanalyse nach Merkmal A, zum zweiten durch die Ferritkorngröße nach Merkmal B und zum dritten durch das Verfahren nach Anspruch 1 oder 2 (Merkmal C). Während die beiden ersten Merkmale physikalische Eigenschaften der Sache selbst bezeichnen, umschreibt Merkmal C diese mittelbar durch das Verfahren zu ihrer Herstellung.
Aus der Eigenschaft eines Sachanspruchs folgt, daß es für den Rechtsbestand des Anspruchs 3 nicht auf die Patentfähigkeit des Verfahrens, sondern nur auf die Patentfähigkeit des beanspruchten Stahlblechs oder Stahlbands ankommt (Sen., BGHZ 122, 144, 154/155 - tetraploide Kamille). Damit wird das Verfahren jedoch nicht bedeutungslos. Vielmehr gehören zu den Sachmerkmalen der hierdurch bezeichnete beanspruchte Gegenstand und s eine erfindungsgemäßen körperlichen oder funktionalen Eigenschaften, die sich aus der Anwendung
des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben. Welche das sind, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln. Maßgebend ist dabei - wie stets - wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlußfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Wege herstellbaren Sache zieht.
Im Streitfall wird das beanspruchte Stahlblech oder -band nicht allein durch die Stahlanalyse und die Korngröße definiert. In diesem Fall wäre die Angabe des Herstellungsverfahrens überflüssig, die jedoch gerade dazu bestimmt ist, das Verfahrenserzeugnis selbst weiter zu kennzeichnen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Bezugnahme auf das Verfahren nach Anspruch 1 aber auch nicht lediglich dahin verstanden werden, daß das Blech oder Band beim Tiefziehen Zipfelfreiheit oder zumindest Zipfelarmut und ein hohes Streckgrenzenniveau aufweist. Schon nach der Problemstellung (vgl. S. 2 Z. 44 - 46 und S. 2 Z. 67 - S. 3 Z. 3) geht es dem Streitpatent um ein kostengünstig herstellbares tiefziehgeeignetes Stahlblech oder -band. Nach der Streitpatentschrift beeinflussen die verschiedenen Maßnahmen zur Verfahrensführung , die in ihrer Kombination in Anspruch 1 unter Schutz gestellt sind, wechselseitig die (physikalische) Beschaffenheit des Blechs oder Bands. Die Zipfelfreiheit oder zumindest -armut ist zum einen vom Kaltwalzgrad abhängig, der wiederum in Abhängigkeit vom Titangehalt zu wählen ist. Zum anderen spielen die Temperaturen der verschiedenen Umformschritte eine Rolle, namentlich die Haspeltemperatur und die Glühtemperatur. Aus dem Zusammenwirken dieser jeweils erfindungsgemäß eingestellten Parameter ergibt sich (jeweils ) ein bestimmtes Gefüge des kaltgewalzten Stahlblechs, das bei einem erhöhten, aber immer noch relativ niedrigen Streckgrenzenniveau als zumindest zipfelarm qualifiziert werden kann. Da dieses Gefüge mit räumlich-
körperlichen Merkmalen nicht zuverlässig charakterisiert werden kann, charakterisiert Anspruch 3 des Streitpatents es mittelbar durch die Angabe des Herstellungsweges. Zipfelarmut bei hohem Streckgrenzenniveau reicht hingegen auch gemeinsam mit der Stahlanalyse und der Ferritkorngröße zur Kennzeichnung des erfindungsgemäßen Erzeugnisses nicht aus. Denn annähernde Zipfelfreiheit bei einer Korngröße ASTM 8 war nach der Streitpatentschrift auch im Stand der Technik - wenn auch mit den damit verbundenen Nachteilen - etwa durch Normalglühen erreichbar (S. 2 Z. 18-20). Ein "hohes" Streckgrenzenniveau im Sinne des Streitpatents läßt sich sinnvoll überhaupt nur relativ in bezug auf einen bestimmten Kaltwalzgrad einer bestimmten Legierung verstehen. Denn wie die Streitpatentschrift auf S. 2 Z. 58-60 bemerkt und Figur 11 der Streitpatentschrift zeigt, liegt das erfindungsgemäß zugelassene Streckgrenzenniveau in einem breiten Bereich zwischen 175 und 450 Newton/mm2 und ist insbesondere bei geringerem Titananteil nur insofern hoch, als die geringere Zipfeligkeit bei höheren Streckgrenzen festzustellen war (S. 3 Z. 57-59). Selbst das gilt im übrigen nicht ausnahmslos, wie Fig. 11 zeigt, wo z.B. bei Legierung A bei e > 60 % die Streckgrenze außerhalb des erfindungsgemäßen Bereichs höher liegt als bei e £ 60 % innerhalb des erfindungsgemäßen Bereichs. Anspruch 3 des Streitpatents kennzeichnet den erfindungsgemäßen Stahl hiernach - auch - dadurch, daß er unter Beachtung der Verfahrensmerkmale 2 bis 2.5.1 hergestellt worden ist.
2. Daraus ergibt sich, daß der druckschriftliche Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs 3 ebensowenig vorwegnimmt oder nahelegt wie das Verfahren nach Anspruch 1. Denn um das wie vorstehend gekennzeichnete Stahlblech oder -band in die Hand zu bekommen (Sen., BGHZ 103, 150,
156/157 - Fluoran), mußte der Fachmann den Herstellungsweg nach Anspruch 1 kennen und anwenden.
3. Das erfindungsgemäße Band wird aber auch durch die von der Klägerin geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht vorweggenommen. Dabei kann mit dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen werden, daß die Klägerin nach einem Anspruch 1 entsprechenden Verfahren (in der Alternative 0,018 % Titan, einem Ti/N-Verhältnis von 4:1 und einem Kaltwalzgrad von 61,4 - 63,5 %) Stahlband hergestellt hat, das zipfelarm war und eine Ferritkorngröße feiner als ASTM 9 aufgewiesen hat. Ein Band nach Anspruch 3 ist damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden (§ 3 Abs. 1 PatG).
Ob das entsprechend der Auffassung des Bundespatentgerichts schon deshalb gilt, weil nicht feststeht, daß entsprechende Coils vor dem Anmeldetag des Streitpatents an Kunden ausgeliefert worden sind, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob der weiteren Annahme des Bundespatentgerichts gefolgt werden könnte, es wäre zwar für Fachleute ohne weiteres möglich gewesen, den gelieferten Stahl innerhalb etwa einer Woche ohne unzumutbaren Aufwand zu analysieren, dies habe jedoch zu fern gelegen und sei deshalb als rein theoretische Möglichkeit außer Betracht zu lassen, da es sich nur um ca. 0,03 % der Jahresproduktion der Klägerin gehandelt habe, die als handelsübliche Stahlqualitäten ST 12 bis 14 ausgeliefert worden seien und deren Analyse allenfalls infolge eines reinen Zufalls erfolgt wäre. Das gleiche gilt für die Erwägung der Beklagten, der Fachmann habe jedenfalls keinen Anlaß gehabt, das Kaltband auf Zipfelfreiheit zu untersuchen, da hierfür bei der gelieferten Qualität in der maßgeblichen DIN 1623 keine Werte festgelegt gewesen seien. Denn eine mit zumutbarem Aufwand durchgeführte Analyse des
gelieferten Bandes hätte dem Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 3 des Streitpatents nicht zugänglich gemacht.
Durch die Analyse hätte er nämlich nur die Zusammensetzung nach Anspruch 1, die bestehende Zipfelfreiheit oder -armut sowie die Streckgrenze feststellen können. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß er dem kaltgewalzten Erzeugnis die Einzelheiten der Verfahrensführung nach der Merkmalsgruppe 2 des Anspruchs 1 und die sich erst daraus ergebenden Eigenschaften hätte entnehmen können. Ohne Kenntnis des Verfahrens hätte er auch ein dem Verfahren entsprechendes Produkt nicht herstellen können, und eine neuheitsschädliche Vorwegnahme des Produkts ist schon aus diesem Grunde zu verneinen (Sen., BGHZ 103, 150 - Fluoran; Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz , 9. Aufl., § 3 PatG Rdn. 51, 52; Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 3 Rdn. 116, 117; Rogge, GRUR 1996, 931, 933 mit Fn. 13). Das Bundespatentgericht hat in diesem Zusammenhang allerdings als zwischen den Parteien unstreitig behandelt, daß die Klägerin ihren Kunden auf Anfrage über die Verfahrensschritte , soweit sie nicht ohnehin zum Wissen des Fachmanns gehörten oder sich aus der Beschaffenheit des Stahls ergaben, Auskunft gegeben hätte. Daß die Klägerin hierzu bereit gewesen wäre, bestreitet die Beklagte jedenfalls in der Berufungsinstanz. Auf diese Bereitschaft kommt es jedoch nicht an. Eine Benutzungshandlung ist offenkundig, wenn sie die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet, daß beliebige Dritte und damit auch Fachkundige zuverlässige, ausreichende Kenntnis von der Erfindung erhalten (Sen.Beschl. v. 05.03.1996 - X ZB 13/92, GRUR 1996, 747, 752 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem ). Maßgeblich ist deshalb nicht, ob die Klägerin bereit gewesen wäre, die fehlenden Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern ob sie diese Möglichkeit tatsächlich eröffnet hat. Insofern gilt für die Offenba-
rung der Verfahrensführung nichts anderes als für die Offenbarung der Stahlzusammensetzung. Daß sie tatsächlich einen Kunden entsprechend unterrichtet oder auch nur allgemein ihre Bereitschaft dazu erklärt hat, wird von der Klägerin jedoch nicht behauptet, und dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
VI. Die mit der Nichtigkeitsklage ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2 und 4 haben weitere Ausgestaltungen der Lehre der Patentansprüche 1 und 3 in ihrer hilfsweise verteidigten Fassung zum Gegenstand, sind auf diese rückbezogen und werden daher durch deren Patentfähigkeit ebenfalls getragen.
VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 Satz 2 PatG in der nach Art. 29 2. PatGÄ ndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Rogge Melullis Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 188/01 Verkündet am:
19. Mai 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufzeichnungsträger
Ist die Schutzdauer des Streitpatents abgelaufen, ist die Nichtigkeitsklage nur
zulässig, soweit der Kläger gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigerklärung
hat. Diese Voraussetzung ist für einander nebengeordnete Patentansprüche
jeweils gesondert zu prüfen.
a) Es steht dem Patentschutz nicht entgegen, daß ein Verfahren oder eine
Vorrichtung die Wiedergabe von Informationen betrifft. Maßgeblich ist vielmehr
, ob die beanspruchte Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines
konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Ist
dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auch auf
den Informationscharakter des Verfahrensergebnisses oder der beanspruchten
Sache abstellt.
b) Ist bei einem auf einen Aufzeichnungsträger gerichteten Sachanspruch der
beanspruchte Gegenstand zumindest teilweise nicht unmittelbar durch
(räumlich-körperlich oder funktional umschriebene) Sachmerkmale, sondern
durch ein Verfahren definiert, durch das eine bestimmte Informationsstruktur
erhalten wird, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob
und inwieweit sich aus dem angegebenen Verfahren durch dieses bedingte
Merkmale des bei seiner Anwendung erhaltenen Aufzeichnungsträgers ergeben
, die diesen als erfindungsgemäß qualifizieren (Fortführung des
Sen.Urt. v. 19.6.2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 - zipfelfreies Stahlband
).
BGH, Urt. 19. Mai 2005 - X ZR 188/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 18. Juli 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 31 25 529, das unter Inanspruchnahme einer niederländischen Priorität vom 14. Juli 1980 am 29. Juni 1981 angemeldet und im Verlaufe des Rechtsstreits durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent umfaßt 15 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1, 11 und 12 lauten: "1. Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits, wobei die Folge Datenbits in unmittelbar aufeinanderfolgende Blöcke von je m Datenbits aufgeteilt wird und diese Blöcke in aufeinanderfolgende Blöcke von (n1 + n2) Kanalbits (n1 + n2 > m) umkodiert werden und wobei die Blöcke
Kanalbits je einen Block von n1 Informationsbits und einen Block von n2 Trennbits enthalten derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden und daß eine (d, k)-Bedingung erfüllt ist, d.h. daß zwei aufeinanderfolgende Kanalbits von einem ersten Typ, des Typs '1', durch mindestens d dann höchstens k unmittelbar aufeinanderfolgenden Bits eines zweiten Typs, des Typs '0', getrennt werden, g e k e n n z e i c h - n e t d u r c h die nachfolgenden Schritte: 1. das Umwandeln der Blöcke von m Bits enthaltender Datenbits in n1 Bits enthaltende Blöcke Informationsbits derart , daß die (d, k)-Bedingung erfüllt ist; 2. das Erzeugen mehrerer möglicher Blöcke von (n1 + n2) Kanalbits durch Ergänzen je eines Blocks von n1 Informationsbits durch jeweils einen Block aus der Menge aller möglichen Blöcke von n2 Trennbits; 3. das Bestimmen derjenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits, die in bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen; 4. das Ermitteln des Gleichstromanteils jedes der so bestimmten Blöcke von Kanalbits, die in dem vorhergehenden Schritt ermittelt wurden;
5. das Auswählen des Blocks von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil aus den in Schritt 4 bestimmten Blökken. 11. Aufzeichnungsträger mit einer gemäß dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8 erzeugten Informationsstruktur mit Folgen von Kanalbitzellen, die je ein Bit enthalten, dessen Wert durch einen Pegelübergang oder einen fehlenden Pegelübergang am Anfang der Bitzelle dargestellt wird, d a - d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen maximal gleich (k + 1) Bitzellen und minimal gleich (d + 1) Bitzellen ist, und daß höchstens zwei aufeinanderfolgende maximale Abstände von (k + 1) Bitzellen der Pegelübergänge auftreten, die Teil einer Synchronisationsinformation bilden. 12. Aufzeichnungsträger nach Anspruch 11, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , daß k = 10 und d = 2 ist und daß der Aufzeichnungsträger zwischen zwei aufeinanderfolgenden Synchronisationsinformationen einen Rahmen mit 561 Kanalbitzellen aufweist, der 33 Blöcke von je 17 Kanalbitzellen enthält , und daß die Synchronisationsinformation 27 Kanalbitzellen aufweist." Wegen des Wortlauts der weiteren Verfahrensansprüche 2 bis 8 und der jeweils einen Demodulator betreffenden Patentansprüche 9 und 10 sowie der Patentansprüche 13 bis 15, die einen Modulator, einen Wandler und eine Anordnung zum Wiedergeben der einem Übertragungskanal entnommenen Informationsbits betreffen, wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung der Patentansprüche 11 und 12 gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, die Gegenstände des Streitpatents seien nicht patentfähig, gingen über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinaus und seien nicht ausführbar offenbart. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie (sinngemäß) den Antrag weiterverfolgt, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen, wobei sie Patentanspruch 11 hilfsweise in einer Fassung verteidigt, die lediglich auf optische Aufzeichnungsträger gerichtet ist. Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. P. H. , Leiter der Arbeitsgruppe Informations- und Codierungstheorie der Universität , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage zu Recht abgewiesen. A. Soweit die Klägerin auf Nichtigerklärung der Patentansprüche 1 bis 10 sowie 13 bis 15 anträgt, ist die Klage unzulässig. Nachdem die Schutzdauer des Streitpatents abgelaufen ist, ist die Nichtigkeitsklage nur zulässig, soweit der Klägerin gleichwohl ein Rechtsschutzbe-
dürfnis zuzubilligen ist (Sen.Beschl. v. 14.2.1995 - X ZB 19/94, GRUR 1995, 342 f. - Tafelförmige Elemente; st. Rspr.). Diese Voraussetzung ist zumindest für nebengeordnete Patentansprüche jeweils gesondert zu prüfen, da bei selbständigen Ansprüchen das Interesse an der Nichtigerklärung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise auch das Interesse an der Nichtigerklärung des anderen begründen muß, wie im Streitfall angesichts einer Mehrzahl unterschiedliche Gegenstände betreffender Nebenansprüche besonders deutlich wird. Insoweit besteht ein Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Patentansprüche 11 und 12, da die Klägerin aus diesen wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich der Verfahrensansprüche 1 bis 8 und der Sachansprüche 9, 10, 13, 14 und 15 berühmt sich die Beklagte hingegen keiner Ansprüche gegen die Klägerin und ist für ein Rechtsschutzinteresse auch sonst nichts dargetan. B. Soweit die Klage zulässig ist (d.h. hinsichtlich der Patentansprüche 11 und 12), ist sie unbegründet, da keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe vorliegt. I. Das Streitpatent betrifft in Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits und in Patentanspruch 11 einen Aufzeichnungsträger mit einer gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 erzeugten Informationsstruktur. 1. Nach der Beschreibung werden bei dem erfindungsgemäßen, insoweit bekannten Verfahren die Folge Datenbits in unmittelbar aufeinanderfolgende Blöcke von je m Datenbits aufgeteilt und diese Blöcke in aufeinanderfolgende Blöcke von (n1 + n2 > m) Kanalbits umkodiert. Vorzugsweise sind m = 8, n1 = 14 und n2 = 3 (Patentansprüche 8 und 12); zur Vereinfachung werden im folgenden diese Vorzugswerte zugrundegelegt, die auch in der Pra-
xis bei der Kodierung von Compact Disc (CD) angewandt werden und auf die die übliche Bezeichnung EFM-Verfahren zurückgeht (EFM = Eight to Fourteen Modulation). Die Blöcke mit 17 Kanalbits enthalten je einen Block von 14 Informationsbits und einen Block von drei Trennbits derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden , zwei aufeinanderfolgende Kanalbits eines ersten Typs (des Typs "1") durch mindestens d unmittelbar aufeinanderfolgende Bits eines zweiten Typs (des Typs "0") getrennt werden und die Anzahl unmittelbar aufeinanderfolgender Kanalbits vom zweiten Typ höchstens k ist. Vorzugsweise sind d = 2 und k = 10 (Patentanspruch 12; auch diese Werte werden im folgenden zur vereinfachten Darstellung verwendet). Wie die Beschreibung der Streitpatentschrift erläutert, liegt bei der digitalen Übertragung oder in magnetischen und optischen Aufnahme- bzw. Wiedergabesystemen die zu übertragende bzw. aufzunehmende Information meistens in einer Folge von Zeichen vor, die zusammen das (oft binäre) Alphabet bilden. Das binäre Alphabet wird durch die Zeichen 1 und 0 dargestellt. Das Zeichen 1 wird auf dem Magnetband oder auf der optischen Platte als Übergang zwischen zwei Zuständen von Magnetisierung oder zwei Orten eines optisch aktiven Bereichs festgelegt; das Zeichen 0 wird durch das Fehlen eines derartigen Überganges festgelegt. Infolge bestimmter Systemanforderungen bestehen in der Praxis Beschränkungen für die Zeichenfolgen, die auftreten dürfen. So verlangen manche Systeme eine selbsttaktende Folge von Zeichen, was erfordert, daß die Folge zu übertragender bzw. aufzunehmender Zeichen genügend Übergänge aufweisen muß, um aus der Zeichenfolge ein zu Detektion und Synchronisation notwendiges Taktimpulssignal zu erzeugen. Ferner kann die Vermeidung bestimmter Zeichenfolgen im Informationssignal geboten sein, weil diese anderen
Zwecken vorbehalten sind, z.B. als Synchronisationsfolgen dienen. Schließlich kann die Forderung bestehen, die Übergänge nicht zu schnell aufeinander folgen zu lassen, um die Intersymbolinterferenz zu beschränken. Ein derartiges Verfahren ist in der Veröffentlichung von Tang und Bahl "Block Codes for a Class of Constrained Noiseless Channels" in Information and Control 17 (1970), 436 ff. (Anlage Ni-K 8) beschrieben. Als Nachteil der Kodierungsart nach diesem Verfahren bezeichnet es die Streitpatentschrift, daß der Anteil der niedrigen Frequenzen (einschließlich Gleichstrom) an dem Frequenzspektrum des Stromes von Kanalbits ziemlich hoch ist. Ein weiterer Nachteil seien die "verwickelten" (gemeint wohl: aufwendigen) Kodierwandler, insbesondere der Demodulator. Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits anzugeben, das die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals verbessert und einen einfachen Demodulator ermöglicht, sowie einen Aufzeichnungsträger mit einer Datenstruktur bereitzustellen, die mit einem derartigen Verfahren erzeugt werden kann. Der in Patentanspruch 11 beanspruchte Aufzeichnungsträger läßt sich wie folgt in Merkmale gliedern:
(1)
Es handelt sich um einen Aufzeichnungsträger mit einer Informationsstruktur mit Folgen von Kanalbitzellen, die je ein Bit enthalten, dessen Wert durch einen Pegelübergang (1) oder einen fehlenden Pegelübergang (0) am Anfang der Bitzelle dargestellt wird.
(2)
Die Informationsstruktur wird mit einem Verfahren mit den nachfolgenden Merkmalen 2.1 bis 2.8 erzeugt: (2.1) Eine Folge Datenbits wird in unmittelbar aufeinanderfolgenden Blöcken von je 8 (m) Datenbits aufgeteilt. (2.2) Diese Blöcke von 8 Datenbits werden in aufeinanderfolgende Blöcke von 17 (n1 + n2 > m) Kanalbits umkodiert. (2.3) Die Blöcke Kanalbits enthalten je einen Block von 14 (n1) Informationsbits und einen Block von 3 (n2) Trennbits derart, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch jeweils nur einen Block Trennbits getrennt werden. (2.4) Das Umwandeln der Blöcke von 8 (m) Datenbits in Blöcke von 14 (n1) Informationsbits erfolgt derart, daß zwei aufeinanderfolgende Kanalbits des Typs 1 durch mindestens 2 (d) und höchstens 10 (k) aufeinanderfolgende Bits des Typs 0 getrennt werden. (2.5) Mehrere Blöcke von 17 (n1 + n2) Kanalbits werden durch Ergänzen je eines Blockes von 14 (n1) Informationsbits durch jeweils einen Block aus der Menge aller möglichen Blöcke von 3 (n2) Trennbits erzeugt. (2.6) Es werden diejenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits bestimmt, die in Bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen. (2.7) Es wird für jeden der so bestimmten Blöcke von Kanalbits der Gleichstromanteil ermittelt. (2.8) Es wird der Block von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil ausgewählt.
(3)
Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen ist maximal gleich 11 (k + 1) Bitzellen und minimal gleich 3 (d + 1) Bitzellen.
(4)
Es treten höchstens zwei aufeinanderfolgende maximale Abstände von 11 (k + 1) Bitzellen der Pegelübergänge auf, die Teil einer Synchronisationsinformation sind. Die nebenstehend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt einige Bitfolgen zur Erläuterung des Verfahrens zur Umkodierung einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits.
2. Mit der Beklagten kann Patentanspruch 11 als product-byprocess -Anspruch bezeichnet werden, da es sich um einen auf einen Aufzeichnungsträger gerichteten Sachanspruch handelt, der jedoch teilweise (in den Merkmalen 2 bis 2.8) nicht unmittelbar durch (räumlich-körperlich oder funktional umschriebene) Sachmerkmale, sondern durch das Verfahren definiert ist, das die erfindungsgemäße Informationsstruktur erzeugt. In einem solchen Fall ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Verfahren durch dieses bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (Sen.Urt. v. 19.6.2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 - zipfelfreies Stahlband). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob sich Anspruch 1 als ein Verfahren zur Herstellung eines Datenträgers bezeichnen läßt. Vielmehr kommt es allein darauf an, inwieweit sich den verfahrensmäßig definierten Merkmalen - in ihrem technischen Sinngehalt über die Merkmale 1, 3 und 4 hinausgehende - Angaben über die erfindungsgemäße Beschaffenheit des beanspruchten Datenträgers entnehmen lassen. Insoweit beschreiben die Merkmale 2.2 und 2.3, daß die Informationsstruktur (Merkmal 1) aufeinanderfolgende Blöcke von 17 (n1 + n2) Kanalbits aufweist, die je einen Block von 14 (n1) Informationsbits und einen Block von 3 (n2) Trennbits derart enthalten, daß aufeinanderfolgende Blöcke von Informationsbits durch einen Block Trennbits getrennt werden. Dabei sind zwei aufeinanderfolgende Kanalbits des Typs 1 durch mindestens 2 (d) und höchstens 10 (k) aufeinanderfolgende Bits des Typs 0 getrennt (Merkmal 2.4), was mit anderen Worten auch Merkmal 3 besagt, indem dort nicht auf die trennenden Bits des Typs 0, sondern auf den Abstand zwischen zwei Bits des Typs 1 (daher +1) abgestellt wird. Von besonderer Bedeutung ist Merkmal 2.8, aus dem sich ergibt , daß jeder Block von Kanalbits - verglichen mit anderen möglichen, gemäß
den Merkmalen 2.5 bis 2.7 erzeugten oder erzeugbaren Blöcken - den "minimalen Gleichstromanteil" aufweisen soll. Hierdurch soll, wie der Fachmann der Streitpatentschrift entnimmt, insbesondere bei optischen Aufzeichnungssystemen der Einfluß des bei der Abtastung entstehenden Störspektrums minimiert werden. Bei dem von der Streitpatentschrift angesprochenen Fachmann sind, wie der gerichtliche Sachverständige in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und von den Parteien unbeanstandet ausgeführt hat, Kenntnisse und Fähigkeiten eines Elektrotechnikingenieurs der Studienrichtung Nachrichtentechnik mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluß und Erfahrungen auf dem Gebiet der Speichertechnik zugrunde zu legen. Der in dieser Weise qualifizierte Fachmann erhält durch die in der Streitpatentschrift angegebene Aufgabenstellung den Hinweis, daß es bei der Minimierung des Gleichstromanteils um die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals geht (S. 4 Z. 55 - 57). Das entspricht dem für den Stand der Technik angegebenen Nachteil, daß der Anteil der niedrigen Frequenzen (einschließlich Gleichstrom) an dem Frequenzspektrum des Stromes von Kanalbits ziemlich hoch sei (S. 4 Z. 41/42). Auf S. 5 Z. 57 - 59 wird ausdrücklich darauf hingewiesen , daß es bei optischer Aufzeichnung erwünscht sei, daß der niederfrequente Teil des Datenspektrums optimal unterdrückt werde. Der gerichtliche Sachverständige hat dies ergänzend dahin erläutert, daß speziell die niedrigen Frequenzen des bei der Abtastung entstehenden Störspektrums das Antriebsystem beeinflussen können und daß der Modulationscode daher gleichstromfrei sein soll. Ein gleichstromfreier Modulationscode wirkt sich zudem positiv auf die Detektionsfehlerrate aus (S. 6 Z. 56 - 58 der Streitpatentschrift), und AnalogDigital -Wandler und Detektor können besonders einfach realisiert werden.
3. Näherer Erörterung bedarf ferner das Merkmal 2.6, nach dem diejenigen Blöcke von Kanalbits aus den möglichen Blöcken von Kanalbits bestimmt werden, die in Bezug auf den jeweils vorhergehenden und nachfolgenden Block von Kanalbits die (d, k)-Bedingung erfüllen. Die Streitpatentschrift beschreibt in dem Abschnitt S. 6 Z. 65 - S. 7 Z. 13, wie diese Auswahl realisiert werden kann. Danach wird von jedem der möglichen Blöcke Kanalbits ermittelt, ob für den betreffenden Block in Anbetracht des vorhergehenden Blocks Kanalbits die Anforderung der d-Begrenzung und die Anforderung der k-Begrenzung nicht dem Format des betreffenden Blocks Trennbits widerspricht, und ferner ermittelt, welcher der digitale Summenwert (DSW, als Maß für den Gleichstromanteil ) für den betreffenden möglichen Block Kanalbits ist. Für die möglichen Blöcke Kanalbits, die sich in der Anforderung der d-Begrenzung und der k-Begrenzung nicht widersprechen, wird ein erstes Anzeigesignal erzeugt. Sodann kann aus den möglichen Blöcken Kanalbits, für die ein erstes Anzeigesignal erzeugt ist, der Block Kanalbits mit dem kleinsten DSW gewählt werden. Als vorzugswürdig wird es jedoch bezeichnet, den DSW der vorhergehenden Blöcke Kanalbits zu speichern und aus den Blöcken Kanalbits, die als nächste für die Übertragung in Betracht kommen, denjenigen Block zu wählen, der den gespeicherten DSW im Absolutwert abnehmen läßt. Auf diese Weise gewährleistet die Überprüfung der (d, k)-Bedingung jeweils mit Blick auf den vorhergehenden Block von Kanalbits die Einhaltung dieser Bedingung auch in Bezug auf den nachfolgenden Block. Zugleich wird angegeben, wie der Gleichstromanteil minimiert werden kann. 4. Schließlich bedarf noch das Merkmal 4 der Auslegung. Es gibt an, daß in die Kanalbitfolgen Synchronisationsinformationen eingefügt sind, der Bestandteil näher definierte Kanalbitfolgen sind. Diese Kanalbitfolgen sind gekennzeichnet durch die Aufeinanderfolge eines Kanalbits vom Typ 1 und von 10 (k) Kanalbits des Typs 0. Sie treten höchstens zweimal aufeinanderfolgend auf
und sind in diesem Falle Teil der Synchronisationsinformation. Damit sie als solche behandelt und nicht als Informationsbits gelesen werden, muß eine solche Aufeinanderfolge außerhalb des Blocks von Synchronisationsbits ausgeschlossen werden, wie sich für den Fachmann von selbst versteht und ihm im übrigen auf S. 9, Z. 10 - 21 der Streitpatentschrift ausdrücklich erläutert wird. Soweit dort die Anzahl der aufeinanderfolgenden Bits des Typs 0 nur vorzugsweise mit s = k angegeben wird, engt Merkmal 4 des Patentanspruchs die geschützte Lehre auf diese Ausführungsform ein, mit der für die Synchronisationsbitfolge gleichzeitig der d- wie der k-Bedingung entsprochen wird. 5. Der von der Klägerin gegen die Umschreibung des erfindungsgemäßen Aufzeichnungsträgers mit den Merkmalen 1 bis 4 erhobene Einwand, einen Aufzeichnungsträger mit einer solchen Informationsstruktur "gebe es nicht", da beispielsweise eine CD auf der spiralförmig von außen nach innen verlaufenden Spur lediglich unterschiedlich lange Vertiefungen (Pits) und NichtVertiefungen (Lands) aufweise, die lediglich aufgrund einer bestimmten technischen Konvention über Drehgeschwindigkeit, Takt und dergleichen als Bits interpretiert werden könnten, ist unbegründet. Denn daß es einer solchen Konvention bedarf, um die räumlich-körperliche Struktur des Aufzeichnungsträgers als Informationsstruktur "lesen" zu können, versteht sich für den Fachmann von selbst. Solche Konventionen standen dem Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat und auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, am Prioritätstag auch zur Verfügung, so daß er Patentanspruch 11 ohne weiteres die technische Lehre entnehmen konnte, den erfindungsgemäßen Aufzeichnungsträger räumlich-körperlich so zu gestalten, daß er in Verbindung mit einer geeigneten Konvention zur Interpretation der räumlich-körperlichen Struktur eine den Merkmalen 1 bis 4 entsprechende Informationsstruktur ergibt.
II. Daraus ergibt sich zugleich, daß die Notwendigkeit einer solchen Konvention keine mangelnde Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre begründet. Auch im übrigen liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG nicht vor. Soweit die Klägerin die technische Anweisung des Merkmals 2.6 als nicht ausführbar beanstandet, trifft dies nach den Ausführungen zu I 3 nicht zu. III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 11 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie beim Deutschen Patentamt ursprünglich eingereicht worden ist (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). 1. Die Klägerin meint, nach der Ursprungsoffenbarung würden Folgen von m Datenbits in Folgen von n1 Informationsbits umgewandelt und mehrere Folgen von Kanalbits erzeugt, die je einen Block Informationsbits und nur eine der möglichen Bitkombinationen der Trennbits enthalten. Für jede der Folgen von Kanalbits werde die Summe der Anzahl der Trennbits und der Anzahl der Nullen vor einer 1, die Summe der Nullen, die einer 1 folgen, welche Teil eines Trennbits ist, und die Summe der Anzahl Trennbits und der Informationsbits vom Typ 0 ermittelt, die jedem Block von Trennbits unmittelbar vorangeht und folgt. Es werde sodann ein Anzeigesignal für die ermittelten Summen größer d und höchstens k erzeugt und aus den Folgen, bei denen das Anzeigesignal erzeugt wurde, diejenige Folge von Kanalbits ausgewählt, die den Gleichstromanteil minimiere. Die Summenbildungen seien an keiner Stelle als verzichtbar erkennbar. Hingegen werde nach Patentanspruch 1 bereits bei der Umwandlung von m Datenbits in 14 Informationsbits die (d, k)-Bedingung angewandt. Sodann werde diese Bedingung blockweise auf die Kanalbits angewandt (Merkmal 2.6) und dann der Gleichstromanteil ermittelt. In der Ursprungsoffenbarung finde dies keine Stütze.
Das wird dem Gesamtoffenbarungsgehalt der Anmeldeunterlagen nicht gerecht. Denn der Fachmann entnimmt der Anmeldung, daß die Blöcke aus Trennbits zum einen blockübergreifend die Einhaltung der (d, k)-Bedingung gewährleisten , zum anderen derart bemessen werden sollen, daß sie außerdem zum Minimieren des Gleichstromanteils benutzt werden können (S. 10 Z. 9 - 20 der Anmeldung = S. 6 Z. 39 - 41 der Streitpatentschrift). Die Anmeldung enthält verschiedene Ausführungsbeispiele, die dem Fachmann zeigen, wie er diese Ziele erreichen kann (S. 11 Z. 6 - S. 14 Z. 3). Diese Beispiele sind für den Fachmann als solche erkennbar; er versteht sie als Anwendungen der anhand dieser Beispiele offenbarten allgemeinen Lehre, die Blöcke von Trennbits so auszuwählen, daß sie die (d, k)-Bedingung erfüllen und zugleich zu einem minimalen Gleichstromanteil führen. 2. Ebenfalls zu Unrecht hält die Klägerin Merkmal 3 für nicht ursprungsoffenbart. Denn Merkmal 3 stimmt, wie bereits ausgeführt, inhaltlich mit Merkmal 2.4 überein. 3. Schließlich ist entgegen der Meinung der Klägerin auch Merkmal 4 ursprungsoffenbart. Denn der angemeldete Patentanspruch 12 ist auf einen Merkmal 1 entsprechenden Aufzeichnungsträger gerichtet, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der maximale Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen gleich der Länge von 11 (k + 1) Bitzellen ist, daß der minimale Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen gleich der Länge von 3 (d + 1) Bitzellen ist (Merkmal 3), daß "höchstens Folgen des doppelten maximalen Abstandes von 11 (k + 1) Bitzellen auftreten" und daß diese Folgen einen Teil einer Synchronisationsfolge bilden. Die letzten beiden kennzeichnenden Merkmale entsprechen trotz ihrer verunglückten Formulierung inhaltlich Merkmal 4. Das ergibt sich aus der Beschreibung in Verbindung mit Figur 4 der Anmeldung, der der Fachmann entnimmt, daß mit den "Folgen
des doppelten maximalen Abstandes von (k + 1) Bitzellen" nicht etwa Folgen von 21 Bitzellen des Typs 0 gemeint sind (was, wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat, die nach dem angemeldeten Patentanspruch 12 einzuhaltende k-Bedingung verletzen würde), sondern vielmehr die höchstens zweimalige Aufeinanderfolge der Zeichenreihe 10000000000, die bei k = 10 jeweils dem Abstand von k + 1 Bitzellen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pegelübergängen entspricht. Denn in Übereinstimmung mit S. 10 Z. 20 - 42 der Streitpatentschrift wird in den Anmeldeunterlagen auf S. 21 Z. 19 bis S. 22 Z. 21 ein Ausführungsbeispiel mit einer Synchronisationsinformation beschrieben, die zwei derartige aufeinanderfolgende Blöcke 10000000000 aufweist. IV. Zu Recht hat das Bundespatentgericht schließlich auch den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit verneint (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). 1. Patentanspruch 11 schützt eine Erfindung im Sinne des § 1 PatG. Die Auffassung der Klägerin, Patentanspruch 1 (und damit auch Patentanspruch 11) betreffe die Wiedergabe von Informationen und sei daher nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 PatG nicht als Erfindung anzusehen, ist unzutreffend. Daß ein Verfahren oder eine Vorrichtung die Wiedergabe von Informationen betrifft, steht einem Patentschutz für das Verfahren oder die Vorrichtung nicht entgegen. Vielmehr wird nur die Wiedergabe von Informationen als solche nicht als Erfindung angesehen (§ 1 Abs. 3 PatG). Maßgeblich ist daher nach der Rechtsprechung des Senats, ob die beanspruchte Lehre Anweisungen enthält , die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Ist dies der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Patentanspruch auch auf die Verwendung eines Algorithmus, einen im geschäftlichen
Bereich liegenden Zweck oder den Informationscharakter des Verfahrensergebnisses oder der beanspruchten Sache abstellt (Sen.Beschl. v. 19.10.2004 - X ZB 33/03, GRUR 2005, 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe; Sen.Beschl. v. 19.10.2004 - X ZB 34/03, GRUR 2005, 143, 144 - Rentabilitätsermittlung; vgl. auch EPA [TBK 3.5.2], ABl. EPA 2000, 515 - Datenstrukturprodukt/Philipps). Insofern gilt nichts anderes als für Verfahren, die sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Datenverarbeitungsprogramms bedienen (vgl. Sen.Beschl. v. 24.5.2004 - X ZB 20/03, GRUR 2004, 667 - Elektronischer Zahlungsverkehr , für BGHZ 159, 197 vorgesehen; BGHZ 149, 68 - Suche fehlerhafter Zeichenketten). Das Streitpatent betrifft, wie ausgeführt, das Problem, ein Verfahren zum Umkodieren einer Folge Datenbits in eine Folge Kanalbits anzugeben, das die Niederfrequenzspektrumeigenschaften des aus den Kanalbits abzuleitenden Signals verbessert und einen einfachen Demodulator ermöglicht, sowie einen Aufzeichnungsträger mit einer Datenstruktur bereitzustellen, die mit einem derartigen Verfahren erzeugt werden kann. Das Problem ist technischer Natur, und die Mittel zu seiner Lösung sind technisch, denn sie bestehen aus einem Umcodierungsverfahren , das zu einer Aufzeichnungsstruktur mit physikalischen Eigenschaften führt, die die optische Auswertbarkeit der mittels dieser Aufzeichnungsstruktur gespeicherten Informationen verbessern. Daraus ergibt sich zugleich, daß Patentanspruch 11 auf eine Lehre zum technischen Handeln und damit auf eine Erfindung im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG gerichtet ist. 2. Daß der Gegenstand des Patentanspruchs 11 an dem vom Streitpatent in Anspruch genommenen Prioritätstag nicht zum Stand der Technik gehörte , wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Es sind auch keine vorbekannten Verfahren oder Aufzeichnungsträger dargetan, aus denen sich Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung der Neuheit ergeben könnten. Soweit
die Klägerin die Präsentation "The Compact Disc Digital Audio System: Modulation And Error-Correction" von Vries u.a. auf der 67. Tagung der Audio Engineering Society vom 31. Oktober bis zum 3. November 1980 in New York (schriftliche Fassung Anl. Ni-K 2) als neuheitsschädlich ansieht, kann sie damit - wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat - schon deshalb nicht durchdringen, weil das Streitpatent die Priorität vom 14. Juli 1980 zu Recht in Anspruch nimmt. Das Prioritätsrecht nach Art. 4 PVÜ kann jedenfalls insoweit in Anspruch genommen werden und bestimmt nach § 3 Abs. 1 PatG den Zeitrang der deutschen Patentanmeldung, als eine mit der Patentanmeldung beanspruchte Merkmalskombination dem Fachmann in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörig offenbart ist (vgl. BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133 - Elektronische Funktionseinheit; jeweils zu Art. 87 Abs. 1 EPÜ). Unerheblich ist dabei nach Art. 4 H PVÜ, ob der Gegenstand der deutschen Patentanmeldung in den in der früheren Anmeldung aufgestellten Patentansprüchen enthalten ist, sofern nur die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen diese Merkmale deutlich offenbart. Diese Voraussetzung ist für den Gegenstand des Patentanspruchs 11 erfüllt. Die Klägerin bezweifelt das mit der Begründung, Merkmal 4 stehe in Widerspruch zu dem Verfahren nach Anspruch 2 der niederländischen Prioritätsanmeldung , nach dem mindestens zwei aufeinanderfolgende Pegelübergänge verwendet würden, die der in Merkmal 4 formulierten (k + 1)-Bedingung entsprächen. Das ist jedoch unerheblich, da die niederländische Anmeldung in Anspruch 11 einen Anspruch 12 der deutschen Anmeldung entsprechenden Patentanspruch enthält, der auf einen Aufzeichnungsträger (auch) mit Merkmal 4 gerichtet ist und wie in der deutschen Anmeldung in der Beschreibung näher
erläutert wird (S. 18 Z. 4 - 36 der niederländischen Patentanmeldung). Die Ausführungen zu III 3 zur unzulässigen Erweiterung gelten daher entsprechend, wobei der Zusammenhang der Ausführungen in der Beschreibung mit dem Gegenstand des Anspruchs 11 sogar noch deutlicher hervortritt als in der deutschen Anmeldung, da das Verständnis dieses Anspruchs nicht durch die offenbar auf die Übersetzung vom Niederländischen ins Deutsche zurückzuführende mißglückte Ausdrucksweise des Anspruchs 12 der deutschen Anmeldung erschwert wird. 3. Schließlich hat der Senat auch nicht die Überzeugung gewonnen, daß der Stand der Technik - wie die Klägerin erstmals unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 11 nahegelegt hat. Zwar stand dem Fachmann aus der bereits erörterten Entgegenhaltung Tang/Bahl ein Verfahren zur Verfügung, mit dem er eine den Merkmalen 2 bis 2.6 entsprechende Informationsstruktur erzeugen und einen den Merkmalen 1 und 3 entsprechenden Aufzeichnungsträger bereitstellen konnte. Der Senat ist jedoch nicht überzeugt, daß der Fachmann diese bekannte Lösung dahin weiterentwickelt hätte, daß er für entsprechend Merkmal 2.5 erzeugte und entsprechend Merkmal 2.6 bestimmte Blöcke von Kanalbits jeweils den Gleichstromanteil ermittelt und den Block von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil ausgewählt hätte (Merkmale 2.7 und 2.8) und ferner in die Kanalbitfolgen Merkmal 4 entsprechende Synchronisationsinformationen eingefügt hätte. Allerdings ist nicht zweifelhaft, daß der Fachmann Veranlassung hatte, sich jedenfalls bei magnetischen Aufzeichnungsträgern, die von dem erteilten Patentanspruch auch erfaßt werden, Gedanken über die Minimierung des Gleichstromanteils zu machen. Ebensowenig ist zweifelhaft, daß dem Fach-
mann die Notwendigkeit von Synchronisationsinformationen bewußt war und daß ihm die Möglichkeit zu Gebote stand, solche Synchronisationsinformationen in geeigneten Abständen in die Kanalbitfolgen einzufügen. Beides hat der gerichtliche Sachverständige bestätigt und ist auch zwischen den Parteien außer Streit. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, daß diese Vorgaben und die im Stand der Technik bekannten Lösungen zur Verringerung des Gleichstromanteils nicht ausgereicht hätten, dem Fachmann Veranlassung zu geben, die erfindungsgemäße Merkmalskombination in Erwägung zu ziehen. Der deutschen Offenlegungsschrift 23 00 179 (Anlage Ni-K 11), auf die die Klägerin sich in diesem Zusammenhang bezogen hat, entnimmt der Fachmann ein Verfahren und Vorrichtungen zur Herabsetzung des durch einen Gleichstrom gegebenen Vormagnetisierungsstroms des einem magnetischen Auszeichnungskopf zugeführten Schreibstroms. Dabei werden magnetische Darstellungen von aus Binärziffern bestehenden aufeinanderfolgenden Dreiergruppen in aufeinanderfolgenden Zellen einer Spur auf dem Aufzeichnungsträger aufgezeichnet. Jede magnetische Darstellung besteht aus einem Flußumkehrmuster , welches an zumindest zwei von vier Übergangsstellen T0, T1, T2 und T3 innerhalb der jeweiligen Zelle auftritt. Dabei können bestimmte Reihen von Binärzifferdreiergruppen entweder durch ein primäres Flußumkehrmuster oder durch ein abwechselndes Flußumkehrmuster dargestellt werden, wie dies die nachfolgende Gegenüberstellung aus Figur 2 der Entgegenhaltung veranschaulicht :

T0 T1 T2 T3 T 0 T1 T2 T3 0 0 0 0 1 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 0 1 1 1 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 1 0 0 0 1 1 Dadurch, daß anstelle der primären Flußumkehrmuster für die Dreiergruppen 001, 011 und 110 gegebenenfalls die Alternativmuster verwendet werden , kann die Gleichstromvormagnetisierung vermindert werden. Die unmittelbare Übertragung der Erkenntnisse aus dieser Entgegenhaltung auf einen Aufzeichnungsträger der eingangs dieses Abschnitts erörterten Art würde den Fachmann dazu führen, den Wert n1 für die Anzahl der Informationsbits zu erhöhen, um auf diese Weise die Möglichkeit zu schaffen, alternative Kodierungsmuster für die Umkodierung der Blöcke von Datenbits in aufeinanderfolgende Blöcke von Kanalbits bereitzustellen. Auf diese Weise gelangte er jedoch nicht zum Gegenstand der Erfindung. Es ist zwar in Betracht zu ziehen, daß der Fachmann möglicherweise auch hätte erwägen können, lediglich den Gedanken unterschiedlicher Gleichstromanteile alternativer Bitmuster weiterzuverfolgen und unter diesem Gesichtspunkt eine (weitere) Auswahl unter den entsprechend Merkmal 2.5 erzeugten mehreren Blöcken von Kanalbits zu treffen. Selbst wenn man hiervon ausginge, vermag der Senat jedoch nicht die Überzeugung zu gewinnen, daß der Fachmann diese Erwägung mit dem weiteren Schritt verbunden hätte, zwei
aufeinanderfolgende Folgen eines Kanalbits vom Typ 1 und von 10 (k) Kanalbits des Typs 0 als Teil einer Synchronisationsinformation zu verwenden. Ein unmittelbares Vorbild für die letztere Maßnahme hat die Klägerin nicht aufgezeigt, und Anhaltspunkte für ein solches sind auch sonst im Verlaufe der Verhandlung und Beweisaufnahme nicht hervorgetreten. Der gerichtliche Sachverständige hat es zwar als naheliegend bezeichnet, auch bei dem Synchronisationsmuster die (d, k)-Bedingung einzuhalten. Er hat jedoch in der Merkmal 4 entsprechenden Bitfolge eine geschickte Auswahl unter der Vielzahl in Betracht kommender Möglichkeiten gesehen, weil sie wegen der beiden Pegelübergänge , auf die jeweils die gleiche Anzahl von 10 (k) Bits des Typs 0 folgt, keinen Gleichstromanteil enthält. Damit dienen aber beide Maßnahmen - die Auswahl der Blöcke von Kanalbits mit minimalem Gleichstromanteil nach den Merkmalen 2.7 und 2.8 wie die Ausgestaltung der Synchronisationsinformation nach Merkmal 4 - dem Ziel eines möglichst geringen Gleichstromanteils und greifen somit ineinander. Ihre Verbindung stellt einen glücklichen Griff dar, von dem nicht festgestellt werden kann, daß er dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstag nahegelegen hat. V. Mit Patentanspruch 11 hat auch der den Aufzeichnungsträger nach Patentanspruch 11 weiterbildende Patentanspruch 12 Bestand. Ursprungsoffenbarung und Ausführbarkeit sind insoweit von der Klägerin nicht gesondert angegriffen und Bedenken hiergegen auch sonst nicht hervorgetreten.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO. Melullis Scharen Meier-Beck Asendorf Kirchhoff

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)