Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2007 - X ZR 240/02

bei uns veröffentlicht am10.07.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 6/01, 14.05.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 240/02 Verkündet am:
10. Juli 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den
Richter Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Mai 2002 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 205 766 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 19. März 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 35 15 775 A1 vom 2. Mai 1985 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundes- republik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 205 766 (Streitpatents), das eine "Klappdeckelschachtel für Zigaretten od. dgl." betrifft und elf Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch: "Klappschachtel aus faltbarem Material, wie Karton oder dgl., mit im wesentlichen quaderförmiger Gestalt, insbesondere zur Aufnahme einer in einen Innenzuschnitt eingehüllten Zigaretten-Gruppe (Stanniolblock ), mit einem Schachtelteil (10) und an einer Rückwand desselben angelenktem Klappdeckel (11), der in Schließstellung einen mit dem Schachtelteil verbundenen Kragen (22) umfaßt, wobei Seitenwände (13) bzw. Deckelseitenwände (18, 19) aus übereinander liegenden Seitenlappen (31, 32) bzw. Deckelseitenlappen (31, 34) gebildet sind, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
a) (aufrechte) Längskanten (26, 27; 28, 29; 30) des Schachtelteils (10), des Klappdeckels (11) und des Kragens (22) sind abgerundet , wobei der Radius der Rundungen dem einer Zigarette (etwa ) entspricht,
b) die Seitenlappen (31, 32) bzw. Deckelseitenlappen (33, 34) sind in ihrer Breite so bemessen, daß sie sich wechselseitig nur im Bereich außerhalb der Rundungen der Längskanten (26....29) überdecken."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 11 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die aus dem Streitpatent vor dem Oberlandesgericht Hamburg (Az. 3 U 104/04) gerichtlich in Anspruch genommene Klägerin hat geltend gemacht, das Streitpatent sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Die Prioritätsinanspruchnahme sei zu Unrecht erfolgt; deshalb sei auch das im Prioritätsintervall veröffentlichte US-Design-Patent 279 507 (Anl. K4) zu berücksichtigen. Weiter hat sich die Klägerin auf die Schweizer Geschmacksmusteranmeldung 114 028 (Anl. K8) und das dieser entsprechende BeneluxGeschmacksmuster 12699 00 (Anl. K8a), die deutsche Patentschrift 24 62 686 (Anl. K7), die deutsche Offenlegungsschrift 29 40 797 (Anl. K11), die USPatentschriften 2 523 251 (Anl. K12) und 4 049 188 (Anl. K10), die britische Patentschrift 517 947 (Anl. K14) und die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 71 20 716 (Anl. K9) gestützt. Sie hat die Nichtigerklärung des Streitpatents für die Bundesrepublik Deutschland beantragt. Die Beklagte hat das Streitpatent mit neu gefassten Patentansprüchen 1 - 9 verteidigt; in Patentanspruch 1 hat sie dabei zusätzlich das folgende Merkmal (aus Patentanspruch 4 des erteilten Patents) aufgenommen: "c) an die (innen liegenden) Seitenlappen (32) anschließende Bodenecklappen (39) sowie an die innen liegenden Deckelseitenlappen (33) anschließende Deckelecklappen (40) sind mit geringerer Breite ausgebildet als die Breite der Bodenwand (15) bzw. Deckeloberwand (21), nämlich entsprechend der Breite der Seitenlappen (31) bzw. Deckelseitenlappen (32) zwischen den Rundungen der Längskanten (26...29)."
4
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über die Patentansprüche in ihrer verteidigten Fassung hinausgeht.
5
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Univ.-Prof. R. J. schriftli- ein ches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang, weil dieses auch in seiner zulässigerweise noch verteidigten Fassung nicht patentfähig ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52 bis 57 EPÜ). Dabei steht der Klägerin das infolge des Ablaufs des Streitpatents erforderliche eigene Rechtsschutzbedürfnis deshalb zur Seite, weil sie aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird.
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Klappschachtel aus faltbarem Material, die insbesondere der Aufnahme von eingehüllten Zigarettengruppen ("Stanniolblock" ) dient. Derartige Verpackungen sind als "Hinge-Lid-Packung" bekannt. Die Beschreibung des Streitpatents gibt dazu an, dass sie in der Vergangenheit ausschließlich scharfkantig ausgebildet gewesen seien, was einen beträchtlichen Materialaufwand bei diesem beliebten Verpackungstyp begründe.
9
2. Durch das Streitpatent soll nach den Angaben in der Patentschrift der Materialaufwand gegenüber herkömmlichen Klappschachteln reduziert werden. Außerdem soll die Funktionalität der Packung aufrechterhalten werden (Beschreibung Sp. 1 Z. 38-53). Jedenfalls soll, ohne dass dies im Streitpatent ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, eine ungewöhnliche Verpackung mit hohem Aufmerksamkeitswert geschaffen werden.
10
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner von der Beklagten noch verteidigten Fassung eine Klappschachtel aus faltbarem Material wie Karton (insbesondere zur Aufnahme einer in einen Innenzuschnitt eingehüllten Zigarettengruppe ("Stanniolblock")) (1) mit im Wesentlichen quaderförmiger Gestalt (2) bestehend aus einem Schachtelteil (3) mit einem Klappdeckel, (3.1) der an der Rückwand des Schachtelteils angelenkt ist, (3.2) in Schließstellung einen mit dem Schachtelteil verbundenen Kragen umfasst, (4) dabei sind Seitenwände und Deckelseitenwände aus übereinander liegenden Seitenlappen bzw. Deckelseitenlappen gebildet, (4.1) die in ihrer Breite so bemessen sind, dass sie sich wechselseitig nur im Bereich außerhalb der Rundungen der Längskanten überdecken, (5) an die (innen liegenden) Seitenlappen anschließende Bodenecklappen sowie an die innen liegenden Deckelseitenlappen anschließende Deckelecklappen sind mit geringerer Breite ausgebildet als die Breite der Bodenwand bzw. Deckeloberwand , (5.1) nämlich entsprechend der Breite der Seitenlappen bzw. Deckelseitenlappen zwischen den Rundungen der Längskanten, (6) aufrechte Längskanten des Schachtelteils, des Klappdeckels und des Kragens sind abgerundet, (6.1) wobei der Radius der Rundungen dem einer Zigarette (etwa) entspricht.
11
Der Senat versteht Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 dabei dahin, dass alle (und nicht etwa nur bestimmte) aufrechten Längskanten abgerundet sein sollen.
12
4. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 4 der Zeichnungen des Streitpatents zeigen eine patentgemäße Klappschachtel in perspektivischer Darstellung sowie die Anordnung eines Zuschnitts für eine solche Klappschachtel innerhalb eines Nutzens des Verpackungsmaterials:
13
5. Zigarettenverpackungen sind seit langer Zeit in zumindest zwei verschiedenen Grundtypen bekannt, nämlich als sog. "Hartverpackungen", wozu die im Streitpatent unter Schutz gestellte Verpackung rechnet, und als "Weichverpackungen" aus relativ dünnem Papier (vgl. die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 71 20 716, Beschreibung S. 1). Dabei ist gerichtsbekannt und wurde mit den Parteien erörtert, dass bei den "Weichverpackungen" bereits lange vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents im Allgemeinen, wenn nicht notwendig, eine Anpassung an die Kontur des Zigarettenblocks erfolgt ist, dies bei "Hartverpackungen" wie den im Streitpatent beschriebenen Klappschachteln ("Hinge-Lid"-Packungen) aber schon infolge der Steifigkeit des Verpackungskartons regelmäßig nicht der Fall war, sondern dass diese im allgemeinen quaderförmig ausgebildet waren.
14
II. 1. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist nach den vom Senat getroffenen Feststellungen neu. Das vorveröffentlichte Hinterlegungsgesuch für Muster und Modelle Nr. 114 028 (Anl. K8) des Bundesamts für geistiges Eigentum zeigt ebenso wie das gleichfalls vorveröffentlichte Benelux-Muster 12699 00 (Anl. K8a) Zigarettenschachteln mit achteckigem und nicht mit abgerundetem Querschnitt. Die Unterlagen des im Jahr 1971 veröffentlichten deutschen Gebrauchsmusters 71 20 716 (Anl. K9) zeigen und beschreiben eine im Prinzip im Querschnitt rechteckige Zigarettenverpackung mit wenigstens an den Seiten abgerundeten Kanten und wenigstens am Boden abgerundeten Ecken. Die Abrundung wird durch Rill- und/oder Ritzlinien bewirkt. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Klappschachtel im Sinn des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Das im Jahr 1977 veröffentlichte US-Patent 4 049 188 (Anl. K10) beschreibt ebenfalls keine Klappschachtel. Die 1981 veröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 29 40 797 (Anl. K11) zeigt eine Zigarettenschachtel, bei der nicht nur die Kanten, sondern auch die Ecken der Schachtel abgerundet sind; zudem wird die Dimensionierung der Seiten- und Eckteile (Merkmalsgruppen 4 und 5) nicht beschrieben. Von der - in erster Linie für Seifenverpackungen bestimmten - Faltschachtel nach der USPatentschrift 2 523 251 (Anl. K12) aus dem Jahr 1950 unterscheidet sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents jedenfalls dadurch, dass dort ein Kragen (Merkmal 3) ebenso wenig vorgesehen ist wie ein Klappdeckel (Merkmalsgruppe 3). Die anstelle der nicht vorveröffentlichten Patentschrift 24 62 686 (Anl. K7) berücksichtigte vorveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 24 40 006 beschreibt eine Klappschachtel in Quaderform, d.h. nicht mit abgerundeten oder abgeschrägten Ecken. Auch die 1940 veröffentlichte britische Patentschrift 517 947 (Anl. K14) zeigt eine quaderförmige Faltschachtel (vgl. insbes. Fig. 1).
15
Aus der behaupteten Vorbenutzung der R. J. Reynolds Tobacco Company in den Jahren 1983/1984 ergibt sich, ihre Richtigkeit unterstellt, jedenfalls nicht, dass die Tests auch die Merkmalsgruppen 4 und 5 (Dimensionierung der sich überlappenden Seitenteile, der Bodenecklappen und der Deckelseitenlappen ) des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart haben. Das US-Design-Patent 279 507 ist erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht worden. Selbst wenn es - unter der Voraussetzung, dass die Priorität der Voranmeldung in Deutschland nicht wirksam beansprucht ist, wie die Nichtigkeitsklägerin geltend macht - zum Stand der Technik rechnen sollte, nähme es die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vollständig vorweg, denn die Merkmalsgruppen 4 und 5 werden auch in ihm nicht offenbart.
16
2. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents ergab sich aber für den Fachmann, als den der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen einen Ingenieur der Fachrichtungen Papierverarbeitungstechnik oder Verpackungstechnik mit langjähriger beruflicher Erfahrung in der Herstellung und Verwendung von Faltschachteln ansieht, am Anmeldetag des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
17
a) Der Senat geht dabei mit dem Bundespatentgericht davon aus, dass eine Klappschachtel mit den Merkmalsgruppen 1 bis 3 bereits durch den druckschriftlichen Stand der Technik, z.B. die deutsche Offenlegungsschrift 24 40 006, zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents jedenfalls im Wesentlichen vorbekannt, zumindest aber durch ihn nahegelegt war. Auch die beklagte Patentinhaberin , die das Streitpatent im Berufungsverfahren nur mehr eingeschränkt verteidigt, stellt dies letztlich nicht in Abrede.
18
b) aa) Eine solche Schachtel mit abgerundeten Kanten herzustellen, ist zunächst eine auf das ästhetische Erscheinungsbild der Schachtel und damit auf deren Marktgängigkeit abhebende Entscheidung. Sie war durch den Stand der Technik nahegelegt, wie sich insbesondere aus den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 71 20 716 (Anl. K9) ergibt, die wenigstens an den Seiten abgerundete Kanten aufweist (Beschr. S. 3 Z. 1 - 3; einzige Figur der Zeichnungen). Nach dieser Entgegenhaltung dient sie auch dazu, Beschädigungen an den Taschen usw. zu vermeiden. Im Wesentlichen dasselbe gilt auch für die Zigarettenschachtel nach der deutschen Offenlegungsschrift 29 40 797 (Anl. K11). Der Leser musste beiden Entgegenhaltungen jedenfalls die Lehre entnehmen, die Längskanten der Schachtel zur Vermeidung von Schäden an der Kleidung abzurunden. Dass bei den Schachteln nach diesen Entgegenhaltungen weitere Abrundungen vorgesehen sein mögen, steht dem nicht entgegen, denn der verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents schließt eine derartige Maßnahme ebenfalls nicht aus.
19
bb) Allerdings wird die Materialeinsparung durch die gerundeten Kanten in den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 71 20 716 nicht angesprochen. Jedoch konnte der Konstrukteur auf Grund seines Fachwissens ohne weiteres erkennen, dass eine rechteckige Kantenausbildung zu einem fühlbar höheren Materialverbrauch führen musste als eine abgerundete Ausbildung; der gerichtliche Sachverständige hat dies in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend bestätigt.
20
c) Griff der Papiertechniker die Anregung auf, die Längskanten abzurunden , ergaben sich die weiteren Maßnahmen, die Seitenlappen und die Deckelseitenlappen so zu dimensionieren, dass eine Überdeckung im Bereich der Rundungen nicht erfolgt (entsprechend Anl. B9 Abb. B), und die Bodenecklappen und Deckelecklappen entsprechend der Breite der Seitenlappen zu dimensionieren , nahezu mit Notwendigkeit und jedenfalls ohne erfinderisches Zutun. Würden die Seitenlappen in ihrer bisherigen Breite belassen, ragten sie in die Rundungen der Kanten hinein und müssten deshalb auch selbst abgerundet und entweder mit den äußeren Rundungen mechanisch verbunden, z.B. verklebt , werden, oder sie könnten auf möglicherweise störende Art nach innen von den Rundungen abstehen und damit den Hohlraum teilweise blockieren. Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, veranlasst dies den Fachmann dazu, diese störenden Teile abzuschneiden und schon wegen des damit verbundenen höheren Aufwands auf ein Verkleben mit den äußeren Rundungen zu verzichten. Auch weil der Fachmann zudem sofort erkennen musste, dass eine Verschmälerung beider Seitenlappen zu einer Volumenverringerung führt, wenn die bisherige Überdeckung beibehalten wird, weil sich dadurch die Tiefe der Schachtel verringert, musste sich die Überlegung aufdrängen, lediglich die Überdeckung zu verringern und damit die bisherige Tiefe der Schachtel beizubehalten. Dabei musste ihm zweierlei ins Auge springen: Zum einen benötigte er für die Breite der Seitenlappen weniger Material als zuvor. Zum anderen wurde erkennbar, dass das Abschneiden im Bereich der Rundungen zu einer stabilen und optisch befriedigenden Ausgestaltung führte. Ob sich dadurch, dass sich die Überdeckung damit verringerte, Stabilitätsprobleme ergaben, konnte er mit einfachen Versuchen klären (und verneinen).
21
d) Wurde auf diese Weise deutlich, dass mit der verringerten Breite der Seitenlappen und der Deckelseitenlappen eine Materialeinsparung in diesen Bereichen zu erzielen war, lag es nahe, sich Gedanken darüber zu machen, ob diese (lokale) Einsparung nicht auch für eine Einsparung insgesamt genutzt werden konnte. Der Beklagten ist dabei darin beizutreten, dass sich die Materialeinsparung erst durch das Zusammenwirken aller Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in optimaler Weise ergibt, wie sie das in den Anlagen B10 und B11 dargestellt hat. Dies erschloss sich aber bereits mit einfachen Überlegungen. Es war nämlich aus verschiedenen Unterlagen bekannt, dass sich die Breite des Nutzens, der für den Zuschnitt einer Zigarettenschachtel benötigt wird, aus der Breite der Mittelteile zuzüglich der Breite der Seitenteile zusammensetzt, und dass zur optimalen Materialausnutzung die Seitenteile bei üblichen Konstruktionen in zwei gemeinsamen und zueinander parallelen Außenkanten enden, was es ermöglicht, die einzelnen Nutzen ohne viel Verschnitt unmittelbar nebeneinander zu setzen. Je schmaler dabei der Zuschnitt ist, aus dem die Klappschachtel gefertigt wird, desto besser ist die Ausnutzung des zur Fertigung der Klappschachteln benötigten Kartons. Es kam für den in der Papierverarbeitungstechnik tätigen Konstrukteur mithin bei seinem routinemäßigen Bemühen, Material einzusparen, darauf an, den benötigten Kartonstreifen möglichst schmal auszugestalten. So war aus Fig. 1 der deutschen Offenlegungsschrift 24 40 006 für ihn aber ohne Weiteres ersichtlich, dass sich die Breite des benötigten Streifens (Zuschnitts 10) und damit ein wesentlicher Parameter für den benötigten Nutzen aus der übereinstimmenden Breite von Vor- derwand (13) und Rückwand (16) zuzüglich der beiden Seitenlappen (14, 15; 17, 18) und der übereinstimmenden Breite der Bodenecklappen (19, 20) und Deckelecklappen (29, 30) zusammensetzte und dass eine Verschmälerung der Seitenstreifen mithin zu weniger Materialbedarf führen musste:
22
Auch die britische Patentschrift 517 947 (Anl. K14, Fig. 2, 3, 4) aus dem Jahr 1940 und der ECMA-Code aus dem Jahr 1967 (Anl. K24, insbesondere Fig. E530) zeigen entsprechende Ausgestaltungen. Schon daraus konnte der Konstrukteur ersehen, dass darauf zu achten war, dass auch die Boden- und Deckelecklappen nicht über die äußeren Fluchtlinien des Nutzens hinausragen dürfen, um nicht die im Bereich der Seitenlappen zu erzielende Materialersparnis zu gefährden. Diese einfache Überlegung legte es nahe, überstehende Ecklappen , mit denen die mögliche Materialeinsparung im zusätzlichen Verschnitt untergegangen wäre (wie von der Beklagten in Anl. B11 eindrücklich dargestellt ), zu vermeiden. Daraus ergab sich allerdings - je nach Anbringung der Ecklappen im Nutzen - gleichzeitig deren Verkleinerung. Es bedurfte deshalb noch weiterer Überlegungen dahin, ob verkleinerte Ecklappen ausreichen konnten. Das konnte entweder im Weg einfacher und zumutbarer Versuche oder aber mittels einfacher konstruktiver Überlegungen dahin, welche Überdeckung für eine haltbare Verbindung der Schachtelteile und eine ausreichende Stabilität der Schachtel erforderlich war, mit geringem Zeitaufwand geklärt werden. Auf diese Weise ergab sich ohne erfinderischen Aufwand auch die Merkmalsgruppe

5.


23
e) aa) Die Kombination der Verminderung der Breite der Seitenlappen und der weiteren Seitenteile (Merkmalsgruppen 4 und 5) und der Abrundung der Kanten ergab somit, was für einen Fachmann der hier zugrundezulegenden Qualifikation ohne Weiteres zu erkennen war, eine gute Ausnutzung des Kartons unter gleichzeitiger Erzielung eines ungewöhnlichen Aussehens, nämlich einer Klappschachtel, die sich von den gängigen Klappschachteln durch die Abrundung ihrer Kanten unterscheidet, und die - wie aus den Unterlagen des Gebrauchsmusters 71 20 716 bekannt war - auch Vorteile in der Handhabung, nämlich eine Verringerung der Gefahr der Beschädigung von Kleidungsstücken, zu bieten geeignet war.

24
bb) Eine erfinderische Leistung wird auch nicht dadurch begründet, dass der Fachmann mehrere gedankliche Schritte vornehmen musste, um zur Kombination des Streitpatents zu gelangen. Abgesehen davon, dass schematisches Schrittezählen nicht schon für sich geeignet ist, eine erfinderische Leistung zu begründen, begründet eine Mehrzahl von gedanklichen Schritten, die aber jeder einzeln und insgesamt die Fähigkeiten des Fachmanns nicht überschreiten, eine erfinderische Leistung nicht (Sen. Urt. v. 19.11.2002 - X ZR 121/99, Orientierungssatz in Mitt. 2004, 69, auszugsweise in Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 60, im Druck sonst nicht veröffentlicht, Umdruck S. 22). Im Sinn der Senatsrechtsprechung ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich insgesamt um routinemäßig vorzunehmende Schritte gehandelt hat, von denen auch eine Mehrzahl eine erfinderische Leistung nicht begründen kann (vgl. Sen. Urt. v. 3.5.2006 - X ZR 24/03, GRUR 2006, 930, 934 - Mikrotom; vgl. auch Niedlich Mitt. 2000, 281, 284 f.).
25
III. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der verteidigten Unteransprüche ist weder geltend gemacht noch sonst zu erkennen.
26
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 PatG i.V.m. § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Mühlens Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.05.2002 - 1 Ni 6/01 (EU) -

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handlung vom 19. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das am 18. März 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Das europäische Patent 0 217 664 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang seines Patentanspruchs 12 sowie seiner Patentansprüche 13, 16 und 17, soweit diese unmittelbar auf Patentanspruch 12 rückbezogen sind, für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. Oktober 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 1. Oktober 1985 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 217 664 (Streitpatents ), das u.a. Ankerwickelmaschinen betrifft. Das in der Verfahrenssprache
Englisch veröffentlichte Streitpatent umfaßt 22 Patentansprüche, darunter den nebengeordneten Patentanspruch 12 sowie die auch auf Patentanspruch 12 rückbezogenen Patentansprüche 13 und 16 und den auf Patentanspruch 16 rückbezogenen Patentanspruch 17, die allein angegriffen sind; diese Patentansprüche lauten in der deutschen Übersetzung des Streitpatents unter Weglassung der kursiv gesetzten Teile:
"12. Ankerwickelmaschine (10), die Einrichtungen (22, 23) zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern (11) hat und welche aufweist: eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer Position anordnet , in der die Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrichtung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11) und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann.
13. Maschine nach Anspruch 11 oder 12, bei der die Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31) einen Kopf (52) an der Trageinrichtung enthält, der Kopf (52) eine nach außen weisende Flanscheinrichtung hat, die Umhüllungseinrichtung (33, 34) eine Ausnehmung (53) zur Aufnahme des Kopfs (52) und der Flanscheinrichtung hat und eine lösbare Sperreinrichtung in Form eines Sperrbolzens oder einer vorbelasteten Sperrklaue
(59) an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) enthält, die in Eingriff mit dem Kopf (52) zum Halten der Umhüllungseinrichtung in dem zusammengebauten Zustand mit der Trageinrichtung (27, 31) bringbar ist, wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von dem Kopf (52) abgenommen werden kann.
16. Maschine nach Anspruch 11 oder 12, bei der folgendes vorgesehen ist: die Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), eine zusammenarbeitende Einrichtung an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) und der Trageinrichtung umfaßt, die lösbare Sperreinrichtung (59) die zusammenarbeitende Einrichtung in einer Sperrstellung hält und die Sperreinrichtung (59) in eine Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann.
17. Maschine nach Anspruch 16, bei der die Zusammenarbeitungseinrichtung einen Kopf (52) umfaßt, der eine nach außen gerichtete Flanscheinrichtung und eine Ausnehmung (53) zur Aufnahme des Kopfes (52) und der Flanscheinrichtung hat, die lösbare Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) und der Flanscheinrichtung bringbar ist, und die lösbare Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) bringbar ist, um die Umhüllungseinrichtung (33, 34) in dem Sperreingriff mit der Trageinrichtung (27, 31) zu halten."
In der Verfahrenssprache Englisch lauten diese Patentansprüche wie folgt:
"12. An armature winding machine (10) having means (22, 23) for winding coils of wire onto a slotted armature core (11), comprising : core holding means (19) for locating the armature core (11) in a position to receive coils of wire from the winding means (22, 23), shroud means (33, 34) for guiding wire into selected slots in the armature core (11), support means (27, 31) for holding the shroud means (33, 34) adjacent the armature core (11), and means for releasably mounting the shroud means (33, 34) on said support means (27, 31) whereby the shroud means (33, 34) can be removed as a unit from the support means (27, 31).
13. A machine according to claim 11 or 12 wherein the means for releasably mounting the shroud means (33, 34) on the support means (27, 31) includes a head (52) on the support means, said head (52) having an outwardly directed flange means, said shroud means (33, 34) having a groove (53) for accommodating the head (52) and flange means, and releasable lock means (59) on the shroud means (33, 34) engageable with the head (52) for holding the shroud means in assembled relation with the support means (27, 31), said lock means (59) being releasable whereby the shroud means (33, 34) can be removed from the head (52).
16. A machine according to claim 11 or 12 wherein: said means for releasably mounting the shroud means (33, 34) on the support means (27, 31) includes cooperating means on the shroud means (33, 34) and support means (27, 31), and releasable lock means (59) for holding the cooperating means in a locked position, said lock means (59) being movable to a
released position wherein the shroud means (33, 34) can be removed from the support means (27, 31).
17. A machine according to claim 16 wherein: said cooperating means includes a head (52) having an outwardly directed flange means and a groove (53) for accommodating the head (52) and flange means, said releasable lock means (59) being engageable with said head (52) and flange means, said releasable lock means (59) being engageable with said head (52) to hold the shroud means (33, 34) in locking engagement with the support means (27, 31)."
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, daß der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik nahegelegt sei. Sie haben sich dazu auf die USPatentschriften 1,121,798 (K8), 2,144,447 (K1), 2,348,948 (K2), 3,892,366 (K9) und 4,300,271 (K10), verschiedene Unterlagen zu behaupteten Vorbenutzungen sowie eine Fachbuchveröffentlichung bezogen. Sie haben beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 12 sowie 13, 16 und 17, soweit diese unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 12 rückbezogen sind, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat das Streitpatent, soweit es angegriffen ist, nur eingeschränkt verteidigt. Patentanspruch 12 hat sie nicht verteidigt. Patentanspruch 13 hat sie in erster Linie in Rückbeziehung auf Patentanspruch 12 unverändert, hilfsweise unter Einfügung des kursiv gesetzten Teils ohne das unterstrichene Wort, weiter hilfsweise unter Aufnahme des unterstrichenen Worts verteidigt. Patentanspruch 16 hat sie in folgender Fassung, hilfsweise unter Einfügung des kursiv gesetzten, nicht unterstrichenen Teils, weiter hilfsweise auch der unter- strichenen Worte, verteidigt:

"Eine Ankerwickelmaschine, die Einrichtungen (22, 23) zum Wikkeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern hat (11) und welche aufweist:
eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickelein- richtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrichtung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11) und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann, wobei
die Einrichtung zum lösbaren Anbringen an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31) zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Betriebsposition, sowie eine lösbare Sperreinrichtung (59) in Form eines vorbelaste- ten Sperrbolzens oder einer vorbelasteten Sperrklaue umfaßt, um die zusammenarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung zu halten, und wobei
die Sperreinrichtung (59) in eine Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann."
Patentanspruch 17 hat die Beklagte in Rückbeziehung auf den verteidigten Patentanspruch 16, hilfsweise in dessen hilfsweise verteidigten Fassungen , verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klagen das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, und zwar im Umfang seines Patentanspruchs 12, seines Patentanspruchs 13 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 12, soweit er über die hilfsweise verteidigte Fassung hinausgeht, seines Patentanspruchs 16 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 12 sowie seines Patentanspruchs 17 in Rückbeziehung über Patentanspruch 16 auf Patentanspruch 12, soweit er über folgende Fassung hinausgeht:
"Eine Ankerwickelmaschine, die Einrichtungen (22, 23) zum Wikkeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern hat (11) und welche aufweist: Eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrichtung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11) und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann, wobei die Einrichtung zum lösbaren Anbringen an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31) zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Betriebsposition , sowie eine lösbare Sperreinrichtung (59) in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue umfaßt, um die zusam-
menarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung zu halten, und wobei die Sperreinrichtung (59) in eine Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann, und bei der die Zusammenarbeitungseinrichtung einen Kopf (52) umfaßt, der eine nach außen gerichtete Flanscheinrichtung und eine Ausnehmung (53) zur Aufnahme des Kopfes (52) und der Flanscheinrichtung hat, die lösbare Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) und der Flanscheinrichtung bringbar ist, und die lösbare Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) bringbar ist, um die Umhüllungseinrichtung (33, 34) in dem Sperreingriff mit der Trageinrichtung (27, 31) zu halten."
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin zu 1 ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit das Bundespatentgericht diesem nicht entsprochen hat. Sie macht dabei auch geltend, daß die Erfindung nicht so offenbart sei, daß ein Fachmann sie ausführen könne und daß der vom Bundespatentgericht als bestandsfähig angesehene Patentanspruch 13 nicht durch die ursprüngliche Offenbarung in der Anmeldung des Streitpatents gedeckt sei. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Hilfsweise verteidigt sie nunmehr Patentanspruch 13 in erster Linie in folgender Fassung (Änderungen unterstrichen):
"Ankerwickelmaschine (10), die Einrichtungen (22, 23) zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern (11) hat, und welche aufweist:
eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrichtung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in
dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11) und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden kann, wobei die Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31) zusammenarbeitende Einrichtungen an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31) zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Betriebsposition enthält, wobei die zusammenarbeitenden Einrichtungen einen Kopf (52) an der Trageinrichtung mit einer nach außen weisenden Flanscheinrichtung, sowie eine Ausnehmung (53) an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) zur Aufnahme des Kopfs (52) und der Flanscheinrichtung aufweisen, wobei die Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31) weiter eine lösbare Sperreinrichtung in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue (59) an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) enthält, die in Eingriff mit dem Kopf (52) zum Halten der Umhüllungseinrichtung in dem zusammengebauten Zustand mit der Trageinrichtung (27, 31) bringbar ist, und die Sperreinrichtung (59) lösbar ist, wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von dem Kopf (52) abgenommen werden kann."
Weiter hilfsweise verteidigt sie die Patentansprüche 13 und 17 in der Weise, daß dort jeweils das Wort "Ausnahmung" durch das Wort "Nut", noch weiter hilfsweise durch "T-förmige Nut" ersetzt werden und schließlich in der Weise, daß zu dieser Ergänzung zusätzlich anstelle der Worte "einen Kopf" die Worte "einen T-förmigen Kopf" gesetzt werden. Dabei sollen die Rückbezie-
hungen in den angegriffenen Patentansprüchen jeweils entsprechend angepaßt werden.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dr.-Ing. O. W. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin zu 1 hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr.-Ing. R. H. , , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur weiteren teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem Umfang, in dem die Berufungsklägerin dieses angreift.
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit es angegriffen ist, Ankerwickelmaschinen , die Einrichtungen zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern aufweisen. Bei solchen Ankerwickelmaschinen werden Drahtwindungen auf den mit Nuten versehenen Ankerkern gewickelt. Die Wellenenden des Ankerkerns werden von Halterungen gehalten und während des Wickelvorgangs indexiert. Diese sind mit Spannanordnungen versehen , die in die Halterungen integriert sind und nicht ohne weiteres von der Maschine abgenommen werden können. Will man einen Ankerkern mit anderer Wellengröße einsetzen, muß die gesamte Halterung ausgetauscht werden, was erheblichen Zeitaufwand erfordert, der sich vor allem daraus ergibt, daß solche Ankerwickelmaschinen weiter Umhüllungen oder Drahtformer aufweisen, die nahe an den gegenüberliegenden Seiten des Ankerkerns angeordnet sind. Deren äußere Oberflächen führen den Draht, der von den flügelartigen Armen abgespult wird, in die vorgesehenen Nutenpaare des Ankerkerns. Sollen unter-
schiedlich große Ankerkerne gewickelt werden, müssen unterschiedlich gestaltete Umhüllungen auf den Trägern der Maschine angebracht werden, was zeitund arbeitsaufwendig ist, wenn sie - wie in dem in der einleitenden Beschreibung erläuterten Stand der Technik - aus der Richtung aufgesetzt werden müssen , in der sich im Betriebszustand der Anker befindet (Streitpatent, Beschreibung Sp. 1 Z. 8 - 58).
2. Durch das Streitpatent soll demgegenüber eine Ankerwickelmaschine zur Verfügung gestellt werden, bei der die Spannanordnung und die Umhüllungseinrichtung leicht und schnell ausgetauscht werden können (vgl. Beschreibung Sp. 1 Z. 59 - Sp. 2 Z. 37).
3. a) Hierzu lehrt der vom Bundespatentgericht als bestandsfähig angesehene verteidigte Patentanspruch 13 in Rückbeziehung auf den nicht verteidigten Patentanspruch 12 eine Ankerwickelmaschine, die aufweist, wobei in der Aufzählung die mit dem ersten Hilfsantrag eingefügten Merkmale kursiv wiedergegeben sind:
(1.) eine Wickeleinrichtung zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern, (2.) eine Kernhalteeinrichtung, die den Ankerkern in einer Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wikkeleinrichtung aufgenommen werden, (3.) eine Umhüllungseinrichtung zum Führen des Drahts in die gewünschten Nuten im Ankerkern, (3.1) die eine Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der Flanscheinrichtung der Trageinrichtung hat und (3.2) eine lösbare Sperreinrichtung in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue aufweist, die in Eingriff mit dem Kopf zum Halten der Umhüllungseinrichtung im zusammenge-
bauten Zustand mit der Trageinrichtung gebraucht werden kann, wodurch die Umhüllungseinrichtung vom Kopf abgenommen werden kann, (4.) eine Trageinrichtung zum Halten der Umhüllungseinrichtung in der Nähe des Ankerkerns und (5.) eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung an der Trageinrichtung, (5.1) wodurch die Umhüllungseinrichtung als eine Einheit von der Trageinrichtung abgenommen werden kann, und (5.2) die einen Kopf an der Trageinrichtung aufweist, (5.2.1) der eine nach außen weisende Flanscheinrichtung hat.

b) Der vom Bundespatentgericht als bestandsfähig angesehene - allerdings in seiner Formulierung nur schwer verständliche - Patentanspruch 17 in Rückbeziehung über den nicht als bestandsfähig angesehenen Patentanspruch 16 auf den nicht verteidigten Patentanspruch 12 lehrt eine Ankerwickelmaschine , die aufweist:
(1.) Einrichtungen zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern, (2.) eine Kernhalteeinrichtung, die den Ankerkern in einer Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung aufgenommen werden, (3.) eine Umhüllungseinrichtung zum Führen des Drahts in die gewünschten Nuten in dem Ankerkern, (4.) eine Trageinrichtung zum Halten der Umhüllungseinrichtung in der Nähe des Ankerkerns und (5.) eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen (an) der Umhüllungseinrichtung (und) an der Trageinrichtung,
(5.1) wodurch die Umhüllungseinrichtung als eine Einheit von der Trageinrichtung abgenommen werden kann, (5.2a) mit (einer) zusammenarbeitenden Einrichtung(en) an der Umhüllungseinrichtung und der Trageinrichtung (5.2a.1) zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung in ihrer Betriebsposition (5.2a.2) und einen Kopf umfaßt (5.2a.2.1) mit einer nach außen gerichteten Flanscheinrichtung (5.2a.3) und eine Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der Flanscheinrichtung hat, und (5.3) eine lösbare Sperreinrichtung aufweist, durch die die zusammenarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung gehalten werden, (5.3.1) die in Eingriff mit dem Kopf und der Flanscheinrichtung gebracht werden kann, um die Umhüllungseinrichtung im Sperreingriff mit der Trageinrichtung zu halten, (5.3.2) in eine Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhüllungseinrichtung von der Trageinrichtung abgenommen werden kann, (5.3.3) in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue.

c) Die Vorrichtungen nach den beiden verteidigten Patentansprüchen stimmen mithin in den Merkmalen 1, 2 und 4 sowie teilweise in den Merkmalsgruppen 3 und 5 überein; sie unterscheiden sich dabei hinsichtlich der Merkmale 3.1 und 3.2, 5.2 und 5.2.1, die nur bei der Vorrichtung nach dem verteidigten Patentanspruch 13 vorhanden sind, und 5.2a, 5.2a.1, 5.2a.2, 5.2a.2.1, 5.2a.3, 5.3, 5.3.1, 5.3.2 und 5.3.3, die nur bei der Vorrichtung nach dem verteidigten Patentanspruch 17 vorgesehen sind.
4. a) Bei solchen Ankerwickelmaschinen werden Drahtwindungen auf dem mit Nuten versehenen Ankerkern aufgewickelt; wie dies geschieht, ist in der Beschreibung des Streitpatents beispielhaft beschrieben (Sp. 3 Z. 63 - Sp. 4 Z. 65). Die Ankerkerne müssen dabei nach dem Aufwickeln des Drahts von der Maschine abgenommen und durch einen neuen, zu umwickelnden Ankerkern ersetzt werden. Die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche betreffen Maßnahmen, die sich auf den Austausch der Ankerkerne beziehen, und setzen hierbei eine besondere Ausgestaltung der Ankerwickelmaschine nur insoweit voraus, als dies in den Merkmalen dieser Patentansprüche zum Ausdruck kommt. Dies sehen auch die Parteien und der gerichtliche Sachverständige nicht anders.

b) Die in den angegriffenen Patentansprüchen vorgesehene lösbare Sperreinrichtung (Bezugszeichen 59) ist in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 5 Z. 42 - Sp. 6 Z. 20) behandelt. Diese Beschreibung füllt jedoch den allgemeiner gehaltenen Umfang der angegriffenen Patentansprüche nicht aus, sondern erläutert die Erfindung in Form eines Ausführungsbeispiels, auf das sich der durch das Streitpatent begründete Schutz nicht beschränkt. Die Sperreinrichtung (im maßgeblichen englischen Text "Lock means") hat nach diesem Ausführungsbeispiel einen Körper (61), der mit Bolzen (62) am Körper (38) befestigt ist. Der untere Teil des Körpers (61) hat ein Durchgangsloch (63), das einen länglichen Sperrbolzen (64) aufnimmt. Das innere Ende (66) des Sperrbolzens (64) ist nach oben und außen verjüngt; die Verjüngung nimmt den unteren Teil des Kopfs (52) auf, wodurch der Kopf (52) im Eingriff mit dem gekrümmten Ende (58) der Nut (53) gehalten wird. Der Sperrbolzen (64) wird durch ein Loch in den Körper (38) gleitend eingebracht, so daß er in die Nut (53) reicht. Ein Hebel (68) ist drehbar auf einem Drehzapfen (69) montiert, der durch Löcher im Körper (61) hindurchreicht. Das untere Ende des Hebels (68) hat einen nach unten zeigenden Finger (71), der in eine Nut (72) des Sperrbolzens (64) reicht. Der Hebel (68) drückt den Sperrbolzen (64) in eine Lösestel-
lung, wenn er in Pfeilrichtung (73) bewegt wird. In seine Sperrstellung wird der Sperrbolzen (64) über den Hebel (68) durch ein Federpaar (74, 76) gedrückt. Fig. 6 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt dies (vergrößert):

II. Es kann dahinstehen, ob die angegriffenen Patentansprüche in ihren verteidigten Fassungen durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind und ob die in ihnen unter Schutz gestellte technische Lehre ausführbar ist. Denn jedenfalls ist diese Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Dabei stimmen die in erster Linie verteidigten Patentansprüche 13 und 17 in ihrem für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit maßgeblichen technischen Gehalt überein, weshalb sich eine getrennte Behandlung erübrigt. Dies sehen
auch die Parteien, der gerichtliche Sachverständige und der Parteigutachter nicht anders.
1. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 13 und 17 ist neu, was auch die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt hat.
2. Für den Fachmann, einen Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulausbildung , der über mehrjährige Berufserfahrung und Kenntnisse auf dem Gebiet des Werkzeugmaschinenbaus verfügt, bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, um zum Gegenstand der im Berufungsverfahren in erster Linie verteidigten Patentansprüche zu gelangen (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ). Dies führt auch insoweit zur Nichtigerklärung des Streitpatents (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat dabei in Übereinstimmung mit der Berufungsklägerin, der beklagten Patentinhaberin, dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Parteigutachter die US-Patentschrift 3,892,366 (Ott) an. Die Entgegenhaltung betrifft Drahtführungselemente für eine Ankerwickelmaschine. Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 4 und 5 zeigen eine Ansicht eines Wickelelements sowie eine Draufsicht, wobei jeweils Teile im Schnitt gezeigt werden:

Die Vorrichtung weist eine Einrichtung (flügelartige Arme, "flyer" 40, Sp. 3 Z. 36 ff.) zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern (Merkmal 1), eine Kernhalteeinrichtung (Merkmal 2), eine Umhüllungseinrichtung (Wickelführungselemente, "winding guide forms" 60, 62; Sp. 3 Z. 47 f.; Merkmal 3) zum Führen des Drahts (44) in die gewünschten Nuten des Ankerkerns und eine Trageinrichtung ("extension", 50, "bearing", 52; Sp. 3. Z. 44 ff.; Merkmal 5), die die Umhüllungseinrichtung in der Nähe des Ankerkerns hält, auf; sie sieht weiter eine Einrichtung zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung an der Trageinrichtung vor (Sp. 3. Z. 44 ff.; Sp. 5 Z. 55 ff.). Die übrigen Merkmale der verteidigten Patentansprüche 13 und 17, sind, wie der gerichtliche Sachverständige angegeben hat, zwar nicht identisch, aber doch in ihrer Funktion verwirklicht. So entsprechen dem Kopf und der Flanscheinrichtung (Merkmale 5.2, 5.2.1 beim verteidigten Patentanspruch 13, Merkmale 5.2a.2, 5.2a.2.1 beim verteidigten Patentanspruch 17) die Bezugszeichen 50, 52 und der Flanscheinrichtung das Bezugszeichen 54. Der lösbaren Sperreinrichtung (Merkmale 3.2 bzw. 5.3) entsprechen in ihrer Funktion, wie das Bundespatentgericht festgestellt und der gerichtliche Sachverständige überzeugend bestätigt hat, die Schrauben 56 der Entgegenhaltung. Die Lösbarkeit ergibt sich schließlich aus der Beschreibung (Sp. 5 Z. 55 ff.). Die Gewindeschrauben (56) erfüllen die Funktionen einer Sperreinrichtung, was das Bundespatentgericht zutreffend gesehen hat. Was schließlich die bei dem verteidigten Patentanspruch 12 gegenüber dem Stand der Technik unterschiedliche Anordnung der Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der Flanscheinrichtung an der Umhüllungseinrichtung (Merkmal 3.1) betrifft, hat das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt, daß hierin eine erfinderische Leistung nicht zu sehen ist; der gerichtliche Sachverständige wie der Privatgutachter beurteilen dies ersichtlich nicht anders. Der Senat tritt insoweit der Beurteilung durch das Bundespatentgericht bei.
Allerdings unterscheiden sich die Vorrichtungen nach den verteidigten Patentansprüchen 13 und 17 in der Ausgestaltung der Sperreinrichtung von der Entgegenhaltung. Hierin hat das Bundespatentgericht einen erfinderischen Überschuß gesehen, weil die Ausbildung der Sperreinrichtung in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue weder aus dem Stand der Technik bekannt gewesen sei noch der Fachmann unter Einsatz seines Fachwissens auf sie auf Grund des Standes der Technik habe kommen können. Zwar seien Bolzen und Klauen dem Fachmann aus den Grundlagen der Maschinenelementelehre bekannt. Auf Grund der beim Betrieb von Ankerwickelmaschinen auftretenden Mikroschwingungen sei der Fachmann jedoch davon abgehalten worden, die bei der US-Patentschrift 3,892,366 vorgesehenen Schrauben durch Bolzen zu ersetzen, mit denen - anders als durch Schrauben - eine zur Erreichung einer rüttelfesten Verbindung erforderliche Vorspannkraft nicht zu erzielen sei. Auch der sonst genannte Stand der Technik offenbare keine lösbare Sperrvorrichtung mit einem Sperrbolzen oder einer Sperrklaue.
Die Berufungsklägerin meint demgegenüber, die Verwendung eines aus den Grundlagen der Maschinenelementelehre allgemein bekannten Bauteils entsprechend seiner Zweckbestimmung könne für sich allein auch unter den vom Bundespatentgericht gesehenen besonderen Umständen eine erfinderische Leistung nicht begründen. Auch erreichten etwa auftretende Mikroschwingungen beim Betrieb von Ankerwickelmaschinen kein solches Ausmaß, daß der Fachmann befürchten müsse, Sperrbolzen oder Sperrklauen könnten sich lokkern. Zudem umfasse der übergeordnete Begriff "Sperrbolzen" auch Sperrschrauben und sei deshalb zu Abgrenzung vom Stand der Technik nicht geeignet. Schließlich werde auch bei Sperrbolzen und Sperrklauen ein Festhalten solange wie erforderlich regelmäßig mit dem Fachmann bekannten zusätzlichen Maßnahmen (Federvorbelastung, selbsthemmendes Schraubgewinde, Kontermutter , Sicherungsstift oder Einrasten) sichergestellt; den Einsatz ungesicherter Sperrbolzen offenbare das Streitpatent in keinem Ausführungsbeispiel.

Demgegenüber verweist die beklagte Patentinhaberin auf die Andersartigkeit der Anordnung insbesondere nach dem verteidigten Patentanspruch 17. Sie sieht eine erfinderische Leistung nicht nur in der Ausgestaltung der Sperreinrichtung als Sperrbolzen oder Sperrklaue, sondern auch in der Zusammenschau dieser Ausgestaltung mit der Art und Weise, wie die Sperreinrichtung mit den anderen Vorrichtungsteilen in Eingriff gebracht werden kann.
Der Senat ist auf Grund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, daß sich die Ausgestaltungen, für die in den angegriffenen Patentansprüchen in ihrer in erster Linie verteidigten Fassung Schutz beansprucht wird, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergaben. Der hier verhältnismäßig hoch qualifizierte und über erhebliche praktische Erfahrung verfügende Fachmann erkannte, daß bei der Vorrichtung nach der US-Patentschrift 3,892,366 (Ott) die Montage und Demontage der Umhüllungseinrichtung schwierig und aufwendig ist. Wie das sachkundig besetzte Bundespatentgericht zutreffend festgestellt hat, muß eine Bedienungsperson , um dort die Schrauben 56 eindrehen zu können, die anzubringende Umhüllungseinrichtung nicht nur bezüglich des Kopfs koaxial an die Flanschverbindung halten, sondern auch in einer bestimmten Drehlage, damit die Löcher in der Flanscheinrichtung den jeweiligen Gewindelöchern gegenüberstehen ; der gerichtliche Sachverständige hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Fachmann konnte, wollte er dies vereinfachen, auf Grund seines Fachwissens und Fachkönnens hier Abhilfe schaffen, indem er die koaxiale Lage dadurch vorläufig sicherstellte, daß er ein Teil in das andere zunächst formschlüssig eingreifen ließ; dazu bot sich ein Auflegen des anzubringenden Teils zunächst - wie das Bundespatentgericht plastisch ausgeführt hat - wie bei einem Räderwechsel bei einem Fahrzeug an, wodurch eine Zentrierung und Ausrichtung, allerdings bei zunächst verbleibender axialer Verschiebbarkeit erreicht werden konnte. Daß auch diese Verschiebbarkeit besei-
tigt werden mußte, erkannte der Fachmann ohne weiteres, weil die Vorrichtung andernfalls ihre Funktion nicht mit hinreichender Genauigkeit erfüllt hätte. Es bereitete ihm auch keine Schwierigkeiten, gegen die Verschiebbarkeit Abhilfe zu schaffen; dies hat der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
War es für den Fachmann somit naheliegend, von der schwer zu handhabenden Schraubverbindung der US-Patentschrift 3,892,366 (Ott) abzugehen, standen ihm vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die Verbindung auf andere Weise vorzunehmen. Hierzu standen ihm Möglichkeiten einer axialen wie einer radialen Einführung des zu befestigenden Teils zur Verfügung, wobei der gerichtliche Sachverständige eine gewisse Präferenz für eine radiale Einführung gesehen, aber auch axiale Verbindungen, etwa in Form eines Bajonettverschlusses , als naheliegend bezeichnet hat. Da die Verbindung entsprechend ihrer Bestimmung für ein wiederholtes Auswechseln leicht lösbar gestaltet werden mußte, kamen andererseits solche Lösungen von vornherein als ungeeignet nicht in Betracht, bei denen die Verbindung nicht leicht lösbar ist, wie das Einbringen eines Bolzens mit Preßpassung. Dies führte den Fachmann ohne weiteres zu der Überlegung, an die Stelle der Verschraubung eine leicht lösbare Bolzenverbindung zu setzen. Damit war zunächst eine Verbindung der Teile erreicht, aber noch nicht die Sicherung dieser Verbindung, zu der insbesondere wegen der vom Bundespatentgericht angesprochenen Gefahr des Auswanderns des Bolzens infolge möglicherweise auftretender Mikroschwingungen Anlaß bestand.
Auch diese Schwierigkeit war indessen für den praktisch erfahrenen Fachmann erkennbar und für ihn aus dem ihm geläufigen Formenschatz lösbar. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, daß der Fachmann viele mögliche Lösungen sehen und bewerten werde; dabei erkenne er, daß ein einfacher Bolzen untauglich sei,
er werde aber ohne weiteres etwa auf die ihm geläufigen Exzenterbolzen, die das Problem der Mikroschwingungen beseitigten, zurückgreifen.
Damit war für den Fachmann aber die Lösung der in erster Linie verteidigten Patentansprüche, die nicht auf die Ausbildung beschränkt sind, wie sie das Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschreibt, sondern jede Art von Sperrbolzen und Sperrklaue, mit oder ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahme, einschließen, nahegelegt. Diese erforderte zwar eine Mehrzahl von gedanklichen Schritten, die aber jeder einzeln und insgesamt die Fähigkeiten des Fachmanns nicht überschritten, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend bestätigt hat, und deshalb eine erfinderische Leistung nicht begründen können.
III. Patentanspruch 13 in seiner in erster Linie hilfsweise verteidigten Fassung enthält zusätzliche Angaben darüber, wie die verschiedenen Verbindungselemente an der Vorrichtung angebracht sind, nämlich an der Trageinrichtung , der Umhüllungseinrichtung und an (funktional beschriebenen) zusammenarbeitenden Einrichtungen. Soweit, was zweifelhaft erscheint, aber einer abschließenden Klärung nicht bedarf, diese Merkmalskombination durch die ursprüngliche Offenbarung und insbesondere durch das erteilte Patent gedeckt sein sollte, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als bei den in erster Linie verteidigten angegriffenen Patentansprüchen, weil der Fachmann die konkrete Anordnung den gegebenen Verhältnissen entsprechend vorsehen und vornehmen wird.
IV. Die weiteren hilfsweise verteidigten Patentansprüche, bei denen der Begriff "Ausnehmung" durch den Begriff "Nut" oder den Begriff "T-förmige Nut" ersetzt worden ist und auch der Kopf T-förmig ausgebildet sein soll, rechtfertigen ebenfalls kein anderes Ergebnis. Zwar wird hierdurch der Schutzgegenstand auf solche Ausführungen eingeschränkt, bei denen sinnvollerweise nur
ein radiales Einführen des Kopfs zur Verbindung in Betracht kommt, der gerichtliche Sachverständige hat ein radiales Einführen aber als geläufige Maßnahme angesehen; der Senat tritt ihm hierin bei. Für ein radiales Einführen lag aber eine dem Maschinenbauer geläufige T-förmige Ausnehmung nahe; erst recht bot es sich in diesem Fall an, den Kopf entsprechend zu gestalten. Auch die Zusammenschau dieser einfachen Maßnahme mit den anderen rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO. Der Senat hatte die Kostenentscheidung entsprechend dem Ergebnis des zweitinstanzlichen Verfahrens auch hinsichtlich der am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligten Klägerin zu 2 abzuändern; hieran ist er durch die Nichtanfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch diese Klägerin nicht gehindert (vgl. Sen.Urt. v. 23.9.1997 - X ZR 64/96, GRUR 1998, 138, 139 - Staubfilter). Die nur einen Teil der Prozeßparteien betreffende Rechtskraft der materiellen Entscheidung soll nämlich die im Ergebnis richtige Kostenverteilung zwischen allen Beteiligten nicht hindern, selbst wenn einer der Prozeßbeteiligten infolge
der materiellen Rechtskraft der für oder gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits aus dem Prozeß ausgeschieden ist (BGH, Urt. v. 14.7.1981 - VI ZR 35/79, MDR 1981, 928; vgl. Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 100 Rdn. 8; Musielak/Wolst ZPO 3. Aufl. § 97 Rdn. 5).
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf BESCHLUSS X ZR 121/99 vom 4. Dezember 2002 in der Patentnichtigkeitssache durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
beschlossen:
Die Entscheidungsformel des Urteils vom 19. November 2002 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, daß in ihrem Absatz 2 das Wort "unmittelbar" entfällt.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 24/03 Verkündet am:
3. Mai 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Mikrotom
EPÜ Art. 56

a) Mit einer Abwägung von Vorteilen, die mit dem erfindungsgemäßen Gegenstand
erreicht werden, mit Nachteilen, die dieser Gegenstand gegenüber
aus dem Stand der Technik bekannten Gegenständen der Erreichung der Vorteile
wegen hinnimmt, kann das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit allein nicht
begründet werden.

b) Es kann für erfinderische Tätigkeit sprechen, wenn der Fachmann mehrere
Schritte, die im Stand der Technik keine Anregung gefunden haben, vollziehen
musste, um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden; maßgebend ist
aber auch insoweit, ob es sich insgesamt um Routinearbeit gehandelt hat oder
ob sich dem Fachmann Schwierigkeiten in den Weg gestellt haben, etwa weil
zu einem oder mehreren Schritten Alternativen bestanden, die zu unterschiedlichen
Ergebnissen führen.
BGH, Urt. v. 3. Mai 2006 - X ZR 24/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 18. Dezember 2002 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 416 354 (Streitpatents ), das am 18. August 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldung 89 10 071 vom 23. August 1989 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein Schlitten-Mikrotom und umfasst 9 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt folgende Fassung erhalten hat: "1. Schlitten-Mikrotom, bei dem ein das Schneidmesser tragender Schlitten entlang präziser Führungselemente gegenüber einem, mit dem Gehäuse des Mikrotoms verbundenen Objektträger bewegbar ist; mit dem Mikrotom-Gehäuse (1) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete erste Führungselemente (14,15) verbunden sind, mindestens einer dieser Profilstäbe (14) senkrecht zu seiner Längsachse einstellbar ist, mit dem Schlitten (6) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete zweite Führungselemente (17,18) fest verbunden sind, wobei sich die Führungsnuten der ersten (14,15) und zweiten (17,18) Führungselemente gegenüberstehen, in die Führungsnuten über etwa die halbe Länge der zweiten Führungselemente (17,18) hochpräzise Rollen (20,21) spielfrei eingesetzt sind, so dass eine spielfreie, eine hohe Stabilität aufweisende Zwangsführung des Schlittens (6) gebildet ist, und bei dem der Schlitten (6) aus Leichtmetall gefertigt ist."
2
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung hat sie sich auf die deutsche Patentschrift 37 14 389, die deutsche Offenlegungsschrift 19 25 364, Lueger, Lexikon der Technik, "Lexikon der Feinwerktechnik", Deutsche Verlagsanstalt GmbH, Stuttgart, 1968, die deutsche Offenlegungsschrift 29 11 614, die europäische Patentanmeldung 0 175 480, das deutsche Gebrauchsmuster 82 17 319, die deutsche Offenlegungsschrift 34 33 460 sowie den Katalog Wälzführungen der Schneeberger GmbH Maschinenfabrik bezogen und beantragt , das europäische Patent 0 416 354 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
4
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten.
6
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
7
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese beantragt , das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen.
8
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent in folgender Fassung des Patentanspruchs 1 (Änderungen sind kursiv gesetzt): "Schlitten-Mikrotrom, bei dem ein das Schneidmesser tragender Schlitten von Hand entlang präziser Führungselemente gegenüber einem, mit dem Gehäuse des Mikrotoms verbundenen Objektträ- ger bewegbar ist; mit dem Mikrotom-Gehäuse (1) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete erste Führungselemente (14, 15) verbunden sind, mindestens einer dieser Profilstäbe (14) senkrecht zu seiner Längsachse einstellbar ist, mit dem Schlitten (6) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete zweite Führungselemente (17, 18) fest verbunden sind, wobei sich die Führungsnuten der ersten (14, 15) und zweiten (17, 18) Führungselementen gegenüberstehen, in die Führungsnuten über etwa die halbe Länge der zweiten Führungselemente (17, 18) hochpräzise Rollen (20, 21) spielfrei eingesetzt sind, so dass durch eine Vorspannung eine spielfreie, eine hohe Stabilität aufweisende Zwangsführung des Schlittens (6) gebildet ist, bei dem der Schlitten (6) aus Leichtmetall gefertigt ist und die Führungselemente für einen Hub ohne austretende Rollen von maximal 300 mm ausgebildet sind."
9
Mit ihrem zweiten Hilfsantrag verteidigt die Beklagte das Streitpatent nunmehr in folgender Fassung (Änderungen gegenüber dem ersten Hilfsantrag sind kursiv gesetzt und unterstrichen).
"Schlitten-Mikrotrom, bei dem ein das Schneidmesser tragender Schlitten von Hand entlang präziser Führungselemente gegenüber einem, mit dem Gehäuse des Mikrotoms verbundenen Objektträger bewegbar ist; mit dem Mikrotom-Gehäuse (1) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete erste Führungselemente (14, 15) verbunden sind, mindestens einer dieser Profilstäbe (14) senkrecht zu seiner Längsachse einstellbar ist, mit dem Schlitten (6) zwei als Profilstäbe mit Führungsnuten ausgebildete zweite
Führungselemente (17, 18) fest verbunden sind, wobei sich die Führungsnuten der ersten (14, 15) und zweiten (17, 18) Führungselementen gegenüberstehen, in die Führungsnuten über etwa die halbe Länge der zweiten Führungselemente (17, 18) hochpräzise Rollen (20, 21) spielfrei eingesetzt sind, so dass durch eine Vorspannung eine spielfreie, eine hohe Stabilität aufweisende Zwangsführung des Schlittens (6) gebildet ist, bei dem der Schlitten (6) aus Leichtmetall gefertigt ist und die Führungselemente für einen Hub ohne austretende Rollen von maximal 300 mm ausgebildet sind, und dass die zweiten Führungselemente (17, 18) jeweils an ihren Enden mit Anschlägen (22, 23) für die Käfige der Rollen (20, 21) versehen sind."
10
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
11
Sie hat sich ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag auf die US-Patentschrift 3 799 029 bezogen.
12
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. D. eingeholt, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Gutachten des Dr.-Ing. F. Sp. eingereicht.

Entscheidungsgründe:


13
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der Gegenstand des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit; das Streitpatent ist daher für nichtig zu erklären (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ in Verbindung mit Art 54 Abs. 1, 2, Art. 56 EPÜ).
14
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Schlitten-Mikrotom. Derartige Geräte dienen der Herstellung feinster Schnitte für die Mikroskopie und Ultramikroskopie beispielweise in der Pathologie sowie Histologie und waren am Prioritätstag des Streitpatents insbesondere als Schlitten- und Rotations-Mikrotome bekannt. Bei den Schlitten-Mikrotomen erfolgte der Beschreibung des Streitpatents zufolge die Bewegung des Schlittens mit der Hand über Gleitführungen, wobei als nachteilig kritisiert wird, dass zwischen den Gleitbahnen des Schlittens und den Gleitbahnen des Gehäuses ein möglichst dünner und gleichmäßig dicker Schmierfilm aufrecht erhalten werden müsse und hierfür teure Schmierstoffe verwendet werden müssten. Gleichwohl bestehe das Problem, dass sich der Schmierfilm nachteilig auf die Herstellung von Schnittserien mit Schnitten gleicher Dicke auswirke, weil die Schnittdicke von der Dicke des Schmierfilms und diese von der Viskosität des Schmierfilms und der Geschwindigkeit der Schnittbewegungen abhänge, was von der Bedienperson viel Erfahrung und Geschicklichkeit für die Herstellung guter Schnitte erfordere (Streitpatent Beschreibung Abs. 0001). Nachteilig sei ferner, dass die nutzbare Schnittkraft unter anderem vom Schlittengewicht abhänge und der Schlitten zur Erreichung eines möglichst hohen Gewichts aus Stahl bestehe, so dass die Bewegung des Schlittens für die Bedienperson ermüdend sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0002). Schließlich weist die Beschreibung des Streitpatents darauf hin, dass die Herstellung von Schnitten mit den bekannten SchlittenMikrotomen ein häufiges Reinigen und Schmieren der Gleitflächen erforderlich mache, was teuer und zeitaufwendig sei (Abs. 0003). Aus der europäischen Patentanmeldung 0 175 480 sei weiter eine spezielle Ausführung einer sogenannten Kreuzrollenführung bekannt, die zwei am festen Geräteteil und zwei am gegenüber dem festen Geräteteil beweglichen Schlitten angebrachte Profilstäbe mit Führungsnuten aufweise und bei der zwischen zwei sich gegenüberstehenden Profilstäben zylindrische Rollen alternierend um 90 Grad verdreht in die Führungsnuten eingesetzt seien. Jedoch sei die Führung des gegenüber einem Gehäuse beweglichen Objektträgers bei Rotationsmikrotomen mit vertikaler Bewegung sowie bei Mitkrotomen mit horizontaler Bewegung als spezielles Anwendungsgebiet derartiger Kreuzrollenführungen genannt.
15
2. Demgegenüber soll nach den Angaben der Beschreibung des Streitpatents ein Schlitten-Mikrotom so ausgebildet werden, dass die Schlittenführung eine hohe Stabilität bei gleichzeitiger Leichtgängigkeit aufweist und so die Herstellung von hochgenauen Schnitten, deren Qualität nicht von der Geschicklichkeit der Bedienungsperson abhängt, und eine relativ ermüdungsarme Bedienung des Mikrotoms ermöglicht werden (Streitpatent Beschreibung Abs. 0005).
16
Hierzu ist das Mikrotom nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung wie folgt auszubilden (Bezugszeichen sind weggelassen): 1. Das Mikrotom verfügt über
a) ein Gehäuse,
b) einen Objektträger,
c) einen Schlitten. 2. Der Schlitten ist
a) aus Leichtmetall gefertigt,
b) trägt ein Schneidmesser und
c) ist gegenüber dem mit dem Gehäuse fest verbundenen Objektträger bewegbar
d) entlang präziser Führungselemente. 3. a) Als erste Führungselemente sind mit dem Mikrotom-Gehäuse zwei Profilstäbe mit Führungsnuten verbunden, wobei
b) mindestens einer der Profilstäbe senkrecht zu seiner Längsachse einstellbar ist. 4. Als zweite Führungselemente sind zwei Profilstäbe mit Führungsnuten fest mit dem Schlitten verbunden. 5. Die Führungsnuten der ersten und zweiten Führungselemente stehen sich gegenüber. 6. In den Führungsnuten sind über etwa die halbe Länge der zweiten Führungselemente hochpräzise Rollen spielfrei eingesetzt. 7. Es ist eine spielfreie, eine hohe Stabilität aufweisende Zwangsführung des Schlittens gebildet.
17
Die mündliche Verhandlung hat ergeben, dass der Fachmann der Verwendung von in die Führungsnuten spielfrei eingesetzten hochpräzisen Rollen und der Angabe, dass eine Zwangsführung entsteht, entnimmt, dass es sich bei der erfindungsgemäßen Führung um eine Kreuzrollenführung handelt, die mittels des einstellbaren Profilstabes vorgespannt wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0008). Deshalb versteht der Fachmann die Worte "so dass" in Merkmal 7 dahin, dass mit ihnen das Zusammenwirken des einstellbaren Profilstabes mit den übrigen Profilstäben, der in ihnen ausgebildeten Führungsnuten und der hochpräzisen Rollen angesprochen ist, wobei über die feste Verbindung des Schlittens mit den Profilstäben des zweiten Führungselements die erstrebte Zwangsführung des Schlittens erreicht wird. Dies ermöglicht es, einen präzise geführten, in Leichtbauweise ausgeführten Schlitten zu verwenden, wodurch infolge der Zwangsführung die Schnittqualität verbessert und infolge des leichten Schlittens ein weniger ermüdendes und Geschick erforderndes Bedienen des Mikrotoms ermöglicht wird.
18
II. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ist neu, da kein im Stand der Technik bekanntes Schlitten-Mikrotom sämtliche Merkmale des geschützten Mikrotoms aufweist, was auch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Zweifel gezogen worden ist. Ihm fehlt jedoch die Patentfähigkeit , da der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt ist, dass dieser Gegenstand dem Fachmann am Prioritätstag durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).
19
1. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, verfügten Fachleute, die sich am Prioritätstag des Streitpatents mit der Entwicklung von Mikrotomen befassten, typischerweise über eine Ausbildung in allgemeinem Maschinenbau, die sie an einer Fachhochschule oder Technischen Universität absolviert hatten. Zu den durch diese Ausbildung erworbenen Kenntnissen gehören auch solche über Gleitlagerungen und -führungen, Wälzlagerungen und -führungen sowie deren Vor- und Nachteile. Außerdem verfügten die in der einschlägigen Industrie tätigen Fachleute typischerweise über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Fertigung von Mikrotomen.
20
2. Einem auf dem Gebiet der Entwicklung von Mikrotomen tätigen Fachmann, der sich am Prioritätstag des Streitpatents vor die Aufgabe gestellt sah, ein Schlitten-Mikrotom der erfindungsgemäßen Bauart zu verbessern, war bekannt, dass durch die Verwendung schwerer Schlitten das Problem gelöst wird, den Schlitten beim Auftreffen des an ihm befestigten Messers auf das feststehende und zu schneidende Objekt gegen Kippbewegungen zu sichern. Davon gehen auch die Beklagte und der Privatgutachter aus, der in seinem Gutachten die auftretenden unterschiedlichen Reaktionskräfte bildlich dargestellt hat. Trifft das Messer eines aufgelegten Messer-Schlittens auf einen härteren und durch den Objektträger gehaltenen Gewebeeinschluss, ist die Reaktionskraft vom Gehäuse weg auf den Schlitten gerichtet und kann zu Kippbewegungen des Schlittens führen (Privatgutachten Seite 7, 9, Bild 6), die, wie der Fachmann am Prioritätstag wusste, zu vermeiden sind.
21
Dem ist bei Schlitten-Mikrotomen am Prioritätstag üblicher Bauart dadurch Rechnung getragen worden, dass der Schlitten hinreichend schwer ausgebildet wurde, um die genannten Kippbewegungen zu vermeiden und einen sauberen Schnitt zu erzielen. Der Fachmann hat auch ohne weiteres erkannt, dass das Sichern eines auf Gleitführungen geführten Messer-Schlittens gegen zu Kippbewegungen führende Reaktionskräfte mittels eines hinreichend schweren Schlittens durch Nachteile bei der Bedienung des Mikrotoms erkauft wird, indem die Bedienung eines solchen Mikrotoms kraftaufwändig ist und Geschick erfordert. Der Fachmann hat darüber hinaus erkannt, dass die Verwendung einer Gleitführung Probleme hinsichtlich der Sicherung gleichmäßiger Schnitte und Schnittfolgen aufwirft, weil ein - im Vergleich mit anderen Führungen - "di- cker" Schmierfilm erforderlich ist, um das Gleiten des Schlittens auf den Gleitführungen sicherzustellen, wobei die Dicke des Schmierfilms über die gesamte Länge einer Schnittbewegung und bei mehreren Schnittbewegungen über die Schnittbewegungen in ihrer Gesamtheit hinweg nur bei Vorliegen idealer Bedingungen gleichbleibend ist, in der Praxis solche idealen Bedingungen jedoch nicht vorliegen, so dass sich Unterschiede in der Schmierfilmdicke ergeben, die sich bereits unterhalb des Mikrometer-Bereichs auf die geforderte Qualität der Schnitte und Schnittfolgen negativ auswirken. Wie die Beklagte dargelegt und der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, waren dem Fachmann diese Probleme sowie die Anforderungen an die Präzision von Mikrotomen am Prioritätstag bekannt, wobei für ihn das Vermeiden von "Rattermarken" auf dem Schnitt (sog. "Chatter") durch höchste Präzision eindeutige Priorität besaß.
22
Auf der Grundlage dieser Kenntnisse und Erfahrungen war für den Fachmann, der Schlitten-Mikrotome der hier einschlägigen Art verbessern wollte , erkennbar, dass er sich der Frage, wie eine Erleichterung der Bedienung eines Schlitten-Mikrotoms mit relativ zum Objektträger verschiebbarem MesserSchlitten erreicht werden kann, nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Gewichts des Messer-Schlittens nähern durfte, sondern auch und - wegen der zentralen Bedeutung eines präzisen Schnittergebnisses - mit Priorität die Sicherung einer präzisen Messerführung gegen durch die Art der Schmierung von Gleitführungen bedingte Ungenauigkeiten und insbesondere gegen auf den Schlitten wirkende Reaktionskräfte bei Auftreffen des Messers auf das Schnittgut ins Auge zu fassen hatte. Er musste deshalb bereits aufgrund einfacher, naheliegender Überlegungen erkennen, dass eine leichtere Bauweise des Schlittens, die als solche eine leichtere Bedienbarkeit des Mikrotoms erlauben würde, das Problem der Sicherung des Messer-Schlittens gegen die auf ihn wirkenden Reaktionskräfte nicht lösen werde, sondern Probleme bei der Siche- rung der Schnitt-Qualität mit sich bringen werde, insbesondere bei Gleitführungen , die als solche gegen den Messer-Schlitten gerichtete Reaktionskräfte nicht aufnehmen und zudem Ungenauigkeiten infolge der Schmierfilmdicke zur Folge haben.
23
Dem Fachmann musste sich weiter aufdrängen, dass mit einer verbesserten Führung des Schlittens, die diesen gegenüber Gleitführungen in verstärktem Maße gegen Kippbewegungen zu sichern in der Lage ist und die aus der erforderlichen Schmierfilmdicke resultierenden Probleme hinsichtlich der Präzision der Schnitte löst, das Problem einer leichteren Bedienbarkeit des Mikrotoms allein nicht zu lösen ist. Denn allein durch eine Verbesserung der Schlittenführung wird bei Verwendung eines schweren Schlittens noch keine bessere Bedienbarkeit erreicht, da die Masse eines schweren Schlittens auch bei Verwendung einer präziseren Führung bewegt werden muss, so dass in diesem Fall zwar eine Verbesserung der Qualität der Schnitte, nicht jedoch ein ermüdungsfreies Arbeiten mit dem Mikrotom erreicht wird. Auch daher stellte die Verbesserung eines Schlitten-Mikrotoms für die damit befassten Entwickler ersichtlich ein komplexes Problem dar, bei dem Veränderungen in der Bauweise eine Abstimmung der verschiedenen Bauteile aufeinander erforderlich machten und eine Gesamtlösung gefunden werden musste, bei der die Präzision , mit der die Schnitte hergestellt werden, gegenüber Verbesserungen bei der Bedienbarkeit Vorrang hat.
24
3. a) Vor diesem Hintergrund war entgegen der Auffassung der Beklagten die Verwendung einer vorgespannten Kreuzrollenführung für den MesserSchlitten eines Mikrotoms, bei dem der Messer-Schlitten relativ zum feststehenden Objektträger horizontal bewegt wird, eine dem Fachmann am Prioritätstag nahegelegte Maßnahme.

25
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, kannten die auf dem Gebiet der Entwicklung von Mikrotomen tätigen Fachleute am Prioritätstag neben Gleitlagerungen und -führungen insbesondere Wälzlagerungen und -führungen sowie deren Vor- und Nachteile. Dies wird durch die deutsche Offenlegungsschrift 29 11 614 bestätigt. Sie betrifft ein lineares Kreuzroll- bzw. -wälzlager und zeigt in Figur 1 ein solches Lager, bei dem Rollen alternierend um 90 Grad verdreht in Rollen- oder Wälztaschen liegen, die in einem langgestreckten Rollen-Walzenkäfig ausgebildet sind. Dieser Käfig ist so zwischen zwei Profilstäben mit jeweils V-förmigen Nuten angeordnet, dass die Rollen alternierend mit den Flächen der V-fömigen Nuten zusammenwirken. Eine solche Lagerung, deren Vor- und Nachteile dem Fachmann bekannt waren , bot sich jedenfalls zur Erleichterung der Bewegung des Schlittens an und gab daher Anlass, diese bei der weiteren Entwicklung in Betracht zu ziehen, zumal diese bei anderen Formen von Mikrotomen bereits mit Erfolg eingesetzt worden waren.
26
Die deutsche Offenlegungsschrift 34 33 460 nennt Rotationsmikrotome, bei denen die Objektspanneinrichtung vertikal geführt wird, sowie SchlittenMikrotome , bei denen die Objektspanneinrichtung horizontal hin- und herbewegt wird, ausdrücklich als Anwendungsgebiete derartiger Führungseinheiten (Beschreibung Seiten 4 und 5 übergreifender Absatz). Die Schrift bezieht sich zwar nicht auf Schlitten-Mikrotome, bei denen der Messer-Schlitten wie beim Gegenstand nach Patentanspruch 1 relativ zur feststehenden Objektspanneinrichtung bewegt wird. Sie weist den Fachmann aber darauf hin, dass anders als bei Rotationsmikrotomen, bei denen die Kreuzrollenführung vertikal anzuordnen ist und daher Probleme infolge der Gravitation zu lösen sind, bei SchlittenMikrotomen derartige Probleme nicht auftreten, die Führung der Objektspann- einrichtung an einem Basisteil durch Kreuzrollenführungen also unproblematisch ist. Sie offenbart, dass bei Mikrotomen Führungseinrichtungen zur vertikalen oder horizontalen Führung eines in Bezug zu einem feststehenden Teil linear beweglichen Teils verwendet werden können, die zwei nebeneinander parallel angeordnete Führungsschienen mit Längsrillen und zwischen den beiden Führungsschienen eine Anzahl in einem Käfig angeordnete Wälzelemente aufweist , wobei die eine Führungsschiene am feststehenden Teil und die zweite Führungsschiene am beweglichen Teil angeordnet ist und der Käfig mit den Wälzelementen zwischen den beiden Führungsschienen linear beweglich ist (Beschreibung deutsche Offenlegungsschrift 34 33 460, Seite 4 erster Absatz; Merkmale 2 c, d, 3 a teilweise, 4 teilweise, 5, 6). Das gab Veranlassung, diese Schrift in die Überlegungen einzubeziehen.
27
Da am Prioritätstag die Vor- und Nachteile der verschiedenen Führungen bekannt waren, ist diesen Angaben auch zu entnehmen, dass eine solche Kreuzrollenführung dazu verwendet werden kann, die Führung vorzuspannen und damit zu einer Zwangsführung auszugestalten. Denn wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, handelt es sich bei der Eignung von Kreuzrollenführungen dazu, vorgespannt zu werden, um den typischen Vorteil solcher Führungen, die im Maschinenbau immer dann eingesetzt und vorgespannt werden, wenn Kräfte, die auf den zu bewegenden Gegenstand ausgeübt werden, aufzunehmen sind und gleichzeitig eine präzise Führung erreicht werden soll. Dies gehörte bereits am Prioritätstag zur allgemeinen Kenntnis im Maschinenbau.
28
Ein Fachmann mit der Qualifikation des oben definierten Durchschnittsfachmanns durfte entgegen der Auffassung der Beklagten diese Schrift auch nicht deshalb unbeachtet lassen, weil sie - jedenfalls ausdrücklich - nur die Führung eines Objektträgerschlittens, nicht dagegen die Führung eines Messer -Schlittens betrifft. Zwar stellen sich nach dem Vorbringen der Beklagten die beim Zusammentreffen des Messers mit dem zu schneidenden Objekt auftretenden Reaktionskräfte bei einem Mikrotom, bei dem das Messer feststeht und der Objektträger bewegt wird anders dar als bei einem Mikrotom, bei dem der Objektträger feststeht und der Messer-Schlitten bewegt wird (Privatgutachten Seite 7, 9, Bilder 6 und 7). Ein Fachmann hatte aber schon deshalb Veranlassung , Kreuzrollenführungen in seine Überlegungen einzubeziehen, weil diese mit einer wesentlichen geringeren Schmierfilmdicke auskommen und leichtgängiger als Gleitführungen sind, was am Prioritätstag nach den überzeugenden und von der Beklagten nicht in Frage gestellten Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen zum allgemeinen Fachwissen gehörte.
29
Kreuzrollenführungen waren am Prioritätstag in verschiedenen Ausführungen bekannt. Wie sich aus dem Katalog der Schneeberger GmbH - Seite 14 f. - ergibt, der aus der Sicht des interessierten Entwicklers Bauteile bereitstellt, wie sie für die Anfertigung von Mikrotomen verwendet werden, waren derartige Linearführungen unter der Bezeichnung RNG im Handel erhältlich , worauf die Beschreibung des Streitpatents zutreffend hinweist. Der Katalog belegt zudem, dass Wälzführungen der genannten Art mittels Stellschrauben oder dergleichen (Merkmal 3 b) vorgespannt werden, um die Führung spielfrei einzustellen und so eine Zwangsführung herbeizuführen (Katalog Seite 90; Merkmal 6 teilweise, Merkmal 7).
30
b) Allerdings gab der Stand der Technik keinen unmittelbaren Hinweis darauf, dass die Rollen etwa über die halbe Länge der zweiten Führungselemente einzusetzen sind (Merkmal 6). Für den Fachmann war jedoch erkennbar , dass bei Verwendung einer Zwangsführung mit überlaufendem Käfig Stö- ße verursacht werden, die es bei Mikrotomen zu vermeiden gilt, so dass es sich anbot, auf vorspannbare Führungen mit nicht überlaufenden Käfigen zurückzugreifen. Bei der Maßnahme, die Käfiglänge auf die Hälfte der Länge der mit dem Schlitten verbundenen Führungselemente zu begrenzen, handelt es sich nach den überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen um eine optimierende Abstimmungsmaßnahme, wie sie für verschiedene Verhältnisse von Käfighub zur Länge der Längsführung im Katalog der Schneeberger GmbH dargestellt ist (Katalog Seite 87) und vom Fachmann durch ihm geläufige Versuche oder Berechnung aufgefunden werden konnte.
31
c) Aus dem Katalog der Schneeberger GmbH ist schließlich zu ersehen, dass es bekannt war, Normrolltische aus Leichtmetall herzustellen (Katalog Seite 41 Typ NV RD; Merkmal 1 c). Zwar war dem einschlägigen Fachmann bereits am Prioritätstag geläufig, dass Kreuzrollenführungen leichtgängiger sind als Gleitführungen, so dass mit der Verwendung einer vorgespannten Kreuzrollenführung in einem Schlitten-Mikrotom der hier fraglichen Bauart nicht nur das Problem eines präziseren Schnitts gelöst wird, sondern in einem gewissen Umfang auch eine leichtere Bedienbarkeit des Mikrotoms erreicht wird.
32
Eine darüber hinaus reichende Erleichterung beim Bedienen des Mikrotoms durch Verwendung eines Messer-Schlittens aus Leichtmetall stellt aber eine sich fast zwangsläufig ergebende, jedenfalls aber mit dem Fachwissen ohne weiteres zu lösende Optimierungsmaßnahme dar, da schwere Tische im Stand der Technik eingesetzt wurden, um einer Kippbewegung des auf Gleitführungen geführten Tisches entgegenzuwirken. Das hat auch der gerichtliche Sachverständige so gesehen. Die Verwendung eines schweren Tisches ist - wie der Fachmann erkennt - dann nicht erforderlich, wenn der Tisch anderweit gegen auf ihn wirkende Kräfte und dadurch ausgelöste Bewegungen gesichert wird, etwa indem eine vorgespannte Kreuzrollenführung zur Erzielung eines sauberen und gleichmäßigen Schnitts eingesetzt wird. Der gerichtliche Sachverständige hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Verwendung einer vorgespannten Kreuzrollenführung alle Freiheiten gibt, einen schweren oder leichten Tisch zu verwenden, wenn der Messer-Schlitten nicht mehr durch sein Gewicht gegen auf ihn wirkende Reaktionskräfte gesichert werden muss.
33
d) Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Verwendung eines schweren Messer-Schlittens nach dem Stand der Technik wirke Schwingungen entgegen, die vom Messer auf den Schlitten übertragen werden können, hat der gerichtliche Sachverständige dargelegt, dass eine solche Wirkung denkbar und bei Verwendung eines Tisches aus Leichtmetall, der durch eine vorgespannte Kreuzrollenführung geführt wird, möglicherweise in geringerem Umfang zu beobachten sein könnte. Für die Frage, ob der Gegenstand nach Patentanspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kommt es darauf jedoch nicht an. Mit der Verwendung schwerer auf Gleitführungen geführter Schlitten nach dem Stand der Technik stand eine Lösung bereit, bei der einerseits Nachteile bezüglich der Präzision der Schnitte hingenommen wurden, die aus der Art der Schmierung der Führungen entstehen, sowie Nachteile auftraten, die insbesondere die Bedienbarkeit des Mikrotoms betrafen. Bei der Frage, ob bei der Ausbildung eines Miktrotoms mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1 des Streitpatents möglicherweise ein Nachteil im Bereich des Schwingungsverhaltens des Messers und/oder des Messer-Schlittens hingenommen wird, handelt es sich um eine bloße Abwägung, ob die Vorteile einer präziseren Schnittführung durch die nahegelegte Verwendung einer vorgespannten Kreuzrollenführung und einer leichteren Bedienbarkeit infolge der nahegelegten Verwendung eines Tisches aus Leichtmetall den Nachteil einer geringfügig schlechteren Dämpfung von Schwingungen aufwiegen, die vom Messer auf den Messer-Schlitten übertragen werden können. Aus einer solchen Abwägung lässt sich das Beruhen einer in ihren Einzelmerkmalen wie in deren Kombination naheliegender Maßnahmen auf erfinderischer Tätigkeit nicht herleiten.
34
Die Beklagte kann schließlich auch nicht mit Erfolg geltend machen, mit der Verwendung einer Zwangsführung für den Messer-Schlitten sei eine Vergrößerung der Baulänge des Mikrotoms verbunden, die mit einem kurzen Hub zusammentreffe, so dass es mehrer Schritte bedurft habe, um den Gegenstand nach Patentanspruch 1 aufzufinden. Zwar kann es für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit sprechen, wenn der Fachmann mehrere Schritte, die im Stand der Technik keine Anregung gefunden haben, vollziehen musste, um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden (vgl. Sen.Urt. v. 22.11.1984 - X ZR 40/84, GRUR 1985, 369, 370 - Körperstativ; Benkard/Jestaedt, EPÜ, Art. 56 EPÜ Rdn. 85 m.w.N. auch zur Rspr. des EPA). Maßgebend ist aber auch insoweit, ob es sich dabei insgesamt um Routinearbeit gehandelt hat (vgl. Sen.Urt. v. 17.9.2003 - X ZR 1/99, Mitt. 2003, 116 ff. - Rührwerk) oder ob sich dem Fachmann Schwierigkeiten in den Weg gestellt haben, etwa weil für einen oder mehrere Schritte Alternativen bestanden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, bestanden solche Schwierigkeiten nicht. Ist der entscheidende Schritt, hier die Verwendung einer Zwangsführung, wie dargelegt aus dem Stand der Technik abzuleiten, so kann allein aus dem Umstand, dass eine Mehrzahl von Schritten auszuführen war, um die Teile einer Gesamtvorrichtung aufeinander abzustimmen, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht hergeleitet werden, wenn es sich bei den weiteren Schritten um solche handelt, die der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens und Fachkönnens bewältigen kann.
35
Patentanspruch 1 in der Fassung, die er im Einspruchsverfahren erhalten hat, kann daher keinen Bestand haben.
36
3. Die Patentansprüche 2 bis 9 betreffen Weiterbildungen des Gegenstands nach Patentanspruch 1, die keinen erfinderischen Gehalt erkennen lassen ; ein solcher wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
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III. Das Streitpatent kann auch in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung keinen Bestand haben. Die beschränkte Verteidigung ist zwar zulässig , da sich der Gegenstand des Streitpatents auf ein von einer Bedienperson von Hand zu betätigendes Schlitten-Mikrotom bezieht. Dies ergibt sich schon daraus, dass mit dem erfindungsgemäßen Gegenstand - wie in der ursprünglichen Anmeldung offenbart - eine leichtere und weniger ermüdende Bedienung des Mikrotoms erreicht werden soll, was die Bedienung des Mikrotoms von Hand umfasst. In den ursprünglichen Unterlagen ist auch offenbart, dass die Führung des Schlittens eine gewisse Vorspannung erlaubt, woraus der Fachmann ersieht, dass die Kreuzrollenführung mit Vorspannung auszuführen ist. Wie die Beklagte aber selbst einräumt, handelt es sich bei der Aufnahme der Merkmale "von Hand" und "durch eine Vorspannung" um klarstellende Formulierungen , aus denen sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit ableiten lassen.
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Die beschränkte Verteidigung des Patentanspruchs nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich im Übrigen dadurch von seiner geltenden Fassung, dass die Führungselemente für einen Hub ohne austretende Rollen vom maximal 300 mm ausgebildet sind. Eine solche Maßnahme ist im Stand der Technik zwar nicht vorbeschrieben. Dass der Fachmann Veranlassung hatte, austretende Rollen zu vermeiden, ist jedoch vorstehend bereits dargelegt. Deshalb ist es, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, eine selbstverständliche Maßnahme, die Führungen so auszubilden, dass die Rollen nicht aus den Führungselementen austreten können. Aus dem Umstand, dass sich, wie die Beklagte geltend gemacht hat, mit der Verwendung einer Zwangsrollenführung die Baulänge verändert, kann das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht hergeleitet werden, denn wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, waren dem Fachmann die Vor- und Nachteile der in Betracht kommenden Lagerungen und Führungen bekannt, so dass es im Rahmen des Könnens des Fachmanns lag, die Länge der Führungselemente auf die gewünschte Baulänge des Mikrotoms abzustellen. Die Führungselemente mit einer Hubbegrenzung von 300 mm auszubilden ist eine bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen folgende Maßnahme.
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Die beschränkte Verteidigung des Patentanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der beschränkten Verteidigung nach Hilfsantrag 1 darüber hinaus durch die Aufnahme des Merkmals, dass die zweiten Führungselemente jeweils an ihren Enden mit Anschlägen für die Käfige der Rollen versehen sind. Endanschläge für Kreuzrollenführungen sind am Prioritätstag bekannt gewesen, wie die deutsche Offenlegungsschrift 34 33 460, Beschreibung Seite 5, belegt. Sie im Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung und in der Fassung der beschränkten Verteidigung nach Hilfsantrag 1 vorzusehen, ist nach den überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung eine sich dem Fachmann aufdrängende Maßnahme, um ein Auswandern der Käfige aus den Führungen zu verhindern und eine präzise Schnittführung sicherzustellen.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 18.12.2002 - 4 Ni 13/02 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.