Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2006 - X ZR 18/05

published on 07/11/2006 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2006 - X ZR 18/05
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Amtsgericht Heilbronn, 14 C 2058/04, 02/07/2004
Landgericht Heilbronn, 7 S 31/04, 12/01/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 18/05 Verkündet am:
7. November 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2006 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 12. Januar 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist die frühere Ehefrau des Inhabers des U. Kurierdienst U. S. (nachfolgend: Kurierdienst), der im Mai 2001 bei einem Motorradunfall schwer verletzt wurde und in der Folgezeit für einige Monate unter der Betreuung der Beklagten stand. Bei der Klägerin wurden danach, allerdings nicht durch die Beklagte persönlich, sondern durch Fahrer des Kurierdiensts , Reparaturen am Fuhrpark des Kurierdiensts in Auftrag gegeben; der Werklohn hierfür ist nicht bezahlt worden. Die Klägerin hat in einem anderen Verfahren zunächst den dauerhaft geschäftsunfähigen U. S. als Inhaber des Kurierdiensts, gegen den Vollstreckungsbescheid ergangen ist, und sodann in dem vorliegenden Verfahren die Beklagte als vollmachtlose Vertreterin auf Zahlung der Reparaturkosten in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Werklohns nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:


2
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
3
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, dass die Beklagte als vollmachtlose Vertreterin für die Werklohnforderung einzustehen habe, denn sie habe den Kurierdienst weitergeführt. Die Betreuung habe bei der Auftragserteilung nicht fortgewirkt. Dass die Klägerin bereits einen Vollstreckungsbescheid gegen den Inhaber des Kurierdiensts erwirkt habe, stehe der Annahme der vollmachtslosen Vertretung, aus der die Beklagte für die Forderung einzustehen habe, nicht entgegen.
4
II. Dies rügt die Revision mit Erfolg als fehlerhaft. Sie stützt sich darauf, dass die Fahrer des Kurierdiensts die Reparaturaufträge in Untervollmacht für den Kurierdienst erteilt hätten. Damit sei dessen Inhaber als Geschäftsherr verpflichtet worden. Die Beklagte habe keinen Vertrag ohne Vertretungsmacht ge- schlossen. Die für den Fuhrpark des Kurierdiensts zuständigen Mitarbeiter seien von U. S. noch vor dessen Unfall bevollmächtigt worden, Aufträge im Zusammenhang mit dem Fuhrpark zu erteilen. Im Übrigen stehe auch der bereits erwirkte Vollstreckungsbescheid einer Inanspruchnahme der Beklagten entgegen.
5
III. 1. Der bisher festgestellte Sachverhalt trägt die Verurteilung der Beklagten nicht.
6
a) Die Haftung der Beklagten aus § 179 BGB, von der die Vorinstanzen ausgegangen sind, setzt ein Handeln des Vertreters beim Vertragsschluss ohne Nachweis der Vertretungsmacht voraus. Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene Ersturteil hat als unstreitig festgestellt, dass die Beklagte die Reparaturaufträge nicht persönlich erteilt hat. Daraus, dass die Beklagte den Betrieb des Kurierdiensts weitergeführt hat, wie dies tatrichterlich festgestellt ist, folgt noch kein Handeln der Beklagten als Vertreterin. Fehlt es aber schon an einem solchen Handeln, kommt eine Haftung der Beklagten nach § 179 BGB nicht in Betracht (vgl. MünchKomm./Schramm, BGB, 4. Aufl., Rdn. 19; AnwK/ Ackermann, Rdn. 8, je zu § 179 BGB).
7
b) Allerdings hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung über die Revision die Gegenrüge erhoben, ihr unter Zeugenbeweis gestellter Vortrag im Schriftsatz vom 1. Juni 2004 (Bl. 46) sei übergangen worden, dass die Beklagte die Fahrer H. , K. und Kn. beauftragt habe, die Reparaturaufträge zu erteilen. Diese Rüge konnte noch in der mündlichen Verhandlung erhoben werden (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 557 Rdn. 12). Die Beklagte hat dies jedenfalls mit der Behauptung bestritten, sie habe keine Weisungen an die Fahrer erteilt (Bl. 75). Der Vortrag der Klägerin war erheblich, denn er konnte im Fall des Nachweises seiner Richtigkeit ein Auftreten der Be- klagten als vollmachtslose Vertreterin begründen, das dann darin gelegen hätte, dass die Beklagte für U. S. den Fahrern Vollmacht zur Erteilung der Reparaturaufträge erteilt hätte, ohne ihrerseits für das Unternehmen ihres Ehemanns vertretungsberechtigt gewesen zu sein. Das Berufungsgericht ist dem nicht nachgegangen; es hat es vielmehr zu Unrecht als Haftungsgrundlage ausreichen lassen, dass die Beklagte den Betrieb weitergeführt habe.
8
c) Insoweit kommt zugunsten der Klägerin auch die sich aus § 179 Abs. 1 BGB ergebende Beweislastumkehr (vgl. BGHZ 99, 50, 52) nicht zum Tragen, weil es nicht um den Nachweis der Vertretungsmacht, sondern um den eines Vertreterhandelns geht. Hierfür ist aber derjenige beweispflichtig, der den Vertreter wegen fehlender Vollmacht in Anspruch nimmt (vgl. Bamberger/Roth/ Habermeier, BGB, 2003, § 179 Rdn. 37). Dieser Beweis ist zwar angetreten, bisher aber nicht geführt.
9
2. Für eine Haftung der Beklagten aus anderen Rechtsgründen, insbesondere eine Sachwalterhaftung (jetzt § 311 Abs. 3 BGB), fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten. Eine Haftung der Beklagten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte das Geschäft als fremdes für seinen bisherigen Inhaber fortgeführt und nicht unter Lebenden erworben hat.
10
3. Auf die zum Anlass der Zulassung der Revision genommene Frage der Wirksamkeit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids an U. S. kommt es für die Entscheidung jedenfalls derzeit nicht an. Nachdem auch die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht von der Beantwortung dieser Frage nicht beeinflusst wird und deshalb ein Hinweis des Senats hierzu eine Bindung des Berufungsgerichts oder eine Festlegung des Senats nicht herbeiführen könnte, sieht der Senat davon ab, sich zu ihr zu äußern.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 02.07.2004 - 14 C 2058/04 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 12.01.2005 - 7 S 31/04 -
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(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des frühere

Annotations

(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.

(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.

(3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.