Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2019 - X ZR 132/17

28.11.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 5/15, 27.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 132/17 Verkündet am:
28. November 2019
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:281119UXZR132.17.0
vom 28. November 2019 durch die Richter Dr. Bacher, Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 27. Juni 2017 abgeändert.
Das europäische Patent 887 159 wird für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht: 1. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, wobei die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, wobei die Einrichtung, die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, einen Ständer aufweist, der an dem Gehäuse befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Ständer aufweist: ECLI:DE:BGH:2019:281119UXZR132.17.0 a. eine Säule, die an dem Gehäuse befestigt ist, b. eine drehbare Plattform, die an der Säule befestigt ist, c. Arme, die an der Plattform befestigt sind, und d. Stützen, die an den Armen befestigt sind.
2. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, wobei die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, wobei die an dem Gehäuse befestigte Einrichtung zum Schneiden der Rolle eine Querschneiderbaugruppe aufweist , wobei die Querschneiderbaugruppe aufweist: a. einen Querschneiderturm, der sich von dem Gehäuse aus erstreckt, b. einen Querschneiderarm, der an dem Querschneiderturm befestigt ist, c. ein drehbares Sägeblatt, das an dem Querschneiderarm befestigt ist, und d. eine Einrichtung, die ermöglicht, das Sägeblatt einwärts zu dem Zentrum einer zu schneidenden Rolle zu bewegen , dadurch gekennzeichnet, dass der Querschneiderturm teleskopisch ausfahrbar ist.
3. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, wobei die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, wobei die an dem Gehäuse befestigte Einrichtung zum Schneiden der Rolle eine Querschneiderbaugruppe aufweist , wobei die Querschneiderbaugruppe aufweist: a. einen Querschneiderturm, der sich von dem Gehäuse aus erstreckt, b. einen Querschneiderarm, der an dem Querschneiderturm befestigt ist, c. ein drehbares Sägeblatt, das an dem Querschneiderarm befestigt ist, und d. eine Einrichtung, die ermöglicht, das Sägeblatt einwärts zu dem Zentrum einer zu schneidenden Rolle zu bewegen , dadurch gekennzeichnet, dass der Querschneiderturm aufweist : a. einen unteren Teil, der an dem Gehäuse befestigt ist, b. einen oberen Teil, der an dem unteren Teil teleskopisch befestigt ist, und c. eine Einrichtung, die an dem unteren Teil befestigt ist, zum Anheben und Absenken des oberen Teils.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, wobei die Einrichtung, die an dem unteren Teil befestigt ist, um den oberen Teil anzuheben und abzusenken, eine Kolben-Zylindervorrichtung aufweist.
5. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, wobei die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, wobei die an dem Gehäuse befestigte Einrichtung zum Schneiden der Rolle eine Querschneiderbaugruppe aufweist , wobei die Querschneiderbaugruppe aufweist: a. einen Querschneiderturm, der sich von dem Gehäuse aus erstreckt, b. einen Querschneiderarm, der an dem Querschneiderturm befestigt ist, c. ein drehbares Sägeblatt, das an dem Querschneiderarm befestigt ist, und d. eine Einrichtung, die ermöglicht, das Sägeblatt einwärts zu dem Zentrum einer zu schneidenden Rolle zu bewegen , dadurch gekennzeichnet, dass der Querschneiderarm an dem Querschneiderturm drehbar befestigt ist.
6. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, wobei die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, wobei die an dem Gehäuse befestigte Einrichtung zum Schneiden der Rolle eine Querschneiderbaugruppe aufweist , dadurch gekennzeichnet, dass der Querschneiderturm eine obere Sägehalterung und eine untere Sägehalterung hat, an welchen der Querschneiderarm wahlweise befestigt werden kann.
7. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, dadurch gekennzeichnet, dass die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen, weiter mit einer Einrichtung zum Schmirgeln einer Endfläche der Rolle.
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, wobei die Einrichtung zum Schmirgeln der Endfläche der Rolle ein Blatt aufweist, das einen Schmirgelrand hat.
9. Vorrichtung zum Schneiden einer Rolle in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist, mit: a. einem Gehäuse (12), b. einer Einrichtung (26), die an dem Gehäuse befestigt ist, um die Rolle zu empfangen, und c. einer Einrichtung (48), die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schneiden der Rolle, d. gekennzeichnet durch eine Einrichtung, die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schmirgeln eines Randes der Rolle, und dadurch, dass die Rolle durch die Einrichtung empfangen wird, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen.
10. Vorrichtung nach Anspruch 9, weiter mit einer Einrichtung zum Bewegen der Rolle.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits tragen die Klägerin 55% und die Beklagte 45%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 90% und die Beklagte 10%.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 887 159 (Streitpatents), das am 4. Juni 1998 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 25. Juni 1997 angemeldet wurde und nach Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Sägen von Papierrollen. Es umfasst 19 Patentansprüche. Patentanspruch 1 und 18, auf die die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache: "1. A device for cutting a roll in a direction substantially perpendicular to the axis of the roll, comprising: a. a housing (12) b. means (26) attached to said housing for receiving said roll; and c. means (48) attached to said housing for cutting said roll, characterised in that the roll is received by said means for receiving it in an end-on and substantially upright position. 18. A device for cutting a roll in a direction substantially perpendicular to the axis of the roll, comprising: a. a housing (12) b. means (26) attached to said housing for receiving said roll; c. means (48) attached to said housing for cutting said roll, d. characterised by means attached to said housing for sanding an edge of said roll; and in that the roll is received by said means for receiving it in an end-on and substantially upright position."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Schutzrechts gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Zudem offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deut- lich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit mehreren Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der Klage im Übrigen für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung hinausgeht. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent mit zuletzt drei Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen Patentanspruch 6 in der in erster Instanz mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung des Streitpatents wendet. Im Übrigen hat das Streitpatent in der mit diesem Antrag verteidigten Fassung Bestand.
5
I. Das Streitpatent betrifft eine Maschine zum Sägen von Rollen.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift können Papierrollen aufgrund ihrer Größe und Breite sowie ihres Gewichts nicht mühelos in eine Presse eingeführt werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Rolle an ihren Enden beschädigt werde. Bei den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen sei vorgesehen, die Rollen für einen Zuschnitt über einen langen Zeitraum hinweg auf ihrer Seite zu lagern. Dies sei von Nachteil, weil die Rollen hierdurch deformiert werden könnten.
7
2. Das Streitpatent betrifft das technische Problem, eine Vorrichtung zum Sägen von Rollen zur Verfügung zu stellen, die eine einfache und effiziente Handhabung beim Zuschneiden ermöglicht und einer Beschädigung der Endflächen entgegenwirkt.
8
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der erteilten Fassung eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben): 1. Die Vorrichtung dient zum Schneiden einer Rolle [1a] in einer Richtung, die zur Achse der Rolle im Wesentlichen rechtwinklig ist [1b], und weist folgende Bestandteile auf: 1.1 ein Gehäuse (12) [1c]; 1.2 eine Einrichtung (26) zur Aufnahme der Rolle, die 1.2.1 an dem Gehäuse befestigt ist [1d], 1.2.2 die Rolle in einer Position mit dem Ende voraus und im Wesentlichen aufrecht aufnimmt [1f]; 1.3 eine Einrichtung (48) zum Schneiden der Rolle, die an dem Gehäuse befestigt ist [1e].
9
Die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung sieht acht nebengeordnete Ansprüche vor, die in unterschiedlicher Kombination weitere Merkmale aufweisen.
10
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
11
a) Als Rolle im Sinne von Merkmal 1 kommt, wie das Patentgericht zutreffend und von den Parteien unbeanstandet entschieden hat, nicht nur eine Rolle mit aufgewickeltem Papier in Betracht, sondern grundsätzlich jegliches zylinderförmige Material.
12
b) Nach Merkmal 1.2.2 weist die Vorrichtung eine Einrichtung auf, die die Rolle in einer Position mit dem Ende voran aufnimmt. Dies ist dahin zu verstehen , dass die Rolle mit demjenigen Ende in die Einrichtung aufgenommen wird, an dem kein Schneidevorgang stattfindet.
13
Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut von Merkmal 1.2.2 in der insoweit maßgeblichen Verfahrenssprache (in an end-on … position). Sie steht zudem in Einklang mit den in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispielen.
14
c) Mit den Anforderungen, dass die Schneidrichtung "im Wesentlichen" (substantially) rechtwinklig zur Achse der Rolle verläuft (Merkmal 1) und die Aufnahmeeinrichtung die Rolle "im Wesentlichen" aufrecht aufnimmt (Merkmal 1.2.2), bringt das Streitpatent lediglich zum Ausdruck, dass Abweichungen von der angegebenen Richtung unschädlich sind, sofern sie sich im einem Rahmen bewegen, in dem die angestrebte Wirkung nicht in wesentlichem Ausmaß beeinträchtigt wird.
15
Der Beschreibung des Streitpatents ist zu entnehmen, dass sich dieses von aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen abgrenzen will, bei denen die Rolle liegend gelagert wurde. Eine aufrechte Aufnahme im Sinne von Merkmal 1.2.2 ist danach schon dann gegeben, wenn die Lagerung so erfolgt, dass ihre Mittelachse im Wesentlichen vertikal verläuft.
16
In entsprechender Weise ist eine im Wesentlichen senkrechte Schnittrichtung auch dann gegeben, wenn der Winkel in einem geringfügigen Ausmaß von dem idealen Wert von 90° abweicht, das für die Zwecke der Weiterverarbeitung vernachlässigbar ist.
17
Entgegen der Auffassung der Berufung sind diese Merkmale nicht deshalb in weiterem Sinne auszulegen, weil der Fachmann eine Abweichung im Rahmen von üblichen Toleranzwerten ohnehin als selbstverständlich ansieht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von der Berufung unterstellte Prämisse in ihrer Allgemeinheit zutrifft. Im Streitfall ist eine Abweichung von dem idealen Wert von 90° nicht nur dann unwesentlich, wenn sie innerhalb der Toleranzgrenzen liegt, die im Maschinenbau bei Schneidvorrichtungen dieser Art üblicherweise eingehalten werden können. Die Grenze des noch Tolerierbaren wird vielmehr dadurch bestimmt, welche Abweichungen für die bestimmungsgemäße Weiterverarbeitung des Papiers noch hinnehmbar sind.
18
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
19
Der mit der erteilten Fassung geschützte Gegenstand von Patentanspruch 1 sei in der japanischen Patentschrift Hei 8-155948 (NK8) vollständig offenbart. Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei hingegen patentfähig.
20
Die hinzugefügten Merkmale seien ursprungsoffenbart. Soweit sie nicht bereits aus der Offenlegungsschrift hervorgingen, ergäben sie sich aus den Unteransprüchen. Die von der Klägerin als ursprünglich nicht offenbart beanstandete Angabe "im Wesentlichen" (substantially) relativiere lediglich die in der Anmeldung angegebenen Attribute perpendicular und upright auf einen Bereich technisch einhaltbarer Toleranzen. Diese Formulierung stehe der Ausführbarkeit nicht entgegen. Im Gegenteil sei eine geometrisch exakte Ausführung gerade nicht möglich.
21
Die Erfindung sei auch im Übrigen so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Dem Fachmann sei insbesondere bekannt, wie er die Schnittkante zwischen Mantel und Deckfläche schneiden könne und welche Beschaffenheit das Schleifwerkzeug aufzuweisen habe.
22
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 sei durch die britische Patentschrift 914 725 (NK15) nicht vorweggenommen. Es fehle an einer Offenbarung der Merkmale 1.2.1 bis 1.2.2.4, wonach der Ständer zum Empfang der Rolle Arme und Stützen aufweise. Gleiches gelte für die in NK8 offenbarte Vorrichtung.
23
Der Gegenstand der Patentansprüche 2 und 3 beruhe ebenfalls auf erfinderischer Tätigkeit. Die US-Patentschriften 3 019 506 (NK14) und 3 515 190 (NK16) legten nicht nahe, eine Querschneidergruppe vorzusehen. Sie offenbarten unterschiedliche Schnittgüter, nämlich hohle Gegenstände bzw. Scheiben. Ferner bestünden Unterschiede hinsichtlich der Schneidwerkzeuge und des Umgangs mit dem abgeschnittenen Material. Dies führe den Fachmann von einer Kombination beider Druckschriften weg. Zudem ergebe sich aus keiner der beiden Entgegenhaltungen eine Anregung zur Ausbildung eines teleskopisch ausfahrbaren Querschneiderturms im Sinne von Merkmal 2.3.2.
24
Der Gegenstand von Patentanspruch 5 sei ebenfalls patentfähig. NK16 offenbare das Merkmal 1.4 nicht. Auch ausgehend von der NK8 sei der genannte Gegenstand weder durch Fachwissen noch durch eine Kombination mit der europäischen Patentschrift 335 181 (NK23) und den US-Patentschriften 5 016 429 (NK24), 5 924 346 (NK25) und 3 752 024 (NK26) nahegelegt. Die in NK8 gezeigte Vorrichtung weise keinen Querschneiderarm auf, der an einem Querschneiderturm drehbar befestigt sei. Die Bewegung des an dem Querschneiderturm befestigten Querschneiderarms erfolge ausschließlich linear über den Vorschub der Spindel in X-Richtung. Eine Anregung, diese Richtung zu verändern, werde nicht vermittelt. Die übrigen genannten Entgegenhaltungen könnten den Fachmann ebenfalls nicht dazu anregen, den Vorschub durch eine drehbare Befestigung zu ersetzen. Mit der Vorrichtung der NK8 werde massives Silizium geschnitten, in den Entgegenhaltungen hingegen werde weiches Material bearbeitet, welches im Schneidvorgang horizontal gelagert werde. Eine Übertragung der senkrechten Aufstellung nach NK8 auf eine der nach NK23-26 vorgeschlagenen Vorrichtungen sei aufgrund des unterschiedlichen Schnittguts nicht naheliegend, da bereits kein Vorteil erkennbar sei.
25
Der Gegenstand der Patentansprüche 6 und 7 sei ebenfalls patentfähig. NK16 zeige bereits keine aufrecht durch eine Einrichtung empfangene Rolle im Sinne von Merkmal 1.4.
26
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 8 beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Eine Kombination von NK15 mit der US-Patentschrift 1 831 085 (NK19) führe nicht zum Gegenstand der Erfindung. NK15 zeige das Schneiden von Rohrabschnitten zum anschließenden Verschweißen zu Formstücken, NK19 hingegen eine Schleifmaschine zum Schleifen von Walzen ohne Nachbearbeiten von Schnitt- oder Schweißkanten. Der Fachmann sehe keine Vorteile in der Übertragung der Vorrichtung gemäß NK19 auf eine Maschine gemäß NK15. Zudem zeige NK19 keine Vorrichtung zum Schmirgeln oder Schleifen.
27
Der Gegenstand von Patentanspruch 10 sei aus den zu Patentanspruch 8 angeführten Gründen ebenfalls patentfähig. Auch eine Übertragung des aus der NK19 Bekannten auf den Stand der Technik nach NK14, NK16 oder NK17 sei nicht naheliegend. Eine Vorrichtung zum Schneiden von Ton (NK14, NK17) erfordere für die Mantelfläche schon keine Präzisionsvorrichtung wie nach NK19. Eine Übertragung wäre zudem mit hohem konstruktivem Aufwand verbunden, da sich die Tonrohre auf der Palette nicht drehten. Dies wäre jedoch zum Beschleifen mit der Vorrichtung nach NK19 erforderlich.
28
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren mit Ausnahme eines Punktes stand.
29
1. Entgegen der Auffassung der Berufung geht der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil die Richtungsangaben in den Merkmalen 1 und 1.2.1 mit dem Zusatz "im Wesentlichen" (substantially) versehen sind.
30
In den ursprünglich eingereichten Unterlagen ist zwar nicht ausdrücklich klargestellt, dass die Vorgaben "rechtwinklig" (Merkmal 1) und "aufrecht" (Merkmal 1.2.2) auch dann eingehalten sind, wenn das ideale Winkelmaß von 90° nicht vollständig eingehalten wird. Aus dem Zusammenhang der Ausführungen in der Anmeldung ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es insoweit lediglich auf ein für die praktische Anwendung brauchbares Maß an Präzision ankommt, um der Funktion der Vorgabe gerecht werdend die Schnittrichtung im Wesentlichen rechtwinklig zur Achse der Rolle vornehmen zu können. Dieses Verständnis deckt sich mit dem, was in den verteidigten Patentansprüchen insoweit beansprucht wird.
31
2. Bei diesem Verständnis ist der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand so offenbart, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann.
32
Der Einwand der Berufung, der Zusatz "im Wesentlichen" lasse Ausführungsformen zu, mit denen die Rolle nicht auf eine exakte Breite geschnitten werden könne, ist unbegründet. Wie bereits oben ausgeführt wurde, umfasst der Gegenstand des Streitpatents nur solche Ausführungsformen, mit denen ein für praktische Zwecke ausreichendes Maß an Präzision erreichbar ist.
33
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
34
a) Patentanspruch 1 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 folgende Merkmalsgruppe vor: 1.4 einen Ständer, der an dem Gehäuse befestigt ist [1g-1] und folgende Bestandteile aufweist [1g-2]: 1.4.1 eine Säule, die an dem Gehäuse befestigt ist, 1.4.2 eine drehbare Plattform, die an der Säule befestigt ist, 1.4.3 Arme, die an der Plattform befestigt sind, und 1.4.4 Stützen, die an den Armen befestigt sind.
35
b) Der genannte Gegenstand ist in NK8 weder vollständig offenbart noch nahegelegt.
36
aa) NK8 offenbart eine Vorrichtung zum Ausbilden von Rillen in einem Silizium-Barren (Ingot), wie sie exemplarisch in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt ist:
37
Auf einem Haltetisch (8) wird ein zylinderförmiger Ingot im Wesentlichen vertikal positioniert. Zur Befestigung wird Wachs oder dergleichen eingesetzt (Abs. 6, 13, 16). An dem Ingot werden mit einem rotierenden Werkzeug (12) Führungsrillen (13) angebracht. Das Werkzeug (12) ist so ausgerichtet, dass der Schneidvorgang und die damit erzeugten Führungsrillen (13) im Wesentlichen rechtwinklig zur Achse des Materials verlaufen.
38
bb) Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend und insoweit unangegriffen angenommen hat, mit Ausnahme der Merkmale 1.4.3 und 1.4.4 alle übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 offenbart.
39
cc) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass NK8 keine Anregung gibt, den Ingot nicht mit Wachs oder einem in vergleichbarer Weise wirkenden Mittel zu befestigen, sondern durch einen Haltetisch mit Armen und Stützen.
40
Eine solche Art der Befestigung mag konstruktiv einfach sein. Eine Anregung , sie anstelle der in NK8 vorgesehenen Befestigungsart einzusetzen, hätte sich für den Fachmann aber allenfalls dann ergeben, wenn er Anlass gehabt hätte, die in NK8 offenbarte Vorrichtung nicht nur zur Bearbeitung von Metallbarren einzusetzen, sondern auch zum Schneiden von anderen Gegenständen wie Papierrollen, für die ein Haltetisch mit Armen und Stützen ausreicht. Eine Veranlassung, solche Überlegungen anzustellen, liegt ausgehend von NK8 schon deshalb eher fern, weil die dort offenbarte Vorrichtung nur zur Anbringung einer Führungsrille dient, die in einem weiteren, von NK8 nicht umfassten (NK8 Abs. 18) Schritt das Durchtrennen mit einer Drahtsäge ermöglichen soll (NK8 Abs. 3, 5). Zum Durchtrennen einer Rolle aus aufgewickeltem Papier ist die vorherige Anbringung einer Führungsrille weder erforderlich noch sinnvoll.
Angesichts dessen ergab sich für den Fachmann keine Anregung, die Vorrichtung aus NK8 für diesen Zweck in Erwägung zu ziehen.
41
c) Aus NK15 ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.
42
NK15 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Schneiden oder Anreißen von zylindrischem Rohrmaterial. Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, sind die Merkmale 1.4.3 und 1.4.4 nicht verwirklicht. Anregungen, den Ständer in dieser Weise auszubilden, ergeben sich aus NK15 nicht.
43
d) Entgegen der Auffassung der Berufung hatte der Fachmann nicht deshalb ohne weiteres Anlass, Merkmale von Schneidvorrichtungen für unterschiedliche Materialien zu kombinieren, weil der Bearbeitungsvorgang des Schneidens unabhängig vom jeweiligen Werkstück stets bestimmte Funktionalitäten erfordert und deshalb alle Schneideeinrichtungen eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten aufweisen.
44
Die für den Streitfall relevanten Entgegenhaltungen belegen, dass unterschiedliche Schneidvorrichtungen ungeachtet von zahlreichen Gemeinsamkeiten einen auf den jeweiligen Einsatzzweck abgestimmten Aufbau aufweisen. Dies schließt nicht aus, dass der Fachmann einzelne Details einer für bestimmte Zwecke vorgesehenen Vorrichtung auch für andere Einsatzzwecke in Betracht zieht. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die in Rede stehenden Einsatzzwecke eine zumindest vergleichbare Funktionalität erfordern und dass dies für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens erkennbar ist.
45
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall weder hinsichtlich NK8 noch hinsichtlich NK15 erfüllt. Beide Entgegenhaltungen offenbaren Einsatzzwecke, die es für sich gesehen nicht nahelegen, die Vorrichtung mit den Merkmalen 1.4.3 und 1.4.4 zu versehen. Ihnen lässt sich auch keine Anregung entnehmen, die offenbarte Vorrichtung zum Schneiden von Papierrollen oder eines sonstigen Materials einzusetzen, für das diese Merkmale zweckmäßig sind.
46
4. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 ist ebenfalls patentfähig.
47
a) Patentanspruch 2 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 folgende Merkmale vor: 1.5 Die Einrichtung (48) umfasst eine Querschneiderbaugruppe [2g], die folgende Bestandteile aufweist: 1.5.1 ein Querschneiderturm, der sich von dem Gehäuse aus erstreckt, 1.5.2 ein Querschneiderarm, der an dem Querschneiderturm befestigt ist, 1.5.3 ein drehbares Sägeblatt, das an dem Querschneiderarm befestigt ist, und 1.5.4 eine Einrichtung, die eine Bewegung des Sägeblatts einwärts zu dem Zentrum einer zu schneidenden Rolle ermöglicht. 1.6 Der Querschneiderturm ist teleskopisch ausfahrbar [2h].
48
b) Zutreffend und insoweit unbeanstandet hat das Patentgericht entschieden , dass dieser Gegenstand in NK8 nicht vollständig offenbart ist.
49
Bei der in Figur 1 von NK8 offenbarten Vorrichtung lässt sich der Arm (11) zwar in Richtung der mit Z bezeichneten Achse verstellen (NK8 Abs. 11, 12). Diese Verstellbarkeit betrifft aber lediglich den Querschneiderarm im Sinne von Merkmal 1.5.2, nicht den gesamten Querschneiderturm im Sinne von Merkmal 1.5.1. Darüber hinaus erfolgt die Verstellung in NK8 nicht teleskopisch.
50

c) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass die Ausbildung eines teleskopisch verstellbaren Querschneiderarms weder durch NK8 noch durch NK14 oder NK16 nahegelegt war.
51
aa) Entgegen der Auffassung der Berufung lag es ausgehend von NK8 für den Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens nicht nahe, die Höhenverstellbarkeit durch eine teleskopische Ausbildung des Querschneiderturms insgesamt herbeizuführen.
52
In NK8 wird ausgeführt, die Bewegung entlang der Z-Achse werde durch eine zum Positionsfestlegungsmittel (10) gehörende Kugelumlaufspindel oder dergleichen ermöglicht (NK8de Abs. 12). Daraus ist zwar zu entnehmen, dass alternativ auch andere Mittel zur Höhenverstellung in Betracht kommen, sofern diese im Wesentlichen die gleiche Wirkung zeigen. Im Zusammenhang mit dem in NK8 offenbarten Einsatzzweck ergab hieraus für den Fachmann aber kein Anlass, eine teleskopische Höhenverstellung vorzusehen.
53
In NK8 wird ausgeführt, beim Schneiden von Silizium-Ingots führe eine Positionsabweichung der Drahtsäge zu einer Verschiebung der Kristallorientierung des Silizium-Ingots und damit zu einer Qualitätsminderung (NK8de Abs. 3). Das Anbringen einer Rille mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung gewährleiste hingegen das Schneiden von Wafern hoher Qualität (NK8de Abs. 5). Dem ist zu entnehmen, dass die Vorrichtung ein hohes Maß an Präzision aufweisen muss. Eine Kugelumlaufspindel ermöglicht die Einhaltung dieser Vorgabe. Als Alternative dazu kommen vor diesem Hintergrund nur Mittel in Betracht, die eine Höhenverstellung mit einem vergleichbaren Maß an Präzision ermöglichen. Dies ist, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, bei einer teleskopischen Höhenverstellung nicht ohne weiteres gewährleistet. Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann keinen Anlass, ein solches Mittel für die in NK8 offenbarte Vorrichtung in Betracht zu ziehen.
54
Ob sich aus NK8 eine weitergehende Anregung ergeben hätte, wenn der Fachmann Anlass gehabt hätte, die dort offenbarte Vorrichtung zum Bearbeiten von anderen Materialien als Ingots in Betracht zu ziehen, kann dahingestellt bleiben. Ein diesbezüglicher Anlass bestand aus den im Zusammenhang mit Patentanspruch 1 angeführten Gründen nicht.
55
bb) Aus NK14 ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
56
NK14 offenbart eine Schneidvorrichtung zum Schneiden länglicher, hohler Objekte wie grünem Ton in eine Vielzahl von Abschnitten. Ein Ausführungsbeispiel ist in Figur 1 dargestellt:
57
Als Schneidmittel dient ein Schneidedraht (75), der das Material in einer Pendelbewegung durchtrennt (NK14 Sp. 4 Abs. 6 bis Sp. 5 Abs. 3, Sp. 6 Abs. 2). Das Material wird dabei zwischen einer Basis und einem Klemmbrett aufrechtstehend eingeklemmt, wobei ein oberes Klemmbrett über Hydraulikzylinder vertikal auf und ab bewegbar ist (NK14 Sp. 2-6).
58
Selbst wenn die Kombination aus Klemmbrett und Schneidedraht als Querschneiderturm im Sinne des Streitpatents angesehen werden könnte, ergäbe sich daraus keine Anregung, dieses Bauteil bei einer Vorrichtung mit den übrigen Merkmalen des Streitpatents einzusetzen.
59
Wie bereits oben dargelegt wurde und wie auch das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte der Fachmann angesichts der Vielzahl der im Stand der Technik offenbarten Lösungen keinen Anlass, Merkmale aus Vorrichtungen, die für unterschiedliche Einsatzzwecke vorgesehen sind, ohne weiteres zu kombinieren. Anregungen, eine Vorrichtung mit allen in Patentanspruch 2 vorgesehenen Merkmalen zu versehen, hätten sich allenfalls ergeben, wenn sich Veranlassung ergeben hätte, die in NK14 offenbarte Vorrichtung für andere Materialien in Betracht zu ziehen. Dies ist aus den bereits im Zusammenhang mit NK8 angeführten Gründen zu verneinen.
60
cc) Aus NK16 ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Anregungen.
61
NK16 offenbart eine Schneidemaschine für Schinken oder dergleichen. Ein Ausführungsbeispiel ist in Figur 8 dargestellt:
62
Das zu schneidende Material (34) hängt vertikal. Mit einem Drehmesser (15) werden Scheiben in vorbestimmter Dicke geschnitten, die nach unten auf eine Aufnahmeplatte (40) fallen (NK16 Sp. 1 Abs. 1, Sp. 4 Abs. 6 und 7). Halteplatte (38) und Drehmesser (15) bewegen sich nach jedem Schneidvorgang automatisch nach oben und der Schneidvorgang wird automatisch wiederholt (NK16 Sp. 6 Abs. 5). Das Drehmesser (15) ist an einem teleskopisch ausfahrbaren Arm (3) befestigt.
63
Ob der Arm (3), wie die Berufung geltend macht, als teleskopierbarer Querschneiderturm im Sinne des Streitpatents anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ergäbe sich auch daraus keine Anregung, ein solches Bauteil bei einer Vorrichtung einzusetzen, die zum Schneiden von anderen Materialien dient.
64
Im Mittelpunkt von NK8 steht das automatische Schneiden von Wurst, Schinken oder ähnlichem Material in gleichmäßige relativ dünne Scheiben. Zu diesem Zweck ist das zu schneidende Material an seinem oberen, nicht dem Schneidevorgang unterworfenen Ende befestigt, so dass die am unteren Ende abgeschnittenen Scheiben der Schwerkraft folgend auf die Aufnahmeplatte fallen können. Hieraus ergab sich nicht die Anregung, einen teleskopisch ausfahrbaren Arm, der das automatische Schneiden in zahlreiche Scheiben ermöglicht, auch für eine Vorrichtung in Betracht zu ziehen, bei der die zu schneidende Rolle mit dem Ende voraus (end-on) aufrecht aufgenommen wird.
65
5. Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 3 für patentfähig erachtet.
66
a) Patentanspruch 3 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 und zu Merkmalsgruppe 1.5 folgende Merkmale vor: 1.7 Der Querschneiderturm weist auf: 1.7.1 einen unteren Teil, der an dem Gehäuse befestigt ist, 1.7.2 einen oberen Teil, der an dem unteren Teil teleskopisch befestigt ist, und 1.7.3 eine Einrichtung zum Anheben und Absenken des oberen Teils, die an dem unteren Teil befestigt ist.
67
b) Diese Merkmalskombination, mit der der teleskopisch ausfahrbare Querschneiderturm näher charakterisiert wird, war dem Fachmann aus denselben Gründen wie der Gegenstand von Patentanspruch 2 nicht nahegelegt.
68
6. Der Gegenstand von Patentanspruch 5 ist ebenfalls patentfähig.
69
a) Patentanspruch 5 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 und zu Merkmalsgruppe 1.5 folgendes Merkmal vor: 1.8 Der Querschneiderarm ist an dem Querschneiderturm drehbar befestigt.
70
b) Eine solche Ausgestaltung ist in NK8 weder offenbart noch nahegelegt.
71
Der in Figur 1 dargestellte Arm (11b) ist nicht drehbar ausgestaltet. Die Rille (13) wird dadurch ausgebildet, dass sich der Ingot zusammen mit der Halterung (8) dreht. Aus den vorbeschriebenen Gründen der Präzision weist NK8 demgemäß ein Rillenbildungsmittel auf, welches eine Klinge linear über den Vorschub der Spindel 11b vor- und zurückschiebt (NK8de Abs. 4).
72
Eine Anregung, stattdessen den Arm (11b) drehbar zu befestigen, hätte sich allenfalls dann ergeben, wenn die in NK8 offenbarte Vorrichtung nicht nur zur Anbringung von Rillen, sondern auch zum Schneiden des Ingots insgesamt eingesetzt werden sollte. Zum Schneiden ist in NK8 jedoch ausdrücklich eine andere Vorrichtung vorgesehen. Eine Anregung, beide Bearbeitungsschritte mit derselben Maschine auszuführen, ergab sich daraus nicht.
73
Entgegen der Auffassung der Berufung ergab sich eine Anregung zur drehbaren Befestigung des Arms nicht schon daraus, dass dies in vergleichbarer Weise wie die in NK8 offenbarte lineare Verschiebung eine Bewegung des Werkzeugs hin zum Werkstück ermöglicht. Ähnlich wie im Zusammenhang mit Patentanspruch 2 ergab sich für den Fachmann aus NK8 auch insoweit, dass der dort offenbarte Einsatzzweck ein hohes Maß an Präzision erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass dieses auch mit einem drehbar befestigten Schneidwerkzeug zu erreichen ist, waren weder der NK8 noch sonstigen Entgegenhaltungen zu entnehmen.
74
c) Entgegen der Auffassung der Berufung ergab sich für den Fachmann auch aus NK16 keine Anregung für eine solche Ausgestaltung.
75
Angesichts des besonderen Einsatzzwecks der in NK16 offenbarten Vorrichtung und der darauf abgestimmten Halterung des zu schneidenden Materials mit der Schnittfläche nach unten hatte der Fachmann keine Veranlassung, die für diesen Zweck vorgesehene Befestigung des Schneidwerkzeugs auf eine Vorrichtung zu übertragen, die das zu schneidende Material mit dem Ende voraus aufrecht aufnimmt.
76
d) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ergab sich für den Fachmann aus den Entgegenhaltungen NK23 bis NK26 keine weitergehende Anregung.
77
Diese Entgegenhaltungen offenbaren zwar eine drehbar gelagerte Schneideeinrichtung für band- oder folienförmige Ware, vorzugsweise Papier. Daraus ergab sich aber keine Anregung, dieses Merkmal für die in NK8 offenbarte Vorrichtung in Betracht zu ziehen, die einem anderen Einsatzzweck dient.
78
Umgekehrt ergab sich für den Fachmann ausgehend von NK23 bis NK26 keine Veranlassung, die dort offenbarten Vorrichtungen derart umzugestalten, dass die zu schneidende Papierrolle für den Bearbeitungsvorgang vertikal gelagert wird. Auch dieser Schritt hätte die Erkenntnis erfordert, dass die Merkmale von Vorrichtungen, die zum Schneiden unterschiedlicher Materialien eingesetzt werden, grundsätzlich miteinander kombiniert werden können. Eine solche Anregung ergab sich auch nicht aus NK23 bis NK26. Diese bestätigen vielmehr, dass der Fachmann bei Papierrollen eine horizontale Lagerung vorgesehen hat, obwohl zum Schneiden anderer Gegenstände eine vertikale Lagerung offenbart war.
79
e) Vor diesem Hintergrund können eine drehbare Befestigung des Querschneiderarms oder eine vertikale Lagerung auch nicht als allgemeine Lösungsmittel angesehen werden, zu deren Einsatz der Fachmann schon aufgrund seines allgemeinen Fachwissens Veranlassung hatte.
80
Eine drehbare Befestigung und eine vertikale Lagerung sind zwar allgemein verfügbare Lösungsmittel. Aus dem aufgezeigten Stand der Technik ergab sich aber nicht, dass diese gerade in der vom Streitpatent geschützten Weise eingesetzt werden können.
81
f) Entgegen der Auffassung der Berufung sind die Erwägungen, die das Patentgericht zu Patentanspruch 5 angestellt hat, nicht widersprüchlich.
82
Dass das Patentgericht die Beschaffenheit des zu bearbeitenden Materials im Zusammenhang mit der Auslegung von Merkmal 1 in der erteilten Fassung als grundsätzlich unerheblich, im Zusammenhang mit Patentanspruch 5 in der Fassung von Hilfsantrag 1 hingegen als erheblich angesehen hat, beruht darauf, dass es im einen Zusammenhang um den Gegenstand des Patents geht und im anderen Zusammenhang um die davon zu unterscheidende Frage, ob der Fachmann ausgehend von einer bestimmten Entgegenhaltung Anlass hatte, die dort offenbarte Vorrichtung so abzuwandeln, dass sie auch zur Bearbeitung anderer Materialien geeignet ist.
83
7. Der Gegenstand von Patentanspruch 6 in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 ist hingegen nicht patentfähig.
84
a) Patentanspruch 6 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 und zu Merkmalsgruppe 1.5 folgendes Merkmal vor: 1.9 Das Sägeblatt ist an dem Querschneiderarm verschiebbar befestigt.
85
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist diese Kombination ausgehend von NK8 durch allgemeines Fachwissen nahegelegt.
86
aa) Wie bereits oben dargelegt wurde, sind die Merkmale 1 bis 1.3 und 1.5 in NK8 offenbart. Die in Figur 1 von NK8 mit dem Bezugszeichen 10 gekennzeichnete, in der Beschreibung als Positionsfestlegungsmittel bezeichnete säulenförmige Halterung stellt einen Querschneiderturm dar, an dem das als Rillenbildungsmittel (11) bezeichnete Element als Querschneiderarm befestigt ist. Die daran angebrachte Drehklinge (12) stellt ein drehbares Sägeblatt dar, das einwärts in Richtung auf das Zentrum der zu schneidenden Rolle bewegt werden kann.
87
bb) Nicht offenbart ist hingegen Merkmal 1.9.
88
Wie bereits ausgeführt wird in NK8 das Sägeblatt (12) in X-Richtung zwar durch Verschieben bewegt. Die Schiebebewegung erfolgt aber nicht relativ zum Rillenbildungsmittel bzw. Querschneiderarm (11), sondern nur relativ zu der als Z-Achsen-Bewegungskörper (11a) bezeichneten Halterung.
89
cc) Eine Verschiebbarkeit des Sägeblatts relativ zum Querschneiderarm hat aber als zum allgemeinen Fachwissen gehörende und technisch in allen wesentlichen Belangen gleichwirkende Alternative nahegelegen.
90
Für die in NK8 offenbarte Funktion, das Schneidewerkzeug in Richtung auf das Werkstück zu bewegen, ist es gleichgültig, ob das Werkzeug alleine verschoben wird oder zusammen mit dem Arm, an dem es befestigt ist. Auch unter dem in NK8 im Mittelpunkt stehenden Gesichtspunkt der Präzision ist nicht erkennbar, weshalb eine Verschiebung des gesamten Arms günstiger sein soll. Angesichts dessen lag es auch ohne konkrete Anregung nahe, die in NK8 offenbarte Ausführung durch die in jeder Hinsicht vergleichbare Ausführung nach Merkmal 1.9 zu ersetzen.
91
8. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 7 für patentfähig erachtet.
92
a) Patentanspruch 7 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 folgendes Merkmal vor: 1.10 Die Einrichtung (48) weist eine Querschneiderbaugruppe auf, deren Querschneiderturm eine obere und eine untere Sägehalterung hat, an welchen der Querschneiderarm wahlweise befestigt werden kann.
93
b) Auch insoweit hat das Patentgericht zu Recht entschieden, dass der Fachmann keine Veranlassung hatte, Merkmale aus NK8 und NK16 zu kombinieren.
94
9. Der Gegenstand von Patentanspruch 8 ist ebenfalls patentfähig.
95
a) Patentanspruch 8 sieht zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.3 folgende Merkmale vor: 1.11 Die Vorrichtung umfasst eine Einrichtung zum Schmirgeln einer Endfläche der Rolle.
96
b) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der so definierte Gegenstand nicht durch NK15 und NK19 nahegelegt ist.
97
Die dort offenbarten Vorrichtungen betreffen unterschiedliche Einsatzzwecke. Deshalb ergab sich für den Fachmann nicht ohne weiteres Anlass, einzelne Merkmale daraus zu kombinieren.
98
10. Aus denselben Gründen ist der Gegenstand von Patentanspruch 10 nicht nahegelegt, der zusätzlich zu den Merkmalen 1 bis 1.2.1 sowie Merkmal 1.3 folgende Merkmale vorsieht: 1.12 Die Vorrichtung umfasst eine Einrichtung, die an dem Gehäuse befestigt ist, zum Schmirgeln eines Randes der Rolle. 1.13 Die Rolle wird durch die Einrichtung empfangen, um sie in einer Position mit dem Ende voran und im Wesentlichen aufrecht zu empfangen.
99
IV. Die in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge der Beklagten bedürfen keiner Betrachtung.
100
Die Beklagte hat auf Nachfrage des Senats klargestellt, dass diese Hilfsanträge nur für den Fall gestellt sind, dass sich keiner der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag verteidigten Nebenansprüche als rechtsbeständig erweist. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.
101
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
Bacher Grabinski Hoffmann
Deichfuß Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.06.2017 - 1 Ni 5/15 (EP) -

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Gesetz über den Lastenausgleich


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.