Bundesgerichtshof Urteil, 26. Nov. 2019 - X ZR 116/17

bei uns veröffentlicht am26.11.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 6 Ni 8/17, 28.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 116/17 Verkündet am:
26. November 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:261119UXZR116.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2019 durch die Richter Dr. Bacher und Hoffmann, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx sowie den Richter Dr. Rensen

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 6. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 28. Juni 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 697 061 (Streitpatent), das am 23. Dezember 2004 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 23. Dezember 2003 angemeldet wurde. Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet: "1. Verfahren zum Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur, vorzugsweise eine[r] Kleberraupe oder Kleberspur, mit mindestens zwei Kameras, insbesondere drei oder mehrere[n] Kameras , dadurch gekennzeichnet, dass die aufzubringende Struktur von einer Auftragseinrichtung auf das Substrat aufgebracht wird, und die durch die Auftragseinrichtung auf dem Substrat aufgebrachte Struktur von den Kameras derart überwacht wird, dass die Kameras mit zumindest einem Überlappungsbereich auf die aufgebrachte Struktur ausgerichtet sind, wobei die aufgebrachte Struktur, insbesondere die Kanten der Kleberspur, auf einer umlaufenden Bahn um die Auftragseinrichtung ermittelt wird, und wobei die umlaufende Bahn derart vordefiniert ist, dass die aufgebrachte Struktur nach dem Aufbringen auf dem Substrat die umlaufende Bahn schneidet, dadurch gekennzeichnet, dass jede Kamera ein Segment der umlaufenden Bahn im Wesentlichen in Form einer Kreisbahn unter Bildung eines kreisförmigen Calipers überwacht und wobei die Winkelwerte der Kreisbahn von 0 bis 360° ein globales Koordinatensystem bilden, wobei den Bildern der einzelnen Kameras ein Segment der Kreisbahn mit jeweils angrenzenden Überlappungsbereichen zugeordnet wird."
2
Patentanspruch 12, auf den ebenfalls zehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, schützt eine Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 11.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Überdies offenbare das Streitpatent die geschützte Erfindung nicht so, dass der Fachmann sie ausführen könne.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 hinausgeht. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die das Ziel der vollumfänglichen Nichtigerklärung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent weiterhin hilfsweise in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 2.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
6
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Erkennen und Überwachen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur.
7
1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, zum Erkennen einer solchen Struktur würden im Stand der Technik optische Vermessungen mit Hilfe von mehreren Videokameras und einem Beleuchtungsmodul durchgeführt. Um eine fehlerfreie Überwachung zu ermöglichen, müssten die Bilder der einzelnen Kameras so ausgewertet werden, dass die dafür eingesetzte Software diese Daten in geeigneter Weise verwerten könne. Problematisch sei ferner, dass der Verlauf einer bahnförmigen Kleberstruktur vom Überwachungsbereich einer Kamera in denjenigen einer anderen wechsle.
8
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die unter den genannten Rahmenbedingungen eine Überwachung mit hoher Genauigkeit und Geschwindigkeit ermöglichen, und zwar insbesondere während des Auftragens der Kleberspur.
9
3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der vom Patentgericht als rechtsbeständig angesehenen Fassung ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: 1. Das Verfahren dient dem Erkennen einer auf einem Substrat aufzubringenden Struktur, vorzugsweise einer Kleberraupe oder Kleberspur, 2. mit mindestens zwei, insbesondere drei oder mehreren Kameras. 3. Die aufzubringende Struktur wird von einer Auftragseinrichtung auf das Substrat aufgebracht. 4. Die aufgebrachte Struktur wird von den Kameras derart überwacht, 4.1 dass diese mit zumindest einem Überlappungsbereich auf die aufgebrachte Struktur ausgerichtet sind. 5. Die aufgebrachte Struktur, insbesondere die Kanten der Kleberspur , wird auf einer umlaufenden Bahn um die Auftragseinrichtung ermittelt. 6. Die umlaufende Bahn ist derart vordefiniert, dass die aufgebrachte Struktur nach dem Aufbringen auf dem Substrat die umlaufende Bahn schneidet.
7. Jede Kamera überwacht ein Segment der umlaufenden Bahn im Wesentlichen in Form einer Kreisbahn 8. unter Bildung eines kreisförmigen Calipers. 9. Die Winkelwerte der Kreisbahn von 0 bis 360° bilden ein globales Koordinatensystem. 10. Den Bildern der einzelnen Kameras wird ein Segment der Kreisbahn mit jeweils angrenzenden Überlappungsbereichen zugeordnet. 11. Bei dem Verlauf der Kleberspur von einer Kamera zur nächsten wird automatisch umgeschaltet, wenn die Kleberspur von dem Segment der Kreisbahn einer Kamera über den Überlappungsbereich in das Segment der Kreisbahn einer anderen Kamera verläuft.
10
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung:
11
a) Zur Auswertung und Überwachung der aufgebrachten Struktur wird gemäß Merkmal 5 eine um die Auftragseinrichtung herum verlaufende Bahn definiert. Diese verläuft gemäß Merkmal 7 im Wesentlichen kreisförmig. Gemäß Merkmal 6 ist sie ferner so vordefiniert, dass die aufgebrachte Struktur sie nach dem Aufbringen auf das Substrat schneidet.
12
Diese Bahn wird gemäß den Merkmalen 7 und 10 überwacht, indem jeder Kamera ein Segment zugewiesen ist. Gemäß Merkmal 10 überlappen sich die Segmente in den angrenzenden Bereichen.
13
Bei dem in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispiel wird dies dadurch erreicht, dass drei Kameras mit jeweils glei- chem Abstand kreisförmig um die Auftragseinrichtung herum angeordnet sind und zusammen mit dieser relativ zum Substrat bewegt werden. Die aufgebrachte Struktur schneidet diese Kreisbahn, wenn die Auftragseinrichtung um ein entsprechendes Maß bewegt worden ist.
14
Diese Wirkungsweise ist in Figur 8 des Streitpatents wie folgt veranschaulicht :
15
b) Gemäß Merkmal 8 wird zur Überwachung ein kreisförmiger Caliper gebildet.
16
Der englische Ausdruck "Caliper" bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Messlehre, also ein Gerät mit zwei Messschenkeln, die die Messung eines Abstandes ermöglichen. Bei einem kreisförmigen Kaliber fahren die beiden Messschenkel auf einer Kreisbahn aufeinander zu.
17
Merkmal 8 knüpft an diese Wirkungsweise an und enthält die Festlegung, dass anhand der von einer Kamera aufgenommenen Bilder die Breite der aufgetragenen Struktur ermittelt oder mit einer vorgegebenen Breite verglichen wird.
18
Bei dem in Figur 8 dargestellten Ausführungsbeispiel werden hierzu mit Hilfe einer Grauwertabtastung die beiden Kanten der aufgetragenen Struktur ermittelt und deren Abstand bestimmt. Die Kreislinie 90 wirkt dadurch wie ein Kaliber, das an den beiden mit Pfeilen markierten Stellen von außen an die Struktur angelegt wird.
19
c) Gemäß Merkmal 9 ist ferner ein für alle Überwachungsbereiche einheitliches, durch den Winkelwert der Kreisbahn bestimmtes Koordinatensystem definiert. Dies ermöglicht es, die Position der aufgetragenen Struktur festzustellen.
20
d) Gemäß Merkmal 11 wird automatisch von einer Kamera zur nächsten umgeschaltet, wenn die aufgebrachte Struktur von dem Segment einer Kamera über den Überlappungsbereich in das Segment einer anderen Kamera verläuft.
21
aa) Dieser Umschaltvorgang wird exemplarisch in Figur 4 des Streitpatents dargestellt, allerdings ohne die in rechteckigen Rahmen eingefügten Erläuterungen, die vom Patentgericht stammen:
22
Diese Vorgehensweise führt nach der Beschreibung des Streitpatents zu einer Verringerung der Parametrierzeiten (Abs. 19 Z. 31-33), d.h. der Zeit, die benötigt wird, um Überwachungsparameter festzulegen.
23
bb) In welcher Weise das Umschalten zwischen den Kameras erfolgt, ist in Patentanspruch 1 nicht näher festgelegt. Die diesbezügliche Vorgehensweise bleibt deshalb dem Fachmann überlassen, den das Patentgericht unbeanstandet als Physiker oder Ingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der optischen Messtechnik im Zusammenhang mit Bildverarbeitung definiert hat.
24
(1) Dem in Patentanspruch 1 verwendeten Begriff "Umschalten" und den in Figur 8 und den darauf bezogenen Ausführungen in der Beschreibung verwendeten Begriffen "aktiv" und "aktivieren" lassen sich keine eindeutigen Festlegungen entnehmen.
25
Aus diesen Begriffen ergibt sich, dass das Umschalten zwischen Kameras durch Aktivieren und Deaktivieren erfolgt. Ihnen lässt sich aber nicht entnehmen , dass dies zwingend durch Ein- bzw. Ausschalten oder durch Aufnehmen bzw. Beenden der Datenübertragung zwischen Kamera und Auswerteeinheit erfolgen muss. Sie lassen vielmehr auch das Verständnis zu, dass es genügt , die von einer Kamera gelieferten Daten im weiteren Verlauf der Auswertung heranzuziehen bzw. unberücksichtigt zu lassen.
26
(2) Die Beschreibung des Streitpatents spricht für ein weites Verständnis der genannten Begriffe.
27
Bei dem in der Streitpatentschrift geschilderten Ausführungsbeispiel wird zur Verringerung der anfallenden Daten von jeder Kamera nur ein Streifen des Bildes aufgenommen und in einem einzigen Bild unter Bildung einer Bildsequenz zusammengefügt. Die einzelnen Bildstreifen in dem zusammengefügten Bild ermöglichen das synchrone und parallele sowie gleichzeitige Erfassen der drei Kamerabilder, die unmittelbar ortsabhängig zugeordnet werden können (Abs. 58 Z. 22-40).
28
Hieraus ist zu entnehmen, dass das Umschalten zwischen einzelnen Kameras jedenfalls auch in der Weise erfolgen kann, dass jede Kamera ständig ein Bild oder einen Bildausschnitt liefert, zur Auswertung unter Bildung des kreisförmigen Calipers aber jeweils nur die Daten derjenigen Kamera(s) herangezogen werden, in deren Überwachungsbereich sich die aufgetragene Struktur befindet. Dies kann je nach Position nur eine Kamera sein, aber auch mehrere, sofern sich die Struktur ganz oder teilweise in einem Überlappungsbereich befindet. Die Ausbildung von Überlappungsbereichen stellt hierbei sicher, dass die Struktur auch dann noch gefunden wird, wenn sie sich aus dem Überwachungsbereich einer einzelnen Kamera hinausbewegt hat.
29
Dieses Verständnis steht in Einklang mit den einleitenden Ausführungen in der Streitpatentschrift, wonach insbesondere die Bildauswertung der einzelnen Kameras so ausgestaltet werden muss, dass die Daten in geeigneter Weise verarbeitet werden können (Abs. 3 Z. 22- 27).
30
(3) Aus dem Umstand, dass die Übertragung von Daten einer nicht aktiven Kamera zu einem nicht zwingend erforderlichen Datenverkehr führt, ergeben sich keine abweichenden Schlussfolgerungen.
31
Als Mittel zur Verringerung der Datenmenge wird an der erwähnten Stelle der Beschreibung lediglich die Beschränkung auf jeweils einen einzelnen Bildstreifen jeder Kamera angeführt, nicht aber die Beschränkung auf die Bilder von einzelnen Kameras. Dies schließt aus Sicht des Fachmanns nicht aus, das zuletzt genannte Mittel zur weiteren Verringerung der übertragenen Datenmenge einzusetzen. Mangels entsprechender Festlegungen in Patentanspruch 1 ist Letzteres aber nicht zwingend erforderlich.
32
cc) Patentanspruch 1 enthält des Weiteren keine Festlegungen dazu, in welcher Weise und für welche Zeitdauer die von den Kameras übertragenen Daten gespeichert werden. Auch insoweit bleibt die nähere Ausgestaltung dem Fachmann überlassen.
33
dd) Die im Verletzungsrechtsstreit umstrittene Frage, aufgrund welcher Kriterien das Umschalten von einer Kamera zur anderen erfolgt, ist für die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit nicht von Bedeutung.
34
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
35
Das deutsche Gebrauchsmuster 203 07 305 (D3) offenbare ein Verfahren zur Inspektion oder Bearbeitung einer Kleberaupe mit den Merkmalen 1 bis 7 und 10. Nicht offenbart seien die Merkmale 8 und 9.
36
D3 enthalte keine näheren Angaben, in welcher Weise die von den Kameras aufgenommen Bilder verarbeitet und ausgewertet würden. Deshalb habe der Fachmann Anlass gehabt, im Stand der Technik nach dafür geeigneten Methoden zu suchen. Informationen hierzu fänden sich in dem Aufsatz von Ribeiro (Machine Vision for Industry, Euro Conference on Vision and Control Aspects of Mechatronics [VICAM], D4), in dem unter anderem die Detektion von Kanten mittels eines Caliper-Tools sowie die Nutzung von Bildanalyse-Werkzeugen auf der Basis von Polarkoordinaten und kreisförmigen Informationen offenbart seien. Diese Angaben hätten dem Fachmann Anlass gegeben, bei dem in D3 offenbarten Verfahren ein Caliper-Bildanalysewerkzeug einzusetzen.
37
Der Gegenstand des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 mit dem zusätzlichen Merkmal 11 sei durch den Stand der Technik hingegen nicht nahegelegt.
Die Ausführungen in D3 deuteten darauf hin, dass die Auswerteeinrichtung die Bilder der Kameras für eine zügige Arbeitsgeschwindigkeit parallel verarbeite, mithin die Kameras gleichzeitig aktiv seien. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 199 59 102 (NK17) ergäben sich insoweit keine weitergehenden Anregungen.
38
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
39
1. Zutreffend und von der Berufung unbeanstandet hat das Patentgericht entschieden, dass die Erfindung so offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann.
40
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der im Berufungsverfahren in erster Linie noch zu beurteilenden Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
41
a) Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass das in D3 offenbarte System die Merkmale 1 bis 7 und 10 aufweist.
42
Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob Merkmal 10 erfordert, dass den Bildern jeder Kamera nicht nur ein Segment der Kreisbahn, sondern auch ein Segment des kreisförmigen Calipers zugewiesen wird, ist hierbei nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
43
Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, ergibt sich aus Merkmal 8, wonach die in Merkmal 7 vorgesehene Überwachung einer Kreisbahn unter Bildung eines kreisförmigen Calipers erfolgt, allerdings mittelbar, dass sich die in Merkmal 10 vorgesehene Zuweisung von überlappenden Segmenten auch auf den kreisförmigen Caliper bezieht. Dies hat indes auch das Patentgericht nicht anders gesehen. Es hat in D3 zu Recht lediglich die Überwachung einer Kreisbahn und die Zuweisung von überlappenden Segmenten als offenbart gesehen , nicht aber die sich aus der Bildung eines kreisförmigen Calipers ergebenden Auswirkungen auf diese Merkmale.
44
In D3 wird im Zusammenhang mit dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel dargelegt, der durch die Sichtbereiche der Kameras insgesamt abgedeckte Bereich sei aufgrund der Anordnung der Kameras auf einem konzentrischen Kreis um das Auftragswerkzeug herum im Wesentlichen kreisförmig ausgebildet (D3 S. 10 Z. 23-27). Als optionale Möglichkeit wird ferner aufgezeigt, dass einige Überwachungsbereiche von zwei Kameras erfasst werden, was zu einer redundanten Überwachung führe (D3 S. 3 Z. 16-18, S. 10 Z. 17-23). Damit ist zwar kein Kreiscaliper offenbart, wohl aber ein kreisförmiger Überwachungsbereich mit überlappenden Segmenten.
45
b) Zu Recht hat das Patentgericht ferner entschieden, dass der Fachmann Anlass hatte, das in D3 offenbarte System um einen Kreiscaliper und ein globales Polarkoordinatensystem zu ergänzen, wie beides in D4 offenbart ist.
46
Der Fachmann hatte Anlass, nach geeigneten Auswertungs- und Überwachungsmethoden zu suchen, weil D3 insoweit keine näheren Angaben enthält. Hierfür bot sich D4 an, weil diese Veröffentlichung eine Übersicht über im Stand der Technik bekannte Methoden und deren Eignung für bestimmte Einsatzzwecke gibt.
47
Als Vorteil des Caliper-Werkzeugs wird in D4 hervorgehoben, es ermögliche eine präzise Messung und eine hohe Geschwindigkeit. Typische Einsatzzwecke bildeten die Dicken- und die Abstandsmessung bei integrierten elektro- nischen Schaltungen (D4 Abschnitt 4 Abs. 3). Dies entspricht im Wesentlichen den Anforderungen, die sich bei dem in D3 offenbarten System stellen, und gab dem Fachmann deshalb Veranlassung, auf dem kreisförmigen Überwachungsbereich aus D3 ein Caliper auszubilden.
48
Die Positionsbestimmung mit Polarkoordinaten und Winkelwerten von 0 bis 360° wird in D4 als vorteilhafte Methode für Anwendungen beschrieben , bei denen die relevante Information kreisförmig angeordnet ist (D4 Abschnitt 7 Abs. 1). Diese Voraussetzung ist bei dem in D3 offenbarten System ebenfalls erfüllt.
49
c) Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass D3 dem Fachmann keine Veranlassung gab, zwischen den Kameras automatisch umzuschalten, wie dies in Merkmal 11 vorgesehen ist.
50
aa) Wie auch die Berufung im Ansatz nicht verkennt, wird es in D3 als besonders vorteilhaft bezeichnet, wenn die Bildaufnahme parallel an allen Kameras erfolgt (D3 S. 7 Z. 21-25). Bei der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels mit drei auf einer Kreisbahn angeordneten Kameras wird ausgeführt, das Computersystem der Auswerteeinrichtung sei so eingerichtet, dass die Signale der Kameras parallel verarbeitet werden könnten, um eine zügige Arbeitsgeschwindigkeit zu erzielen (D3 S. 11 Z. 18-21).
51
Ob der Fachmann ausgehend hiervon Anlass hatte, trotz der hervorgehobenen Vorteile von einer parallelen Verarbeitung abzusehen, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte sich aus den Ausführungen in D3 jedenfalls keine Veranlassung ergeben, anstelle einer parallelen Verarbeitung ein automatisches Umschalten vorzusehen. Das in D3 offenbarte System weist in Gestalt der überlappenden Überwachungsbereiche zwar ein Mittel auf, was das automatische Umschalten ausweislich der Ausführungen in der Streitpatentschrift in besonders vorteilhafter Weise ermöglicht. Dieser Zusammenhang wird in D3 aber nicht aufgezeigt. Als Vorteil der Überlappung wird in D3 vielmehr die Möglichkeit von Stereoaufnahmen für dreidimensionale Messungen hervorgehoben (D3 S. 7 Z. 18-21, S. 11 Z. 14-16).
52
bb) Eine Anregung für ein automatisches Umschalten ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen in D3, es könne auch ein Bereich überwacht werden , der nur von einer Kamera gesehen werde, so dass der Sichtbereich und der Überwachungsbereich einer Kamera zusammenfielen.
53
Diese Ausführungen betreffen den Aufbau der Vorrichtung und die Zuweisung von Überwachungsbereichen an die einzelnen Kameras, nicht aber die Frage, in welcher Weise die von den Kameras gelieferten Daten während des Betriebs übertragen und verarbeitet werden.
54
d) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass sich für den Fachmann auch aus NK17 keine Veranlassung für ein automatisches Umschalten zwischen einzelnen Kameras ergab.
55
Auch in diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann durch D3 generell davon abgehalten wurde, von der dort offenbarten parallelen Verarbeitung der Kamerasignale abzuweichen. Selbst wenn er entsprechenden Überlegungen gegenüber aufgeschlossen gewesen wäre, hätte sich für ihn aus NK17 jedenfalls keine Anregung ergeben, eine automatische Umschaltung zwischen Kameras auch bei dem in NK3 offenbarten System in Betracht zu ziehen.
56
NK17 sieht das automatische Einschalten einer Kamera für den Fall vor, dass diese mittels eines Halters hinreichend tief in eine zu untersuchende Flasche eingeführt worden ist. Daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine vergleichbare Situation auch bei dem in D3 offenbarten System eintreten und zum Anlass genommen werden kann, einen automatischen Umschaltvorgang auszulösen.
57
e) Weitergehende Anregungen ergaben sich auch nicht aus D4.
58
Wie die Klägerin im Zusammenhang mit Hilfsantrag 2 geltend macht, wird es in D4 allerdings als generell vorteilhaft bezeichnet, die Bildanalyse auf solche Bereiche zu reduzieren, die wirklich von Interesse sind (D4 Abstract Abs. 5). Im Zusammenhang mit dem Caliper wird dies dahin konkretisiert, dass zunächst ein interessierender Bereich definiert wird und nur die Bildpixel innerhalb dieses Bereichs verarbeitet werden (D4 Abschnitt 4 Abs. 5).
59
Diese Ausführungen beziehen sich, wie auch die Klägerin nicht verkennt, auf die von einer einzelnen Kamera gelieferten Bilddaten. Aus ihnen ergab sich keine Anregung, das offenbarte Prinzip dahin zu erweitern, dass beim Einsatz mehrerer Kameras die Daten von einer oder mehrerer davon von vornherein außer Betracht bleiben. Auch diese Vorgehensweise dient zwar dem Ziel, Daten , die sich von vornherein als nicht erforderlich erweisen, vom Auswertungsvorgang auszunehmen. Aus den allgemeinen Ausführungen in D4, die dieses Prinzip als generell vorteilhaft bezeichnen, und dem im Zusammenhang mit dem Caliper-Werkzeug offenbarten konkreten Ausführungsbeispiel ergaben sich indes keine hinreichende Veranlassung, dasselbe Prinzip auch in Bezug auf die Daten einzelner Kameras anzuwenden.
60
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Hoffmann Kober-Dehm
Marx Rensen
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.06.2017 - 6 Ni 8/17 (EP) -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Nov. 2019 - X ZR 116/17 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)