Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2012 - X ZR 114/10

bei uns veröffentlicht am20.12.2012
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 47/08, 27.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 114/10 Verkündet am:
20. Dezember 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2012 durch die Richter Keukenschrijver, Dr. Grabinski,
Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. April 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 836 573 (Streitpatents ), das - unter Inanspruchnahme der Priorität einer schwedischen Patentanmeldung vom 3. Juni 1995 - am 29. Mai 1996 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst drei Patentansprüche betreffend Verfahren zum Wärmekonservieren eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial. Patentanspruch 1 hat in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut: "Method for heat preserving a container made from a laminated packaging material which has at least one plastic layer and is filled with goods, the heat preservation being accomplished by means of heat and an external pressure which is maintained during the holding time of the preservation process, the container during a subsequent cooling time being subjected to an external supporting pressure, characterized in that the container made from a laminated packaging material, in which said at least one plastic layer consists of a plastic with memory, selected from the group including polyolefins, polyesters, polyamides, polyvinyl alcohols, polycarbonates , and acrylic polymers, during said holding time is pressurized to such an extent that said at least one plastic layer is concavely deformed and locked in the form obtained, and during said cooling time is subjected to such a supporting pressure that it retains its deformed shape."
2
Die Patentansprüche 2 und 3 sind unmittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der Patentansprüche nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und zudem gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Das Patentgericht hat das Streitpatent wegen fehlender Patentfähigkeit
4
für nichtig erklärt.
5
Dagegen wendet sich die Beklagte. Sie erstrebt weiterhin die Klageabweisung und verteidigt das Streitpatent außerdem mit fünf Hilfsanträgen.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. B. , Hochschule für angewandte Wissenschaften, M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Zudem hat die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. K. , Hochschule E. , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


7
Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
8
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Wärmekonservierung eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial.
9
In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, dass als Behälter für wärmekonservierte Erzeugnisse neben Dosen und Glasbehältern auch laminierte Einwegbehälter bekannt seien, die aus mehr als zwei miteinander verbundenen Schichten aufgebaut seien. Letztere hätten gegenüber Dosen den Vorteil, dass sie nicht aus teuren Rohmaterialien wie Stahl oder Aluminium hergestellt würden, und zeichneten sich gegenüber Glasbehältern darin aus, dass sie nicht stoßempfindlich seien.
10
Zudem wird erläutert, dass bei der Erwärmung eines geschlossenen, nicht-flexiblen Behälters mit seinem Inhalt der Druck innerhalb des Behälters ansteige, weil sich der Behälterinhalt ausdehne und der Gasdruck des Wassers zunehme. Dieser Druckanstieg werde teilweise durch die Expansion des Behälters selbst kompensiert. Allerdings werde dieser während der Wärmebehandlung explodieren, wenn er vollständig gefüllt sei. Um dies zu vermeiden würden die Behälter nur zu etwa 95% ihres Volumens gefüllt, so dass ein zusätzlicher Raum oberhalb des Inhalts verbleibe. Der Wasserdampfdruck in dem Behälter werde vorher für die bei der Wärmebehandlung verwendete Temperatur berechnet. Zudem könnten die Partialdrücke der anderen Gase gesenkt werden, indem vor dem Abfüllen Luft aus dem Inhalt sowie vor dem Versiegeln Luft aus dem zusätzlich geschaffenen Raum des Behälters entfernt werde.
11
Dem Streitpatent liegt das technische Problem ("die Aufgabe") zugrunde, ein Verfahren zur Wärmekonservierung eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial zur Verfügung zu stellen, das die genannten Nachteile nicht aufweist. Das soll nach Patentanspruch 1 wie folgt erreicht werden: 1. Das Verfahren dient zum Wärmekonservieren eines Behälters.
2. Der Behälter ist 2.1 aus einem Verpackungsmaterial hergestellt, 2.2 mit Inhalten gefüllt und 2.3 besteht aus wenigstens einer Kunststoffschicht.
3. Das Verpackungsmaterial ist laminiert.
4. Die Kunststoffschicht 4.1 besteht aus einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen ("plastic with memory") und 4.2 ist aus der Gruppe bestehend aus Polyolefinen, Polyestern , Polyamiden, Polyvinylalkoholen, Polycarbonaten und Acrylpolymeren gewählt.
5. Die Wärmekonservierung wird durchgeführt 5.1 mittels Wärme und 5.2 bei einem äußeren Druck.
6. Während der Haltezeit des Konservierungsprozesses wird der äußere Druck 6.1 aufrechterhalten und 6.2 in derartiger Höhe ausgeübt, dass
6.2.1 die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert und 6.2.2 in der so erzeugten Form gesperrt wird.
7. Während der Abkühlzeit ist der Behälter einem derartigen äußeren Stützdruck ausgesetzt, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht ihre deformierte Form beibehält.
12
Das in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Wärmekonservierungsverfahren bezieht sich auf Behälter mit den in den Merkmalsgruppen 2 bis 4 bestimmten Eigenschaften. Dabei wird dem Fachmann, bei dem es sich um einen Ingenieur der Verpackungstechnik mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Verpackung von wärmekonservierten Stoffen handelt, in der Streitpatentschrift erläutert, dass unter einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen ("plastic with memory"), aus dem die wenigstens eine Kunststoffschicht des laminierten Verpackungsmaterials bestehen soll, ein Polymermaterial zu verstehen ist, das bei einer geeigneten Temperatur deformiert wird und beim Abkühlen wieder seine ursprüngliche, nicht deformierte Form einnimmt (K1 Rn. 22). Diese Begriffsbestimmung ist für das fachliche Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre maßgebend und geht der allgemeinen Definition des Formerinnerungsvermögens ("memory effect") vor, soweit diese davon abweicht (Senat, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube ), wie auch bereits das Patentgericht zutreffend erkannt hat.
13
Patentanspruch 1 gibt vor, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht des Behälters während der Haltezeit durch äußere Druckausübung zu einer konkaven Form deformiert wird. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt dies offen, ob die Oberfläche des Behälters im Ausgangszustand plan ist und die Form eines Quaders hat. Etwa kann die Oberfläche auch konvex sein oder eine andere geometrische Form aufweisen, welche, wie etwa eine zylindrische Form, die Deformierung der wenigstens einen Kunststoffschicht und damit auch des Behälters durch äußere Druckausübung während der Haltezeit zu einer konkaven Form erlaubt. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Beschreibung zum Stand der Technik beanstandet wird, dass Glasbehälter normalerweise in zylindrischer Form hergestellt würden und aus diesem Grunde nicht effektiv gelagert werden könnten (K1 Rn. 6). Auch zylindrisch geformte Behälter sind von der Ausübung der Verfahrenslehre nach Patentanspruch 1 umfasst. Entsprechend legt Patentanspruch 1 auch nicht fest, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht infolge der äußeren Druckausübung an allen Oberflächen des Behälters zu einer konkaven Form deformiert wird. Vielmehr ist es hinreichend, wenn, etwa bei einem zylindrisch geformten Behälter, die äußere Druckeinwirkung lediglich zu einer konkaven Deformierung des Boden- und/oder Deckelbereiches führt.
14
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Wärmekonservierung der genannten Behälter umfasst die Aufwärmzeit, die Haltezeit und die Abkühlzeit, wobei allein die beiden letztgenannten in Patentanspruch 1 erwähnt werden. Die Aufwärmzeit betrifft die Zeitspanne bis zur Erreichung der gewünschten Temperatur. Die Haltezeit ist die Zeit, in der die Temperatur auf einem konstanten Niveau gehalten wird und die Abkühlzeit ist die Zeit, in der die Temperatur mittels Kühlen des Autoklaven abgesenkt wird (vgl. K1 Rn. 29). Während der Haltezeit wird erfindungsgemäß ein äußerer Druck in derartiger Höhe auf den Behälter ausgeübt, dass sich die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert (Merkmal 6.2.1), sich also nach innen ausbeult.
15
Patentanspruch 1 schreibt nicht vor, dass die Ausübung des äußeren Drucks, der zur Deformation der wenigstens einen Kunststoffschicht zu einer konkaven Form führt, bereits zu Beginn der Haltezeit einsetzen muss. Daher ist es gleichermaßen möglich, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht am Anfang der Haltezeit eine andere, etwa eine konvexe Form annimmt, und erst im weiteren Verlauf der Haltezeit aufgrund der dann erst einsetzenden Ausübung äußeren Drucks zu einer konkaven Form deformiert wird. Dieses Verständnis wird durch die Beschreibung eines Ausführungsbeispiels in der Streitpatentschrift gestützt, wo gleichfalls offen bleibt, ob die erhöhte Druckausübung schon zu Beginn oder erst zu einem späteren Zeitpunkt der Haltezeit einsetzt (K1 Rn. 30). Zudem könnte die Beschreibung eines insoweit konkreter fesgelegten Ausführungsbeispiels auch nicht zu einer Einschränkung der im Anspruch weiter gefassten Verfahrenslehre führen (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 210 - bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
16
Die zu einer konkaven Form deformierte wenigstens eine Kunststoffschicht soll während der Haltezeit gesperrt ("locked") werden (Merkmal 6.2.2). Damit ist gemeint, dass die während der Haltezeit erzeugte konkave Form der wenigstens einen Kunststoffschicht für den Rest der Haltezeit gehalten wird (GA 12 f.). Dieses "Sperren" der Form ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht auch in der anschließenden Abkühlzeit ihre konkave Form beibehalten kann, indem während der Abkühlzeit auf den Behälter ein äußerer Stützdruck ausgeübt wird (Merkmal 7). Der Senat tritt damit nicht der Ansicht des Patentgerichts bei, wonach unter dem erfindungsgemäßen Begriff des "Sperrens" das "Einfrieren" am Ende der am Ende der Haltezeit erreichten (konkaven) Form der wenigstens einen Kunststoffschicht zu verstehen sei. Im Rahmen der Lehre aus Patentanspruch 1 wird dieses "Einfrieren" vielmehr erst in Merkmal 7 bewirkt, während Merkmal 6.2.2 allein das Bei- behalten ("Sperren") der nach Merkmal 6.2.1 erzeugten konkaven Form für den Rest der Haltezeit betrifft (vgl. auch GA 12).
17
II. 1. Das Patentgericht hat angenommen, dass das beanspruchte Verfahren neu sei.
18
Die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 115 380 A1 (D1) betreffe Verfahren zum Verpacken von Lebensmitteln, insbesondere ein Verfahren zum Wärmekonservieren von Lebensmitteln in Behältern. Die Wärmekonservierung erfolge mittels Wärme und in einem Autoklaven. Sie werde bei einem äußeren Druck durchgeführt, der während der Haltezeit des Konservierungsprozesses aufrechterhalten werde. In Tabelle IV der D1 sei angegeben, dass die Wärmekonservierung während der Haltezeit ("cooking cycle") bei einer maximalen Temperatur von 116° C und einem Druck von 0,69 bar erfolge. Da dem Fachmann das Wertepaar der Temperatur von 116° C und des Drucks von 0,69 bar geläufig sei, erkenne er es ohne weiteres als der Dampfdruckkurve von Wasser zugehörig. Der angegebene Druck sei der Überdruck bei der zugehörigen Temperatur im Autoklavenbetrieb. Auf die Behälter werde während der sich an die Haltezeit anschließenden Abkühlzeit ein äußerer Stützdruck ausgeübt. Der Tabelle IV seien Druckwerte von 1,03 und 1,72 bar zu entnehmen, die in der Abkühlzeit aufrechterhalten würden. Nach Fußnote 2 geschehe dies bis zum Erreichen einer Temperatur des Behälterinhalts von 71° C. Die Behälterwände bestünden bevorzugt aus einem laminierten Verpackungsmaterial, das wenigstens eine Kunststoffschicht aufweise, und könnten eine Kunststoffschicht aus Polypropylen umfassen. Die Behälter verfügten somit wenigstens über eine Kunststoffschicht aus einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen. Während der Abkühlzeit werde die Kunststoffschicht nach Unterschreiten der Erweichungstemperatur so gesperrt, dass nach der Behandlung eine Behälterform vorliege, wie in Figur 1H der D1 gezeigt. Die Merkmale 6.2.1 und 7 seien in der D1 hingegen nicht offenbart.
19
Aus der veröffentlichten japanischen Patentanmeldung Sho 56-41136 (D3, mit deutscher Übersetzung) sei ebenfalls ein Verfahren zum Wärmekonservieren eines Behälters bekannt, der mit Inhalten gefüllt sei. Es kämen quaderförmige Behälter aus einem laminierten Verpackungsmaterial zum Einsatz. Das Verpackungsmaterial weise wenigstens eine Kunststoffschicht auf. Zu Verformungen während der Behandlung oder als Ergebnis der Behandlung fänden sich in der Entgegenhaltung keine Angaben. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents sei auch gegenüber den weiteren Vorveröffentlichungen gegeben.
20
2. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht jedoch nach den weiteren Ausführungen des Patentgerichts nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
21
Durch die Erfindung solle ein Verfahren zum Wärmekonservieren, vorzugsweise mittels feuchter Hitze, eines aus Verpackungs-Laminat hergestellten und mit Inhalten gefüllten Behälters angegeben werden, das die zuvor in der Beschreibung erwähnten Nachteile (vgl. oben unter I) nicht aufweise.
22
Die D1 befasse sich mit der Sterilisation von Behältern mit Inhalten, bei denen in der Haltezeit der Gesamtinnendruck im Behälter den Druck der Behandlungsapparatur bzw. des Autoklaven übersteige. Dadurch komme es am Ende der Haltezeit zu einer Auswölbung des Behälters nach außen. Diese Auswölbung des Behälters nach außen werde nach der Lehre der D1 gezielt zugelassen, um durch die damit einhergehende Volumenvergrößerung des Behälters dem Druckanstieg in seinem Inneren zu begegnen. Die Entgegenhal- tung gebe die Anweisung, den Druck im Autoklaven während der Abkühlzeit so einzustellen, dass nach der Abkühlung von Behälter und Inhalt keine unerwünschte Verformung verbleibe. Der Druck müsse einerseits ausreichend groß sein, damit ein während der Haltezeit nach außen ausgewölbter Bodenbereich des Behälters gezielt nach innen zurückgebogen werde ("reforming of the container" ), vgl. Figur 1H. Er dürfe andererseits eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten, damit eine Veränderung der Seitenwand, wie in z.B. in Figur 1E gezeigt, vermieden werde. Die D1 zeige dem Fachmann, wie sowohl die am Ende der Haltezeit bestehende Form der Behälterwände beibehalten und damit ein Eindellen derselben vermieden werde könne, als auch, wie sich der eingewölbte Boden des Behälters ohne "rocker bottom" entsprechend der ursprünglichen Form wieder einstellen lasse.
23
Der Fachmann erhalte somit aus der D1 die Lehre, dass durch gezielte Ausübung des Drucks im Autoklaven während dessen Abkühlung die endgültige Form des Behälters beeinflusst werden könne. Habe der Fachmann einen Behälter mit einem eingefüllten Produkt in einem Wasserdampf-Autoklaven zu sterilisieren, bei dem am Ende der Haltezeit - bei der dann herrschenden Temperatur des Inhalts - aufgrund der Eigenschaft des Produkts ein niedrigerer Behälterinnendruck als der im Autoklaven herrschende Dampfdruck des Wassers vorliege, ergebe sich zwangsläufig, dass die Behälterwandung bzw. die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert werde. Wolle der Fachmann die zum Ende der Haltezeit der Wärmebehandlung im Autoklaven vorliegende konkave Form des Behälters und der wenigstens einen Kunststoffschicht beibehalten, lehre ihn die D1, dafür den Druck im Autoklaven in der Abkühlzeit gezielt so einzustellen, dass die am Ende der Haltezeit bestehende Form von Wandungsteilen des Behälters unverändert aufrechterhalten bleibe.
Das beanspruchte Verfahren habe sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus der D1 in Verbindung mit dessen Fachwissen ergeben.
24
III. Die Angriffe der Berufung gegen diese Entscheidung bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
25
1. Ob es dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung an der Neuheit fehlt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Er ist jedenfalls deshalb nicht patentfähig, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns ergeben hat und deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
26
Wie bereits das Patentgericht zutreffend erkannt hat, befasst sich die D1 mit der Verbesserung von Verfahren zum Wärmekonservieren von Kunststoffbehältern (D1, S. 1, Z. 3 ff.), insbesondere laminierten Kunststoffbehältern mit zumindest einer Schicht aus der Gruppe der Polyolefine (D1, S. 12, Z. 6 ff.) und damit von Behältern im Sinne der Merkmalsgruppen 2 bis 4 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung.
27
Dabei geht die Vorveröffentlichung davon aus, dass die Kunststoffbehälter unter den thermischen Behandlungsbedingungen dazu neigen, sich derart zu verformen, dass an den Seitenwänden Dellen ("bucklings") und/oder an den Bodenwänden Auswölbungen ("bulgings") oder "Wippböden" ("rocker-bottoms") entstehen. Derartige Verformungen seien unerwünscht, weil sie unansehnlich seien, das Stapeln der Behälter behinderten und vom Verbraucher als Anzeichen für einen möglicherweise verdorbenen Lebensmittelinhalt angesehen werden könnten (D1, S. 2, Z. 4 ff.).
28
Ein Grund für die genannten unerwünschten Verformungen liegt nach der D1 darin, dass während der thermischen Behandlung der (Innen-)Druck in dem Behälter den (Außen-)Druck im Autoklaven übersteigt (D1, S. 2, Z. 12 ff.), wobei die disproportionale Erhöhung des Innendrucks im Behälter insbesondere auf einen erwärmungsbedingten Anstieg der Luft oder anderer Gasen im Kopfraum des Behälters oder auf die Wärmeausdehnung des Produkts zurückzuführen ist (D1, S. 3, Z. 5 ff.).
29
Eine bekannte Abhilfemaßnahme sei es, dafür zu sorgen, dass der Außendruck immer den Innendruck übersteige. Das herkömmliche Mittel dafür sei eine Behandlung des gefüllten Behälters in einem Wassermedium mit einem Luftüberdruck, der ausreichend sei, um den Innendruck auszugleichen. Entsprechend würden Nahrungsmittel behandelt, die in den allgemein bekannten "Retort-Beutel" gepackt seien. Der wesentliche Nachteil dieser Lösung bestehe darin, dass eine Wärmeübertragung in einem Wassermedium nicht so wirksam sei wie in einer Dampfatmosphäre (D1, S. 2, Z. 12 ff.).
30
Durch die D1 sollen demnach die Konfiguration der Kunststoffbehälter nach der thermischen Behandlung verbessert und insbesondere Auswölbungen des Bodens oder Dellen in den Seitenwänden vermieden werden (D1, S. 4, Z. 20 ff.).
31
Hierzu offenbart die D1 für ein Verfahren zur Wärmekonservierung von Kunststoffbehältern, die mit Nahrungsmitteln gefüllt sind, neben der Möglichkeit, den Behälter vor dem Füllen zu schrumpfen (D1, Patentanspruch 1), auch die Möglichkeit, den Behälter umzuformen, um eine annehmbare Behälterkonfiguration zu erreichen (D1, Patentanspruch 3), wobei die Umformung insbesondere - wie in Merkmal 6.2 vorgesehen - durch Aufrechterhalten eines Drucks au- ßerhalb des Behälters erreicht werden soll, der den Innendruck innerhalb des Behälters übersteigt (D1, Patentanspruch 6).
32
Dass die konkave Umformung eines Kunststoffbehälters durch Ausübung eines äußeren Drucks während der Haltezeit des Konservierungsprozesses jedenfalls im Bodenbereich erfolgt, entnimmt der Fachmann den Erläuterungen zu zwei in Tabelle IV der D1 dargestellten Versuchsreihen. Danach wurden jeweils mehrere warmgeformte und mit Wasser gefüllte Kunststoffbehälter thermisch unter einer Dampfatmosphäre von 240° F (116° C) während 15 Minuten behandelt. Am Ende des thermischen Sterilisationsprozesses, aber noch vor Einleiten des Kühlwassers und damit noch in der Zeit, in der die Temperatur auf einem konstanten Niveau gehalten wurde, wurde in der zweiten Versuchsreihe der Außendruck auf die Behälter so erhöht (nämlich von 0,69 auf 1,72 bar statt - wie in der ersten Versuchsreiche - von 0,69 auf nur 1,03 bar, vgl. D1, S. 24, Z. 4 ff.), dass die aufgrund von Umformung erhaltenen Behälter keine "Wippböden" ("rocker-bottoms") oder "Seitendellen" ("sidewall panelling" mehr hatten (D1, S. 24, Z. 8 ff., vgl. auch S. 23, Z. 22 ff.). Aus fachlicher Sicht folgt daraus, dass die Kunststoffbehälter bzw. die wenigstens eine Kunststoffschicht durch die erhöhte Druckausübung im Bodenbereich zu einer konkaven Form deformiert wurden und die so erzeugte Form bis zum Beginn des Abkühlens und damit bis zum Ende der Haltezeit "gesperrt" waren (vgl. auch GA, S. 8).
33
Dem steht nicht entgegen, dass sich die Kunststoffbehälter, nachdem sie unter einer Druckatmosphäre von 240° F (116° C) behandelt wurden, im Bodenbereich zunächst nicht konkav, sondern konvex verformt hatten, weil der äußere Druck auf lediglich 0,69 bar eingestellt war. Denn wie oben erläutert, verlangt die Verfahrenslehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht, dass die Deformierung der Kunststoffschicht zu einer konkaven Form bereits am Anfang der Haltezeit erfolgt. Möglich ist es vielmehr auch, dass sich während des Zeitraums, in welchem die Temperatur konstant gehalten wird, zunächst eine konvexe und dann erst eine konkave Form herausbildet, weil nicht von Anfang an, sondern erst im weiteren Verlauf der Haltezeit ein hinreichend erhöhter äußerer Druck auf den Behälter ausgeübt wird.
34
Dass die durch Ausübung äußeren Drucks erlangte Umformung eine Deformation zu einer konkaven Form darstellt, folgt aus Fußnote 4 zur Tabelle IV, wonach alle Behälter eine Bodenausweitung nach innen - mithin eine konkave Form - zwischen 3,05 und 6,22 mm aufgewiesen haben (D1, S. 26, Z. 1 ff.). Eine konkave Ausgestaltung ist zudem Figur H der D1 zu entnehmen, welche nach den Erläuterungen der Beschreibung die gewünschte Behälterkonfiguration nach der thermischen Behandlung und dem Umformen des Behälters darstellen soll (D1, S. 14, Z. 11 ff.).
35
In Fußnote 2 zur Tabelle IV wird schließlich erläutert, dass der auf den Behälter ausgeübte gesteigerte äußere Druck (im zweiten Ausführungsbeispiel 25 p.s.i.g) während der Abkühlung aufrechterhalten wurde, bis der Behälterinhalt auf 160° F (71° C) abgekühlt war. Aus Sicht des Fachmanns folgt daraus, dass der Kunststoffbehälter in der Zeit, in der er bis auf 160° F (71° C) abgekühlt wurde, - entsprechend Merkmal 7 des Streitpatents - einem derartigen äußeren Stützdruck ausgesetzt wurde, dass der Kunststoffbehälter bzw. wenigstens eine Kunststoffschicht ihre deformierte Form beibehielt.
36
Nach alledem werden die Merkmale 5 bis 7 durch die Beschreibung der zweiten Versuchsreihe aus Tabelle IV der D1 offenbart.
37
Allerdings weist die Beklagte darauf hin, dass der für den zylinderförmigen Kunststoffbehälter der D1 vorgesehene Deckel nicht aus einem laminierten Material bestehe, sondern einen Endverschluss aus Metall aufweise. Zutreffend ist insoweit, dass in der Entgegenhaltung Kunststoffbehälter beschrieben werden , die nach dem Befüllen mit Metallendverschlüssen versehen wurden, bevor sie wärmekonserviert wurden (D1, S. 26, Z. 18 und 20; S. 27, Z. 15; vgl. auch S. 16, Tabelle I, vierter Wert: "… metal end wall"). Allerdings wird dies in der Beschreibung allein in Zusammenhang mit anderen als die in Tabelle IV dokumentierten beiden Versuchsreihen erwähnt. Hinsichtlich der in Tabelle IV dokumentierten Versuchsreihen werden die Behälter in der Beschreibung der D1 allein als Kunststoffbehälter bezeichnet, ohne dass die Materialbeschaffenheit der Deckel weiter spezifiziert wird (vgl. D1, S. 23, Z. 12 ff.; S. 24, Z. 4 ff.). Das lässt es zumindest offen, ob auch bei diesen, dem Verfahrensablauf der Merkmale 5 bis 7 entsprechenden Versuchsreihen die ansonsten aus Kunststoff bestehenden Behälter Metallendverschlüsse aufwiesen.
38
Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass aus Sicht des Fachmanns auch die in Tabelle IV dokumentierten Versuchsreihen mit Kunststoffbehältern durchgeführt worden sind, die Metallendverschlüsse aufgewiesen haben, beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
39
Es war nämlich aus Sicht des Fachmanns naheliegend, das ihm in der Beschreibung der D1 in Zusammenhang mit der zweiten Versuchsreihe aus Tabelle IV offenbarte Konservierungsverfahren auch auf Behälter anzuwenden, die ausschließlich aus einem laminierten Verpackungsmaterial mit wenigstens einer Kunststoffschicht mit Formerinnerungsvermögen hergestellt waren. Eine entsprechende Anregung konnte er der D1 entnehmen, in der Behälter für thermische Konservierungsverfahren allgemein als geeignet bezeichnet werden , die aus mehrschichtigen Laminatstrukturen bestehen, wobei diese insbe- sondere auch aus Polyolefinen bestehen können (D1, S. 12, Z. 6 ff.). Aus fachlicher Sicht sprach danach alles dafür, dass das in Tabelle IV dokumentierte Konservierungsverfahren auch mit solchen ausschließlich aus Kunststoff hergestellten Behältern durchgeführt werden kann.
40
2. Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass der Behälter aus einem laminierten Verpackungsmaterial, mit dem das erfindungsgemäße Verfahren zum Wärmekonservieren ausgeübt wird, "quaderförmig" ausgestaltet sein soll.
41
Der Gegenstand des derart ergänzten Patentanspruchs 1, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab. Zwar sind in der D1 als besonders geeigneter Gegenstand für die dort beschriebenen Verpackungsverfahren zylindrische Kunststoffbehälter genannt (vgl. etwa D1, S. 7, Z. 17; Patentanspruch 18) und in den Figuren (etwa Figuren 1A bis 1F) gezeigt. In Zusammenhang mit Wärmekonservierungsverfahren waren dem Fachmann jedoch neben zylindrischen auch quaderförmige Kunststoffbehälter bekannt, wie auch aus Figur 1 der D3 hervorgeht und vom gerichtlichen Sachverständigen im Verhandlungstermin bestätigt wurde. Aufgrund seines Fachwissens erschloss es sich ihm daher ohne weiteres, dass das in der D1 offenbarte Umformungsverfahren zur Vermeidung von Auswölbungen in den Behälterwänden gleichermaßen auf quaderförmige Kunststoffbehälter angewendet werden kann.
42
3. Patentanspruch 1 in der Fassung der weiteren Hilfsanträge unterscheidet sich von der Fassung des ersten Hilfsantrags dadurch, dass der quaderförmige Behälter, mit dem das erfindungsgemäße Verfahren zum Wärmekonservieren ausgeübt wird, zusätzlich durch Falten eines laminierten Verpa- ckungsmaterial hergestellt worden sein soll (zweiter Hilfsantrag), zusätzlich eine plane Oberfläche aufweisen soll (dritter Hilfsantrag), zusätzlich das Verpackungsmaterial in Form eines Blattes vorliegen soll (vierter Hilfsantrag) und schließlich zusätzlich die Grundschicht ein Material umfassen soll, bei dem es sich um Pappe oder Papier handelt (fünfter Hilfsantrag).
43
Auch ein in den vorgenannten Fassungen zulässigerweise ergänzter Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres ergab, dass das in der D1 offenbarte Umformungsverfahren auch auf einen quaderförmigen Behälter angewendet werden kann, der die vorgenannten zusätzlichen Eigenschaften aufweist.
44
Das gilt nach den Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen insbesondere auch für Behälter nach Patentanspruch 1 in der Fassung des fünften Hilfsantrags, die zusätzlich eine Grundschicht aus Papier oder Pappe aufweisen. Es lag im allgemeinen Wissen des Fachmanns, dass auch derartige Behälter bei entsprechender Ausgestaltung für das erfindungsgemäße Konservierungsverfahren mit hoher Hitzeeinwirkung verwendet werden können.
45
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. §§ 91, 97 ZPO.
Keukenschrijver Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.04.2010 - 1 Ni 47/08 (EU) -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2004 - X ZR 255/01

bei uns veröffentlicht am 07.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 255/01 Verkündet am: 7. September 2004 Weschenfelder Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit BGHZ: ja BGHR: ja Nachschlagewer

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 255/01 Verkündet am:
7. September 2004
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69
Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung
eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten
hinausgehende Bedeutung beizumessen.
Im Patentverletzungsprozeß kommt im Hinblick auf die Auslegung eines Patentanspruchs
durch den Tatrichter eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit
in Betracht, als der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen
befaßt hat, die für die Auslegung von Bedeutung sein können.
BGH, Urt. v. 07.09.2004 - X ZR 255/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 6. Dezember 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 637 395 (Klagepatents), das auf einer am 8. Februar 1995 veröffentlichten Anmeldung vom 28. Januar 1994 beruht. Das am 21. Mai 1997 veröffentlichte Klagepatent hat in einem rechtskräftig abgeschlossenen Nichtigkeitsverfahren eine Ände-
rung erfahren. Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet danach:
"Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/ oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten (2) zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke (39), mit einem Vorratsbehälter (1), der bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung (3) für die Parkkarten (2) aufweist, einem anschließenden Fallschacht (4) mit mindestens einem zentralen Leitschacht (11) und davon abzweigenden, eine jeweilige Neigung aufweisenden Seitenschächten (12, 13) für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten (2) unter Schwerkraft und einer Meßstelle (24) im zentralen Leitschacht (11) für ein Lesen der auszugebenden und/oder zurückgegebenen Parkkarten (2), die mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke (39) verbunden ist."
Die unter der Geschäftsführung unter anderem des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "S. Parksysteme " für wiederverwendbare Parkkarten aus Kunststoff in Form runder Münzen sowie Einfahrtkontrollgeräte mit der Bezeichnung "E. ". Die hierbei verwendeten Ein- und Ausgabevorrichtungen weisen u.a. einen Vorratsbehälter für die Münzen auf. In diesem läuft ein Förderband um, dessen Glieder jeweils eine den Münzen entsprechende Ausnehmung hat. Am Boden des Vorratsbehälters gelangt jede Münze in eine Ausnehmung und wird zu einer im Vorratsbehälter weiter oben liegenden Ausgabe befördert. Über einen sich anschließenden Schacht fällt die Münze in eine Ausnehmung eines andreaskreuzartigen Vorrichtungsteils. Durch Drehbewegung desselben wird sie schließlich entweder an einen weiteren
Schacht übergeben, der zu der für den Kunden zugänglichen Ausgabestelle führt, oder an einen anderen Kanal, der in einem Auffangbehälter endet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche Patentanspruch 1 des Klagepatents mit wortsinngemäßen Mitteln. Die Beklagten stellen das in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform sich hinsichtlich der bodenseitigen Vereinzelungsvorrichtung im Vorratsbehälter, des Fallschachts und der Meßstelle von der patentgemäßen Lehre unterscheide.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. Schadensersatz verpflichtet sind. Auf die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach Maßgabe ihrer im Berufungsrechtszug konkretisierten Anträge zu verurteilen.
Die Beklagten treten diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Klagepatent betrifft Vorrichtungen, die bestimmte Karten zur Betätigung einer Parkschranke entgegennehmen und ausgeben können. Es handelt sich um runde, vorzugsweise scheibenförmige Karten, die wiederverwendbar sind und eine als Identifikations- und/oder Kommunikationselement bezeichnete Ausstattung haben. Diese dient entweder der individuellen Kennung der Karte oder der Abspeicherung von Daten, wie etwa Datum und Einfahrtzeit, die für eine Parkgebührenrechnung erforderlich sind. Damit die Karten wiederholt einund ausgegeben werden können, müssen sie - wie es in Sp. 1 Z. 30 ff. der Beschreibung des Klagepatents angeben ist - in der Vorrichtung gelagert, einer Lese-Schreibstation zugeführt und in Ausgabeöffnungen befördert werden, die dem Parkkunden zugänglich sind. Deshalb - so die weitere Darstellung in Sp. 1 Z. 35 ff. der Beschreibung des Klagepatents - müssen die Parkkarten mehrere Transportwege zurücklegen, wofür im allgemeinen Transportbänder oder Transportrollen vorgesehen sind, was konstruktiv aufwendig und störanfällig ist. Hieraus ergibt sich als Problem, das es erfindungsgemäß zu lösen gilt, eine Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke zu schaffen, die sicher und zuverlässig arbeitet und dabei einfach aufgebaut ist (Sp. 1 Z. 44-49 der Beschreibung des Klagepatents).
2. Das Berufungsgericht hat den Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Klagepatents wie folgt gegliedert:
1. Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikationsund /oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke mit
1.1 einem Vorratsbehälter,
1.2 einem Fallschacht
1.3 und einer Meßstelle;
2. der Vorratsbehälter weist bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung für die Parkkarten auf;
3. der sich an den Vorratsbehälter anschließende Fallschacht umfaßt
3.1 mindestens einen zentralen Leitschacht und
3.2 davon abzweigende, eine jeweilige Neigung aufweisende Seitenschächte für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten unter Schwerkraft;
4. die Meßstelle ist
4.1 im zentralen Leitschacht für ein Lesen der auszugebenden und zurückgegebenen Parkkarten angeordnet
4.2 und mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke verbunden.
Gegen diese Gliederung bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die auf den Erläuterungen in Sp. 1 Z. 51-58 der Beschreibung des Klagepatents basierenden Feststellungen des Berufungsgerichts, daß durch die in Patentanspruch 1 des Klagepatents vorgeschlagene Lösung die formbedingten Vorteile runder, scheibenförmiger Parkkarten, insbesondere ihr Rollvermögen, für den
Ein- und Ausgabevorgang benutzt würden, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme gearbeitet werden könne und dabei die für eine Ausgabe und Rücknahme der Parkkarten erforderlichen Transportwege miteinander kombiniert und dadurch auch minimiert seien. Hiergegen sind Rügen auch nicht erhoben.
3. Das Berufungsgericht hat nach § 9 Satz 2 PatG verbotene Verletzungshandlungen der Beklagten verneint, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht verwirkliche. Ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch für den Begriff "Vereinzelungsvorrichtung" müsse erfindungsgemäß insoweit ein Vorrichtungsteil vorhanden sein, das die Parkkarten nicht nur von einem Vorrat abtrenne, sondern auch dafür sorge, daß sie abgetrennt blieben und auf diese Weise vereinzelt dem gemäß Merkmal 3 an den Vorratsbehälter anschließenden Fallschacht zugeführt würden. Die Vereinzelung der im Vorratsbehälter befindlichen Parkkarten selbst müsse im Bereich von dessen Boden beginnen. Da die Karten der Schwerkraft unterworfen seien, lasse sich nämlich nur so auch die letzte eines Vorrats zur Ausgabe an die Parkkunden nutzen. Die bodenseitige Vereinzelung sei eine Selbstverständlichkeit, auf die einem Fachmann gegenüber nicht hingewiesen werden müsse. Deshalb besage die Kennzeichnung "bodenseitig" mehr als das. Der Fachmann erfahre hierdurch, daß die Einrichtung, welche die Parkkarten vereinzelne und anschließend einzeln dem Fallschacht zuführe , sich als solche ausschließlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters befinden müsse. Denn das gewährleiste auch, daß die Parkkarten, die sich nach den Ausführungen in Sp. 2 Z. 1-4 der Beschreibung des Klagepatents vor allem unter dem Einfluß ihres Eigengewichts, also nach unten, bewegen sollten, nicht entgegen der Schwerkraft nach oben transportiert werden müßten, wozu ein - nach Sp. 1 Z. 54-56 der Beschreibung des Klagepatents möglichst zu vermeidendes - angetriebenes Beförderungssystem erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hat also Patentanspruch 1 des Klagepatents (Merkmal 2) eine Aussage auch darüber entnommen, wo die Parkkarten vereinzelt aus dem Vorratsbehälter in den Fallschacht gelangen müssen, nämlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters.
4. Diese Auslegung bekämpft die Revision zu Recht. Sie bedeutet eine Einschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter dessen Wortlaut, die sich aus diesem Anspruch nicht entnehmen läßt.

a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäische Patent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche (vgl. z.B. auch BGHZ 98, 12 - Formstein). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator ). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, daß die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was - bei sinnvollem Verständnis - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, daß es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.

b) Der Wortlaut von Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt jedoch nicht erkennen, daß mit ihm festgelegt sein soll, aus welchem Bereich des Vorratsbehälters die Parkkarten als vereinzelte Stücke in den anschließenden Fallschacht gelangen sollen. Die Frage, wo die Übermittlung der vereinzelten Parkkarten erfolgt, betrifft die Anordnung von Vorratsbehälter und Fallschacht zueinander. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, daß letzterer sich an ersteren anschließt. Auch eine Beziehung dieses Anschlusses zur Vereinzelungsvorrichtung ist im Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht hergestellt. Die Vereinzelungsvorrichtung ist vielmehr nur als Teil (Einrichtung) beschrieben, das der Vorratsbehälter bodenseitig aufweist. Die - wovon an sich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - nächstliegende Deutung dieser Kennzeichnung ist deshalb, daß nach Merkmal 2 die vorrichtungsmäßige Gestaltung innerhalb des Vorratsbehälters lediglich derart sein muß, daß eine Vereinzelung der im Vorratsbehälter lagernden Parkkarten im Bereich des Behälterbodens stattfindet.

c) Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach Maßgabe der Auslegung durch das Berufungsgericht einengende Bedeutung des Merkmals 2 ergibt sich auch nicht bei Heranziehung der Beschreibung des Klagepatents. Hinsichtlich der Übermittlung der Parkkarten vom Vorratsbehälter zum Fallschacht heißt es in Sp. 2 Z. 1-2 der Beschreibung des Klagepatents lediglich, die Parkkarten gelangten jeweils einzeln von einem Stapel Parkkarten abgetrennt in einen Fallschacht. Das beschreibt nur, daß die Parkkarten jeweils als vereinzelte in den Fallschacht gelangen müssen, nicht aber, von welchem Bereich des Vorratsbehälters aus dies zu geschehen hat.
Auch aus den die Vereinzelungsvorrichtung selbst betreffenden Angaben der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich nichts anderes. Mit der Vereinzelungsvorrichtung befaßt sich die Beschreibung erstmals in Sp. 3 Z. 8 ff.. Dort
erfährt der Leser zwar, die Vereinzelungsvorrichtung durch einen schachtförmigen Verengungsteil am bodenseitigen Ende des Vorratsbehälters zu bilden, in dem sich die Parkkarten übereinander aufstapeln können, und einen Abstreifer vorzusehen, der die jeweils zuunterst liegende Parkkarte und vorzugsweise jeweils allein diese in den Fallschacht überführt. Die Wortwahl in Sp. 3 Z. 8 der Beschreibung des Klagepatents, die Vereinzelungseinrichtung könne in dieser Weise gestaltet sein, weist diese Textstelle aber als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig jedoch keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. Sen.Urt. v. 09.05.1985 - X ZR 44/84, GRUR 1985, 967, 968 - Zuckerzentrifuge, m.w.N.). Dieser zum früheren deutschen Patentrecht entwickelte Grundsatz ist auch und gerade unter der Geltung des Art. 69 EPÜ zu beachten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung findet deshalb auch durch den Umstand keine Rechtfertigung, daß Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents auch ansonsten nur Beispiele behandeln, bei denen die Übermittlung der Karten von der Vereinzelungsvorrichtung zum Fallschacht örtlich am Boden des Vorratsbehälters erfolgt.
Eine entsprechender Wortsinn des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagepatents folgt schließlich auch nicht daraus, daß nach der Beschreibung des Klagepatents die Erfindung erlaubt, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme zu arbeiten. Abgesehen davon, daß auch hier nicht die Rede davon ist, daß patentgemäß jegliche Beförderungsmittel zu vermeiden sind bzw. vermieden werden, ist der diesbezügliche Hinweis in Sp. 1 Z. 54 f. im Hinblick auf die in Sp. 1 Z. 30-43 wiedergegebene Gestaltung im Stand der Technik erfolgt. Da in Sp. 1 Z. 32-34 nur das Lagern, Zuführen zu einer LeseSchreibstation und das Befördern in Ausgabeöffnungen genannt sind und hiervon zunächst einmal nur die beiden letzten Vorgänge als solche zu erkennen sind, welche die in Sp. 1 Z. 36 f. genannten Transportwege erfordern, betrifft die
Beanstandung nachteiliger Transportbänder oder -rollen im Stand der Technik, wenn nicht sogar überhaupt, so doch vorrangig den dem Vorratsbehälter nachgeschalteten Transport der Karten, wie er bisher im allgemeinen erfolgte. Bei zwangloser Befassung mit der die Erfindung als solche (und nicht schon bestimmte Ausführungsbeispiele) betreffenden Beschreibung des Klagepatents führt mithin auch dies zu der Deutung, daß das Klagepatent erlauben soll, während der dann auch in Sp. 2 Z. 2 - Sp. 3 Z. 7 allein näher beschriebenen Transportwege , welche die Parkkarte nach Verlassen des Vorratsbehälters durchlaufen muß, ohne angetriebene Beförderungssysteme auszukommen, eine etwaige Förderung am Boden des Vorratsbehälters vereinzelter Karten innerhalb des Vorratsbehälters mittels eines angetriebenen Beförderungssystems aber nicht ausgeschlossen sein soll.

d) Unter diesen Umständen wird die Auslegung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Argument des Berufungsgerichts gestützt, die bodenseitige Vereinzelung im Vorratsbehälter sei bei derartigen Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die als solche keiner Erwähnung in einem Patentanspruch bedürfe. Der Erfinder hat es in der Hand, wie er seine Erfindung mittels eines Patentanspruchs umschreibt. Dies schließt ein, zur zutreffenden Kennzeichnung der Neuerung im Patentanspruch auch Selbstverständliches zu benennen. Deshalb kann bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht einfach davon ausgegangen werden, daß darin enthaltene Kennzeichnungen eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen sei. Nach dem zuvor Ausgeführten enthalten Patentanspruch 1 des Klagepatents und die ihn als solchen erläuternden Teile der Beschreibung des Klagepatents auch nichts, wonach im konkreten Fall die Annahme einer solchen Bedeutung geboten wäre. Im Hinblick auf Merkmal 2 besagt Patentanspruch 1 des Klagepatents - sinnvoll verstanden - vielmehr nicht mehr, als daß in dem Vorratsbehälter
durch eine bodenseitig wirkende Einrichtung dafür gesorgt werden muß, daß die Karten am Boden vereinzelt werden.
5. An dieser Auslegung ist der Senat nicht auf Grund prozeßordnungsgemäß getroffener tatrichterlicher Feststellungen gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine Rechtsfrage, wie ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (z.B. Sen.Urt v. 26.09.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer; BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild). Lediglich im Bereich der Tatsachenfeststellung liegende Grundlagen tatrichterlicher Auslegung eines Patentanspruchs sind im Revisionsverfahren hinzunehmen, falls in Bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild, m.w.N.). Daß solche Grundlagen die tatrichterliche Auslegung eines Patentanspruchs mitbestimmt haben, kann jedoch nur angenommen werden , wenn und soweit der Tatrichter entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt hat (vgl. auch hierzu Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 156/97, GRUR 1999, 977, 979 - Räumschild, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 142, 7 ff.). Das ist noch nicht der Fall, wenn der Tatrichter - wie auch hier das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Ausführungen mit Rücksicht darauf, daß bei der Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe auf das Verständnis des Fachmanns auf dem betreffenden Gebiet abzustellen ist (st. Rspr. z.B. BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I, m.w.N.), gelegentlich hiervon spricht.
Der hiermit angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen, weil Patentschriften sich an alle Fachleute richten (vgl. Sen.Urt. v. 24.03.1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1004 - Leuchtstoff). Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genügende einheitliche
inhaltliche Erfassung einer patentierten Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen - allgemeinen - Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verläßliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt freilich dazu, daß die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist. Auf sie kann nur mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände geschlossen werden, die ihrerseits - unmittelbar oder auch nur mittelbar - geeignet sind, etwas über die hiernach entscheidenden Verhältnisse auszusagen. Das bedeutet zugleich, daß im Patentverletzungsprozeß eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit in Betracht kommt, als das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen befaßt hat, die für die Auslegung des betreffenden Patentanspruchs von Bedeutung sein können. Hierbei handelt es sich vor allem um Umstände, die eine Erfassung der maßgeblichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen innerhalb der Fachwelt ermöglichen, aber auch um andere Umstände, die sonstwie Rückschlüsse auf die fachliche Sicht des durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterten Patentanspruchs erlauben.
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf das Verständnis des Fachmanns sind bloße Annahmen. Hierauf beruht gerade auch die Folgerung, die den tragenden Gesichtspunkt des Berufungsgerichts bildet und aus dem Umstand hergeleitet ist, daß bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung mit der durch Merkmal 2 gekennzeichneten Anweisung lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen ist deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung zu
Grunde zu legen, daß im vorliegenden Fall keine Umstände existieren, die der vom Senat vorgenommenen Auslegung entgegenstehen.
5. Diese Auslegung erlaubt nicht, das Vorhandensein des Merkmals 2 bei der angegriffenen Ausführungsform zu verneinen. Denn auch bei ihr gibt es eine Vorrichtung in dem Vorratsbehälter, die dort lagernde Parkkarten am Boden des Behälters vereinzelt. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen, bisher aber unterbliebenen Feststellungen zur ebenfalls streitigen Verwirklichung der Merkmale 3 und 4 bei der angegriffenen Ausführungsform getroffen werden können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)