Bundesgerichtshof Urteil, 29. Aug. 2017 - X ZR 108/15

published on 29/08/2017 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 29. Aug. 2017 - X ZR 108/15
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Bundespatentgericht, 3 Ni 11/14, 23/06/2015

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 108/15 Verkündet am:
29. August 2017
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2017:290817UXZR108.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterin Dr. Marx

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 23. Juni 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der S. & Co. GmbH & Co. KG, welche als Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 412 179 (Streitpatents) eingetragen ist, das am 25. April 2002 unter Inanspruchnahme einer österreichischen Priorität vom 10. Mai 2001 angemeldet wurde. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache: "Mehrschichtige, im Wesentlichen polyvinylchlorid- und polyolefinfreie Verbundfolie, insbesondere Möbelfolie, mit mindestens einer Trägerschicht, welche ABS, insbesondere ABS mit Zumischungen , und/oder Polystyrol, insbesondere Polystyrol mit Zumischungen und/oder hochschlagfestes Polystyrol, und/oder Polyester, insbesondere amorphes Polyester Copolymer aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägerschicht (2, 3, 5, 10, 11, 12) ein unter einer Deckschicht (1, 6, 7, 8, 9) angeordnetes, mindestens zweischichtiges Coextrudat ist und dass bei der einachsigen Zug- prüfung eines aus der Verbundfolie bestehenden Prüfkörpers (21) eine maximale Zugkraft zwischen 30 Newton und 280 Newton auftritt , wobei die einachsige Zugprüfung folgender Prüfvorschrift genügt (Fig. 1):
a) Der Prüfkörper (21) gemäß Typ 1 B nach ISO 527-2:1996 Abschnitt 6 mit einer Dicke, welche der Dicke der zu prüfenden Verbundfolie entspricht, wird vor Prüfbeginn 24 h bei 23 °C und 50 % relativer Luftfeuchte gelagert ;
b) anschließend erfolgt die Einspannung des so vorbehandelten Prüfkörpers (21) in ein Prüfgerät nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 5, wobei die Längsachse des Prüfkörpers (21) parallel zur Extrusions- oder Kalandrierrichtung der Verbundfolie liegt, sowie das Aufbringen der Vorspannung nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 9.2 und 9.5;
c) die anschließende Durchführung des einachsigen Zugversuchs erfolgt nach ISO 527-1:1996 mit einer konstanten Prüfgeschwindigkeit von 800 mm/min und bei einer konstanten Temperatur von 80 °C, wobei zeitlich unmittelbar vor dem Beginn der Durchführung der Zugprüfung der eingespannte Prüfkörper (21) in einer auf 80 °C temperierten Klimakammer für einen Zeitraum von 10 Minuten verweilt,
d) während der Durchführung des Zugversuches erfolgt die Aufzeichnung der auftretenden Zugkräfte in Abhängigkeit der Prüfzeit ab Beginn der Prüfung in einem Bereich der nominellen Dehnung (nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 10.2) zwischen 0 % und 100 %". Die übrigen Ansprüche sind unmittelbar oder mittelbar auf diesen und auf
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den in der erteilten Fassung des Patents nebengeordneten Patentanspruch 8 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Begründung angegriffen, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in einer geänderten Fassung mit lediglich einem unabhängigen Patentanspruch 1 (in der erteilten Fassung) und hilfsweise in weiter beschränkten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent in der Fassung ihres erstinstanzlichen Hauptantrags und hilfsweise mit den erstinstanzlichen Hilfsanträgen III und IV verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft eine Verbundfolie, insbesondere eine Möbelfolie , mit einer zweischichtigen coextrudierten Trägerschicht. 1. Im Stand der Technik waren Möbelfolien aus thermoplastischem
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Kunststoff bekannt. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift werden insbesondere bei Hochglanzoberflächen hohe Anforderungen an die Kratzfestigkeit solcher Folien gestellt. Es wird deshalb üblicherweise eine dünne Kratzfestschicht auf eine pigmentierte Polyvinylchlorid-(PVC-)Trägerfolie laminiert und anschließend eine Primerschicht auf die Rückseite aufgetragen. Derartige Folien erfüllten - so erläutert die Streitpatentschrift - zwar weitgehend die an Möbelfolien gestellten optischen und physikalischen Anforderungen, gälten jedoch mittlerweile als ökologisch bedenklich (Beschreibung Abs. 3). Ökologisch günstigere PVC-freie Möbelfolien erfüllten hingegen die Anforderungen an Thermoformbarkeit, Oberflächeneigenschaften und Hafteigenschaften nur teilweise oder gar nicht (Abs. 3 bis 5).
8
2. Die Aufgabe des Streitpatents besteht mithin darin, eine Verbundfolie zu entwickeln, welche die Nachteile PVC-haltiger Folien vermeidet, aber den Anforderungen an Thermoformbarkeit, Oberflächenfestigkeit und Beständigkeit und Haftung auf Holzwerkstoffen genügt (Beschreibung Abs. 6). 3. Als Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine mehr9 schichtige (Möbel-)Verbundfolie vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (kursiv die zusätzlichen Merkmale des erstinstanzlichen Hilfsantrags III): (1) Die Folie ist (a) mehrschichtig und (b) im Wesentlichen polyvinylchlorid- und polyolefinfrei und (c) hat eine Stärke von 200 bis 1.000 µm. (2) Sie weist mindestens eine Trägerschicht auf, welche aufweist: (a) Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), insbesondere mit Zumischungen , oder (b) Polystyrol, insbesondere hochschlagfestes Polystyrol oder Polystyrol mit Zumischungen, oder (c) Polyester, insbesondere amorphes Polyester-Copolymer. (3) Die Trägerschicht ist (a) mindestens zweischichtig, (b) ein Coextrudat und (c) unter einer Deckschicht angeordnet, (d) wobei Deckschicht und Trägerschicht ohne Primerschicht unmittelbar miteinander verbunden sind.
(4) Bei der einachsigen Zugprüfung eines aus der Verbundfolie bestehenden Prüfkörpers (21) tritt eine maximale Zugkraft zwischen 30 und 280 Newton auf, wobei die einachsige Zugprüfung folgender Prüfvorschrift genügt: (a) Der Prüfkörper (21) gemäß Typ 1 B nach ISO 527-2:1996 Abschnitt 6 mit einer Dicke, welche der Dicke der zu prüfenden Verbundfolie entspricht, wird vor Prüfbeginn 24 h bei 23 °C und 50 % relativer Luftfeuchte gelagert; (b) anschließend erfolgt die Einspannung des so vorbehandelten Prüfkörpers (21) in ein Prüfgerät nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 5, wobei die Längsachse des Prüfkörpers (21) parallel zur Extrusions- oder Kalandrierrichtung der Verbundfolie liegt, sowie das Aufbringen der Vorspannung nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 9.2 und 9.5; (c) die anschließende Durchführung des einachsigen Zugversuchs erfolgt nach ISO 527-1:1996 mit einer konstanten Prüfgeschwindigkeit von 800 mm/min und bei einer konstanten Temperatur von 80 °C, wobei zeitlich unmittelbar vor dem Beginn der Durchführung der Zugprüfung der eingespannte Prüfkörper in einer auf 80 °C temperierten Klimakammer für einen Zeitraum von 10 Minuten verweilt; (d) während der Durchführung des Zugversuches erfolgt die Aufzeichnung der auftretenden Zugkräfte in Abhängigkeit der Prüfzeit ab Beginn der Prüfung in einem Bereich der nominellen Dehnung (nach ISO 527-1:1996 Abschnitt 10.2) zwischen 0 % und 100 %.
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Figur 2 zeigt ein Ausführungsbeispiel, wobei mit dem Bezugszeichen 1 die Deckschicht, mit 2 und 3 eine zweischichtige Trägerschicht und mit 4 eine Primerschicht bezeichnet ist:
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4. Im Hinblick auf einige Merkmale bedarf der Sinngehalt des Patentanspruchs 1 der Erörterung.
a) Die erfindungsgemäße Folie ist mehrschichtig (Merkmal 1a) und
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weist mindestens eine Trägerschicht (Merkmal 2) aus einer oder mehreren der in den Merkmalen 2a bis 2c genannten Komponenten sowie eine auf dieser angeordnete Deckschicht (Merkmal 3c) auf.
b) Die Trägerschicht ist jedoch ihrerseits mindestens zweischichtig
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(Merkmal 3a). Entgegen der Auffassung des Patentgerichts kann eine dieser beiden (Teil-)Schichten keine Primerschicht sein. Nach der Beschreibung und den Ausführungsbeispielen (Abs. 27, 53 bis 63) ist die (dünne) Primerschicht stets eine zusätzliche Haftvermittlungsschicht, die entweder unterhalb der Trägerschicht angebracht ist (Figuren 2, 3 und 5) und der Verbindung mit dem Korpus dient oder sich auf beiden Seiten der (zwei- oder dreiteiligen) Trägerschicht befindet und diese mit dem Korpus einerseits und der Deckschicht andererseits verbindet (Figur 4). Auch bei funktioneller Betrachtung kommt die Primerschicht in ihrer Ei14 genschaft als Haftvermittlungsschicht nicht als Träger in Betracht. In den Ausführungsbeispielen bestehen die mindestens zwei (Teil-)Schichten der Trägerschicht jeweils aus demselben Material, wobei den beiden Teilschichten unterschiedliche Zusätze, etwa der oberen Teilschicht ein Additiv zur UV-Stabilisierung , beigegeben werden können. Da dieses nur in der oberen Trägerschicht benötigt wird, kann diese dünner als die untere ausgeführt werden. Zwar wird vom Patentanspruch weder die stoffliche Übereinstimmung noch die Dicke der Teilschichten vorgegeben. Beide Teilschichten der Trägerschicht müssen aber einen praktisch ins Gewicht fallenden Beitrag zu der Funktion der Schicht leisten , als Träger der erfindungsgemäßen Folie zu dienen.
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Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem vom Patentgericht vorgenommenen Rückgriff auf die Beschreibung der Anmeldung (veröffentlicht als WO 02/090109). Anmeldung und Patentschrift weichen hinsichtlich des Schichtenaufbaus der Trägerschicht voneinander ab. Anspruch 1 der Anmeldung ist deutlich weiter als Anspruch 1 des Streitpatents gefasst und verlangt nur mindestens eine Trägerschicht. Sie kann nach Anspruch 8 der Anmeldung ein einschichtiges oder mindestens zweischichtiges Coextrudat sein. Die Beschreibung des Streitpatents ist dem engeren Patentanspruch nicht angepasst worden und formuliert, dass die Verbundfolie "mindestens eine Trägerschicht" aufweise (Abs. 11) und "im Falle ihres einschichtigen Aufbaus" bevorzugt 94 bis 98 % der Gesamtstärke der Verbundfolie ausmache (Abs. 17). Auch in der Figurenbeschreibung heißt es jeweils, dass die Schicht 2 entfallen könne, in der Regel aber gefertigt werde (Abs. 51 bis 57 sowie 61, jeweils aE). Bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung genießt jedoch der Anspruch Vorrang, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - X ZR 102/15, BeckRS 2017, 117715 Rn. 12; Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 Rn. 25 = GRUR 2011, 701 - Okklusionsvorrichtung

).


c) Die Merkmalsgruppe 4 beinhaltet ein Prüfverfahren zur Ermittlung
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der erfindungsgemäßen maximalen Zugkraft. Das Testverfahren selbst ändert die Sacheigenschaften der Verbundfolie nicht, sondern definiert, wie die inhärenten Merkmale der jeweiligen Verbundfolie festgestellt werden können. Die Merkmalsgruppe 4 besagt, dass die Schichtdicke der Verbundfolie und insbesondere die Schichtdicke der Trägerschicht so zu bemessen sind, dass die beim Thermoverformen auftretenden Kräfte in einem gewünschten Bereich liegen. Sie dient daher der Dimensionierung der erfindungsgemäßen Verbundfo- lie. Über die Beschaffenheit der Verbundfolie im Übrigen macht die Merkmalsgruppe 4 keine Angaben.
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II. Das Patentgericht hat die nach seiner Auffassung fehlende Patentfähigkeit im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag beruhe
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nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit sei die deutsche Offenlegungsschrift 27 30 899 (K4). Die Schrift beschreibe für dreischichtige Verbunde die Herstellung eines Teilverbunds aus Zwischenschicht und Dekorschicht durch Kaschieren oder Extrusion der Deckschicht auf eine Zwischenschichtfolie. Die Verbindung der Trägerschicht mit diesem Teilverbund erfolge wiederum mittels Extrusionsbeschichtung oder Kaschierens. Der Fachmann - ein diplomierter oder promovierter Chemiker mit mehrjähriger Erfahrung mit der Herstellung und Anwendung von Polymer- und Polymerverbundfolien - werde ausgehend hiervon und vorzugsweise unter dem schon vor dem Prioritätstag wünschenswerten Verzicht auf PVC einen dreischichtigen Verbund mit den üblichen Herstellungsverfahren des Kaschierens, Extrudierens oder Coextrudierens fertigen. Die Coextrusion habe zudem auch deshalb nahegelegen, weil es nach der K4 vorteilhaft sei, die Trägerschicht selbst mehrschichtig aufzubauen und hierbei insbesondere, wie beim Streitpatent, eine Schicht aus zerkleinertem Verschnitt zu verwenden. Die Eigenschaften der Verbundfolie werde der Fachmann im Hinblick auf den gewünschten Einsatzzweck als Möbelfolie zu optimieren suchen und hierbei zu einer Schichtdicke gelangen, die bei Anwendung der Prüfvorschrift nach der Merkmalsgruppe 4 eine im Rahmen des Üblichen liegende maximale Zugkraft zwischen 30 und 280 N ergebe. Die Ausgestaltung und Wahl der geeigneten Messmethode gehöre zudem zum fachüblichen Handeln.
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Das Streitpatent habe auch in der Fassung der Hilfsanträge keinen Bestand. Die - von der Berufung allein weiterverfolgten - Hilfsanträge III und IV seien nicht zulässig. Der Verzicht auf eine Primerschicht zwischen Deck- und Trägerschicht sei als nicht ursprungsoffenbart anzusehen. Die Anmeldung definiere nicht, was bei einer beliebigen Verbundfolie Deckschicht und was Trägerschicht sein solle. Zudem sei der Gegenstand der Hilfsanträge auch nicht patentfähig. Aus der K4 ergäben sich Schichtfolgen, in denen eine Trägerschicht unmittelbar an eine Deckschicht angrenze, so dass auch mit diesem Merkmal eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden könne. So sei im Fall eines Dreischichtenverbundes der als mehrschichtige Trägerschicht im Sinn des Streitpatents zu verstehende Teilverbund aus Trägerschicht und Zwischenschicht mit der Deckschicht verbunden, ohne dass eine weitere Zwischenschicht , insbesondere eine weitere Primerschicht, vorgesehen sei. III. Das Urteil des Patentgerichts hält der Nachprüfung im Berufungsver20 fahren stand. Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand des Streitpatents weder in der erteilten Fassung noch in der Fassung eines der beiden Hilfsanträge für patentfähig erachtet.
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1. Ohne Erfolg greift die Berufung die Wertung des Patentgerichts an, der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
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Das Patentgericht hat zutreffend und von der Berufung nicht beanstandet angenommen, dass die Überlegungen des Fachmanns zur Weiterentwicklung von Möbelverbundfolien ihren Ausgangspunkt bei der K4 nehmen konnten. Gegenstand dieses Dokuments sind dekorative Verbunde aus einer vorzugsweise 50 bis 500 µm dicken transparenten Deckschicht und einer Trägerschicht. Die Deckschicht besteht aus Polycarbonat, einem niedrig schmelzenden thermoplastischen Polyester, einem transparenten ABS-Polymerisat oder vorzugsweise Polymethylmethacrylat (PMMA). Die Trägerschicht ist aus Polyvinylchlorid oder einem Styrolpolymerisat aufgebaut (K4, S. 4 Abs. 1); im letzteren Fall ist die Folie polyvinylchorid- und polyolefinfrei. Bei der Herstellung unterscheidet die K4 zwischen Verbunden ohne, mit einer oder mit mehreren Zwischenschichten. Für dreischichtige Verbunde (Deckschicht - Zwischenschicht - Trägerschicht ) beschreibt die Schrift die Herstellung eines Teilverbunds aus Zwischenschicht und Dekorschicht durch Kaschieren oder Extrusion der Deckschicht auf eine Zwischenschichtfolie. Die Verbindung der Trägerschicht mit dem Teilverbund erfolgt wiederum mittels Extrusionsbeschichtung oder Kaschierens (K4, S. 13 Abs. 3). Damit sind, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1a, 1b, 2 und 3c des Streitpatents offenbart.
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Der mindestens zweischichtige Aufbau der Trägerschicht der erfindungsgemäßen Verbundfolie (Merkmal 3a; Abs. 15) war ebenfalls aus der Entgegenhaltung bekannt. Die K4 offenbart, die Trägerschicht, die aus Polystyrol bestehen kann (Merkmal 2b), mehrschichtig zu wählen. Nach der Beschreibung soll der bei der Herstellung der Verbunde anfallende Verschnitt vorzugsweise bei der Herstellung der Trägerschicht wiederverwendet werden. Er kann beim Extrudieren der Trägerschicht gemahlen in diese eingemischt werden. Vorteilhaft ist es daher, die Trägerschicht mehrschichtig aufzubauen, wobei diese dann vorzugsweise eine Schicht aus dem zerkleinerten und extrudierten Verschnitt enthält (K4, S. 14 Abs. 2).
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Nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, offenbart sind damit die Merkmale 3b und 4.
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Zur Fertigung einer mehrschichtigen Trägerschicht aus dem gleichen Kunststoff bediente sich der - vom Patentgericht zutreffend definierte - Fachmann jedoch fachüblicher Herstellungsmethoden. Sofern er hierzu überhaupt einer weiteren Anregung bedurfte, konnte er dem Aufsatz von Johnson, Coextrusion , Plastics Technology 1976, 45 (K8), welcher sich mit Extrusionstech- niken befasst, entnehmen, dass die Coextrusion, sofern ihre Anwendung möglich ist, im Zweifel technisch wie wirtschaftlich die Methode der Wahl darstellt (K8, S. 1). Es bot sich dem Fachmann mithin an, die vorgeschlagene Trägerdoppelschicht durch Coextrusion herzustellen (Merkmal 3b).
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Für den Fachmann lag es auch jedenfalls nahe, die Stärke der vorgeschlagenen Trägerdoppelschicht so einzustellen, dass bei der einachsigen Zugprüfung eines aus der Verbundfolie bestehenden Prüfkörpers bei Beachtung der Prüfvorschrift nach Merkmal 4 eine maximale Zugkraft zwischen 30 bis 280 Newton auftritt.
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Das Prüfverfahren gemäß der Merkmalsgruppe 4 dient, wie ausgeführt, lediglich zur Ermittlung der maximalen Zugkraft, welche unter den angegebenen Bedingungen bei der Zugprüfung auftritt. Sie wird mit einem relativ weiten Bereich angegeben, der von 30 bis 280 Newton reicht. Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist dieser Wertebereich für die maximale Zugkraft nicht ungewöhnlich gewählt, sondern entspricht einer für die als Möbelverbundfolien verwendeten Polymere durchaus üblichen Größenordnung. Das Patentgericht hat sich für diese Feststellung beispielhaft auf das deutsche Gebrauchsmuster 93 08 242 (K9) gestützt, in dem für Folien aus einem ABS-Copolymer mit Polycaprolacton Zugfestigkeitswerte von 41,7, 46,7, 39,6 und 43,5 MPa angegeben werden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung begründen könnten, werden von der Berufung nicht dargetan und sind auch für den Senat nicht erkennbar (§ 117 PatG i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Feststellung des Patentgerichts wird vielmehr von dem von der Klägerin als Anlage K5 vorgelegten Untersuchungsbericht gestützt, der für Verbundfolien aus PMMA und ABS mit einer Stärke von 0,8 mm bei einer Testtemperatur von 23 °C entsprechende Zugfestigkeiten zwischen 46 und 47,1 MPa angibt, bei einer Testtemperatur von 80 °C, wie sie nach Merkmal 4c vorgesehen ist, hingegen für die gleichen Verbundfolien Zugfestigkeiten zwi- schen 27,9 und 32,4 MPa (219 bis 253 N). Die von der Berufung gegen diese Untersuchungen erhobenen Einwände, bei dem untersuchten Material handele es sich lediglich um eine zweischichtige Verbundfolie und es sei außerdem unklar , ob es sich um Coextrudate oder Laminate gehandelt habe und ob die Lagerbedingungen nach Merkmal 4a beachtet worden seien, vermögen nichts daran zu ändern, dass die Untersuchungsergebnisse die Feststellung des Patentgerichts stützen, dass die bei der vorgeschriebenen Zugprüfung streitpatentgemäß auftretenden maximalen Zugkräfte in einer Größenordnung liegen, die bei Absenkung der Testtemperatur von 80 auf 23 °C im üblichen Bereich liegt.
28
2. Soweit die Beklagte das Streitpatent mit ihren Hilfsanträgen verteidigt , hat die Berufung in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
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a) Aus Hilfsantrag III ergibt sich kein patentfähiger Gegenstand.
30
Merkmal 1c, nach dem die Verbundfolie eine Stärke von 200 bis 1.000 µm hat, gibt lediglich ein übliches, etwa aus der K4 (S. 4 Abs. 1) bekanntes Maß an. Danach sind Gegenstand der Entgegenhaltung Verbunde aus einer vorzugsweise 50 bis 500 µm dicken Deckschicht und einer vorzugsweise mehr als 500 µm dicken Trägerschicht.
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Merkmal 3d, nach dem Deckschicht und Trägerschicht ohne eine Haftvermittlungsschicht (Primerschicht) verbunden sind, lag für den Fachmann ebenfalls nahe. Zwar heißt es in der K4, dass sich ein Verbund aus den beschriebenen Deckschichten mit einer Trägerschicht aus Hart-PVC, beispielsweise durch Extrusionsbeschichtung oder Coextrusion, ohne den Einsatz einer Zwischenschicht herstellen lasse, ein Verbund aus einer der beschriebenen Deckschichten mit einer Trägerschicht aus einem Styrolpolymerisat hingegen nur unter Verwendung mindestens einer haftvermittelnden Zwischenschicht zwischen Deck- und Trägerschicht möglich sei (K4, S. 7 Abs. 1). Zum Priori- tätszeitpunkt konnte der Fachmann, der aus ökologischen Gründen die 1977 noch gängige PVC-Alternative vermeiden wollte, aber dem Stand der Technik entnehmen, dass tatsächlich die Verbindung von Träger- und Deckschicht auch ohne haftvermittelnde Zwischenschicht möglich war. In der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 283 861 (K6) ist ein zweischichtiger Schichtverbund aus einer Schicht a aus Polycarbonat oder PMMA und einer Schicht b aus ABS offenbart. Die Schichten a und b sind als coextrudiert beschrieben, können aber auch als selbständige Folien hergestellt und durch kontinuierliches Verpressen zwischen beheizten Walzen in der Wärme zu der Verbundfolie vereinigt werden (K6, Sp. 3 Z. 38-45; Sp. 4 Z. 6-10); eine Primerschicht ist dementsprechend nicht vorgesehen. Die europäische Patentschrift 495 026 und deren vorgelegte veröffentlichte deutsche Übersetzung DE 691 17 720 T2 (K7) stellen einen Weg für die kontinuierliche Herstellung eines wärmeverformbaren Laminats aus ABS und vernetztem PMMA dar. Eine Primerschicht ist ebenfalls nicht beschrieben (K7 S. 4); vielmehr trat eine erfolgreiche Bindung der Materialien aneinander ohne Verwendung eines Haftmittels ein (K7, S. 7 Abs. 3).
32
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag IV verteidigten Fassung war dem Fachmann ebenso nahegelegt. Auch das zusätzliche Merkmal, nach dem die Stärke der Deckschicht zwischen 1 und 5 % der Gesamtstärke der Verbundfolie beträgt, gibt lediglich, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, eine fachübliche Möglichkeit wieder. So offenbart die K4 in Beispiel 2 eine 50 µm dicke Deckschicht bei einer Gesamtstärke der Folie von 3.650 µm; das entspricht 1,4 % des Gesamtverbundes und liegt damit im beanspruchten Bereich.
33
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski Hoffmann Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.06.2015 - 3 Ni 11/14 (EP) -
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung
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published on 09/05/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 102/15 Verkündet am: 9. Mai 2017 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2017:090517UXZR102.15.0 D
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Annotations

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)