Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2008 - X ZR 107/04

bei uns veröffentlicht am30.01.2008
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 37/02, 11.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 107/04 Verkündet am:
30. Januar 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Betonstraßenfertiger
EPÜ Art. 87 Abs. 1, 88 Abs. 4
Der wirksamen Inanspruchnahme des Prioritätsrechts steht es nicht entgegen, dass
in dem auf die Nachanmeldung erteilten Patent eine technische Wirkung beansprucht
ist, die in der Prioritätsanmeldung nicht angegeben ist, wenn die Erzielung der Wirkung
aus der Sicht des Fachmanns bei der Nacharbeitung der offenbarten Erfindung
selbstverständlich erscheint.
BGH, Urt. v. 30. Januar 2008 - X ZR 107/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Mai 2004 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 0 756 654 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Maschine (1) zum Planieren von Beton, bei der ausgeschütteter Beton über eine vorherbestimmte Breite verteilt wird und wobei dieser Beton in einer bestimmten Höhe abgestrichen wird, wobei die Maschine (1) in der Breite einstellbar ist und einen Wagen (45) umfasst, der eine Hin- und Herbewegung in der Breite ausführen kann, indem er über eine Führung bewegt wird, wobei an dem Wagen (45) ein Polierteil (57) angebracht ist und wobei die Länge der Führung in Abhängigkeit von der erforderlichen Arbeitsbreite verstellt werden kann, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Führung eine Schienenkonstruktion (36) ist, die aus zwei teleskopisch ineinander verschiebbaren Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) besteht, die jeweils an Säulen (10) befestigt sind, unter denen die Raupen (11) der Fortbewegungsmittel der Maschine (1) angebracht sind, dass jedes der Schienenkonstruktionsteile (26, 27) mit Rippen (37, 38; 39, 40) versehen ist, mit denen Laufräder (41-44) zusammenwirken können, die zu diesem Zweck an der Unterseite und der Oberseite des Wagens (45) angebracht sind, und dass jedes der Laufräder (41-44) zwei nebeneinander angeordnete Umfangsnuten (46, 47) aufweist, die mit den Rippen (37, 38) des einen Schienenkonstruktionsteils (26), bzw. mit den Rippen (39, 40) des anderen Schienenkonstruktionsteils (27) zusammenwirken können, so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen. 2. Maschine nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass der Wagen (45) mit einem Motor (48) ausgestattet ist, der ein Kettenrad (49) antreibt, das über eine Kette (50) läuft, wobei diese Kette (50), einerseits und anderseits, an den Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) befestigt ist, so dass der Wagen (45) mittels des Motors (48) und durch das Verrollen des Kettenrads (49) entlang der Schienenkonstruktion (36) hinund herbewegt werden kann. 3. Maschine nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass das Polierteil (57) und spezieller die Polierplatte (16) in einem Winkel eingestellt werden können. 4. Maschine nach Anspruch 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass das Polierteil (57) mittels eines nach unten hängenden Hebels (68) am Wagen (45) befestigt ist, welcher Hebel mittels eines horizontalen Drehzapfens (69) schwenkbar am Wagen (45) angebracht ist, dass dieser Hebel (68) an seinem freien unteren Ende frei drehbar mittels eines Zapfens (70) mit nach unten gerichteten Armen (71, 72) verbunden ist, die in Bezug zueinander einen stumpfen Winkel bilden und unter denen die Polierplatte (16) montiert ist und dass die Polierplatte (57) mit einem Antrieb versehen ist, der den Hebel (68) um den Zapfen hin- und herschwenkt. 5. Maschine nach einem der Ansprüche 1 bis 4, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Polierteil (57) mit einer Polierplatte (16) versehen ist, die hin- und herschwenkt, wobei die Polierplatte (16) so aufgehängt ist, dass sie frei verschiebbar ist, vorzugsweise mittels koaxial angebrachter Stangen (75, 76), die mit der Polierplatte (16) verbunden sind und die in Buchsen (73, 74) frei verschiebbar sind. 6. Maschine nach einem der Ansprüche 1 bis 5, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Polierteil (57) mit einer Polierplatte (16) versehen ist, deren Gewicht mittels einer darüber montierten Zugfeder (81) etwas kompensiert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben , die des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 11. April 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der belgischen Patentanmeldung 94 00 398 vom 19. April 1994 angemeldeten, in der Verfahrenssprache Englisch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 756 654 (Streitpatents). Es umfasst nach der im europäischen Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung 15 Patentansprüche, deren erster lautet: "1. Machine for levelling concrete, of the type whereby poured concrete (2) is spread over a predetermined width and whereby this concrete (2) is skimmed off at a certain height, said machine (1) being adjustable in width and contains an element which can make a to- and-fro-movement in the width by being moved over a guide (36), c h a r a c t e r i s e d i n that the length of said guide (36) can be telescopically adjusted as a function of the required working width of the machine, whereby said element can make a continuous movement over the entire length of the guide (36) without the transition or transitions between the different telescopic guide parts (26, 27) being an obstacle."
2
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Ihm fehle es an der Neuheit, und zwar infolge offenkundiger Vorbenutzung durch die Ausstellung des Betonstraßenfertigers "D. Paver 2500" - dessen Übereinstimmung mit der patentierten Erfindung die Beklagte nicht in Abrede stellt - auf der INTERMATMesse in Paris vom 19. bis 24. April 1994. Die Priorität der belgischen Patentanmeldung 94 00 398 könne die Beklagte ni cht in Anspruch nehmen. Außerdem hat die Klägerin fehlende erfinderische Tätigkeit geltend gemacht und sich dafür unter anderem auf folgende Druckschriften gestützt: US-Patentschrift 3 970 405 (D 1) US-Patentschrift 4 446 757 (D 4) US-Patentschrift 5 061 115 (D 7) US-Patentschrift 4 392 574 (D 8) deutsche Offenlegungsschrift 21 38 923 (D 9).
3
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Streitpatent hilfsweise beschränkt verteidigt.
4
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht das Streitpatent in vollem Umfang für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
5
Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verteidigt die Beklagte das Streitpatent beschränkt mit den aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüchen; im Übrigen verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
6
Die Klägerin stützt sich für ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung ergänzend auf das belgische Patent 882 845.

Entscheidungsgründe:


7
Die Berufung, die das Streitpatent in zulässiger Weise beschränkt verteidigt , hat Erfolg; lediglich in dem Umfang, in dem das Schutzrecht nicht mehr verteidigt wird, ist es - ohne weitere Sachprüfung - für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 - Carvedilol II).
8
I. Das Streitpatent bezieht sich in seiner verteidigten Fassung auf eine Betonplaniermaschine (auch: Betonstraßen- oder Gleitschalungsfertiger), die mit einer Poliervorrichtung zum Glätten des verarbeiteten Betons versehen ist. Solche mobilen Maschinen sind der Streitpatentschrift zufolge zum Zwecke der Herstellung von Betonfahrbahnen an ihrer Unterseite mit Werkzeugen versehen , um den vor die Maschine gegossenen Beton mehr oder weniger zu planieren (in der Höhe abzustreichen), zu rütteln und schließlich zu glätten (in der Diktion des Streitpatents: zu polieren), so dass nach der Durchfahrt der Maschine eine Fahrbahn vollständig fertiggestellt ist. Die Vorrichtungen herkömmlicher Maschinen müssen, wie weiter ausgeführt wird, an jede unterschiedliche Bahnbreite durch Anbringen oder Abmontieren von Zusatzteilen kostenintensiv und aufwendig und dabei ohne die Möglichkeit einer gleitenden Feinabstimmung angepasst werden. Adäquatere Systeme, wie sie unter anderem aus der USPatentschrift 3 970 405 bekannt seien, verfügten über die Möglichkeit der automatischen Breiteneinstellung der Betonplaniermaschinen.
9
Zum Zwecke der weiteren Verbesserung und universellen Anwendbarkeit lehrt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung eine Maschine zum Planieren von Beton (1), 1. bei der ausgeschütteter Beton 1.1 über eine vorherbestimmte Breite verteilt und 1.2 in einer bestimmten Höhe abgestrichen wird, 2. die in der Breite einstellbar ist, 3. die über an Säulen (10) angebrachte Fortbewegungsmittel mit Raupen (11) verfügt und 4. die einen Wagen (45) umfasst, 4.1 der über eine Führung eine Hin- und Herbewegung in der Breite ausführen kann, 4.2 an dem ein Polierteil (57) und 4.3 an dessen Unter- und Oberseite Laufräder (41-44) angebracht sind, 4.4 die jeweils zwei nebeneinander angeordnete Umfangsnuten (46, 47) aufweisen, wobei 5. die Führung eine Schienenkonstruktion (36) ist, die 5.1 in Abhängigkeit von der erforderlichen Arbeitsbreite in ihrer Länge verstellbar ist, 5.2 aus zwei teleskopisch ineinander verschiebbaren Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) besteht, 5.3 die jeweils an den Säulen (10) befestigt sind, unter denen sich die Raupen der Fortbewegungsmittel (11) der Maschine (1) befinden, 6. jedes der Schienenkonstruktionsteile mit Rippen (37-40) versehen ist und 7. die Umfangsnuten jedes der Laufräder (41-44) mit den Rippen (37, 38) des einen Schienenkonstruktionsteils bzw. mit den Rippen (39, 40) des anderen Schienenkonstruktionsteils zusammenwirken können, so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen.
10
Die nachfolgend abgebildete Figur 4 zeigt schematisch die Führung einer solchen Maschine mit Wagen und Polierteil in perspektivischer Sicht; die Figuren 7 und 8 veranschaulichen das Zusammenwirken der Führungsrippen mit den Laufrädern:
11
II. Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung ist neu.
12
1. Seine Lehre ist in keiner der Entgegenhaltungen vollständig beschrieben. Das gilt namentlich für die US-Patentschrift 3 970 405. Nach ihrer Lehre gebaute Gleitschalungsfertiger verfügen bereits nicht über ein dem Streitpatent entsprechendes Polierteil, sondern weisen lediglich eine - im vorderen Bereich des Fertigers angebrachte - Montageeinheit (Bezugszeichen 550) zum Verteilen des Betons auf. Diese Verteilerschaufel wird zwar quer zur Fahrtrichtung der Maschine über deren volle Arbeitsbreite hin- und herbewegt. Dies geschieht jedoch nicht an der Führung, an der die Fortbewegungsmittel angebracht sind und mit der die (Spur-)Breite der Maschine verstellt wird, sondern dafür ist ein gesondertes, am Unterbau des Fertigers angebrachtes Teil vorgesehen (vgl. Fig. 22 und 25).
13
Die US-Patentschrift 5 061 115 offenbart zwar ein mit dem Polierwerkzeug des Streitpatents nahezu identisches Kellenelement zum Betonglätten, das quer über die gesamte Arbeitsbreite der zugehörigen Maschine hin- und herbewegt werden kann. Anders als beim Streitpatent wird dieses Kellenelement jedoch nicht an einem Wagen bewegt, sondern an einer Laufkatze. Die Maschine kann ihre Fahrbahn- und Arbeitsbreite überdies nicht gleitend durch teleskopische Führungen variieren, sondern muss zu diesem Zweck umgebaut werden.
14
Das belgische Patent Nr. 882 845 und das seine Priorität in Anspruch nehmende US-Patent 4 392 574 betreffen Turmdrehkräne mit teleskopischen, zweiteiligen Laufkatzenauslegern. Durch Ausfahren der Auslegerspitze kann die Transportreichweite der Kräne - ähnlich wie die Arbeitsbreite des Polierteils beim Streitpatent - variiert werden. Die Neuheit der Lehre des verteidigten Streitpatents wird durch diese beiden Schriften ebenfalls nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon, dass sie einen anderen Gegenstand betreffen als das Streitpatent in seiner verteidigten Fassung, stimmen auch mehrere Merkmale nicht überein. So ist an der - an die Stelle des Wagens tretenden - Laufkatze kein dem Polierteil entsprechendes Gerät befestigt, sondern daran hängt das zum Bewegen und Verladen von Lasten dienende Kranseil. Die Rollen der Laufkatze weisen keine Rillen (Nuten) auf, welche mit Rippen auf den Schienenführungen der Auslegerteile zusammenwirken, sondern sie laufen plan auf Metallprofilen (vgl. Fig. 3 des belgischen Patents 882 845).
15
Der in der deutschen Offenlegungsschrift 21 38 923 offenbarte Teleskopausleger für Kräne ist vom verteidigten Streitpatent noch weiter entfernt. Um ein erschütterungsfreies Verfahren einer Last über Auslegerfuß und -spitze zu ermöglichen, weist Ersterer eine Laufbahn für eine Laufkatze mit Lasttrageund Hebeeinrichtung auf und Letztere eine höhenversetzte Bahn für einen Schlitten mit einem Laufbahnabschnitt, der direkt mit dem freien Ende der Bahn des Auslegerfußes fluchtet, um die Laufkatze zu übernehmen.
16
2. Neuheitsschädlich ist auch nicht die Ausstellung der Maschine vom Typ "D. Paver 2500" auf der INTERMAT-Messe 1994. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Priorität der belgischen Anmeldung 94 00 398 beansprucht werden.
17
a) Bei Anmeldung eines Patents kann das Prioritätsrecht einer vorangegangenen Anmeldung in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen (Art. 87 Abs. 1 EPÜ). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; vgl. auch Busse/Keukenschrijver, PatG 6. Aufl. § 40 Rdn. 16; Benkard/Ullmann/Grabinski, EPÜ Art. 88 Rdn. 9). Der Gegenstand der Erfindung ist bei der prioritätsbeanspruchenden Anmeldung aus den Patentansprüchen zu ermitteln, bei der prioritätsbegründenden aus der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen. Ebenso wenig wie eine Beschränkung des Gegenstands der Erfindung in der Nachanmeldung dessen Identität mit dem (weiteren) Gegenstand der prioritätsbegründenden Anmeldung aufhebt (vgl. Benkard /Ullmann/Grabinski aaO Art. 88 Rdn. 10 m.w.N.), wird das Prioritätsrecht der Nachanmeldung davon berührt, dass ihr Gegenstand erst nach Patenterteilung infolge nachträglicher Beschränkung deckungsgleich mit der prioritätsbegründenden Anmeldung wird (vgl. Sen.Urt. v. 14.10.2004 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133 - elektronische Funktionseinheit). Entscheidend ist, dass der beschränkte Gegenstand in der Nachanmeldung enthalten war und insoweit mit der ersten Anmeldung übereinstimmt. Dabei muss der Gegenstand der beanspruchten Erfindung der früheren Anmeldung in ihrer Gesamtheit unmittelbar und eindeutig entnommen werden können. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (vgl. BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; Senat GRUR 2003, 133 - elektronische Funktionseinheit, jew. mwN). Aus diesem engen Verständnis des Begriffs "derselben Erfindung" folgt indes nicht, dass die Identität bei jeder äußerlichen Inkongruenz von Text oder Zeichnung der prioritätsbegründenden und -beanspruchenden Anmeldung entfällt. Wenn beide nur deshalb nicht deckungsgleich sind, weil in Letzterer erkennbar lediglich sprachliche oder zeichnerische Unvollkommenheiten der Ersteren behoben worden sind, ohne dass unterschiedliche Erfindungsgegenstände oder Erweiterungen vorliegen, ist die erforderliche unmittelbare und eindeutige Übereinstimmung gewahrt.
18
b) Die Gegenstände der belgischen Anmeldung und des Streitpatents in der verteidigten Fassung sind identisch in diesem Sinne.
19
aa) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Voranmeldung beziehe sich allein auf eine Glättvorrichtung (Polierteil), während es sich beim Streitpatent um eine Maschine mit drei Werkzeugen zum Verteilen, Abstreichen und Polieren des Betons handele. Dafür, ob die für das Prioritätsrecht erforderliche Übereinstimmung der nachträglich beanspruchten Merkmalskombination mit der Voranmeldung besteht, sind Bedeutung und Tragweise der Ersteren durch Auslegung der Patentansprüche zu ermitteln (BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I). Mit Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung wird kein Schutz für Betonstraßenfertiger beansprucht, soweit sie (lediglich) mit Vorrichtungen zum Verteilen und Abstreichen von Beton ausgestattet sind. Patentschutz wird vielmehr allein für die zusätzliche Ausstattung dieser Maschinen mit Vorrichtungen gemäß den Merkmalen 4 bis 7 der obigen Merkmalsgliederung begehrt.
20
Nicht anders verhält es sich bei der belgischen Patentanmeldung. Auch wenn sie sich ihrem Wortlaut nach auf "Verbesserungen an BetonNivelliermaschinen" bezieht, ergibt die Auslegung der Beschreibung, dass dort weder abstrakt eine isolierte Glättvorrichtung offenbart ist noch erfindungsgemäß der Betonstraßenfertiger nicht mit den - üblichen - Arbeitsmitteln zum Verteilen und Abstreichen des Betons ausgestattet sein soll. Wie beim Streitpatent bezieht sich die Voranmeldung auf eine an einem solchen Betonstraßenfertiger zusätzlich angebrachte Vorrichtung (S. 1 unten: "De huidige uitvinding heeft dan ook betrekking op verbeteringen aan betonnivelleermachines, m.a.w. op middelen die, nadat het beton gestort en afgestrekken is, dit beton zeer effen kunnen polijsten zodanig dat een zeer mooi gelijkmatig opperflak wordt bekomen").
21
bb) Unschädlich für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts ist, dass der mit dem Polierteil (57) versehene Wagen (45) nach dem Wortlaut des verteidigten Patentanspruchs 1, anders als in der Voranmeldung, nicht ausdrücklich der hinteren Schienenführung zugeordnet ist. Nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift bezieht sich die offenbarte Erfindung aus der Sicht des Fachmanns allein auf die Anbringung des Wagens an der hinteren Führung. Der Arbeitsgang des Polierens bzw. Glättens der Betonoberfläche ist der letzte Arbeitsgang , der von Gleitschalungsfertigern nach dem Verteilen, Abstreichen und Rütteln des Betons durchgeführt wird. Wäre das Polierteil gleichwohl an der vorderen Schienenführung angebracht, hieße dies, dass die Arbeitsmittel für die Verteilung, das Abstreichen und das Rütteln des Betons davor angebracht werden müssten, was mit einem technisch sinnlosen konstruktiven Aufwand verbunden wäre und aus der Sicht des Fachmanns deshalb auszuschließen ist. Denkbar wäre daneben nur noch die Anbringung unter der Maschine. Das aber zwänge, wie der Sachverständige erläutert hat, wegen des vertikalen Platzbedarfs der Glättvorrichtung dazu, den Unterbau proportional anzuheben, was aus fachmännischer Sicht technisch ebenfalls als so unvorteilhaft erscheint, dass es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Dementsprechend erläutert die Beschreibung die Figur 4 der Zeichnung im Übrigen auch als die schematische Darstellung einer Betonplaniermaschine, die "hinten" mit einer Poliervorrichtung versehen ist (vgl. Sp. 4 Ziff. 14 ff.).
22
cc) Dass die Erläuterung "…so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen", in der Voranmeldung fehlt, steht der Annahme der erforderlichen Übereinstimmung zwischen ihr und dem Streitpatent in der verteidigten Fassung ebenfalls nicht entgegen.
23
Trotz dieser Abweichung im Wortlaut liegt weder ein Aliud noch sonst eine die Inanspruchnahme der Priorität hindernde Abweichung vor. Aus der Sicht des durchschnittlich befähigten und bewanderten Fachmanns, bei dem es sich um einen Fachhochschul- bzw. Hochschulabsolventen der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Straßenbaumaschinen und Zusatzkenntnissen im Straßenbau handelt, ist der belgischen Anmeldung auch ohne den in den verteidigten Hauptanspruch aufgenommenen Zusatz zu entnehmen, dass es um die Erzielung einer erschütterungsfreien Vertikalbewegung des Wagens über die gesamte jeweilige Länge der Schienenkonstruktion hinweg unabhängig davon geht, ob deren Elemente (Bezugszeichen 9, 13 und 10, 11 der belgischen Anmeldung) auseinandergezogen sind oder nicht. Das steht nach der Erörterung mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest. Die Erfindung betrifft einen jedem Fachmann bewussten, neuralgischen Punkt der Herstellung von Betonfahrdecken, nämlich die Gefahr, dass nach dem Fertigungsprozess Unebenheiten im Belag zurückbleiben, was aufwendige Gewährleistungsarbeiten nach sich ziehen kann. Der Anmeldung ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass sie auf die Herstellung einer möglichst gleichmäßigen Fahrbahnoberfläche ("een zeer mooi gelijkmatig oppervlak", Beschreibung S. 1 unten) zielt. Die technische Wirkungsweise der vorgeschlagenen Lösung ist für den Fachmann, wie der Sachverständige erläutert hat, anhand der Figuren 4 und 5 der Zeichnung nachzuvollziehen. Dem vertikalen Schnitt durch eines der Laufräder auf Höhe der Achse in Figur 4 ist zu entnehmen, dass die den beiden Rippen der Schienenkonstruktionsteile jeweils zugeordneten Spurrillen der Laufräder nicht unterschiedlich tief sind. Daraus ergibt sich, dass die Rippen beider Teile zwangsläufig auf gleichem Niveau verlaufen müssen. Die Figuren 1, 2 und insbesondere 3, die nach Ansicht der Klägerin gerade nicht auf ein gleiches Niveau der Führungsrippen beider Schienenkonstruktionsteile, sondern im Gegenteil auf Höhenunterschiede hindeuten, sind demgegenüber unter einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie geben dem Fachmann einen perspektivischen Überblick über die gesamte vorgesehene Anordnung; diese Figuren dienen aber nicht dazu, Aufschluss über die Wirkungsweise einzelner Elemente der Erfindung zu geben. Der in den verteidigten Anspruch 1 aufgenommene Zusatz stellt deshalb kein neues, prioritätsschädliches Merkmal dar, sondern beschreibt nur eine aus der Sicht des Fachmanns auch mit der Voranmeldung angestrebte Wirkung.
24
dd) Die von der Klägerin in der Voranmeldung vermisste Offenbarung eines teleskopisch veränderbaren Maschinenrahmens, der teleskopischen Veränderung der Werkzeugbreite bei unveränderter Spur- und/oder Rahmenbreite oder der automatischen Kopplung von teleskopisch modifizierbarer Werkzeugund Rahmenbreite sowie einer teleskopisch veränderbaren Führung des Werkzeugs , die nicht an den Stützen der Fortbewegungsvorrichtungen befestigt ist, betrifft entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den Gegenstand von Anspruch 1 in der verteidigten Fassung. Patentanspruch 1 schreibt nach dieser Fassung lediglich vor, dass die Maschine in der Breite einstellbar ist. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Verbreiterung der Straßenbaumaschine und ihrer sonstigen Arbeitsmittel sind nicht Gegenstand des Patentanspruchs; auf ihre Ursprungsoffenbarung kommt es daher nicht an. Technisch identisch sind im Übrigen die in der Voranmeldung bezeichneten "Stützen der Fortbewegungsvorrichtungen der Maschine" mit den Säulen, unter denen "die Raupen der Fortbewegungsmittel angebracht sind", wobei die Raupen selbst die Fortbewegungsmittel sind.
25
III. Der Senat vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat.
26
1. Die US-Patentschrift 3 970 405 gab dem Fachmann keine Anregung für die Ausgestaltung der Erfindung nach dem verteidigten Patentanspruch 1. Dessen Merkmal, die ausziehbaren Stützen, an denen die Fortbewegungsmittel der Maschine aufgehängt sind und mit denen ihre Breite variiert werden kann, zugleich als Aufhängung für den mit dem Polierteil versehenen Wagen zu nutzen , so dass dieser stets über die aktuell gefahrene Arbeitsbreite bewegt werden kann, ist in der US-Patentschrift unabhängig davon nicht angelegt, dass sie kein Polierteil betrifft, sondern eine im vorderen Bereich der Maschine vorgesehene Montageeinheit zum Verteilen des Betons (Bezugszeichen 550). Die ausziehbaren Strebenelemente (48, 52) ermöglichen allein eine Verbreiterung der Fahrspur (Fig. 3). Die Verteilerschaufel ist aber nicht an diesen Elementen, sondern an der Unterbaueinheit aufgehängt, die ihrerseits aus zwei miteinander verschraubten Hälften besteht (Fig. 22, 23, 25). Soll der Unterbau entsprechend der Spurweite der Maschine verbreitert werden, müssen grundsätzlich zunächst die (Schraub-)Verbindungen ihrer beiden Hälften gelöst und der entstehende Zwischenraum durch einzusetzende Teile überbrückt werden.
27
Soweit in Unteranspruch 38 eine seitlich erweiterbare Führung für das Schaufelelement gelehrt wird ("…a laterally expandable track assembly…"), mag dies den Fachmann dazu anregen, die entstehende Lücke durch ineinander verschiebbare Führungsteile zu schließen. Damit wäre aber das eigentliche technische Problem nicht gelöst, eine Konstruktion zu schaffen, die es ermöglicht , das Polierteil trotz des Absatzes am Übergang der beiden teleskopierbaren Führungselemente erschütterungsfrei und ebenmäßig über die gesamte jeweilige Arbeitsbreite fahren zu lassen. Dafür jedenfalls gab die USPatentschrift keine Anregung.
28
2. Das belgische Patent 882 845 und das die Priorität seiner Anmeldung in Anspruch nehmende US-Patent 4 392 574 führen ebenfalls nicht zur patentgemäßen Lösung.
29
a) Der Fachmann zieht diese Schriften, wie der Sachverständige bestätigt hat, nicht heran, weil Turmdrehkräne einer gänzlich anderen Sparte des Baumaschinenbereichs zuzuordnen sind und anderen Anforderungen unterliegen , als Betonstraßenfertiger. Die Domäne der Turmdrehkräne ist nicht der Straßen-, sondern naturgemäß der Hochbau, wo sie als Hebemaschinen große Lasten (Baustoffe und -materialien) unter Einwirkung entsprechender Zugkräfte in kontrolliert langsamem Bewegungsablauf umsetzen. Anregungen für die Lösung seiner konstruktiven Probleme erwartet der Fachmann aus der Krantechnik deshalb nicht. Der spartenübergreifenden Zusammenschau des beiderseitigen Know-hows in den Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen der Straßenbaumaschinen -Anbieter steht dabei außerdem deren vom Sachverständigen bestätigte ausgeprägte Spezialisierung entgegen.
30
b) Den verschiedenen Grundanforderungen der Maschinen entsprechen daher auch deutlich divergierende technische Umsetzungen der konkreten Lösung. Bei Teleskopauslegern gemäß dem belgischen Patent wird zum Lastentransport eine Laufkatze verwendet, die sich horizontal mit Rädern auf aus Profilleisten flach geformten Rollbahnen abstützt, um das Transportgut mit möglichst kleinen Pendelbewegungen unter Zug am Kranseil zu bewegen. Beim Streitpatent geht es demgegenüber um die fortwährende mechanische Hin- und Herbewegung eines Arbeitsgeräts, das an einem vertikal geführten Wagen angebracht ist, welcher mit Hilfe von mit Nuten versehenen Zwillingsrollen (Lauf- rädern) auf korrespondierend ausgeformten Rippen der Führungsteile läuft und dazu dient, den verteilten Beton mit behutsamem Andruck zu glätten. Gerade die Druckeinstellung ist, wie der Sachverständige erläutert hat, besonders heikel , weil schon geringfügig zu hoher Anpressdruck im frischen Beton Spuren des Polierteils hinterlassen würde.
31
Zwar wirken bei beiden Lösungen Doppelrollen in der Weise mit an teleskopierbaren Elementen vorgesehenen Führungen (Rillen, Profile) zusammen , dass beide Rollen auf den Führungen beider Teile dieser Elemente laufen, soweit sie ineinander geschoben sind und sich deshalb überlagern und dass jeweils nur eine Rolle auf der Führung des teleskopierten Teils läuft, wenn sich der Wagen/die Laufkatze in auseinandergezogenem Zustand der Elemente allein auf diesem befindet. In Anbetracht der gattungsmäßigen Ferne von Betonstraßenfertigern zu Turmdrehkränen und der unterschiedlichen Einsatzgebiete sowie der beträchtlichen Abweichungen in der technischen Umsetzung kann die im Streitpatent aufgefundene Lösung nicht als naheliegende Umsetzung eines allgemein anwendbaren Konzepts angesehen werden.
32
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 11.05.2004 - 3 Ni 37/02 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 4/00 Verkündet am: 14. Oktober 2003 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein
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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2011 - X ZR 109/08

bei uns veröffentlicht am 29.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 109/08 Verkündet am: 29. September 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2014 - X ZR 107/12

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 107/12 Verkündet am: 11. Februar 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2014 - X ZR 146/12

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 146/12 Verkündet am: 11. Februar 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgericht

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2011 - X ZR 68/08

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 68/08 Verkündet am: 9. Juni 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ne

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 4/00 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Elektronische Funktionseinheit
EPÜ Art. 87, 88
Priorität für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung
gemäß Art. 88 EPÜ kann nur dann in Anspruch
genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs
unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens
unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als
Ganzes entnehmen kann; es muß sich um dieselbe Erfindung
handeln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung
gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung.
BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 22. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens sowie den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert : Das europäische Patent 0 624 272 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält: "Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M) mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSBDC ) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgeräts in einen Energiesparzustand d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die genannten Mittel der Standardschnittstelle zugeordnet sind und Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen und Auswerten der Nachricht umfassen, die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht in der elektrischen Funktionseinheit angeordnet sind, die Einrichtungselemente zum Auswerten der Nachricht im Röhrenbildschirmgerät angeordnet sind und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt, wobei die elektrische Funktionseinheit (PC) eine Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) aufweist und die Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSG) durch einen Benutzer des Steuergerätes (PC) wahlfrei bedienbar ist." Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25. Januar 1993 ange- meldeten und u.a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 624 272 (Streitpatents), für das die Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen 42 02 793 und 42 02 794 sowie der deutschen Gebrauchsmuster-Anmeldung 92 01 166, jeweils vom 31. Januar 1992, in Anspruch genommen worden sind. Das Streitpatent, das eine "elektrische Funktionseinheit mit in Energiesparzustände schaltbarem Röhrenbildschirmgerät" betrifft und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 593 00 827 geführt wird, umfaßt in der in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten Fassung drei Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M) mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und mit aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSB-DC) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
die genannten Mittel der Standardschnittstelle zugeordnet sind und Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen
und Auswerten der Nachricht umfassen, daß die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht in der elektrischen Funktionseinheit und zum Auswerten der Nachricht im Röhrenbildschirmgerät angeordnet sind und daß die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einem vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Er sei gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen vom 25. Januar 1993 in unzulässiger Weise erweitert; denn dort sei nur "mindestens ein erster Energiesparzustand", nicht aber "ein erster und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens ein zweiter Energiesparzustand" offenbart. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatents gegenüber der PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12969) mit der Priorität vom 2. Dezember 1992 nicht neu, da die Beklagte die Prioritäten vom 31. Januar 1992 zu Unrecht in Anspruch genommen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 624 272 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Hilfsweise hat sie das Streitpatent mit vier Hilfsanträgen verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das europäische Patent 0 624 272 teilweise für nichtig erklärt und das Streitpatent in der Fassung des 4. Hilfsantrages der Beklagten neu formuliert. Dagegen wenden sich die Berufungen beider Parteien. Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Bundespatentgerichts die Nichtigkeitsklage mit der Maßgabe abzuweisen, daß das Wort "wenigstens" im Patentanspruch 1 entfällt.
Hilfsweise verteidigt sie Patentanspruch 1 des Streitpatents mit sechs zum Teil neuen Hilfsanträgen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
2. unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. techn. J. S.
, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat Gutachten des Prof. Dr.-Ing. N. F. , , und des Prof. Dr. H. M. , , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur weiteren Teilnichtigerklärung des Streitpatents; hingegen ist das Rechtsmittel der Beklagten unbegründet (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).

I.


1. Das Streitpatent betrifft eine elektrische Funktionseinheit und ein Röhrenbildschirmgerät , das in Energiesparzustände geschaltet werden kann. Diese etwa in Form von Personalcomputer (PC) und Monitor (M) bekannten Geräte laufen an Arbeitsplätzen meist im Dauerbetrieb, obwohl sie häufig nur zu einem Bruchteil der Betriebszeit benutzt werden. Dabei verbraucht der Monitor unnötig Strom und erzeugt Wärme. Neben den vermeidbaren höheren Energiekosten verursacht die mit der Verlustleistung verbundene Wärmebildung eine be-
schleunigte Alterung des Monitors und seiner Bestandteile und verringert damit die Lebensdauer des Gerätes. Der nachteilige Energieverbrauch bei Nichtgebrauch läßt sich durch Abschalten des Geräts vermeiden. Ein völliges Abschalten bei kürzeren Nutzungspausen verbietet sich aber deshalb, weil das zu einem häufigen Ab- und Anschalten des Bildschirms führt, das dessen Bauteile wiederum altern läßt. Die genannten Nachteile können deutlich gemildert werden , wenn der Monitor während der Nutzungspausen lediglich in Zustände mit geringerem Energieverbrauch geschaltet wird.
Die Streitpatentschrift schildert einleitend Möglichkeiten, den Monitor bei längeren Ruhephasen in einen Energiesparzustand zu schalten (Sp. 1 Z. 16 bis 23). Danach ist bei fest miteinander verbundenen Geräten eine Steuerung der Energiesparzustände wegen der genauen gegenseitigen Abstimmung der Geräte problemlos möglich, weil z.B. die Synchronisierungssignale des Monitors abgeschaltet werden können. Die für diese Lösung erforderliche feste Verbindung schließt es - wie sich aus der Kritik der Streitpatentschrift am Stand der Technik ergibt - jedoch aus, Funktionseinheit und Monitor - wie insbesondere im Personalcomputerbereich üblich - frei auszuwählen; deren Kombination ist vielmehr durch die Funktion vorgegeben. Bei einer "offenen Anordnung", bei der Geräte unterschiedlicher Hersteller mit einer Standardschnittstelle betrieben werden, kann eine solche Steuerung in einen Energiesparzustand über die Standardschnittstelle nicht durchgeführt werden, weil nicht zur Anordnung gehörende Monitore ein nicht synchronisiertes Flimmerbild erzeugen würden (Sp. 1 Z. 24 ff.).
Nach den weiteren Ausführungen der Streitpatentschrift (Sp. 1 Z. 35 ff.) ist aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 456 923 ein Bildschirmanzeigesystem mit einer Recheneinheit bekannt, das außer der üblichen Schnittstelle
für den Monitor eine zusätzliche serielle Schnittstelle für kodierte Signale zwischen Rechner und Monitor aufweist. Diese Druckschrift behandelt ebenso wie die amerikanische Patentschrift 5,059,961, bei der eine Dunkelschaltung des Bildschirms über ein Zeitüberwachungssystem bewirkt wird, nicht das Problem der Steuerung des Monitors in einen vorgegebenen Energiesparzustand. Der aus dem Abstract der japanischen Offenlegungsschrift 1 269 979 bekannte Monitor besitzt zwar eine Wartestellungsfunktion, wobei in einer Tastatursignalleitung eine Signalauswertungsschaltung vorgesehen ist, über die mittels eines Unterbrechungsschalters die Stromversorgung des Monitors abgeschaltet wird. Durch die Totalabschaltung bzw. die Aus- und Einschaltzyklen unterliegen die Bauteile des Monitors aber einem erheblichen Verschleiß. Zudem besteht bei Aufrechterhaltung der Röhrenheizung die Gefahr einer "Kathodenvergiftung". Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 90 12 582 und der britischen Offenlegungsschrift 2 007 471 ist bekannt, zur Steuerung einer Wartestellungsfunktion des Bildschirms die Leitungsverbindungen, insbesondere die Videosignalleitung , einer Standardschnittstelle zum Betreiben des Monitors zu benutzen. Dabei ist nur eine Dunkelsteuerung der Bildröhre möglich, wodurch zwar ein Einbrennen der Bildröhreninnenfläche verhindert, jedoch wegen des ansonsten vollen Betriebszustandes keine Schonung der Bauteile durch Leistungsreduzierung oder Abschaltung erreicht wird. Die deutsche Patentschrift 38 37 620 schließlich regelt die Dunkelschaltung des Bildschirms über einen Näherungsschalter , der die Steuerung einer Wartestellungsfunktion unabhängig von der eigentlichen Steuerung des Monitors ermöglicht, den vollen Betriebszustand aber beibehält, so daß auch hier keine Schonung der Bauteile durch Reduzierung der Leistung oder durch Abschaltung erreicht wird. 2. Daraus ergibt sich das dem Streitpatent in der erteilten Fassung zugrundeliegende technische Problem, mit einer elektrischen Funktionseinheit (PC) das über die Standardschnittstelle angeschlossene Röhrenbildschirmgerät
(M) (stufenweise) in einen ersten und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten Energiesparzustand steuern (und später komplett abschalten) zu können.
3. Dies wird gemäß Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen erreicht:
1. Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M)
1.1 mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und 1.2 aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSB-DC) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand ; 2.1 die genannten Mittel sind der Standardschnittstelle zugeordnet und 2.2 umfassen Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen und Auswerten der Nachricht; 2.2.1 die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht sind in der elektrischen Funktionseinheit angeordnet ,
2.2.2 die Einrichtungselemente zum Auswerten der Nach- richt sind im Röhrenbildschirmgerät angeordnet: 2.2.3 die Einrichtungselemente werden derart betrieben, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, 2.2.3.1 wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt.
Nach der von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Hauptantrag verteidigten Fassung des Streitpatents ist in Merkmal 2.2.3.1 das Wort "wenigstens" gestrichen. 4. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents beschriebene Lehre betrifft die Realisierung einer Energiezustandssteuerung zur Bauteileschonung (nicht zur reinen Minimierung des Energieverbrauchs) über eine unveränderte Standardschnittstelle , wobei auch bei einer Kombination einer beliebigen elektrischen Funktionseinheit (PC) mit einem beliebigen Röhrenbildschirmgerät (M) ("offene" Anordnung) eine unbeeinträchtigte Nutzung der Grundfunktion der Bilddarstellung sichergestellt ist (Sp. 3 Z. 54 ff.). Die Zusatzfunktion der Energiezustandssteuerung wird dabei dadurch erreicht, daß sowohl die Funktionseinheit als auch der Monitor entsprechend der Lehre des Streitpatents modifiziert sind. Fehlt es daran bei einem der beiden zusammenwirkenden Geräte, verbleibt es bei den eine Schaltung in einen Energiesparzustand nicht ein-
schließenden Grundfunktionen, die insbesondere mit der Darstellung des jeweiligen Bildes auf dem Monitor jedoch uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Bei der patentgemäßen Ausgestaltung ist darüber hinaus im Steuergerät und im Monitor eine Erweiterung der mit der Standardschnittstelle verbundenen Schaltungsteile vorgesehen, die eine Übertragung einer in der Funktionseinheit erzeugten, kodierten Nachricht zur Steuerung der Energiesparzustände erlaubt. Dabei werden die Mittel, die in der Funktionseinheit die Nachricht erzeugen, diese über die Standardschnittstelle übertragen und die im Monitor diese empfangen und auswerten, nur ihrer Funktion nach beschrieben. Die Lehre des Patentanspruchs 1 umfaßt alle möglichen Übertragungen über eine Standardschnittstelle. Als ein Beispiel der technischen Umsetzung dieser Informationsübertragung wird im beschreibenden Teil der Streitpatentschrift anhand der Zeichnung erläutert (Sp. 4 Z. 53 ff.), daß die die Standardschnittstelle ansteuernde Schaltung in der Funktionseinheit um einen Videocoder (VC) erweitert wird, der die Standardsignale (VS, HSYNC und VSYNC) so verändert, daß neben der Grundfunktion der Bilddarstellung auch eine Übertragung der zusätzlichen Nachricht ermöglicht wird. Als Beispiele werden das Einfügen der Nachricht während des Strahlrücklaufs (Austastlücke) und auch die vollständige oder teilweise Abschaltung der Synchronisierungssignale genannt. Die an der Standardschnittstelle angeschlossene Empfängerschaltung des Monitors wird um einen Power-Stand-By-Decoder (PSB-DC) erweitert, der die Nachricht aus den empfangenen Signalen herausfiltert (Sp. 5 Z. 6 ff.). Die Bauteile schonenden Energiesparzustände sind dahin beschränkt, daß der Monitor zunächst den ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt. Dabei besteht die Möglichkeit, nach einer ersten Zeitspanne nur diejenigen Teile des Monitors abzuschalten, deren Abschaltung einem schnellen Wiederstart nicht entgegen-
steht. Nach einer zweiten Zeitspanne kann der Monitor dann "komplett abgeschaltet werden, womit eine einhundertprozentige Energieeinsparung erzielt wird" (Sp. 3 Z. 46 bis 53). Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen den Begriff "Energiesparzustand" im Sinne der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vor allem im Hinblick auf den in Merkmal 2.2.3.1 vorgesehenen "zweiten vorbestimmten Energiesparzustand" eingehend erörtert. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen geht der Senat davon aus, daß der hier einschlägige Fachmann, ein an einer Fachhochschule oder Universität ausgebildeter Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit der Fachrichtung der Nachrichtentechnik (Informationstechnik ) und mehrjähriger Erfahrung in einem Entwicklungslabor, den Begriff "Energiesparzustand" im Sinne des Streitpatents von seiner Funktion her versteht: Es sollen jeweils nur diejenigen Bauteile des Monitors abgeschaltet werden, die schnell etwa durch eine Dateneingabe wieder zu aktivieren sind, wenn eine erneute Benutzung des Gerätes gewünscht wird. Demgegenüber wird das völlige Abschalten der Geräte, bei dem jede Energiezufuhr unterbrochen wird, als Grenzfall verstanden, der eher nicht unter den Begriff des Energiesparzustandes im Sinne des Streitpatents subsumiert wird, weil es ein mechanisches Einschalten des Geräts erfordert, eine erneute Aktivierung aber nicht durch bloße Benutzung zu erreichen ist. In diesem Verständnis bestätigt sieht sich der Fachmann dadurch, daß in Spalte 3 Zeilen 23 ff. der Streitpatentschrift ausgeführt wird, es solle die Möglichkeit bestehen, durch Aussenden einer Nachricht an den Monitor durch Leistungsreduzierung oder Abschaltung einen ersten und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorgegebenen, möglichst viele Bauteile schonenden Energiesparzustand des Monitor zu steuern. Daraus entnimmt der Fachmann, daß der Monitor stufenweise heruntergefahren werden soll, aber gleichwohl eine schnelle Reaktivierungsmöglichkeit verbleiben soll,
um bei Bedarf eine bequeme Reaktivierung durch den Benutzer zu ermöglichen. Dies ist nur möglich, wenn eine Stand-By-Schaltung verbleibt. Dagegen spricht auch nicht die in der Streitpatentschrift genannte japanische Offenlegungsschrift 1 269 979. Auch bei dieser Vorrichtung wird, wie in der mündlichen Verhandlung mit Hilfe des gerichtlichen Sachverständigen klargestellt worden ist, der Monitor nicht vollständig abgeschaltet. Vielmehr wird das Gerät bei Nichtbenutzung bis zum Stand-By-Zustand mit dem Ziel heruntergefahren , es bei Erfordernis aktivieren zu können (S. 3 Abs. 2 und 3 der Übersetzung).

II.


1. Der Gegenstand des Streitpatents in der mit Hauptantrag verteidigten Fassung geht nicht über die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung vom 25. Januar 1993 hinaus.
In Patentanspruch 1 der PCT-Anmeldung PCT/DE 93/00056 wird Schutz begehrt für eine Geräteanordnung bestehend aus einer elektrischen Funktionseinheit und einem Röhrenbildschirmgerät "mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes für dessen grundlegende Funktion mit entsprechenden Signalen ausgehend von der Funktionseinheit" (Merkmal 1.1) und "mit aufeinander abgestimmten Mitteln zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand" (Merkmal 1.2). Diese Geräteanordnung ist dadurch gekennzeichnet, "daß die Mittel Einrichtungselemente zur Erzeugung in der elektrischen Funktionseinheit (PC), zur Übertragung und zur Auswertung im Röhrenbildschirmgerät (M) der den Energiespar-
zustand des Röhrenbildschirmsgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) in kodierter Form umfassen" (Merkmale 2.1 - 2.2.3.). Nach der Beschreibung der PCT-Anmeldung wird durch diese Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand die Möglichkeit geschaffen, "nach einer ersten Zeitspanne nur diejenigen Teile des Röhrenbildschirmgerätes abzuschalten, die für einen schnellen Wiederstart nicht erforderlich sind. Damit ist ein Bauteile schonender Energiesparbetrieb möglich. Nach einer zweiten Zeitspanne kann das Röhrenbildschirmgerät dann komplett abgeschaltet werden, womit eine einhundertprozentige Energieeinsparung erzielt wird" (S. 3 Z. 20 bis 30). Als Ausführungsbeispiel dieser Lehre werden in den Figuren 1 bis 7 eine Standardschnittstelle SS bestehend aus drei Leitungsverbindungen beschrieben, von denen zwei für die Übertragung von Synchronisiersignalen HSYNC, VSYNC in X- bzw. Y-Richtung des Bildschirms des Monitors und die dritte für die Übertragung eines Videosignals VS dienen können. Es wird darauf hingewiesen, daß aber auch beliebig andere Standardschnittstellen denkbar sind (S. 4 Z. 33 bis S. 5 Z. 3). Nach dem Beispiel gemäß Figur 3 wird die Nachricht zur Steuerung des Energiesparzustandes des Monitors in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle übertragen, wobei nach entsprechenden Veränderungen des Steuergerätes PC und des Monitors M beispielsweise die Nachricht während des Strahlrücklaufs (Austastlücke) eingefügt werden kann.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber der Offenbarung der PCT-Anmeldung jedenfalls nicht erweitert. Denn diese enthält ebenso wie Patentanspruch 1 des Streitpatents die Aussagen, daß eine Nachricht in der Funktionseinheit (PC) erzeugt, übertragen und im Röhrenbildschirmgerät (M) ausgewertet wird und daß diese Nachricht (PSB, Power Stand-By) den Energiesparzustand des Röhrenbildgerätes (M) in mehreren Stufen steuert. Der gerichtliche Sach-
verständige hat überzeugend ausgeführt, daß der einschlägige Fachmann den Begriff "Energiesparzustand" im Zusammenhang der genannten Beschreibungsstelle der PCT-Anmeldung (S. 3 Z. 20 bis 30) in einem allgemeinen Sinn als einen Bauteile schonenden Zustand versteht, in dem Energie gespart wird, wobei unterschiedliche Stufen des Energiesparens in diesem Begriff zusammengefaßt werden. Ausgehend von ihrer Funktion sehe der Fachmann, so der gerichtliche Sachverständige, auch eine komplette Abschaltung als Energiesparzustand im Sinne dieser Druckschrift an, wobei trotz des Hinweises, mit der kompletten Abschaltung des Röhrenbildschirmgerätes könne eine hundertprozentige Energieeinsparung erzielt werden (S. 3 Z. 29 f.), auch hier nur an ein Herunterfahren bis zur Stand-By-Position gedacht sei; denn auch bei der Lehre der PCT-Anmeldung gehe es um ein Bauteile schonendes Energiesparen mit der Möglichkeit eines bequemen und schnellen Wiederstarts. Ein völliges Abschalten schone Bauteile aber nicht.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ist aber nicht neu (Art. 52 EPÜ); er ist durch die PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12969) neuheitsschädlich getroffen, weil das Streitpatent die Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen 42 02 793 und 42 02 794 sowie der deutschen Gebrauchsmuster-Anmeldung 92 01 166, jeweils vom 31. Januar 1992, nicht in Anspruch nehmen kann.

a) Art. 87 Abs. 1 EPÜ gewährt jedermann für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung ein Recht auf Inanspruchnahme der Priorität (Prioritätsrecht). Priorität für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ kann jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter
Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der frü- heren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann. Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muß im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muß sich um dieselbe Erfindung handeln (EPA GBK - G 2/98 - GRUR Int. 2002, 80; EPA ABl. 1993, 40). Dabei ist die Offenbarung des Gegenstandes der ersten Anmeldung jedoch nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt; vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen zu ermitteln. Maßgeblich ist das Verständnis der Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der (prioritätsbeanspruchenden) europäischen Patentanmeldung. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (EPA GBK - G 2/98 - GRUR Int. 2002, 80; EPA ABl. 1990, 250; EPA ABl. 1993, 40; vgl. auch Sen.Urt. v. 11.9.2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383 = GRUR 2002, 146 - Luftverteiler; Benkard/Ullmann/Grabinski, EPÜ, Art. 88 Rdn. 8).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die deutsche Patentanmeldung 42 02 793 betrifft wie das Streitpatent eine sog. offene "Geräteanordnung" , bei dem ein Steuergerät mit einem Röhrenbildschirmgerät über eine Standardschnittstelle verbunden ist. Diese Geräteanordnung ist dadurch gekennzeichnet , "daß zwischen dem Steuer- (PC) und dem Röhrenbildschirmgerät (M) Mittel für eine von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängige Übertragung einer die Wartestellungsfunktion des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) seitens des Steuergerätes (PC) an das Röhrenbildschirmgerät (M) vorgesehen sind". Über die Ausgestaltung der Nachricht oder die Wartestellungsfunktion enthält die Patentanmeldung allerdings keine expliziten Informationen. Zwar wird einleitend in der Beschreibung (S. 1 Z. 9 ff.) auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Energieverbrauch während der Benutzungspausen zu reduzieren. Jedoch wird in der Patentan-
meldung nur von einer "Wartestellung", die nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen inhaltlich dem in der Streitpatentschrift offenbarten "Energiesparzustand" entspricht, und von einer "Wartestellungsfunktion" gesprochen. In der Beschreibung heißt es, Aufgabe der Erfindung sei, "eine Geräteanordnung der eingangs genannten Art anzugeben, bei der die Möglichkeit besteht, seitens des Steuergerätes die Wartestellungsfunktion des Röhrenbildschirmgerätes zu steuern, ohne daß damit die Verwendung der Einzelgeräte auf eine Anordnung beschränkt ist, bei der sowohl das Steuergerät die Wartestellung des Röhrenbildschirmgerätes steuern kann, als auch das Röhrenbildschirmgerät bezüglich einer Wartestellungsfunktion steuerbar ist" (S. 2 Z. 1 bis 9). Zum Ausführungsbeispiel in Figur 1 wird ausgeführt, daß eine zur Steuerung der Wartestellungsfunktion des Monitors M maßgebende Nachricht seitens des Steuergerätes PC an den Monitor M unabhängig von der Standardschnittstelle SS auf der Leitungsverbindung ZV übertragen werden kann und der Monitor M auf Grund der Nachricht nach Ablauf einer vorgegebenen Zeitspanne in eine Wartestellung schaltet (S. 3 Z. 27 bis 34). In Figur 3, die dem einzigen Ausführungsbeispiel der Streitpatentschrift entspricht, wird die Nachricht zur Steuerung der Wartestellungsfunktion des Monitors M in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle SS übertragen, so daß außer den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle SS keine weiteren Leitungsverbindungen benötigt werden (S. 4 Z. 10 ff.). Dazu ist das Steuergerät mit einem Videocoder VC ausgestattet, der die Nachricht kodiert und in das Videosignal integriert. Der Monitor M weist einen "Power-Stand-By"-Decoder PSB-DC auf, der aus den übertragenen Signalen eine für die Steuerung der Wartestellungsfunktion maßgebende Nachricht PSB herausfiltert. Als vorteilhaft wird geschildert, wenn die Steuereinheit eine Einrichtung zum Abschalten der den PSB-Decoder steuernden Funktion aufweist, die z.B. von einem Benutzer des Steuergeräts wahlfrei bedient werden kann (S. 4 Z. 32 bis 38).
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere den ergänzenden und klarstellenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen , ist der Senat davon überzeugt, daß die deutsche Patentanmeldung 42 02 793 dem einschlägigen Fachmann explizit nur eine Wartestellung offenbart. Dieser hatte auch keine Veranlassung, aus der ausdrücklichen Erwähnung einer eine Wartestellung bzw. Wartestellungsfunktion steuernden Nachricht auf mehrere mögliche Nachrichten und mehrere Wartestellungen zu schließen. Ein Hinweis in dieser Richtung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Ansprüche und der Beschreibung der Patentanmeldung noch aus einer speziellen Interpretation der Fachbegriffe "Nachricht" und "Wartestellungsfunktion". Zwar ist nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen das Ein- und Ausschalten des Monitors als Teil der Wartestellungsfunktion anzusehen und in den Unteransprüchen 9 und 10 auch ausdrücklich erwähnt. Mehrere Zustände seien auch denkbar, etwa bei Benutzung der in dem Ausführungsbeispiel Figur 3 ausdrücklich genannten SYNC-Signale. Zwingend sei dies für den Fachmann aber nicht und auch nicht aus der Patentanmeldung zu entnehmen.
Die Patentanmeldung 42 02 794, die ein Röhrenbildschirmgerät betrifft, und das deutsche Gebrauchsmuster 92 01 166, das eine elektrische Funktionseinheit zum Gegenstand hat, kommen für die Beurteilung der Priorität nicht in Betracht, weil sie ebenfalls nicht dieselbe Erfindung wie das Streitpatent betreffen.
c) Die von der Klägerin allein entgegengehaltene PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12929), die am 9. Juni 1994 nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht worden ist, ist bei der Neuheitsprüfung des Streitpatents als Stand der Technik zu berücksichtigen (Art. 54 Abs. 2 und 3
EPÜ), weil sie wirksam die Priorität der US-Anmeldung 07/984,370 vom 2. Dezember 1992 in Anspruch genommen hat.
Auf Grund der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung sieht der Senat als erwiesen an, daß die PCT/US 93/11579, die ein "Stand-BySystem mit niedrigem Energieverbrauch für einen Monitor" betrifft, alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung des Hauptantrages neuheitsschädlich vorwegnimmt. Diese Druckschrift befaßt sich mit einem Computer, der über eine beliebige Schnittstelle und ein Kabel mit einem Monitor verbunden ist, wobei der Computer horizontale SYNC- (HSYNC) und vertikale SYNC- (VSYNC) sowie Videosignale an den Monitor sendet, um dort ein Bild herzustellen. Bei Bedarf kann der Monitor in unterschiedliche Energieverbrauchszustände (Energiesparzustände) geschaltet werden. Für die Steuerung dieser Zustände werden zunächst die Zeiten der Inaktivität seit der letzten Aktivität des Benutzers gemessen. Die Steuerung erfolgt sodann durch Signale über eine Standardschnittstelle (VGA-Kabel) an den Monitor. Nach dem Ausführungsbeispiel 2 B sind zwei Energiesparzustände vorgesehen. Durch Abschalten von Schaltkreisen wird in einem ersten Schritt (Niveau Zwei der Signalleitung ) der Energieverbrauch des Bildschirms um 80 bis 90 % reduziert und sodann der Verbrauch in einem zweiten Schritt (Niveau Eins) durch weiteres Abschalten mit Ausnahme des Microcontrollers um mehr als 90 % abgesenkt (S. 9 Abs. 1 der Übersetzung).

III.

Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1, 3 a, 3 b und 4 nicht patentfähig.
1. Von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages unterscheidet sich Hilfsantrag 1 lediglich durch folgenden (markierten) Zusatz zu Merkmal 2.2.3.1: "wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt , der ein Abschaltzustand sein kann".
Hilfsantrag 1 enthält damit keine Beschränkung des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gegenüber der Fassung des Hauptantrages. Vielmehr wird der zweite Energiesparzustand nur erläuternd in einer Form beschrieben, die den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge in Merkmal 2.2.3.1 der verteidigten Fassung enthalten ist. Wie bereits oben ausgeführt, versteht der einschlägige Fachmann das Abschalten des Monitors als Grenzfall des Energiesparzustandes. Entscheidend kommt hinzu, daß die Erläuterung lediglich eine mögliche Ausführungsform beschreibt, die wiederum nicht ausschließt , daß der weite Zustand auch ein bloßer Stand-By-Zustand und damit eine zweite Wartestellung sein kann. Damit gelten für die rechtliche Bewertung die gleichen Grundsätze wie für den Hauptantrag, von dem sich der erste Hilfsantrag insoweit sachlich nicht unterscheidet.
2. Nach Hilfsantrag 3 a erhält Merkmal 2.2.3 folgende Fassung:
"und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängige kodierte Nachricht erzeugt , übertragen und ausgewertet wird, wobei zur Auswer-
tung der an den Monitor (M) übertragenen Nachricht der Monitor (M) einen Decoder (PSB-DC) aufweist, der durch vollständigen oder teilweisen Entzug der SYNC-Signale aktiviert wird".
Es kann dahinstehen, ob diese Ergänzung des Merkmals mangels Bestimmtheit unzulässig ist. Jedenfalls ist Patentanspruch 1 in dieser beanspruchten Fassung nicht offenbart. Zwar wird in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 5 Z. 6 bis 14) und der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 (S. 6 Z. 19 bis 25) ein Monitor dargestellt, der einen "Power-StandBy" -Decoder (PSB-DC) aufweist. Dieser soll zum einen in der Lage sein, aus den übertragenen Signalen eine für die Steuerung des Energiesparzustandes maßgebende Nachricht PSB herauszufiltern. Zum anderen soll er durch vollständiges oder teilweises Abschalten der SYNC-Signale dazu veranlaßt werden können, einen "Power-Stand-By"-Zustand zu aktivieren. Nicht offenbart ist hingegen , daß zur Steuerung der Energiesparzustände eine von der Funktion der Standardschnittstelle unabhängige kodierte Nachricht erzeugt werden soll und daß der Decoder durch vollständigen oder teilweisen Entzug der SYNC-Signale aktiviert werden soll.
3. Hilfsantrag 3 b ergänzt Merkmale 2.2.3 und 2.2.3.1 wie folgt: "und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht in Form von vollständigem oder teilweisem Entzug der SYNC-Signale erzeugt, von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängig übertragen und ausgewertet wird, wobei zur Aus-
wertung der an den Monitor (M) übertragenen Nachricht der Monitor (M) einen Decoder (PSB-DC) aufweist 2.2.3.1. und infolge der Nachricht das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand steuert".
Der Hilfsantrag ist zulässig. Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Hilfsantrages ist in der Streitpatentschrift (Sp. 5 Z. 6 bis 14) und in der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 (S. 6 Z. 19 bis 25) offenbart. Danach kann die kodierte Nachricht, welche die beiden Energiesparzustände steuert, in Form von vollständigem oder teilweisem Entzug der SYNC-Signale erzeugt, von der Funktion der Standardschnittstelle unabhängig übertragen und von einem PSB-Decoder des Monitors mit der Folge ausgewertet werden, daß das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand gesteuert wird. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 b ist aber ebenfalls nicht neu. Auch er kann die Priorität der deutschen Patentanmeldung 42 02 793 nicht in Anspruch nehmen, weil durch ihn - anders als in der Patentanmeldung - zwei Energiesparzustände beansprucht werden. Neuheitsschädlich steht damit auch ihm die internationale Anmeldung PCT/US 93/11579 entgegen. Wie bereits oben dargestellt, offenbart diese ein System für einen Universalrechner, welcher mit Hilfe der SYNC-Signale dem Monitor signalisiert , verschiedene Zustände anzunehmen, wobei in einem Ausführungsbeispiel zwei Sparzustände genannt werden (S. 9 Abs. 1 der Übersetzung). Das System umfaßt Zeitmeßmittel zur Messung von Perioden der Inaktivität sowie
"Mittel zum Abschalten der Synchronisation für die Unterbrechung von wenigstens einem der beiden Signale HSYNC und VSYNC zum Monitor in Abhängigkeit der Überlaufzustände der Zeitmeßmittel" (S. 3 Abs. 2 der Übersetzung). Bei einer bevorzugten Ausführungsform wird geschildert, daß das Signal zum Bildschirm auf der Unterbrechung eines der beiden HSYNC- oder VSYNC-Signale basiert (S. 6 Abs. 1 der Übersetzung). Damit nimmt diese Druckschrift die mit Hilfsantrag 3 b beanspruchten Merkmale vorweg. Auf mögliche Bedenken gegenüber dem in dieser Fassung des Anspruchs enthaltenen Merkmal, "von der Standardschnittstelle unabhängig", auf dessen Aufnahme die Beklagte hilfsweise verzichtet hat, kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.
4. Nach Hilfsantrag 4 wird der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags durch Merkmal 3 in folgender Fassung ergänzt:
"wobei die Nachricht zur Steuerung des Energiesparzustandes des Monitors (M) in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen für das Videosignal (VS) und für die beiden Synchronisiersignale (HSYNC und VSYNC) der Standardschnittstelle (SS) übertragen wird."
Mit diesem Hilfsantrag wird eine spezielle Übertragungsart zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gemacht. Dieser Gegenstand ist jedenfalls in Figur 1 der Streitpatentschrift und in Figur 3 der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 offenbart. Da auch hier zwei Energiesparzustände beansprucht werden, kann er ebenfalls die Priorität der deutschen Patentanmeldung 42 02 793 nicht für sich in Anspruch nehmen. Auch dieser Fassung des Patentanspruchs 1 steht die internationale Anmeldung PCT/US 93/11579 neuheitsschädlich entgegen. Diese bereits genannte Druck-
schrift schildert ein Stand-By-System mit niedrigem Energieverbrauch für einen Monitor, bei dem die Nachricht zur Steuerung der Energiesparzustände des Monitors über die Leitungsverbindungen für das Videosignal und für die SYNCSignale der Standardschnittstelle übertragen werden können (S. 10 der Übersetzung und Fig. 3).

IV.


Bestand hat Patentanspruch 1 des Streitpatents hingegen in der Fassung des 5. Hilfsantrages, bei dem der Fassung des Hauptantrages die weiteren Merkmale 3 und 4 mit folgendem Wortlaut angefügt sind:
"3. wobei die elektrische Funktionseinheit eine Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) aufweist
4. und die Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) durch einen Benutzer des Steuergerätes (PC) wahlfrei bedienbar ist."
Diese Fassung beschränkt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch kumulative Aufnahme der in den Patentansprüchen 2 und 3 der erteilten Fassung beanspruchten Ausführungsbeispiele. Danach soll die Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Monitors steuernden Nachricht mit einer Einrichtung des Computers abgeschaltet (Merkmal 3) und ferner dem Benutzer die Möglichkeit eröffnet werden, die Einrichtung zum Abschalten
wahlfrei zu bedienen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in dieser Fas- sung ist auch nicht unzulässig gegenüber der PCT-Anmeldung 93/00056 erweitert , weil der Gegenstand der Unteransprüche 2 und 3 der erteilten Fassung in den Unteransprüchen 9 und 10 der ursprünglichen Fassung enthalten und in der Anmeldung (S. 6 Z. 24 ff.) beschrieben ist. In der Fassung des Hilfsantrages 5 kann Patentanspruch 1 ebenso wie die erteilte Fassung des Streitpatents die Priorität der deutschen Anmeldung 42 02 793 nicht für sich in Anspruch nehmen, weil anders als bei dieser zwei Energiesparzustände vorgesehen sind. Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 5 ist aber gegenüber der bereits erwähnten internationalen Anmeldung PCT/US 93/11579 neu (Art. 52 EPÜ). Diese Druckschrift schildert alternative Ausführungsbeispiele, die es dem Benutzer erlauben, die Steueroperation über Befehlsschritte, wie z.B. Menüs, Dialogboxen oder Kommandozeilen zu steuern. Solche Steuerungen können das bewußte Abschalten der Bildschirmenergie durch Drücken einer "Spezialtaste", durch Eingabe einer Kommandozeile oder eines anderen Programmschnittstellenschritts , einschließen. Andere Eigenschaften können dem Benutzer erlauben, die Ruhezeit, die benötigt wird, um das Bildschirmenergieemanagement (MPM) auszulösen, zu verändern und die MPM-Überwachung ein- oder auszuschalten. Die internationale Anmeldung offenbart damit zwar Mittel, auf die Zeitdauer einzuwirken, die Ruhezeit, die benötigt wird, um das Bildschirmenergiemanagement auszulösen, zu verändern, sowie Mittel, um die MPM-Überwachung ein- und auszuschalten. Die Druckschrift enthält aber keinen Hinweis dahin, das den Energiezustand im Monitor steuernde Signal bei seinem Entstehen durch Einrichtungen in der elektrischen Funktionseinheit abzuschalten und die Einrichtung hierfür durch den Benutzer wahlfrei bedienbar zu machen.
Patentanspruch 1 in der vorliegenden Fassung beruht auch auf erfinderi- scher Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Das Patentamt und das Bundespatentgericht haben dies festgestellt. Entgegenstehenden Stand der Technik haben die Parteien nicht in das Verfahren eingeführt.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, 110 Abs. 3 PatG.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.