Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2013 - VIII ZR 142/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte ist seit 1994 Mieter einer Wohnung in D. . Vermieter war ausweislich des Mietvertrags der dort als Zwangsverwalter bezeichnete U. B. . Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 das Eigentum an der Immobilie und wurde später als Erbbauberechtigte im Grundbuch eingetragen. Der Beklagte zahlte die Miete daraufhin mehrere Jahre an die Klägerin. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 18. August 2010 sowie vom 5. Januar und 9. März 2011 wegen Zahlungsverzugs.
- 2
- Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 5
- Die von der Klägerin erhobene Räumungsklage sei unbegründet. Ein auf § 546 BGB gestützter Herausgabeanspruch scheitere daran, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation als Vermieterin nicht nachgewiesen habe. Denn der Mietvertrag sei ursprünglich mit einem Herrn B. geschlossen worden, der zu keinem Zeitpunkt Eigentümer oder Erbbauberechtigter der Immobilie gewesen sei, so dass die Klägerin nicht nach § 566 BGB Vermieterin geworden sein könne.
- 6
- Dass der Beklagte die Miete über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren an die Klägerin gezahlt habe, führe nicht dazu, dass ein Mietvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Eine derartige Bedeutung könne den Mietzahlungen des Beklagten nicht beigemessen werden. Lebensnah sei nur die Annahme, dass der Beklagte auf eine entsprechende Mitteilung der Klägerin , dass diese nun Vermieterin sei, die Miete an diese gezahlt habe, um vermeintliche Verpflichtungen ihr gegenüber zu erfüllen. Zudem habe die Klägerin nicht erläutert, wie der bisherige Vermieter B. , ohne dessen Zustimmung eine Vertragsübernahme nicht möglich gewesen sei, aus dem Vertragsverhältnis ausgeschieden sei.
- 7
- Ein Herausgabe- oder Räumungsanspruch aus § 985 BGB in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Erbbaurechtsverordnung stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar habe die Klägerin ihr Erbbaurecht an der streitigen Wohnung belegt. Dem Beklagten stehe aber aufgrund des am 21. Januar 1994 mit Herrn B. abgeschlossenen Mietvertrages ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB zu. Denn die Klägerin habe nicht in Zweifel gezogen, dass der damalige Vermieter zur Vermietung der streitigen Wohnung berechtigt gewesen sei. Dieses Mietverhältnis sei durch die Kündigungen der Klägerin schon deshalb nicht beendet worden, weil sie nicht schlüssig dargelegt habe, dass sie in den Mietvertrag eingetreten sei.
II.
- 8
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung der dem Beklagten vermieteten Wohnung nicht verneint werden.
- 9
- 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Herausgabeanspruch der Klägerin aus § 985 BGB in Verbindung mit § 11 Abs. 1 der Erbbaurechtsverordnung mit der Begründung verneint, der Beklagte könne ihr aufgrund des im Jahr 1994 mit U. B. abgeschlossenen Mietvertrags ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) auch dann entgegenhalten, wenn die Klägerin zwischenzeitlich nicht Vermieterin des Beklagten geworden sei.
- 10
- Gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Besitzer die Herausgabe der Sache an den Eigentümer nur dann verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Wenn der im Jahr 1994 vom Beklagten abgeschlossene Mietvertrag, wie das Berufungsgericht meint, nicht auf die Klägerin übergegangen ist, stünde dem Beklagten gegenüber der Klägerin als Eigentümerin bzw. als Erbbauberechtigter kein Besitzrecht zu. Denn der Besitzer kann dem Eigentümer ein von einem Dritten abgeleitetes Besitzrecht nur entgegenhalten , wenn dieser Dritte mittelbarer Besitzer der Sache und seinerseits dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Hierfür hat der Beklagte nichts Konkretes vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung genügt der - pauschale - Vortrag des Beklagten , dass U. B. einst zum Abschluss des Mietvertrags berechtigt gewesen sei, nicht.
- 11
- 2. Auch ein Räumungsanspruch aus § 546 BGB kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
- 12
- a) Das Berufungsgericht hat zum einen nicht berücksichtigt, dass der auf der Vermieterseite durch U. B. unterzeichnete Mietvertrag mit Wirkung für den damaligen Eigentümer abgeschlossen worden sein könnte. Denn U. B. ist im Mietvertrag als Zwangsverwalter bezeichnet, so dass es nahe liegt, dass er für den damaligen Eigentümer der Immobilie gehandelt hat. Da sich der Beklagte seither im Besitz der Wohnung befindet, hätte dies zur Folge, dass bei allen späteren Veräußerungen auch das Mietverhältnis gemäß § 566 BGB auf den jeweiligen Erwerber und somit zuletzt auf die Klägerin übergegangen wäre. Auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte oder die Identität der jeweiligen Veräußerer/Erwerber käme es insoweit nicht an.
- 13
- b) Aber auch dann, wenn der Mietvertrag im Jahr 1994 nicht mit Wirkung für den damaligen Eigentümer abgeschlossen worden wäre und sich die Vermieterstellung der Klägerin deshalb nicht schon über eine Veräußerungskette nach § 566 BGB ergäbe, könnte ein Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht ohne weiteres verneint werden. Denn in diesem Fall käme - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - eine stillschweigende Übernahme des Mietvertrags durch die Klägerin in Betracht. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts lässt wesentliche Umstände außer Betracht und wird den Interessen der Parteien - insbesondere des Beklagten - nicht gerecht. Denn nur die Klägerin (und nicht U. B. oder ein früherer Eigentümer) war nach dem Erwerb des Eigentums beziehungsweise des Erbbaurechts in der Lage, dem Beklagten den Besitz an der Wohnung weiterhin zu gewähren. Die Übernahme des Mietvertrags durch die Klägerin entsprach dem - offensichtlichen - Interesse beider Parteien, weil der Beklagte auf diese Weise ein Besitzrecht und die Klägerin im Gegenzug einen Anspruch auf Zahlung der Miete erhielt, während der bisherige Vermieter kein Interesse an einer weiteren Fortsetzung des von ihm gar nicht mehr erfüllbaren Vertrages gehabt haben dürfte. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt in derartigen Fällen eine stillschweigende Vertragsübernahme durch dreiseitigen Vertrag in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR 84/09, NZM 2010, 471 Rn. 18 f.). Diese könnte hier darin liegen, dass die Klägerin dem Beklagten mitgeteilt hat, dass sie nunmehr Vermieterin (entsprechend dem Mietvertrag von 1994) sei, der Beklagte dies durch Zahlung der weiteren Miete an die Klägerin akzeptiert hat und der bisherige Vermieter seither nicht mehr in Erscheinung getreten ist und die Übernahme stillschweigend gebilligt hat.
III.
- 14
- Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.06.2011 - 51 C 11704/10 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.03.2012 - 21 S 301/11 -
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(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
(2) Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
(2) Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen.
(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.