Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juni 2004 - VI ZR 8/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, verlangt von der Beklagten , einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Schadensersatz wegen eines Bahnunfalls. Die Beklagte betreibt unter anderem die Schienenstrecke zwischen C. und F. . Die Klägerin befährt diese Strecke auf-grund einer vertraglichen Nutzungsberechtigung mit ihren Schienenfahrzeugen. Am 30. Juni 2001 kollidierte ein Triebwagen der Klägerin gegen 23.11 Uhr in der Nähe von K. mit einem durch eine Gewitterböe abgebrochenen und auf die Schienen gefallenen Baum. An dem Triebwagen entstand ein Sachschaden in Höhe von 10.577,82 €. Die Klägerin läßt sich wegen der Betriebsgefahr ihres Triebwagens eine Mitverursachungsquote von einem Drittel anrechnen und begehrt Zahlung von 7.051,87 € nebst Zinsen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält einen Anspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für nicht gegeben, weil der Beklagten ein schuldhaftes Verhalten nicht angelastet werden könne. In Betracht komme deshalb nur eine Haftung der Beklagten gem. § 1 Abs. 1 HPflG. Die Ersatzpflicht sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 HPflG a.F. ausgeschlossen , denn der Unfall sei nicht durch höhere Gewalt verursacht worden. Es sei nämlich kein ungewöhnliches Naturereignis, wenn ein Baum infolge einer Gewitterböe umstürze und auf die durch den Wald führende Schienentrasse falle. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe jedoch deshalb nicht, weil die Beklagte als Eisenbahninfrastrukturunternehmerin nicht Betriebsunternehmerin im Sinne von § 1 Abs. 1 HPflG sei.II.
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet. 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind im Streitfall die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 1 Abs. 1 HPflG gegeben. Die Beklagte ist Betriebsunternehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Der erkennende Senat hat - nach Verkündung des Berufungsurteils - in einem vergleichbaren Fall, in dem ein Triebwagen eines Eisenbahnverkehrsunternehmens dadurch beschädigt wurde, daß er auf einen auf den Schienen liegenden Stein aufgefahren war, eine Gefährdungshaftung des für den Betrieb der Schienenstrecke verantwortlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmens gegenüber dem Eisenbahnverkehrsunternehmen gemäß § 1 Abs. 1 HPflG grundsätzlich bejaht (Senatsurteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 69/03 - VersR 2004, 612, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Daran wird festgehalten. Der vorliegende Sachverhalt weist keine Besonderheiten auf, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß geben könnten. Die Klägerin als Eisenbahnverkehrsunternehmen ist auch Geschädigte im Sinne des § 1 Abs. 1 HPflG. 2. Einen Ausschluß der Haftung wegen höherer Gewalt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 HPflG a.F., jetzt § 1 Abs. 2 HPflG) hat das Berufungsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Eine Mithaftungsquote von einem Drittel wegen der von dem eigenen Triebwagen ausgehenden Betriebsgefahr (§ 13 Abs. 1 Satz 2 HPflG a.F., jetzt § 13 Abs. 2 HPflG n.F., vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 69/03 - aaO) wird von der Klägerin hingenommen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine höhere Mitverursachungsquote hat die Beklagte im übrigen nicht geltend gemacht. Die Schadenshöhe steht außer Streit.III.
Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und dem Zahlungsbegehren unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattgeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Annotations
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.