Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 222/03 Verkündet am:
16. Juli 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB (1900) §§ 125 Satz 1, 313 Satz 1, § 242 (Ca)
Wird ein Vertrag trotz Verletzung gesetzlicher Formvorschriften über einen längeren
Zeitraum hinweg als wirksam behandelt, so verstößt die Berufung auf den Formmangel
nicht bereits dann gegen § 242 BGB, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung
gegeben sind.
BGH, Urt. v. 16. Juli 2004 - V ZR 222/03 - KG
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 27. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 27./28. April 1993 verkaufte die M. B. GmbH an die Beklagte zu 1 Teile ihrer Firmengrundstücke sowie Anlage- und Vorratsvermögen zum Preis von 22.590.000 DM. Nach § 3 des Kaufvertrages ergeben sich die einzelnen Gegenstände des Anlage- und Vorratsvermögens aus Inventarverzeichnissen, die als Anlagen 5 und 6 der Urkunde beigefügt und verlesen worden sein sollen. Die Beklagte zu 2 übernahm in der Vertragsurkunde im Wege des Schuldbeitritts die Mithaftung für
die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten zu 1. Der Kaufpreis wurde bis auf restliche 5 Millionen DM gezahlt. Dieser Teilbetrag ist nach § 5 Abs. 4 des Kaufvertrages nebst 8 % Zinsen in fünf gleichen jährlichen Raten zu leisten. Gemäß § 5 Abs. 11 ist die Verkäuferin verpflichtet, auf die jeweils fällige Rate nebst Zinsen zu verzichten, falls die Beklagte zu 1 bis zum 15. Februar des betreffenden Jahres "… nachweist, daß in dem vorhergehenden Kalenderjahr mindestens 500 Vollzeitdauerarbeitsplätze auf dem Vertragsgelände ständig besetzt waren."
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin aus abgetretenem Recht der Verkäuferin, deren alleinige Gesellschafterin sie ist, die Beklagten auf Zahlung des restlichen Kaufpreises nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagten haben Zahlungen zunächst vor allem deshalb abgelehnt, weil innerhalb der maßgeblichen Referenzjahre mehr als 500 Vollzeitdauerarbeitsplätze ständig besetzt gewesen seien. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.172.444,44 DM verurteilt. In der Berufungsinstanz haben die Beklagten erstmals die Formnichtigkeit des Kaufvertrages geltend gemacht, weil die in § 3 Abs. 1 des Kaufvertrages erwähnten Anlagen weder verlesen noch der Vertragsurkunde beigefügt worden seien. Die Berufung der Beklagten ist gleichwohl ohne Erfolg geblieben. Ferner hat das Kammergericht eine im zweiten Rechtszug von der Beklagten zu 1 erhobene Widerklage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen beide Beklagten das Ziel der Klageabweisung weiter, die Beklagte zu 1 erstrebt außerdem, der Widerklage stattzugeben.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht unterstellt wegen der angeblich weder verlesenen noch beigefügten Anlagen die Formnichtigkeit des Kaufvertrages, ist aber der Ansicht, die Beklagten könnten sich auf die damit begründete Einwendung wegen Verwirkung nicht berufen. Angesichts der Zeit bis zur Geltendmachung der Formnichtigkeit und des wegen ihrer spezifischen Aufgabenstellung schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin sei das Verhalten der Beklagten gravierend illoyal. Daran ändere nichts, daß die Beklagten nach ihren Behauptungen die Formnichtigkeit erst im Jahr 2001 bei einer erneuten rechtlichen Prüfung festgestellt hätten; denn bei der gebotenen Wahrung ihrer rechtlichen Interessen hätten sie den Formverstoß frühzeitig erkennen müssen. Der hiernach entstandene Restkaufpreisanspruch sei auch nicht entfallen, nachdem die erforderliche Zahl von Arbeitsplätzen nicht geschaffen worden sei. Die Auslegung des Vereinbarten ergebe, daß die bei einer anderen Gesellschaft beschäftigten Umschüler insoweit nicht zu berücksichtigen seien. Die von der Beklagten zu 1 erhobene Zwischenfeststellungswiderklage sei unzulässig, weil die Frage der Unwirksamkeit des Kaufvertrages nicht mehr vorgreiflich für die Entscheidung des Rechtsstreits sei. Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in dem w esentlichen Punkt nicht stand.

II.


Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , die Beklagten seien durch den Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die Formnichtigkeit des Kaufvertrages vom 27./28. April 1993 zu berufen.
1. Frei von Rechtsfehlern bejaht das Berufungsgericht allerdings auf der Grundlage des von ihm als richtig unterstellten Vorbringens der Beklagten die Formnichtigkeit des Kaufvertrages nach § 125 Satz 1 BGB.

a) Das Formerfordernis für den Grundstückskaufvertrag aus § 313 BGB a.F. (vgl. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) erstreckt sich auch auf den - für sich allein nicht formbedürftigen - Verkauf des beweglichen Vermögens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf eine Vereinbarung , die mit einem Grundstücksgeschäft rechtlich zusammenhängt, ebenfalls der notariellen Beurkundung (Senat, BGHZ 63, 359, 361; 89, 41, 43; BGHZ 76, 43, 48 f.). Hier bildeten der Verkauf der Grundstücksflächen und der Verkauf des Anlage- und Vorratsvermögens ein einheitliches Geschäft, weil beide derart von einander abhängig waren, daß sie miteinander "stehen und fallen" sollten. Dafür spricht im Sinne einer tatsächlichen Vermutung bereits die Zusammenfassung aller Abreden in einer Urkunde (vgl. Senat, BGHZ 89, 41, 43). Es handelte sich auch nicht etwa nur um eine einseitige Abhängigkeit des Kaufs des beweglichen Vermögens von dem Grundstückserwerb (dazu Senat, Urt. v. 26. November 1999, V ZR 251/98, NJW 2000, 951). Vielmehr waren beide Geschäfte wechselseitig voneinander abhängig; denn das Berufungsgericht stellt in anderem Zusammenhang von den Parteien unbeanstandet fest, daß
es sich bei dem Gesamtgeschäft "faktisch" um einen "Unternehmenskauf- und Privatisierungsvertrag" gehandelt habe. Ging es mithin darum, daß die Beklagte zu 1 auf den gekauften Flächen mit dem gleichzeitig gekauften Anlage- und Vorratsvermögen einen Betrieb fortführen sollte, so folgt hieraus die wechselseitige Abhängigkeit beider Kaufgeschäfte.

b) Dem Formerfordernis wurde jedoch nicht genügt. Nach dem das Berufungsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat, ist zugunsten der Revision davon auszugehen, daß die zur Bestimmung der Gegenstände des veräußerten Anlage- und Vorratsvermögens dienenden - jeweils mehrere hundert Seiten starken - Inventarverzeichnisse weder verlesen noch der Vertragsurkunde beigefügt worden sind. Revisionsrechtlich ist ferner davon auszugehen, daß die entsprechend § 3 Abs. 1 der Vertragsurkunde mit "Anlage 5" und "Anlage 6" bezeichneten, später auf Grund der Inventarverzeichnisse erstellten Saldenlisten der Urkunde erst nachträglich beigefügt und mithin bei der Beurkundung ebenfalls nicht verlesen wurden. Damit ist das zwingende Erfordernis des Beifügens von Schriftstücken, auf die in der Urkunde verwiesen wird (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG, vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Teil B, 12. Aufl., § 9 BeurkG Rdn. 51), ebenso wenig beachtet worden wie die Notwendigkeit des Verlesens auch solcher Anlagen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 13 BeurkG Rdn. 12). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG n.F. hätte möglicherweise auf ein Verlesen verzichtet werden können, diese Bestimmung trat aber erst am 8. September 1998 und damit nach der Beurkundung in Kraft; im übrigen würde die Wirksamkeit auch nach dieser Vorschrift an der fehlenden Feststellung eines Verzichts auf das Vorlesen nach § 14 Abs. 3 BeurkG n.F. scheitern (vgl. Winkler, ZNotP, Beilage 1/1999, S. 16). Obwohl sich der hiernach gegebene Formmangel nur auf den
Kauf des beweglichen Vermögens erstreckt, führt er nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Geschäfts.
2. Zu Recht verneint das Berufungsgericht ferner eine H eilung des Formfehlers nach § 313 Satz 2 BGB a.F. Zwar sind hinsichtlich der veräußerten Grundstücksflächen die Auflassung und die Umschreibung des Eigentums inzwischen erfolgt, zu einer Heilung könnte dies aber nur dann führen, wenn zum Zeitpunkt der Auflassung am 24. Mai 1996 die Willensübereinstimmung der Vertragspartner noch fortbestanden hätte (Senat, Urt. v. 15. Oktober 1993, V ZR 19/92, NJW 1994, 586, 588 m.w.N.). Das war aber nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mehr der Fall. Die Parteien stritten zu diesem Zeitpunkt bereits vor Gericht um die Auslegung einzelner Klauseln des Kaufvertrages, weil die jetzige Beklagte zu 1 gegen die Klägerin und die Verkäuferin seit Mitte 1995 Schadensersatzansprüche wegen der Veräußerung von Teilen des Betriebsvermögens geltend machte. Da sich die Willensübereinstimmung auf den ganzen Inhalt des Vertrages beziehen muß (vgl. Staudinger/Wufka, BGB [2001], § 313 Rdn. 265 m.w.N.), steht die Divergenz über den Umfang der Verkäuferpflichten zum verkauften Anlagevermögen bereits einer Heilung entgegen. Die nach Ansicht der Klägerin bestehende Übereinstimmung hinsichtlich der "grundsätzlichen vertraglichen Regelungen" reicht mithin nicht aus.
3. Fehl geht jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten seien aus Gründen der Verwirkung gehindert, sich auf die Formnichtigkeit zu berufen.

a) Zweifelhaft ist bereits, ob diese Einwendung überh aupt der Verwirkung zugänglich ist. Fraglos unterliegen der Verwirkung alle subjektiven Rechte (vgl. MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., Bd. 2a, § 242 Rdn. 298 m.w.N.); darüber hinaus werden bisweilen auch alle "Rechtspositionen, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden können", als verwirkungsfähig angesehen (so Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 335; Palandt/Heinrichs , BGB, 63. Aufl., § 242 Rdn. 91). Ob hierzu auch Einwendungen wie die der Formnichtigkeit nach § 125 Satz 1 BGB zählen können, erscheint fraglich; denn sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie im Rechtsstreit von Amts wegen zu beachten sind, also nicht - in welcher Form auch immer - geltend gemacht werden müssen (vgl. Senat, Urt. v. 13. Dezember 1968, V ZR 80/67, LM BGB § 125 Nr. 29). Es erscheint unklar, ob sich bei Einwendungen die für eine Verwirkung kennzeichnende Situation feststellen läßt, wonach die Ausübung einer Rechtsposition in Widerspruch zu einer länger dauernden, einen Vertrauenstatbestand begründenden Nichtausübung steht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994, BLw 95/93 WM 1994, 1944, 1945 für die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft ). Insbesondere fehlt es für die Formnichtigkeit an einer Bestimmung, nach der es den Beklagten oblegen hätte, diese Einwendung innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Januar 2001, VII ZR 416/99, NJW 2001, 1649 zur zweimonatigen Prüfungsfrist für eine Schlußrechnung nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B). Die Frage bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Klärung, weil eine Verwirkung der Einwendung bereits aus anderen Gründen zu verneinen ist.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die Verwirkungsregeln jedenfalls für Einwendungen nicht gelten, die sich aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften ergeben. Dies folgt aus dem - vom Bun-
desgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen - Grundsatz, daß die Einhaltung gesetzlicher Formerfordernisse im Interesse der Rechtssicherheit liegt und es deshalb nicht angeht, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen unbeachtet zu lassen (Senat, BGHZ 45, 179, 182; BGHZ 92, 164, 172; Senat, Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 85/95, NJW 1996, 2503, 2504).
aa) Für die Annahme eines Verstoßes gegen § 242 BGB bei Berufung auf die Formnichtigkeit hat die Rechtsprechung deshalb strengere Anforderungen entwickelt. Hiernach muß das Scheitern des Rechtsgeschäfts an dem Formmangel zu einem Ergebnis führen, das für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (Senat, BGHZ 138, 339, 348 m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllen insbesondere zwei Fallgruppen, nämlich zum einen die Fälle der Existenzgefährdung und zum anderen die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils (Senat, aaO).
bb) Die besonderen Erfordernisse für einen ausnahmsweise nach § 242 BGB unschädlichen Formmangel liegen nicht ohne weiteres vor, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind. Zur Verwirkung reicht es aus, daß von einem Recht über einen längeren Zeitraum hinweg kein Gebrauch gemacht wurde und besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen rechtfertigen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht (BGHZ 105, 290, 298 m.w.N.). Die Begründung dieses Vertrauenstatbestandes setzt mithin nicht den Eintritt eines schlechthin untragbaren Ergebnisses und insbesondere keine besonders schwere Treuepflichtverletzung voraus. Zwar kann letztere auch daran anknüpfen, daß ein Vertrag über längere Zeit als wirksam behandelt wurde, vergleichbar dem "Zeitmoment" der Verwirkung also eine Geltendmachung der Formnichtigkeit
über einen längeren Zeitraum hinweg unterblieben ist. Allein die Mißachtung des hierdurch begründeten Vertrauens genügt aber noch nicht für die Annahme einer besonders schweren Treuepflichtverletzung. Zu einem wegen Widersprüchlichkeit treuwidrigen Verhalten, zu dem als eigenständige Ausprägung auch die Verwirkung zählt (MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., Band 2a, § 242 Rdn. 256, 297), müssen vielmehr Umstände hinzukommen, die das Verhalten als im hohen Maße widersprüchlich erscheinen lassen (vgl. BGHZ 92, 164, 173; Senat, Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 85/95, aaO). So hat der Senat etwa die Widersprüchlichkeit eines Verhaltens nicht ausreichen lassen, die darin liegt, daß die begünstigte Partei die Wirksamkeit des Vertrages zunächst nicht bezweifelte , um sich dann aber im Lauf des Rechtsstreits doch auf Formnichtigkeit zu berufen (Senat, BGHZ 138, 339, 348).
cc) Diese Erwägungen liegen auch der von dem Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Senats (Urt. v. 18. Mai 2001, V ZR 353/99, VIZ 2001, 499, 501 f.) zugrunde. Die Auffassung des Berufungsgerichts, in dieser Entscheidung habe der Senat eine Verwirkung des Nichtigkeitseinwandes bejaht, geht fehl. Grundlage für die Annahme eines nach § 242 BGB unschädlichen Formmangels war vielmehr ausdrücklich ein "in hohem Maße widersprüchliches und treuwidriges" Verhalten. Die Partei, die sich auf die Formnichtigkeit berief, hatte nicht nur über einen längeren Zeitraum, nämlich zwanzig Jahre, hinweg erhebliche Vorteile aus einem nichtigen Vertrag gezogen, sondern der formnichtige Vertragsschluß war aus Sicht beider Parteien auch zur Verwirklichung ihrer Ziele - der Umgehung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Geschäfts nach der Rechtspraxis der DDR - erforderlich (vgl. auch Senat, BGHZ 124, 321, 324 f.).
dd) Das Berufungsgericht hat - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - keine Feststellungen getroffen, die die Annahme eines in hohem Maße widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten tragen können. Zwar wurde der Kaufvertrag auch von den Beklagten über einen längeren Zeitraum hinweg als wirksam behandelt. Selbst für ein (nur) widersprüchliches Verhalten der Beklagten reicht dies jedoch nicht aus, weil es an weiteren Umständen fehlt, wie etwa der Feststellung, daß die Beklagten über längere Zeit aus dem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen haben und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen wollen (vgl. Senat, Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 85/95, aaO). Es wurden im Gegenteil die beiderseitigen Leistungen zunächst vertragsgemäß ausgetauscht, und die Zahlung des Restkaufpreises verweigerten die Beklagten zunächst nur deshalb, weil sie der Ansicht waren, die vereinbarten Voraussetzungen für einen Verzicht seien wegen Erfüllung der Arbeitsplatzzusage erfüllt. Soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang das Verhalten der Beklagten als "in gravierender Weise illoyal" kennzeichnet, rechtfertigt auch dies nicht den Vorwurf einer besonders schweren Treupflichtverletzung. Das Berufungsurteil enthält nur allgemeine Erwägungen zu den Aufgaben der Klägerin und der verschlechterten wirtschaftlichen Situation. Hingegen fehlen konkreten Feststellungen dazu, daß und in welchem Umfang die von der Klägerin verfolgten Ziele auf volkswirtschaftlichem sowie sozial- und strukturpolitischem Gebiet im Falle einer Rückabwicklung verfehlt werden und welche Auswirkungen hiermit verbunden sind. Auf dieser unzureichenden tatsächlichen Grundlage kann insbesondere nicht eingeschätzt werden, ob sich die Beklagten - auch unter Berücksichtigung etwa aus dem Geschäft erlangter Vorteile - mit der Berufung auf die Formnichtigkeit in hohem Maße widersprüchlich verhalten.
4. Keinen Bestand hat das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Abweisung der von der Beklagten zu 1 erhobenen Zwischenfeststellungswiderklage.
Entgegen der Auffassung der Revision ist allerdings der rechtliche Ansatz , mit dem das Berufungsgericht die Unzulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage begründet hat, nicht zu beanstanden. Es ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, daß die nach § 256 Abs. 2 ZPO für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage erforderliche Vorgreiflichkeit zu verneinen ist, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen wird, ob das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis besteht (Senat, Urt. v. 17. Juni 1994, V ZR 34/92, NJW-RR 1994, 1272, 1273). Nachdem das Berufungsgericht auf Grund der von ihm angenommenen Verwirkung über die Klage entschieden hat, ohne die - zum Gegenstand der Zwischenfeststellungsklage gemachte - Formnichtigkeit des Kaufvertrages zu klären, war im vorliegenden Fall eine solche Konstellation gegeben. Gleichwohl war das Berufungsurteil auch insoweit aufzuheben, als es die Entscheidung über die Zwischenfeststellungswiderklage zum Gegenstand hat (§ 561 ZPO). Denn zum einen ist für die von dem Berufungsgericht angenommene Verwirkung des Nichtigkeitseinwandes kein Raum und zum anderen sind bei der erneuten Entscheidung des Rechtsstreits auch Feststellungen des Berufungsgerichts zur Formunwirksamkeit des Kaufvertrages möglich.

III.


Da der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen im Hinblick auf die behauptete Nichtbeachtung des Formerfordernisses aus § 313 BGB a.F. und/oder zur Unbeachtlichkeit eines Formmangels nach § 242 BGB auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung , ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 139 Teilnichtigkeit


Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 125 Nichtigkeit wegen Formmangels


Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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VII ZR 416/99 Verkündet am:
18. Januar 2001
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 16 B Nr. 3 Abs. 1 Satz 1
1. Der Auftragnehmer, der die Schlußrechnung nach Ablauf der Prüfungsfrist
von zwei Monaten prüft und anschließend Einwendungen erhebt
, verwirkt diese Einwendungen nicht schon deshalb, weil die Prüfungsfrist
abgelaufen ist.
2. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung, die auch für Einwände
gegen die Schlußrechnung maßgeblich sind, ist der Einwand
der Verwirkung nur begründet, wenn der Auftragnehmer aufgrund des
Zeitablaufs und weiterer auf dem Verhalten des Auftraggebers beruhenden
Umstände darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte, daß
der Auftraggeber seine Rechte nicht mehr geltend machen wird.
3. Die auf dem Zeitablauf beruhenden Beweisschwierigkeiten des Auftragnehmers
rechtfertigen grundsätzlich nicht den Einwand der Verwirkung.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2001- VII ZR 416/99- OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Wiebel, Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 1999 wird zurückgewiesen. Soweit der Kläger die Revision zurückgenommen hat, wird er des Rechtsmittels für verlustig erklärt. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma R.S. GmbH & Co.. Er hat restlichen Werklohn in Höhe von 27.493,23 DM nebst Zinsen sowie die Herausgabe einer Bürgschaft verlangt. Nachdem er die Revision hinsichtlich des Herausgabeanspruchs zurückgenommen hat, ist Gegenstand der Revision nur der Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns.

II.


Im April 1995 beauftragte die Beklagte die Gemeinschuldnerin mit den Rohbauarbeiten an einer Schule in H. Die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Beklagte die Arbeiten abgenommen hatte, erteilte die Gemeinschuldnerin am 16. August 1996 ihre Schlußrechnung über einen Betrag von 2.487.493,23 DM brutto. Der nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlungen verbleibende Restbetrag beträgt 27.493,23 DM. Nach Zugang der Schlußrechnung leistete die Beklagte noch zwei Abschlagszahlungen. Die Beklagte überprüfte die Schlußrechnung im Januar 1999, sie errechnete eine unstreitige Überzahlung von 167.168,39 DM. Der Kläger verlangt den Restsaldo der Schlußrechnung mit der Begründung , die Beklagte sei nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist ab Zugang der Schlußrechnung mit etwaigen Einwendungen gegen die Schlußrechnung ausgeschlossen.

III.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Gemeinschuldnerin hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen die Schlußrechnung nicht ausgeschlossen ist.

II.

1. a) Das Berufungsgericht hat die Verwirkung mit folgenden Erwägungen verneint: Die Beklagte habe durch die verspätete Prüfung nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ihre Einwendungen gegen die Schlußrechnung nicht verwirkt. Da die VOB/B die Rechtsfolgen der Verwirkung nicht vorsehe und das Baurecht keine speziellen Regelungen zur Verwirkung enthalte, würden die allgemeinen Grundsätze gelten. Danach setze eine Verwirkung neben dem Zeitmoment voraus, daß die spätere Geltendmachung des Rechts aufgrund besonderer Umstände treuwidrig sei.
b) Derartige Umstände seien nicht gegeben. Das Telefonat mit dem Zeugen P., einem Mitarbeiter der Beklagten, sei nicht geeignet, ein Vertrauen der Gemeinschuldnerin darauf zu begründen, daß die Beklagte keine Einwendungen mehr erheben werde. Der Zeuge habe in dem Telefonat eingeräumt, daß er seinen Pflichten zur Prüfung der Schlußrechnung nicht nachgekommen sei und daß er mit persönlichen Nachteilen rechnen müsse, wenn die Gemeinschuldnerin ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen würde. Abgesehen davon hätte die Gemeinschuldnerin jederzeit Klage erheben können, und damit die
Beklagte zwingen können, ihre Einwendungen gegen die Schlußrechnung zu erheben.
c) Die Einwendungen der Beklagten gegen die Schlußrechnung seien begründet. Der Kläger habe hinreichend Gelegenheit gehabt, zu den Einwendungen Stellung zu nehmen. Das sei ihm nicht gelungen, er habe zu den einzelnen Einwendungen der Beklagten nicht substantiiert Stellung genommen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei als Konkursverwalter nicht dazu in der Lage. Dieser Vortrag sei unerheblich. Er müsse die Folgen der tatsächlichen Lage tragen, die die Gemeinschuldnerin herbeigeführt habe. 2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden:
a) Die Prüfung der Schlußrechnung nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B begründet allein nicht die Verwirkung der Einwände des Auftraggebers gegen die Schlußrechnung (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 1990 - 23 U 136/89, BauR 1990, 609 = ZfBR 1990, 123; Urteil vom 1. Juli 1997 - 21 U 245/96, BauR 1997, 1052 = NJW-RR 1998, 376; vgl. hierzu mit zutreffender Kritik Welte, BauR 1998, 384; OLG Nürnberg, Urteil vom 9. Juli 1999 - 6 U 3845/98, BauR 1999, 1316). Da die VOB/B als Rechtsfolge der Überschreitung der Prüfungsfrist den Verlust der Einwendungen nicht regelt, richtet sich die Verwirkung nach den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung voraus, daß zu dem Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten
des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 11/88, WM 1988, 1891; Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240). Beweisschwierigkeiten, denen der Verpflichtete deshalb ausgesetzt ist, weil der Berechtigte seine Rechte nach längerer Zeit geltend macht, rechtfertigen den Einwand der Verwirkung grundsätzlich nicht. Der Einwand der Verwirkung kann allerdings begründet sein, wenn der Verpflichtete im berechtigten Vertrauen darauf, daß der Berechtigte seine Rechte nicht mehr geltend machen wird, Beweismittel vernichtet (BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240).
c) Danach begründet der Zeitablauf, die Prüfung der Schlußrechnung nach Ablauf der Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B, allein nicht die Voraussetzung der Verwirkung. Der Auftragnehmer verwirkt Einwände gegen die Schlußrechnung nur, wenn zur Überschreitung der Frist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B weitere Umstände hinzukommen, die das Vertrauen des Auftraggebers rechtfertigen, der Auftragnehmer werde etwaige Einwände gegen die Schlußrechnung nicht mehr geltend machen.
d) Die Voraussetzungen der Verwirkung waren nicht gegeben. Die neben dem Zeitablauf für den Vertrauenstatbestand erforderlichen Umstände lagen nicht vor. Die Tatsache, daß die Beklagte nach Zugang der Schlußrechnung noch zwei Abschlagszahlungen geleistet hat, ist ein deutliches Indiz dafür , daß sie die Schlußrechnung noch prüfen werde. Die Beweisschwierigkeiten , die sich nach der Behauptung des Klägers aufgrund des Konkurses der Gemeinschuldnerin ergeben haben, können den Einwand der Verwirkung nicht
begründen, weil diese Situation nicht darauf zurückzuführen ist, daß die Gemeinschuldnerin oder der Kläger darauf vertraut haben und darauf vertrauen durften, daß die Beklagte die Schlußrechnung nicht mehr prüfen und keine Einwände mehr erheben würde. Ullmann Thode Wiebel Kniffka Wendt

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.