Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2000 - KZR 8/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. April 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.
II. Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt 100.000,-- DM.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe von 500.000 DM. Die entsprechende Verpflichtung leitet sie aus der Verletzung eines von den Parteien am 15. Mai 1990 geschlossenen Kooperationsvertrages her. Damit dessen kartellrechtliche Wirksamkeit durch die zuständigen Kartellgerichte geprüft werden kann, hat das Landgericht Würzburg das Verfahren nach § 96 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. ausgesetzt. Der Klärung dieser Frage dient das vorliegende Zwischenverfahren. Die Klägerin und die Beklagte führen Kanalreinigungsarbeiten aus. Im März des Jahres 1990 erhielt die Beklagte den Auftrag - beschränkt zunächst auf das Los I - zur Reinigung und zur Fernsehuntersuchung der Kanäle des Abwasserverbandes M.. Da sie damals über keinen eigenen TV-Wagen für die erforderlichen Kanaluntersuchungen verfügte, wollte sie die Klägerin, die entsprechend ausgerüstet war, als Subunternehmerin einschalten. Der Abwasserverband wollte sichergestellt wissen, daß der gesamte auch die Lose II - V umfassende, mehrere Jahre in Anspruch nehmende Auftrag ordnungsgemäß abgewickelt werde, und hielt es deswegen für erforderlich, daß die Parteien ihre Zusammenarbeit vertraglich regelten. Deren Verhandlungen führten zu dem genannten Kooperationsvertrag, der die Einzelheiten der Zusammenarbeit , vor allem auch die Preisgestaltung regelt und in dem es u.a. heißt:"3. Die Fa. .. [Klägerin] führt insbesondere Kanaluntersuchungen für die Fa. .. [Beklagte] durch. .. 4a. Die Fa. .. [Beklagte] verpflichtet sich, in diesem Bereich weder die offen gelegten Preise zu unterbieten, noch selbst in die Durchführung der unter 3. genannten Arbeiten einzutreten oder diese Dritten zu überlassen. .. 9. Diese Vereinbarung .. gilt mindestens für die Dauer des Auftrages M.. Danach kann sie von beiden Seiten mit einer Frist von 7 Tagen zum Monatsultimo gekündigt werden.
Unabhängig von dieser Kündigungsfrist sind bereits begonnene Aufträge zu Ende zu führen." In Kenntnis dieser Abreden erteilte der Abwasserverband im Juni 1990 der Beklagten auch den Reinigungs- und Untersuchungsauftrag für die Lose II - V. Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte sich im Frühjahr 1994 ein eigenes Kanaluntersuchungsfahrzeug angeschafft und in der Folge TVUntersuchungen unter Verstoß gegen Nr. 4a des Kooperationsvertrages vorgenommen ; auf diesen Sachverhalt hat die Klägerin ihren Vertragsstrafenanspruch in dem ausgesetzten Rechtsstreit gestützt. Die Beklagte, die den Kooperationsvertrag zum 31. August 1994 gekündigt hat, hat die Vereinbarungen für kartellrechtswidrig gehalten.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Kooperationsvertrag, soweit er sich auf die Durchführung des von dem Abwasserverband M. erteilten Auftrages von März/Juni 1990 bezieht, rechtswirksam ist. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hatte nur insofern Erfolg, als das Oberlandesgericht festgestellt hat, der genannte Vertrag sei bis zum 31. August 1994 nicht rechtsunwirksam gewesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision, über die durch Versäumnisurteil (§§ 557, 331 ZPO), aber auf Grund sachlicher Prüfung zu entscheiden ist (BGHZ 37, 79, 81), ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.1. Die zwischenzeitlich in Kraft getretene Ä nderung des GWB, die zur Streichung des § 96 Abs. 2 GWB a.F. geführt hat, hat auf die Weiterführung dieses unter der Herrschaft des früheren Rechts eingeleiteten Zwischenverfah-
rens keinen Einfluß (aA Wiedemann/Bumiller Hdb. KartellR, § 60 Rdn. 69). Vielmehr ergibt sich das fortdauernde Feststellungsinteresse allein daraus, daß das Nichtkartellgericht einen Aussetzungsbeschluß erlassen hat, der von dem Kartellgericht hinzunehmen und weder in sachlicher noch in prozessualer Hinsicht zu überprüfen ist (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 8. Aufl., § 96 GWB Rdn. 25 m.w.N.).
2. Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, daß der Kooperationsvertrag, soweit er die Ausführung des von dem Abwasserverband M. erteilten Kanalreinigungs- und Untersuchungsauftrages betrifft, nicht gegen § 1 GWB a.F. verstoßen hat. Bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs bestand ein anzuerkennendes Interesse für die vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1997 - KZR 35/95, WuW/E 3121 - BedsideTestkarten ; Urt. v. 14.1.1997 - KZR 41/95, WuW/E 3115 - Druckgußteile; Urt. v. 6.5.1997 - KZR 43/95, WuW/E 3137 - Solelieferung; Urt. v. 12.5.1998 - KZR 18/97, WuW/E DE-R 131 - Subunternehmervertrag). Da nur durch das arbeitsteilige Zusammenwirken beider Parteien bei der mit einem Spezialfahrzeug durchzuführenden Untersuchung und bei der Reinigung der Kanäle der ausdrücklich mit dieser Aufgabenverteilung vergebene Auftrag durchgeführt werden konnte, diente das die Beklagte treffende Verbot, auf dem Arbeitsgebiet der Klägerin selbständig tätig zu werden (Nr. 4a des Kooperationsvertrages ), allein der Erreichung des kartellrechtsneutralen Hauptzwecks dieses Vertrages (vgl. BGH WuW/E DE-R 131, 133 - Subunternehmervertrag m.w.N.).
3. Begründet ist die Revision jedoch deswegen, weil das Berufungsgericht die begehrte Feststellung lediglich für die Zeit bis zum 31. August 1994 ausgesprochen hat. Entgegen der Auffassung der Revision liegt darin zwar
kein Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz, weil die Tatsache, daß die Beklagte den Kooperationsvertrag zum 31. August 1994 gekündigt hatte, unstreitig war und bereits in den ausgesetzten Vertragsstrafenprozeß eingeführt worden war. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber aus diesem Umstand geschlossen, daß der Kooperationsvertrag bereits am 31. August 1994 beendet worden sei. Nach Nr. 9 Abs. 2 des Vertrages besteht ein Kündigungsrecht zeitlich erst, wenn der von dem Abwasserverband erteilte Auftrag erledigt ist ("danach"), vor allem aber ist nach Abs. 3 aaO auch nach einer Kündigung der begonnene Auftrag - bei als selbstverständlich vorausgesetztem Fortbestehen der eingegangenen vertraglichen Bindungen - zu Ende zu führen. Dies war am 31. August 1994 nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Vielmehr sind aufgrund dieses Auftrages zu erledigende Arbeiten nach der Darstellung der Beklagten mindestens bis März 1995, nach derjenigen der Klägerin sogar noch später ausgeführt worden. Während des gesamten - ggfs. im Vertragsstrafenprozeß noch näher festzustellenden - Zeitraums bis zum vollständigen Abschluß der Arbeiten dauerte die wechselseitige Bindung der Parteien
aus dem kartellrechtsneutralen Kooperationsvertrag - selbst wenn die ausgesprochene Kündigung wirksam gewesen sein sollte - an, so daß für die von dem Berufungsgericht ausgesprochene zeitliche Beschränkung der Wirksamkeit des Vertrages kein Raum ist.
Geiß Melullis Goette Ball Bornkamm
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(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.
(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.
(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.
(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.
(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.
(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
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