Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2002 - IX ZR 452/00

bei uns veröffentlicht am21.02.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 452/00
Verkündet am:
21. Februar 2002
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger macht an Feldfrüchten, welche die beiden Beklagten jede für sich auf dem Halm gepfändet hatten, ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend. Das Landgericht hat nach Verbindung die Drittwiderspruchsklagen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Zwangsvollstreckung der Beklagten für unzulässig erklärt. Hiergegen
wenden sich deren Revisionen. Der Senat hat den Wert der Beschwer der Beklagten auf mehr als 60.000 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:


Die Revisionen der Beklagten sind nach § 546 Abs. 1 ZPO a.F. zulässig und auch begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat von einer Darstellung des Tatbestandes abgesehen , weil es davon ausgegangen ist, sein Urteil sei nach § 546 Abs. 1 ZPO a.F. nicht revisibel. Da dieser Ausgangspunkt nach der Festsetzung des Wertes der Beschwer durch den Senat unzutreffend ist, hätte das Berufungsurteil , wie beide Revisionen zu Recht rügen, nach § 543 Abs. 2 ZPO a.F. einen Tatbestand enthalten müssen. Das Fehlen des Tatbestandes nötigt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 73, 248, 250 ff; BGH, Urt. v. 1. Februar 1999 - II ZR 176/97, NJW 1999, 1720 m.w.N.) zur Aufhebung des Berufungsurteils, es sei denn, daß in den Entscheidungsgründen die tatsächlichen Nachprüfungsgrundlagen für die Revision (§ 561 ZPO a.F.) ausreichend wiedergegeben sind. Eine solche Ausnahme besteht hier - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht.
Nach dem tatsächlichen Inhalt des Berufungsurteils ist es bereits nicht möglich, die im Klagantrag genannten "Schläge" und die in den Entscheidungsgründen genannten, Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen gewordenen Flächen untereinander in Beziehung zu setzen.

Nicht vollständig klar ist darüber hinaus vor allem, welchen Sachverhalt das Berufungsgericht seiner Auslegung des Pachtvertrages zwischen dem Kläger und der S. GbR vom 1. Oktober 1998 sowie möglicher Zusatzvereinbarungen zugrunde gelegt hat.
Das Berufungsgericht erklärt nur, es gebe keine vernünftigen Zweifel daran, daß die Parteien des Pachtvertrages vom 1. Oktober 1998 bei Vertragsschluß übereinstimmend davon ausgingen, dem Kläger seien aufgrund dieses Vertrages nicht die in der Anlage beschriebenen Flächen, sondern die nach der Tauschvereinbarung vom 2. Mai 1999 der S. GbR zugewiesenen Flächen zur Nutzung übergeben worden. Ohne Mitteilung der Grundlagen für diese Überzeugung bleibt zweifelhaft, ob das Berufungsgericht hier nur an eine Geschäftsgrundlage des Pachtvertrages vom 1. Oktober 1998 gedacht hat oder ob es einen bestimmten Vertragsinhalt annehmen wollte. Hat das Berufungsgericht einen bestimmten Vertragsinhalt - etwa eine ungeschriebene Ersetzungsbefugnis - im Auge gehabt, so hätte es sich auch mit der Schriftformklausel in § 18 der Pachtvertragsurkunde auseinandersetzen müssen. Wollte das Berufungsgericht statt dessen eine nachträgliche formlose Vertragsänderung annehmen , so fehlt in seinem Urteil die Angabe, auf welchen Vortrag und welche Beweisergebnisse dieser Schluß gegründet sein soll.
Das Berufungsgericht erklärt ferner lediglich, es stehe außer Zweifel, daß der Kläger in den Besitz der streitgegenständlichen Grundstücke - gemeint sind die in den Pfändungsbeschlüssen bezeichneten Anbauflächen - gelangt sei. Ohne Angabe der Tatsachengrundlage läßt sich auch hier nicht beurteilen, ob die Annahme des Berufungsgerichtes Rechtsbedenken begegnet.

Beide Revisionen rügen überdies im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht angenommenen Vertragslage zwischen dem Kläger und der S. GbR Verfahrensfehler (RB 1 S. 8 oben, RB 2 S. 7, 8), die nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, aber für das Revisionsgericht nicht prüfbar sind.
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens sind zudem wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).

II.


Für die wiedereröffnete Berufungsverhandlung weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) stützt sich nur auf die dingliche Aneignungsgestattung. Selbst wenn die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten zu 2 und der S. GbR einerseits sowie zwischen letzterer und dem Kläger andererseits nach § 589 BGB unwirksam gewesen sein sollten (vgl. BGH, Urt. v. 5. März 1999 - LwZR 7/98, WM 1999, 1293), beeinträchtigt ein solcher Mangel des Schuldgrundes die Wirksamkeit der dinglichen Aneignungsgestattung nicht. Die Aneignung getrennter Früchte nach § 956 Abs. 2
BGB kann auch ein Pächter gestatten, der nach § 589 BGB einem Dritten die Pachtflächen nicht zur Nutzung überlassen darf (vgl. Staudinger/Gursky, BGB Bearb. 1995 § 956 Rn. 18 m.w.N.).
Kreft Stodolkowitz Ganter Raebel Kayser

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2002 - IX ZR 452/00 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 771 Drittwiderspruchsklage


(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 8 Strafsachen, Bußgeldsachen


In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 589 Nutzungsüberlassung an Dritte


(1) Der Pächter ist ohne Erlaubnis des Verpächters nicht berechtigt,1.die Nutzung der Pachtsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere die Sache weiter zu verpachten,2.die Pachtsache ganz oder teilweise einem landwirtschaftlichen Zusammenschluss

Referenzen

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.

(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.

(3) Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

(1) Der Pächter ist ohne Erlaubnis des Verpächters nicht berechtigt,

1.
die Nutzung der Pachtsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere die Sache weiter zu verpachten,
2.
die Pachtsache ganz oder teilweise einem landwirtschaftlichen Zusammenschluss zum Zwecke der gemeinsamen Nutzung zu überlassen.

(2) Überlässt der Pächter die Nutzung der Pachtsache einem Dritten, so hat er ein Verschulden, das dem Dritten bei der Nutzung zur Last fällt, zu vertreten, auch wenn der Verpächter die Erlaubnis zur Überlassung erteilt hat.