Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 194/02
Verkündet am:
15. Mai 2003
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist eine inkongruente Deckung,
wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muß, daß ohne sie der
Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der
ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2003 - IX ZR 194/02 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Schuldnerin entrichtete am 2. November 2000 Steuern und Säumniszuschläge in Höhe von 103.519,31 DM, nachdem die Finanzkasse sie zur Zahlung aufgefordert und zugleich Vollstreckungsmaßnahmen nach Ablauf einer Woche angekündigt hatte. Im Zeitpunkt dieser Deckung war die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig. Auf Antrag vom 5. Januar 2001 wurde am 5. März 2001 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Insolvenzverwalter nimmt das beklagte Land im Wege der Anfechtung auf Rückgewähr der genannten Zahlung in Anspruch. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben (KKZ 2003, 36). Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat Feststellungen zur Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht getroffen, den Rückgewähranspruch auf § 131 Abs. 1 Nr. 2, § 143 InsO gestützt und die Revision zur weiteren Klärung der Rechtsfrage zugelassen, ab wann bei einer im Vorfeld von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleisteten Steuerzahlung eine inkongruente Deckung erfolgt sei. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 11. April 2002 (IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194) bereits entschieden, daß eine inkongruente Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorliege, wenn ein Sozialversicherungsträger die festgesetzte Leistung mit Frist von einer Woche und Ankündigung der Vollstreckung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X anmahne. Ebenso handele der Schuldner unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung , wenn die Finanzkasse - wie hier - nach § 259 Satz 1 AO mit einer Zahlungsfrist von einer Woche und Ankündigung der Vollstreckung rückständige Steuern einfordere, so daß bei dem Schuldner der Eindruck entstehe, es sei alsbald mit Vollstreckungsmaßnahmen zu rechnen. Ob bis zur ersten Vollstrekkungshandlung nach dem innerbehördlichen Geschäftsgang noch längere Zeit verstreichen müsse, weil die Akten dazu erst von der Finanzkasse an die Vollstreckungsstelle des Finanzamts abzugeben seien, könne in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.
Demgegenüber bezweifelt die Revision unter Berufung auf App (KKZ 2003, 38 f), daß sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inkongruenz von Zahlungen, die in der Krise zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung erbracht worden sind (grundlegend BGHZ 136, 309, 312 ff), aus dem Gesetz ableiten lasse. Diese Rechtsprechung weiche auch von der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ab, daß die Erfüllung einer Geldschuld nicht schon deshalb nach § 30 Nr. 2 KO inkongruent sei, weil der Gemeinschuldner möglicherweise unter dem Druck einer vom Gläubiger angedrohten Zwangsvollstreckung gehandelt habe (vgl. BAG ZIP 1998, 33, 35). Schließlich habe die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin im Streitfall nicht unmittelbar bevorgestanden. Die Vollstreckungsankündigung werde von der Finanzkasse mit der zweiten Mahnung automatisch von der elektronischen Datenverarbeitung erstellt und versandt. Die Vollstreckungsstelle des Finanzamts sei zu diesem Zeitpunkt mit dem Vorgang noch nicht befaßt. Anders als im Fall der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei daher hier auch noch kein Vollziehungsbeamter beauftragt und in der Lage gewesen, unmittelbar Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen.

II.


Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
1. Seit der Entscheidung vom 9. September 1997 (BGHZ 136, 309, 311 ff) hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts auch dann vorliegt, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (vgl. BGH, Urt. v. 20. Novem-
ber 2001 - IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228, 229; v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, WM 2002, 1193, 1194; v. 26. September 2002 - IX ZR 66/99, WM 2003, 59, 60). Die von der Revision aufgegriffene Kritik (s. oben) gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seines Standpunkts. Denn die anfechtungsrechtliche Mißbilligung von Deckungen, die Titelgläubiger in der "kritischen" Zeit mit Mitteln der Zwangsvollstreckung erlangt haben, ist keine freie Schöpfung der richterlichen Rechtsfortbildung, sondern sie hat schon in der Entstehungsgeschichte und dem Gesetz gewordenen Wortlaut von § 30 Nr. 2 KO Ausdruck gefunden (vgl. dazu im einzelnen BGHZ 136, 309, 312). Von dieser Interessenwertung ist der Gesetzgeber auch mit der im Streitfall anwendbaren Vorschrift des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht abgerückt.
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Senat durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 1997 (ZIP 1998, 33, 35) vorliegend nicht gehindert, die dem Beklagten gewährte Deckung als inkongruent zu behandeln. Den Ausführungen des Senatsurteils vom 11. April 2002 (aaO) ist insoweit nichts hinzuzufügen.
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, wie das Berufungsgericht nach den Umständen des Falles die während der Krise zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte inkongruente Zahlung der Schuldnerin von einer kongruenten freiwilligen Leistung auf eine fällige Forderung in dieser Zeit abgegrenzt hat. Der Senat hat in seiner vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung vom 11. April 2002 (aaO S. 1194 unter 2 c) ebenfalls bereits verdeutlicht , daß die Feststellung der Inkongruenz nach § 131 Abs. 1 InsO nicht davon abhängt, ob die Zwangsvollstreckung zur Zeit der Leistung im formalrechtlichen Sinne bereits begonnen hatte.
Die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ist eine inkongruente Deckung, wenn der Schuldner zur Zeit seiner Leistung damit rechnen muß, daß ohne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnt. Ob der Schuldner aufgrund eines unmittelbaren Vollstreckungsdrucks geleistet hat, beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners. Hier konnten sowohl der Schuldner als auch der Beklagte den objektiven Erklärungswert der Vollstreckungsankündigung nicht anders verstehen, als daß damit eine kurzfristige letzte Gelegenheit zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung eingeräumt werde. Zweck dieser Vollstrekkungsankündigung war es auch aus der Sicht des Beklagten gerade, die Schuldnerin durch die Zwangsandrohung zur Zahlung zu veranlassen. Das Berufungsgericht hat deshalb im vorstehenden Zusammenhang mit Recht den der Schuldnerin verborgenen inneren Abläufen der Finanzverwaltung, wie der zunächst noch notwendigen Ausfertigung der Rückstandsanzeige (§ 276 Abs. 5 AO) und der Aktenabgabe an die Vollstreckungsstelle, die eine zügige Vollstreckung möglicherweise hätten hemmen können, keine Bedeutung beigemessen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Vollstreckungsankündigung der Finanzkasse vom 26. Oktober 2000, wie die Revisionserwiderung meint, bereits als Maßnahme gemäß Abschnitt 22 Abs. 5 Satz 2 der Vollstreckungsanweisung
vom 13. März 1980 (BStBl. I S. 112) zu werten war. Die Schuldnerin mußte hier bereits aufgrund der Vollstreckungsankündigung der Finanzkasse von einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung des Beklagten ausgehen.
Kreft Ganter Raebel
Kayser Bergmann

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Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Insolvenzordnung - InsO | § 131 Inkongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, 1. wenn die Handlung im letzten Monat

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 66 Vollstreckung


(1) Für die Vollstreckung zugunsten der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. In Angelegenheiten des § 51 des Sozialgerichtsgesetzes is

Abgabenordnung - AO 1977 | § 276 Rückständige Steuer, Einleitung der Vollstreckung


(1) Wird der Antrag vor Einleitung der Vollstreckung bei der Finanzbehörde gestellt, so ist die im Zeitpunkt des Eingangs des Aufteilungsantrags geschuldete Steuer aufzuteilen. (2) Wird der Antrag nach Einleitung der Vollstreckung gestellt, so is

Abgabenordnung - AO 1977 | § 259 Mahnung


Der Vollstreckungsschuldner soll in der Regel vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden. Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner vor Eintritt der Fälligkeit an die Zahlung erinnert wir

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

(1) Für die Vollstreckung zugunsten der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. In Angelegenheiten des § 51 des Sozialgerichtsgesetzes ist für die Anordnung der Ersatzzwangshaft das Sozialgericht zuständig. Die oberste Verwaltungsbehörde kann bestimmen, dass die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der in Satz 1 genannten Behörden für die Vollstreckung fachlich geeignete Bedienstete als Vollstreckungsbeamte und sonstige hierfür fachlich geeignete Bedienstete dieser Behörde als Vollziehungsbeamte bestellen darf; die fachliche Eignung ist durch einen qualifizierten beruflichen Abschluss, die Teilnahme an einem Lehrgang einschließlich berufspraktischer Tätigkeit oder entsprechende mehrjährige Berufserfahrung nachzuweisen. Die oberste Verwaltungsbehörde kann auch bestimmen, dass die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der in Satz 1 genannten Behörden für die Vollstreckung von Ansprüchen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge fachlich geeignete Bedienstete

1.
der Verbände der Krankenkassen oder
2.
einer bestimmten Krankenkasse
als Vollstreckungsbeamte und sonstige hierfür fachlich geeignete Bedienstete der genannten Verbände und Krankenkassen als Vollziehungsbeamte bestellen darf. Der nach Satz 4 beauftragte Verband der Krankenkassen ist berechtigt, Verwaltungsakte zur Erfüllung der mit der Vollstreckung verbundenen Aufgabe zu erlassen.

(2) Absatz 1 Satz 1 bis 3 gilt auch für die Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung; das Land bestimmt die Vollstreckungsbehörde.

(3) Für die Vollstreckung zugunsten der übrigen Behörden gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Für die landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt Absatz 1 Satz 2 bis 5 entsprechend. Abweichend von Satz 1 vollstrecken die nach Landesrecht zuständigen Vollstreckungsbehörden zugunsten der landesunmittelbaren Krankenkassen, die sich über mehr als ein Bundesland erstrecken, nach den Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes.

(4) Aus einem Verwaltungsakt kann auch die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung stattfinden. Der Vollstreckungsschuldner soll vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden. Die vollstreckbare Ausfertigung erteilt der Behördenleiter, sein allgemeiner Vertreter oder ein anderer auf Antrag eines Leistungsträgers von der Aufsichtsbehörde ermächtigter Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Bei den Versicherungsträgern und der Bundesagentur für Arbeit tritt in Satz 3 an die Stelle der Aufsichtsbehörden der Vorstand.

Der Vollstreckungsschuldner soll in der Regel vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden. Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner vor Eintritt der Fälligkeit an die Zahlung erinnert wird. An die Zahlung kann auch durch öffentliche Bekanntmachung allgemein erinnert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 66/99
Verkündet am:
26. September 2002
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
KO § 30 Nr. 2
Zu den Anforderungen an die Widerlegung der vermuteten Selbstbegünstigungsabsicht
eines Landes, dessen Finanzamt in der Krise ein Bankguthaben des späteren
Gemeinschuldners pfändet, sowie der vermuteten Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners
und ihrer Kenntnis, wenn die Bank dem Gemeinschuldner nach der
Pfändung erlaubt, den geschuldeten Betrag an das Finanzamt zu überweisen.
BGH, Urteil vom 26. September 2002 - IX ZR 66/99 - OLG Celle
LG Stade
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Juli 1998 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 30. Mai 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge werden dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der K. GmbH (fortan: Gemeinschuldnerin). Diese hatte gegenüber dem beklagten Land Steuerschulden. Am 31. Mai 1995 stellte das Finanzamt Z. (im folgenden: Finanzamt) gegen die Gemeinschuldnerin Konkursantrag. Diesen Antrag nahm das Finanzamt etwa einen Monat später wieder zurück, nachdem der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in seiner Anhörung vor dem Konkursgericht geltend gemacht hatte, auf die erheblich höhere Forderung des Finanzamts einen Abschlag in Höhe von 6.000 DM gezahlt zu haben. Am 6. September 1995 stellt das Finanzamt wegen Zahlungsunfähigkeit der Ge-
meinschuldnerin erneut Konkursantrag und machte Steuerschulden in Höhe von 27.465,05 DM geltend. Am 21. Dezember 1995 ordnete das Konkursgericht die Sequestration des Vermögens der Gemeinschuldnerin an. Am 27. Dezember 1995 wurde dem Konto der Gemeinschuldnerin bei der V. bank (im folgenden: Bank) ein Betrag von 104.841,67 DM gutgeschrieben. Am 2. Januar 1996 sprach der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin beim Finanzamt vor und machte geltend, daß er Zahlungseingänge erwarte ; er unterzeichnete einen auf den 8. Januar 1996 vordatierten Scheck über 62.940,42 DM. Daraufhin nahm das Finanzamt am 4. Januar 1996 den Konkursantrag zurück. Der Scheck wurde von der Bank im Ergebnis nicht eingelöst. Am 22. Januar 1996 hob das Konkursgericht die Sequestration auf. Am selben Tag erließ das Finanzamt wegen rückständiger Steuerforderungen in Höhe von 65.870,11 DM eine der Bank am 23. Januar 1996 zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das Konto der Gemeinschuldnerin gepfändet wurde. Im Zeitpunkt der Zustellung wies es ein Guthaben von 112.692,23 DM auf. Dies teilte die Bank dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin am nächsten Tage mit und gab ihm Gelegenheit, den vom Finanzamt verlangten Betrag an dieses zu überweisen. Der Geschäftsführer unterzeichnete daraufhin einen entsprechenden Überweisungsauftrag. Diesen führte die Bank am 25. Januar 1996 aus. Am 15. Februar 1996 wurde das Konkursverfahren auf den am 6. November 1995 gestellten Antrag des Gläubigers J. hin eröffnet. In seinem Bericht vom 30. April 1996 schätzte der Kläger die Konkursforderungen auf 291.000 DM.
Der Kläger verlangt von dem beklagten Land aus dem Gesichtspunkt der Konkursanfechtung Zahlung von 65.870,11 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Das Beru-
fungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte habe bewiesen, daß er weder vom Konkursantrag des Gläubigers J. noch von einer Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gewußt habe. Das Finanzamt habe aus der Aufhebung der Sequestration den Schluß ziehen müssen, daß die Gemeinschuldnerin weder überschuldet noch zahlungsunfähig sei und sich keine Notwendigkeit zur Eröffnung eines Konkursverfahrens ergeben habe. Eine Anfechtung nach § 30 Nr. 2 KO scheitere daher ebenso wie eine Anfechtung nach § 30 Nr. 1 KO.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Anfechtungsanspruch des Klägers nach § 30 Nr. 2 KO läßt sich mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht ablehnen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht davon auszu- gehen, daß die Pfändungs- und Überweisungsverfügung dem Beklagten ein rechtsbeständiges Absonderungsrecht an dem gepfändeten Guthaben vermittelte. Die Verfügung erfolgte nach dem von dem Gläubiger J. gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Das dadurch erwirkte Pfändungspfandrecht war inkongruent (vgl. BGHZ 136, 309, 311 ff; BGH, Urt. v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, NJW 2002, 2568). Gemäß § 30 Nr. 2 KO sind Rechtshandlungen , die nach dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgen und dem Konkursgläubiger eine inkongruente Sicherung gewähren, anfechtbar , sofern er nicht beweist, daß ihm zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag noch eine Absicht des Gemeinschuldners , ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war. Das Berufungsgericht hat lediglich als bewiesen angesehen, daß das Finanzamt des beklagten Landes die Zahlungseinstellung und den Eröffnungsantrag des Gläubigers J. nicht kannte. Daß ihm auch eine Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin nicht bekannt war, hat es nicht festgestellt. Freilich fehlen Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Gemeinschuldnerin an der Pfändungsund Überweisungsverfügung des beklagten Landes beteiligt war. Indessen ist es bei einer durch Zwangsvollstreckung erlangten Deckung in einem solchen Fall nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten, nicht auf die Absicht des Gemeinschuldners, sondern auf diejenige dessen abzustellen, der die Masse verkürzt hat, hier also auf die Absicht des beklagten Landes. Deshalb ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Fällen, in denen ein Gläubiger nach der Zahlungseinstellung oder nach einem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens im Wege der Zwangsvollstreckung eine inkongruente Dekkung erlangt, die subjektive Anfechtungsvoraussetzung einer Kenntnis von der Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners nur dann nicht gegeben, wenn der Gläubiger im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Rechts-
handlung der Überzeugung war, das Vermögen des Gemeinschuldners reiche zur vollen Befriedigung aller seiner Gläubiger aus oder der Gemeinschuldner werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten (BGHZ 128, 196, 203; BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898). Zu dem Gesichtspunkt dieser sogenannten Selbstbegünstigungsabsicht (vgl. Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 30 KO Anm. 21) verhält sich das Berufungsurteil nicht. Schon deshalb kann es keinen Bestand haben.

III.


Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Der Senat, der die Parteien auf den Gesichtspunkt der Begünstigungsabsicht ausdrücklich hingewiesen hat, kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).
1. Der Beklagte kann nicht nachweisen, daß er (das Finanzamt) zur Zeit der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 23. Januar 1996 der sicheren Überzeugung war, das Vermögen der Gemeinschuldnerin reiche zur vollen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder die Gemeinschuldnerin werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten.

a) Der Beklagte hat behauptet, das Finanzamt sei von Zahlungsunwilligkeit ausgegangen. Unbestritten hat er vorgetragen, daß die Gemeinschuldnerin Zahlungszusagen gegenüber dem Finanzamt mehrfach nicht eingehalten habe. Vollstreckungsversuche des Vollziehungsbeamten des Finanzamts seien ohne Ergebnis geblieben. Der ein halbes Jahr vor der Zahlung gestellte erste Konkursantrag des Finanzamts habe nicht zu einer vollständigen Befriedigung ge-
führt, sondern nur zu einer Teilzahlung; die Zahlungszusagen aus jenem Konkursverfahren habe die Gemeinschuldnerin ebenfalls nicht eingehalten. Er habe keine Kenntnis von den innerbetrieblichen Verhältnissen der Gemeinschuldnerin gehabt. Eine Betriebsprüfung sei nicht erfolgt. Steuererklärungen seien wiederholt verzögert worden. Die letzte habe die Gemeinschuldnerin für 1992 abgegeben. Ihre Ankündigung vom 2. Januar 1996, in Zukunft ihre Steuererklärungen wieder von einem Steuerberater fertigen zu lassen, habe sich nach Rückfrage bei dem von der Gemeinschuldnerin benannten Steuerberater als unrichtig erwiesen. Die fälligen Steuerschulden seien von höchstens 22.000 DM im Juli 1995, 27.465,05 DM im September 1995 und 62.940,42 DM zum Jahresende 1995 auf schließlich 65.870,11 DM gestiegen.
Aufgrund dieser Umstände ist nicht davon auszugehen, daß es an der gemäß § 30 Nr. 2 KO zu vermutenden Selbstbegünstigungsabsicht des Beklagten fehlte. Das Finanzamt mußte vielmehr nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, daß die Gemeinschuldnerin als gewerbliches Unternehmen neben den Steuerschulden weitere Schulden gegenüber anderen Gläubigern hatte. Da bereits die offenen Steuerforderungen kontinuierlich angestiegen waren, obwohl die Gemeinschuldnerin Teilzahlungen geleistet und das Finanzamt mit Vollstreckungsmaßnahmen und zwei Konkursanträgen innerhalb von weniger als fünf Monaten erheblichen Druck ausgeübt hatte, hätte dieses allenfalls dann der Überzeugung gewesen sein können, die Gemeinschuldnerin werde in der Lage sein, alle ihre Gläubiger zu befriedigen, wenn es Einblick in die Verhältnisse der Gemeinschuldnerin gehabt hätte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 24/94, NJW 1995, 1090, 1093, insoweit in BGHZ 128, 196 ff nicht abgedruckt ). Dies traf nicht zu. Deshalb konnte der Beklagte nicht ausschließen, daß die Gemeinschuldnerin zur vollen Befriedigung ihrer sämtlichen Gläubiger nicht in der Lage war.


b) An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn das Finanzamt die Behauptung der Gemeinschuldnerin vom 2. Januar 1996, sie sei nicht zahlungsunfähig und erwarte weitere Zahlungseingänge, geglaubt haben sollte. Dies allein ließ nicht den Schluß zu, die Gemeinschuldnerin sei in der Lage, sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Daß das Finanzamt aus Äußerungen des Klägers und seiner Mitarbeiter geschlossen haben will, die Gemeinschuldnerin sei nicht konkursreif gewesen, steht der Annahme, das Finanzamt habe keinen genügenden Überblick über die wirtschaftliche Gesamtsituation der Gemeinschuldnerin gehabt, ebenfalls nicht entgegen. Schließlich vermag ein bloßer durch das Verhalten des Klägers als Sequester im Dezember 1995 vermittelter "Eindruck", die Krise der Gemeinschuldnerin sei behoben, vor dem Hintergrund der übrigen Kenntnisse des Finanzamts eine feste Überzeugung des Beklagten, die Gemeinschuldnerin könne ihre Verbindlichkeiten vollständig erfüllen, nicht zu begründen.
2. Die durch die Überweisung der Gemeinschuldnerin bewirkte Erfüllung der Steuerforderungen ist ebenfalls nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar. Denn sie erfolgte im Rahmen der von dem Beklagten ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin T. vor dem Landgericht. Danach hatte die Bank die Gemeinschuldnerin über die Pfändungs- und Einziehungsverfügung unterrichtet und ihr Gelegenheit gegeben , die Überweisung selbst vorzunehmen, weil die Bank 14 Tage Zeit gehabt hätte, ihrer Verpflichtung aus der Verfügung nachzukommen. Eine in der Krise erfolgende Befriedigung zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung ist inkongruent (BGHZ 136, 309, 312 ff; BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR 115/99, NJW 2002, 1574, 1576; v. 11. April 2002 - IX ZR 211/01, NJW 2002, 2568, 2569). Eine Inkongruenz ist erst recht zu be-
jahen, wenn die Befriedigung - wie im Streitfall - im Rahmen einer bereits ein- geleiteten Zwangsvollstreckung in ein Bankkonto in der Weise erfolgt, daß die Bank dem Kontoinhaber gestattet, von dem gepfändeten Konto eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger vorzunehmen.
Der Beklagte ist nicht in der Lage, die Vermutung, die Gemeinschuldnerin habe mit Gläubigerbegünstigungsabsicht gehandelt und der Beklagte habe diese Absicht gekannt, zu widerlegen. Aufgrund der unstreitigen Umstände ist auszuschließen, daß die Gemeinschuldnerin bei der Ausführung des Überweisungsauftrags der sicheren Überzeugung war, ihr Vermögen reiche zur vollständigen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder sie werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten (vgl. BGHZ 128, 196, 202; BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 203/96, ZIP 1997, 1509, 1510). Daß das Finanzamt die danach anzunehmende Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin nicht gekannt hätte, kann der Beklagte nicht beweisen. Aufgrund der dem Finanzamt bekannten Umstände konnte dieses nicht von einer hinreichend sicheren Aussicht der Gemeinschuldnerin ausgehen, alle ihre Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit gelten ähnliche Erwägungen wie zu III, 1.
Kreft Ganter Raebel
Kayser Bergmann

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Wird der Antrag vor Einleitung der Vollstreckung bei der Finanzbehörde gestellt, so ist die im Zeitpunkt des Eingangs des Aufteilungsantrags geschuldete Steuer aufzuteilen.

(2) Wird der Antrag nach Einleitung der Vollstreckung gestellt, so ist die im Zeitpunkt der Einleitung der Vollstreckung geschuldete Steuer, derentwegen vollstreckt wird, aufzuteilen.

(3) Steuerabzugsbeträge und getrennt festgesetzte Vorauszahlungen sind in die Aufteilung auch dann einzubeziehen, wenn sie vor der Stellung des Antrags entrichtet worden sind.

(4) Zur rückständigen Steuer gehören auch Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge.

(5) Die Vollstreckung gilt mit der Ausfertigung der Rückstandsanzeige als eingeleitet.

(6) Zahlungen, die in den Fällen des Absatzes 1 nach Antragstellung, in den Fällen des Absatzes 2 nach Einleitung der Vollstreckung von einem Gesamtschuldner geleistet worden sind oder die nach Absatz 3 in die Aufteilung einzubeziehen sind, werden dem Schuldner angerechnet, der sie geleistet hat oder für den sie geleistet worden sind. Ergibt sich dabei eine Überzahlung gegenüber dem Aufteilungsbetrag, so ist der überzahlte Betrag zu erstatten.