Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2024 - IV ZR 288/22
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Amtliche Leitsätze
a) Die Nutzungen der Vorerbschaft, wie z.B. Mieteinnahmen, gebühren gemäß § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich dem Vorerben, und zwar auch dem befreiten Vorerben, und fließen ihm als freies Vermögen zu (Festhaltung an Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - IVa ZR 57/82, NJW 1983, 2874 [juris Rn. 15]).
b) Bestand eine Gütergemeinschaft zwischen dem Erblasser und dem Vorerben, kann letzterer über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Nacherben verfügen; § 2113 BGB findet insoweit keine Anwendung (Fortsetzung des Beschlusses vom 15. März 2007 - V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 Rn. 6).
c) Auch bei einer wirksamen Verfügung des Vorerben kann dem Nacherben nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Herausgabepflicht nach § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehen, wenn der Vorerbe seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung gemäß § 2120 Satz 1 BGB verletzt hat. Der Vorerbe trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Verfügung zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich war.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 26. Juni 2024
Az.: IV ZR 288/22
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 6. Juli 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 150.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen als Nacherben von der Beklagten als Vorerbin die Erbringung einer Sicherheitsleistung.
Der Kläger zu 1 ist der Sohn des am 29. Juni 2006 verstorbenen Wilhelm Friedrich N (im Folgenden: Erblasser). Die Klägerinnen zu 2 und 3 sind die Enkelinnen des Erblassers, die Töchter seiner vor ihm verstorbenen Tochter. Die Beklagte ist die Witwe des Erblassers.
Die Beklagte und der Erblasser waren seit 1952 verheiratet und schlossen am 14. Juli 1970 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag, in dem sie für ihre Ehe rückwirkend vom Tage der Eheschließung an den Güterstand der Gütergemeinschaft bestimmten und weiterhin Folgendes vereinbarten:
II. Erbvertrag
"1.) Wir setzen uns gegenseitig dergestalt zu Erben ein, daß der überlebende Ehegatte Vorerbe des Nachlasses hinsichtlich des Erstversterbenden von uns sein soll.
Der Vorerbe soll von den gesetzlichen Beschränkungen befreit sein, jedoch nicht das Recht zur Verfügung über den zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz in jeglicher Form erhalten.
Der Vorerbe soll jedoch berechtigt sein, Hypotheken oder Grundschulden bis zu einer Höhe von 50 % des jeweiligen aufgrund ortsgerichtlicher Schätzung festzustellenden Wertes des Grundbesitzes aufzunehmen und für einen eventuellen neuen Ehegatten ein Wohnrecht zu bestellen, …
2.) Zu Nacherben des Erstversterbenden und zu Erben des Überlebenden von uns setzen wir hiermit unsere Abkömmlinge nach Stämmen und innerhalb der Stämme nach Köpfen zu gleichen Teilen ein.
…"
Zum Grundbesitz der Gütergemeinschaft gehörten drei mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke. Im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden bei der Volksbank O Verbindlichkeiten von ungefähr 332.000 €. Auf den Gemeinschaftskonten befanden sich ca. 23.800 €; es gab noch einen Geschäftsanteil mit einem Wert von 450 €.
Am 29. Dezember 2011 verkaufte die Beklagte das Grundstück Pfützenstraße 62 in G für 160.000 € und am 1. Juni 2012 das Grundstück Pfützenstraße 62a für 190.000 €. Im Grundbuch waren keine Nacherbenvermerke eingetragen. Bis zum Jahr 2012 waren durch die jährlichen Mieteinnahmen von 19.200 € für die beiden Grundstücke die Verbindlichkeiten bei der Volksbank in Höhe von ungefähr 120.000 € getilgt worden.
Die Kläger haben behauptet, hinsichtlich der drei Grundstücke sei im Januar 2020 von einem Gesamtwert von 1.200.000 € auszugehen. Ihnen stehe in Höhe von mindestens 603.600 € ein Anspruch auf Sicherheitsleistung zu, da der Nachlasswert mindestens in dieser Höhe (450.000 € als Differenz zwischen den Verkaufserlösen und dem heutigen Wert der verkauften Grundstücke zuzüglich entgangener Mieteinnahmen in Höhe von 153.600 €) reduziert worden sei und sie insofern einen Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 2130 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB hätten.
Mit der Klage haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Erbringung einer Sicherheit in Höhe von 150.000 € zugunsten der Nacherbschaft nach dem Erblasser unter Fristsetzung von drei Wochen ab Rechtskraft sowie zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Sicherheitsleistung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Klageabweisung im Übrigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf Sicherheitsleistung aus § 2128 BGB in der geltend gemachten Höhe von 150.000 € bejaht. Dieser Anspruch sei zunächst wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs der Kläger als Nacherben gegen die Beklagte als Vorerbin gemäß §§ 2130 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB betreffend die ursprünglich zum Nachlass als Surrogat gehörenden Erlöse aus den Grundstücksveräußerungen in den Jahren 2011 und 2012 in Höhe von 104.405,22 € gerechtfertigt. Die beiden veräußerten Grundstücke hätten zur Nacherbschaft gehört, da bei bestehender Gütergemeinschaft der ideelle Teil des Gesamtgutes, der im Eigentum des Erblassers gestanden habe, bei dessen Tod in den Nachlass gefallen sei. Die Beklagte habe zwar über diese Grundstücke ohne Zustimmung der Nacherben wirksam verfügen können. Den Nacherben könnten aber schuldrechtliche Ausgleichsansprüche, etwa nach den §§ 2130, 2131, 2138 Abs. 2 BGB, zustehen. Entscheidend hierfür sei, ob der Verkauf der Grundstücke eine ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne von § 2120 Satz 1 BGB dargestellt habe, der die Kläger als Nacherben hätten zustimmen müssen. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehöre insbesondere die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten. Da im Jahr 2012 nur noch Nachlassverbindlichkeiten in einer Höhe von 212.000 € bestanden hätten, könne aus dem Gesamtverkaufserlös von 350.000 € jedenfalls ein Betrag von 128.000 € nicht zur Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten verwendet worden sein. Die Beklagte habe nur die Verwendung von 141.189,57 € aus dem Verkaufserlös in Höhe von 190.000 € zur Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten darlegen und beweisen können. In Bezug auf die verbleibende Höhe von 208.810,43 € (Gesamtverkaufserlös von 350.000 € - 141.189,57 €) komme ein hälftiger Schadensersatzanspruch der Kläger in Höhe von 104.405,22 € in Betracht. Darüber hinaus sei ein Anspruch auf Sicherheitsleistung auch wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs der Kläger betreffend die durch den Verkauf des ersten Grundstücks entgangenen Mieteinnahmen in Höhe von 48.000 € gerechtfertigt. Da nicht festgestellt werden könne, dass mit dem Erlös aus diesem Verkauf Nachlassverbindlichkeiten getilgt worden seien, hätte es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen, dieses Grundstück zu behalten und weiterzuvermieten, um damit Mieteinnahmen zu erzielen. Ausgehend von unstreitigen Mieteinnahmen in Höhe von 800 € monatlich pro Grundstück seien dem Nachlass seit dem Verkauf im Jahr 2011 bis zum Jahr 2021 Mieten in Höhe von 96.000 € entgangen. Davon sei wegen der Gütergemeinschaft die Hälfte in Höhe von 48.000 € anzusetzen. Es bestehe somit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 152.405,22 €, der erheblich sei und die begehrte Sicherheitsleistung rechtfertige.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht den Klägern einen Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht zuerkennen dürfen.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft den Ausschluss der Geltung des § 2128 BGB und des § 2130 BGB in dem Ehe- und Erbvertrag vom 14. Juli 1970 verkannt. Ein solcher Ausschluss kann nicht aus der Bestimmung, der Vorerbe solle "von den gesetzlichen Beschränkungen befreit sein", entnommen werden. Inwieweit Befreiungen des Vorerben möglich sind, regelt § 2136 BGB mit einem Katalog der abdingbaren Normen. In dieser Vorschrift heißt es, der Erblasser könne den Vorerben "von den Beschränkungen und Verpflichtungen" der genannten Vorschriften befreien. Entgegen der Ansicht der Revision kann zwischen Beschränkungen und Verpflichtungen differenziert werden. So beschränkt der in § 2136 BGB aufgeführte § 2113 Abs. 1 BGB den Vorerben für bestimmte dingliche Verfügungen. Die in § 2136 BGB ebenfalls genannten §§ 2130, 2134 BGB normieren Verpflichtungen des Vorerben im Verhältnis zum Nacherben nach dem Eintritt der Nacherbfolge.
Im Übrigen ergibt die Auslegung des Erbvertrages - die der Senat mangels Erforderlichkeit weiterer Feststellungen selbst vornehmen kann - schon keine umfassende Befreiung von allen in § 2136 BGB aufgeführten Beschränkungen und Verpflichtungen. Nach dem Wortlaut des Erbvertrages haben die Ehegatten die Befreiung dahingehend eingeschränkt, dass der Vorerbe "nicht das Recht zur Verfügung über den zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz in jeglicher Form erhalten" solle. Dies kann in Verbindung mit der anschließenden Bestimmung, der Vorerbe solle jedoch berechtigt sein, Hypotheken oder Grundschulden bis zu einer Höhe von 50 % des Wertes des Grundbesitzes aufzunehmen und für einen eventuellen neuen Ehegatten ein Wohnrecht zu bestellen, nur so verstanden werden, dass eine umfassende Befreiung von § 2113 Abs. 1 BGB nicht gewollt war und auch die Herausgabepflicht aus § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich der Grundstücke (bzw. des ideellen Anteils des zuerst verstorbenen Ehegatten) nicht entfallen sollte. Damit besteht kein Anhaltspunkt für einen Willen der Eheleute, den Nacherben den Schutz des § 2128 Abs. 1 BGB bei Gefährdung des Herausgabeanspruchs (vgl. Staudinger/Avenarius, BGB (2019) § 2128 Rn. 1 m.w.N.) zu nehmen.
2. Zu Recht wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 2128 Abs. 1 BGB bejaht hat.
a) Soweit es einen Anspruch auf Sicherheitsleistung wegen eines möglichen Schadensersatzanspruchs der Kläger als Nacherben gemäß §§ 2130 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen durch den Verkauf des ersten Grundstücks entgangener Mieteinnahmen in Höhe von 48.000 € für gerechtfertigt gehalten hat, liegt dem der unrichtige Rechtssatz zugrunde, dass der Vorerbe ein zur Nacherbschaft gehörendes (Haus-)Grundstück im Interesse des Nacherben zu vermieten und die Mieteinnahmen an den Nacherben herauszugeben habe.
aa) Nach § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört zur Erbschaft, was der Vorerbe auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstands oder durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, sofern nicht der Erwerb ihm als Nutzung gebührt. Daraus ergibt sich, dass die Nutzungen des Nachlasses - wie Früchte, z.B. Mieteinnahmen als mittelbare Sachfrüchte (§ 99 Abs. 3 BGB, vgl. RGZ 138, 69, 71; 105, 408, 409) - nicht der Surrogation unterliegen. Vielmehr erwirbt sie der Vorerbe während der Dauer seines Rechts zu eigenem Vorteil; er hat dafür auch gemäß § 2124 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen (BeckOK-BGB/Litzenburger § 2111 Rn. 10 [Stand: 1. Mai 2024]; Erman/M. Schmidt, BGB 17. Aufl. § 2111 Rn. 2; Grüneberg/Weidlich, BGB 83. Aufl. § 2111 Rn. 9; jurisPK-BGB/Schneider, 10. Aufl. § 2111 Rn. 29; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. § 2111 Rn. 41; Soergel/Harder/Wegmann, BGB 13. Aufl. § 2111 Rn. 15; Staudinger/Avenarius, BGB (2019) § 2111 Rn. 35). Demgemäß hat der Senat mit Urteil vom 29. Juni 1983 (IVa ZR 57/82, NJW 1983, 2874 [juris Rn. 15]) hervorgehoben, dass die Nutzungen der Vorerbschaft gemäß § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich dem Vorerben, und zwar auch dem befreiten Vorerben gebühren und ihm als freies Vermögen zufließen. Wenn der Nacherbe einen Teil des vorhandenen Vermögens für sich beansprucht, muss er ausräumen, dass dieses Vermögen nicht vollständig aus den freien Einkünften des Vorerben stammt (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 268/79, BGHZ 78, 177 [juris Rn. 39]).
bb) Dem im Gesetz verankerten Grundsatz, dass Mieten dem Vorerben zur freien Verfügung zustehen, widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Kläger wegen durch den Verkauf des ersten Grundstücks entgangener Mieteinnahmen in Höhe von 96.000 €, von denen wegen der Gütergemeinschaft nur die Hälfte in Höhe von 48.000 € anzusetzen sei, einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 2130 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte haben könnten. Die Beklagte war nicht verpflichtet, das erste Grundstück zu behalten und weiter zu vermieten, um damit Mieteinnahmen zugunsten der Kläger zu erzielen. Sie hätte zudem nicht die ihr zustehenden Mieten dazu verwenden müssen, Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen.
b) Ohne tragfähige Grundlage hat das Berufungsgericht einen weitergehenden Anspruch auf Sicherheitsleistung damit begründet, dass in Höhe von 208.810,43 € (Verkaufserlös in Höhe von 350.000 € abzüglich Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 141.189,57 €) unklar sei, was mit dem Verkaufserlös geschehen sei, und daher ein Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß §§ 2130 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 104.405,22 € bestehe.
aa) Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer Gütergemeinschaft, wie sie zwischen der Beklagten und ihrem vorverstorbenen Ehemann bestand, der überlebende Ehegatte als Vorerbe über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Nacherben verfügen kann. Die den Vorerben in seiner Verfügungsbefugnis beschränkende Vorschrift des § 2113 BGB bezieht sich nur auf Verfügungen über Grundstücke, die zu der Erbschaft gehören, bezüglich derer eine Nacherbfolge angeordnet worden ist. Sie findet daher keine unmittelbare Anwendung, wenn die Vorerbschaft Anteile an einem Gesamthandsvermögen umfasst, zu welchem ein Grundstück gehört. Nachlassgegenstand ist dann nämlich nicht das Grundstück, sondern nur der Anteil des Erblassers am Gesamthandsvermögen, wie etwa der Anteil am Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 Rn. 6 m.w.N.; zust. Anm. Keim NJW 2007, 2116 f.; Schaub, ZEV 2007, 323, 325 f.). Eine Ehefrau, die - wie hier die Beklagte - mit ihrem verstorbenen Ehegatten in Gütergemeinschaft lebte und die in einem gemeinschaftlichen Testament - hier einem Erbvertrag - als alleinige befreite Vorerbin ihres Ehemanns eingesetzt ist, ist nach dessen Tode, solange keine Auseinandersetzung stattgefunden hat, berechtigt, über die zum Gesamtgut gehörenden Grundstücke auch unentgeltlich zu verfügen. Vor der Auseinandersetzung ist kein Gegenstand des Gesamtguts ein Nachlassgegenstand im Sinne des Gesetzes. Eine Unwirksamkeit der Verfügung über die Grundstücke kann sich daher nicht aus § 2113 BGB ergeben (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1958 - IV ZR 245/57, BGHZ 26, 378 [juris Rn. 16 ff.]; BGH, Urteil vom 10. März 1976 - V ZB 7/72, WM 1976, 478 [juris Rn. 14 ff.]; BayObLG, MittBayNot 1996, 214, 215; BeckOGK/Müller-Christmann, BGB § 2113 Rn. 17 ff. [Stand: 1. April 2024]; BeckOK-BGB/Litzenburger § 2113 Rn. 7 [Stand: 1. Mai 2024]; Erman/M. Schmidt, BGB 17. Auflage § 2113 Rn. 10; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. § 2113 Rn. 6 ff.; Soergel/Harder/Wegmann, BGB 13. Aufl. § 2113 Rn. 3 f.; Staudinger/Avenarius, BGB (2019) § 2113 Rn. 10; Ruby, ZEV 2017, 72, 74; Zimmer, ZEV 2014, 526, 527).
bb) Auch wenn die Verfügung der Beklagten als Vorerbin wirksam war, könnte den Klägern als Nacherben ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch nach §§ 2130, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehen (vgl. BeckOGK/Müller-Christmann § 2113 Rn. 20 [Stand: 1. April 2024]), wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat.
(1) Ansatzpunkt für einen möglichen Schadensersatzanspruch, der durch eine Sicherheitsleistung gemäß § 2128 Abs. 1 BGB geschützt werden kann, ist hier die in § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB normierte Herausgabepflicht nach Eintritt der Nacherbfolge. Danach hat der Vorerbe (oder sein Erbe) dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt. Demgemäß hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, ob der Verkauf der Grundstücke eine ordnungsmäßige Verwaltung im Sinne von § 2120 Satz 1 BGB darstellte. Dabei kann offenbleiben, ob bei vereinbarter Gütergemeinschaft und Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Vorerben dessen Alleineigentum in einen frei verfügbaren und einen dem analog heranzuziehenden Verfügungsverbot des § 2113 Abs. 1 BGB unterworfenen fiktiven Anteil zerlegt werden kann, ohne die sachenrechtliche Eigentumszuordnung in Frage zu stellen (vgl. BeckOK-BGB/Litzenburger § 2113 BGB Rn. 7 m.w.N. [Stand: 1. Mai 2024]). Entscheidend ist, dass der Untergang der Gesamthand durch Vereinigung aller Anteile in der Person des Vorerben nur eine Erscheinung auf Zeit, nämlich bis zum Eintritt des Nacherbfalls ist. Mit diesem Ereignis lebt die durch Vereinigung erloschene Gesamthandsgemeinschaft zwischen Vor- und Nacherbe gemäß § 2143 BGB wieder auf, damit der Nacherbe erwerben kann, was der Erblasser bei seinem Tod hinterlassen hat oder was als Surrogat an die Stelle von beim Tod vorhandenen Nachlassgegenständen getreten ist (BeckOK-BGB/Litzenburger aaO).
Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zutreffend daran angeknüpft, dass bei Eintritt des Nacherbfalls die beiden zum Gesamtgut der dann wiederaufgelebten Gütergemeinschaft gehörenden, von der Beklagten veräußerten Grundstücke nicht mehr im Gesamthandsvermögen vorhanden sind und eine Herausgabe gemäß § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich des ideellen Anteils des Erblassers nicht mehr möglich ist. Da der Vorerbe nach § 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB die Herausgabe der Erbschaft in dem Zustand schuldet, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt, kommt ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in Frage, wenn die Veräußerung der Grundstücke nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung im Sinne von § 2120 Satz 1 BGB entsprach, nicht hingegen, wenn die Verfügung zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, erforderlich war.
(2) Bei Ermittlung der Höhe des Schadensersatzanspruchs wegen des Verkaufserlöses hat das Berufungsgericht wiederum nicht bedacht, dass die Mieteinnahmen der Beklagten als Vorerbin zustanden. Es hat angenommen, dass mit den bis zum Jahr 2012 vereinnahmten Mieten in Höhe von ungefähr 120.000 € die Nachlassverbindlichkeiten von ungefähr 332.000 € teilweise getilgt worden seien und diese im Jahr 2012 nur noch in Höhe von 212.000 € bestanden hätten. Daraus hat das Berufungsgericht zunächst geschlossen, dass die Beklagte mit den Erlösen aus den Hausverkäufen in Höhe von 350.000 € maximal Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 212.000 € getilgt haben könne, so dass ein Betrag von 128.000 € verbleibe, der nicht der Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten gedient haben könne.
Anhand der von der Beklagten vorgelegten Anlagen ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass nur der Verkaufserlös aus dem zweiten Grundstückverkauf in Höhe eines Teilbetrages von 141.189,57 € zur Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten verwendet worden sei. In Höhe von 208.810,43 € hat das Berufungsgericht es für unklar erachtet, was mit dem Verkaufserlös geschehen sei, und diesbezüglich einen Schadensersatzanspruch entsprechend dem hälftigen Anteil des Erblassers in Höhe von 104.405,22 € angenommen. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass die Beklagte die zu ihrem Eigenvermögen gehörenden Mieteinnahmen nicht zur Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten einsetzen musste und ihr insoweit ein Erstattungsanspruch gemäß § 2126 BGB in Verbindung mit § 2124 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen die Kläger als Nacherben zustehen kann (vgl. Erman/M. Schmidt, BGB 17. Aufl. § 2126 Rn. 1, § 2124 Rn. 5; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. § 2126 Rn. 3, § 2124 Rn. 12; Grüneberg/Weidlich, BGB 83. Aufl. § 2126 Rn. 1, § 2124 Rn. 4). Feststellungen zur genauen Höhe der Nachlassverbindlichkeiten und der von der Beklagten erbrachten Tilgungsleistungen hat das Berufungsgericht noch nicht getroffen.
III. Nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die fehlenden Feststellungen zur Höhe eines zu sichernden Schadensersatzanspruchs im Zusammenhang mit den Grundstücksveräußerungen nachholen kann.
Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Kläger, anders als die Revision meint, nicht beweisbewehrt darlegen müssen, in welcher Höhe die Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers noch fortbestehen. Soweit es um einen Verstoß des Vorerben gegen die Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses geht, gilt die im Rahmen des § 2120 Satz 1 BGB anerkannte Regel, nach der der Vorerbe die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Verfügung zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich ist (Beck-OGK/Theilig, BGB § 2120 Rn. 53 [Stand: 1. Mai 2024]; BeckOK-BGB/Litzenburger § 2120 Rn. 5 [Stand: 1. Mai 2024]; jurisPK-BGB/Schlinker, 10. Aufl. § 2120 Rn. 16; NK-BGB/Gierl, 6. Aufl. § 2120 Rn. 14; MünchKommBGB/Lieder, 9. Aufl. § 2120 Rn. 21; Staudinger/Avenarius, BGB (2019) § 2120 Rn. 10).