BGH IV ZR 16/13
Gericht
Richter
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Dezember 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der B. Leasing GmbH, begehrt vom beklagten Kfz-Kaskoversicherer aus abgetretenen Rechten so genannte Differenzkaskoleistungen aus 13 Kaskoversicherungsverträgen ehemaliger Leasingnehmer. Letztere hatten bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin Fahrzeuge geleast, welche in der Folgezeit entwendet wurden oder Totalschäden erlitten. Die Beklagte regulierte sämtliche Schäden binnen drei Monaten ab dem jeweiligen Schadenstag bis zur Höhe der Wiederbeschaffungswerte der betroffenen Fahrzeuge.
- 2
-
In allen von den Leasingnehmern bei der Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherungsverträgen heißt es unter A.2.4 der zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB):
-
"Wer ist versichert?
-
Der Schutz der Kaskoversicherung gilt für Sie und, wenn der Vertrag auch im Interesse einer weiteren Person abgeschlossen ist, z.B. des Leasinggebers als Eigentümer des Fahrzeugs, auch für diese Person."
- 3
-
Unter A.2.6.1 AKB heißt es weiter:
-
"Was zahlen wir bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust?
-
Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert
-
a Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs. ..."
- 4
-
Unter A.2.6.1 Buchst. d AKB wird das "Differenzkasko bei geleastem Pkw" wie folgt erfasst (nach dem englischen Wort gap = Lücke auch als so genannte GAP-Deckung bezeichnet):
-
"d Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die ... Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeugs, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenzkasko). Für die Berechnung maßgeblich ist der Tag des Schadens. Etwaige Ersatzleistungen eines gegnerischen Haftpflichtversicherers werden angerechnet.
-
Im Schadenfall haben Sie uns folgende Unterlagen vorzulegen: Leasingvertrag, Abrechnung des Leasingvertrags, Berechnung des Ablösewerts und Endabrechnung des gegnerischen Haftpflichtversicherers. ..."
- 5
-
In den Leasingverträgen war unter "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" mit teilweise im Detail wechselnden Formulierungen jeweils bestimmt:
-
"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls oder Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen drei (3) Monaten (ab Schadenstag) bei ihm eingeht.
-
Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gem. Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück. Dies gilt nicht, wenn für das Fahrzeug Kasko-Versicherungsschutz mit einer Neupreisregelung besteht."
- 6
-
Die Leasingnehmer haben ihre Ansprüche aus den Kaskoversicherungsverträgen der Leasinggeberin abgetreten. Daraus fordert die Klägerin von der Beklagten als zusätzliche Versicherungsleistung einen der Höhe nach mittlerweile unstreitigen Differenzbetrag zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswerten von insgesamt 43.434,76 €.
- 7
-
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich im Falle eines Leasing- und Versicherungsnehmers hatte es angenommen, die Aktivlegitimation der Klägerin sei nicht durch Vorlage der entsprechenden Abtretungsurkunde nachgewiesen. Dies hatte zur Abweisung der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 2.785,54 € nebst Zinsen geführt. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin, welche den Abtretungsnachweis in der Berufungsinstanz erbracht hat, hat das Oberlandesgericht zurück- und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 9
-
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, da die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Leasinggeberin Eigentümerin der versicherten Fahrzeuge gewesen sei, handele es sich bei den von den Leasingnehmern abgeschlossenen Kaskoversicherungen um Fremdversicherungen. Der auszugleichende Sachschaden sei in allen Fällen der Leasinggeberin als Eigentümerin der versicherten Fahrzeuge entstanden. Deshalb sei auch für die Berechnung der Entschädigungsleistung auf ihr Interesse und nicht auf das mitversicherte Sacherhaltungsinteresse der jeweiligen Versicherungsnehmer abzustellen.
- 10
-
Das hier in Rede stehende Entschädigungsinteresse der Leasinggeberin lasse sich anhand der Leasingverträge bestimmen. Danach habe sie in Fällen des Totalschadens oder der Entwendung des verleasten Fahrzeugs zwar grundsätzlich Anspruch auf den Ersatz des Ablösewertes. Hier habe sie aber gegenüber ihren Leasingnehmern auf die sich zum Ablösewert ergebende Differenz verzichtet. Der ihr auszugleichende Schaden beschränke sich mithin auf den Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge.
- 11
-
Der von den Versicherungsnehmern freiwillig genommene Differenzkaskoschutz für geleaste Fahrzeuge (die so genannte GAP-Leistung) diene nicht dem Eigentümerinteresse der Leasinggeberin, sondern decke nur das Versicherungslücken-Risiko der Versicherungsnehmer ab. Dieses ergebe sich daraus, dass der Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeugs dem Leasinggeber die Ablösesumme schulde, während der Kaskoversicherer ihm normalerweise nur den - in aller Regel niedrigeren - Wiederbeschaffungswert erstatte. Hier hätten die Versicherungsnehmer einen solchen allein versicherten Differenzschaden aber nicht erlitten, weil die Leasinggeberin sie nur in Höhe des Wiederbeschaffungswertes in Anspruch genommen habe. Mithin gebe es keinen abtretbaren Anspruch auf eine GAP-Versicherungsleistung.
- 12
-
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 13
-
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend sieht und unter A.2.4 AKB ausdrücklich bestimmt ist, handelt es sich bei der Kfz-Kaskoversicherung für geleaste Fahrzeuge im Kern um eine Versicherung für fremde Rechnung i.S. der §§ 43 ff. VVG n.F., bzw. §§ 74 ff. VVG a.F., welche in erster Linie das Sachersatzinteresse der Leasinggeberin als Eigentümerin des jeweils versicherten Fahrzeugs, andererseits aber auch das Sacherhaltungsinteresse des Leasingnehmers schützt (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1993 - IV ZR 181/92, r+s 1993, 329 unter 1; OLG Hamm r+s 2012, 382, 383). Der gemäß A.2.6.1 Buchstabe a AKB auszugleichende Sachschaden entsteht bei geleasten Fahrzeugen nicht dem Leasing- und Versicherungsnehmer, sondern dem Leasinggeber. Deshalb bemisst sich die Höhe der zu leistenden Kasko-Entschädigung nach dessen Verhältnissen (Senat aaO).
- 14
-
2. Anders als die Klägerin meint, ist sie als Leasinggeberin aber nicht auch versicherte Person hinsichtlich des zusätzlichen - den Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungs- und Ablösewert betreffenden - Leistungsversprechens aus A.2.6.1 Buchstabe d AKB. Bei dieser so genannten Differenzkasko-Klausel handelt es sich nicht um eine bloße Erstreckung der Fremdversicherung auf einen weiter gehenden, bei der Fahrzeugeigentümerin eintretenden Vermögensschaden. Vielmehr enthält die Differenzkasko-Klausel eine nur den Leasing- und Versicherungsnehmer schützende Bestimmung, die das Versicherungslücken-Risiko abdeckt, welches sich daraus ergeben kann, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeuges dem Leasinggeber die Ablösesumme schuldet, während der Kaskoversicherungsschutz zunächst nur den Sachverlust abdeckt und deshalb lediglich auf den Ersatz des - in aller Regel niedrigeren - Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs gerichtet ist.
- 15
-
Das ergibt die Auslegung dieser Klausel.
- 16
-
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Wird eine Versicherung - wie hier - typischerweise als Fremdversicherung genommen, ist zudem auf die Verständnismöglichkeiten der versicherten Person Rücksicht zu nehmen (vgl. Reiff in MünchKomm-VVG, AVB Rn. 81; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 2; zur Gruppenversicherung vgl. Senatsurteil vom 12. März 2003 - IV ZR 56/02, VersR 2003, 719 unter 2 b m.w.N.). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).
- 17
-
b) Nach diesen Maßstäben kann dem erweiterten Leistungsversprechen in A.2.6.1 Buchstabe d AKB entnommen werden, dass es abweichend vom Versicherungsschutz für den Sachverlust des versicherten Fahrzeugs nicht zugunsten des Leasinggebers als versicherter Person, sondern ausschließlich zugunsten des Versicherungsnehmers gilt. Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer eine Abrechnung des Leasinggebers vorlegt, aus der sich der zu ersetzende Differenzkaskobetrag ergibt. Diese Abrechnung wird nicht nur im ersten Absatz der Differenzkasko-Klausel angesprochen, sondern dem Versicherungsnehmer wird im Weiteren auferlegt, sie im Schadenfall dem Versicherer vorzulegen. Damit wird sowohl dem Versicherungsnehmer als auch dem in der Kaskoversicherung von Leasingfahrzeugen versicherten Leasinggeber verdeutlicht, dass der Differenzkaskoschutz nur zugunsten des Leasing- und Versicherungsnehmers und nur dann besteht, wenn der Versicherungsnehmer vom Leasinggeber auf den Differenzbetrag in Anspruch genommen wird.
- 18
-
c) Anderes erschließt sich auch nicht aus dem erkennbaren Zweck und dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in den die Differenzkasko-Klausel gestellt ist.
- 19
-
In Leasingverträgen wird typischerweise vereinbart, dass der Leasingnehmer ergänzend zu den geleisteten Leasingraten bei Beendigung des Vertrages die Vollamortisation der Gesamtkosten des Leasinggebers einschließlich dessen kalkulierten Gewinns durch eine Abschlusszahlung sicherstellen muss (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1985 - VIII ZR 148/84, BGHZ 95, 39, 52 ff.). Für den Fall des Diebstahls oder Totalschadens eines geleasten Fahrzeugs kann das dem Kraftfahrzeugleasingnehmer zuzugestehende Recht, den Leasingvertrag kurzfristig zu kündigen, mit einer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung verbunden werden (BGH, Urteile vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 unter II 1 a; vom 15. Oktober 1986 - VIII ZR 319/85, NJW 1987, 377 unter I 2 a bb; vom 15. Juli 1998 - VIII ZR 348/97, BB 1998, 2078 unter II 2 a). Im Streitfall ergibt sich das aus Absatz X Ziffer 6 in Verbindung mit Absatz XV der allen Leasingverträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kraftfahrzeugen. Danach kann der Leasingvertrag bei Totalschaden oder Diebstahl des geleasten Fahrzeugs kurzfristig gekündigt werden mit der Folge, dass der Leasingnehmer dem Leasinggeber den nach Absatz XV zu errechnenden Ablösewert abzüglich eines Verkaufserlöses des geleasten Fahrzeugs schuldet.
- 20
-
Geht der Leasinggegenstand vor Ablauf der ins Auge gefassten Vertragslaufzeit durch Diebstahl oder Totalschaden verloren, tritt, sofern der Leasinggeber von dem vorgenannten Recht Gebrauch macht, beim Leasingnehmer ein entsprechender Vermögensschaden ein, vor dem er sich schützen will. Die Differenzkasko-Klausel wird er deshalb so verstehen, dass das darin gegebene Leistungsversprechen - anders als der Ersatz des Wiederbeschaffungswertes - nicht dem Leasinggeber, sondern ihm selbst zugutekommen soll. In diesem Verständnis wird er sich dadurch bestärkt fühlen, dass der Leasingvertrag ihn lediglich zum Abschluss einer Kaskoversicherung verpflichtet, die das Sachverlustrisiko abdeckt. Fehlt somit eine Verpflichtung zur Vereinbarung einer Differenzkasko-Klausel, wird der Leasing- und Versicherungsnehmer davon ausgehen, der freiwillig erweiterte Versicherungsschutz und die von ihm dafür eingesetzten zusätzlichen Prämienanteile dienten allein seinem Interesse.
- 21
-
3. Im Streitfall ist die von A.2.6.1 Buchst. d AKB vorausgesetzte Abrechnung des Leasinggebers gegenüber den Leasingnehmern, d.h. die Erhebung des Anspruchs auf die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert, in keinem der zugrundeliegenden Einzelfälle erfolgt.
- 22
-
Anders als die Revision meint, kommt es auf die Auslegung der in den Leasing-Verträgen vereinbarten "Leasing-Extra"-Klausel und die Frage, ob der darin geregelte Verzicht auch für Fälle gilt, in denen der Leasingnehmer einen Kaskoversicherungsvertrag mit Differenzkasko-Klausel abgeschlossen hat, im Ergebnis nicht an. Entscheidend für die Verneinung des Leistungsanspruchs gemäß der Differenzkasko-Klausel ist allein, dass unstreitig den Versicherungsnehmern die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert vom Leasingeber nicht in Rechnung gestellt und ein erstattungsfähiger Differenzschaden bei den Versicherungsnehmern damit nicht eingetreten ist. Ansprüche auf Differenzkasko-Leistungen, die die jeweiligen Versicherungsnehmer an die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin hätten abtreten können, sind somit nicht entstanden.
-
Mayen Wendt Felsch
-
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
moreResultsText