Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juni 2005 - I ZR 317/02

bei uns veröffentlicht am02.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 317/02 Verkündet am:
2. Juni 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. November 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Verbotsausspruch wie folgt lautet: Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten auf die Möglichkeit des Bezugs von Teststreifen aus einem in seiner Praxis befindlichen Depot eines Sanitätshauses hinzuweisen und entsprechend diesem Hinweis Diabetesteststreifen aus dem Depot abzugeben , soweit diese Vorgehensweise nicht auf Veranlassung des betreffenden Patienten oder anläßlich der Schulung des Patienten oder in Notfällen erfolgt.
Die Kosten der Revision werden dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist Arzt und betreibt eine Praxis, deren Schwerpunkt auf der Behandlung von an Diabetes erkrankten Personen liegt. Er nimmt an dem von der Betriebskrankenkasse der B. AG geförderten Modellprojekt "Diabetesmanagement L. " teil, mit dem die Diabetesbetreuung durch intensive Zusammenarbeit und Informationsvernetzung zwischen Hausärzten, diabetologischen Schwerpunktpraxen, Kliniken, Apothekern und Krankenkassen flächendeckend verbessert werden soll.
Der Beklagte weist seine Diabetespatienten bei Bedarf in die Benutzung des Meßgeräts zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels und der bei jedem Meßvorgang benötigten Diabetesteststreifen ein und führt auch regelmäßig Nachschulungen durch. Er unterhält in seinen Praxisräumen ein Depot eines Sanitätshauses, in dem die Teststreifen vorgehalten werden, und bietet diese seinen Patienten auch unabhängig von Schulungsmaßnahmen an. Der Beklagte macht geltend, daß er die Patienten zuvor darüber informiere, daß die Teststreifen auch in Apotheken, Sanitätshäusern und im Diabetikerversandhandel erhältlich seien.
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat die Abgabe der Diabetesteststreifen durch den Beklagten als berufsordnungswidrig und insbesondere als Verstoß gegen § 3 Abs. 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14. Novem ber 1998 (Rheinisches Ärzteblatt 1999, S. 62 ff.; im weiteren: BOÄ NR) und damit zugleich wettbewerbswidrig beanstandet.
Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 BOÄ NR hat - wie dieselbe Bestimmung in der im Jahr 1997 erlassenen (Muster-)Berufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO) - folgenden Wortlaut:
"Ärztinnen und Ärzten ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der Therapie sind." Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht (OLG Köln WRP 2003, 405 = GRUR-RR 2003, 285) hat den Beklagten entsprechend dem von der Klägerin nach teilweiser Rücknahme ihrer Berufung gestellten Antrag unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten auf die Möglichkeit des Bezugs von Teststreifen aus einem in seiner Praxis befindlichen Depot eines Sanitätshauses hinzuweisen und entsprechend diesem Hinweis Diabetesstreifen aus dem Depot abzugeben, soweit diese Vorgehensweise nicht auf Veranlassung des betreffenden Patienten erfolgt.
Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. In der mündlichen Revisionsverhandlung hat sie klargestellt, daß sich ihr Klagebegehren nicht auf die Fälle erstreckt, in denen die Abgabe der Diabetesteststreifen anläßlich der Schulung des Patienten oder in Notfällen erfolgt.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. i.V. mit § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 BOÄ NR bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
Der Beklagte verstoße gegen das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ NR, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts wegen seiner Besonderheit notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sei. Das Verbot beruhe auf der traditionellen Trennung der Tätigkeit der Ärzte einerseits und der Apo theker sowie der Hersteller von medizinischen Hilfsmitteln und sonstigen Medizinprodukten andererseits. Es solle merkantile Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes trennen und außerdem den Mißbrauch des besonderen Vertrauens in den Arztberuf zur Verkaufsförderung solcher Produkte verhindern, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Betreuung benötige.
Die Aushändigung der Teststreifen an die Patienten sei kein notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie. Nach dem Wortlaut und dem Sinn des § 3 Abs. 2 BOÄ NR sowie dem systematischen Zusammenhang, in dem dieser stehe , sei diese Voraussetzung nur dann erfüllt, wenn die ärztliche Therapie die Abgabe des Produkts an den Patienten gerade durch den Arzt selbst erfordere. Wenn bereits der Verweis an einen bestimmten Anbieter von gesundheitlichen Leistungen nach § 34 Abs. 5 BOÄ NR verboten sei, könne d em Arzt nicht auf der anderen Seite gestattet sein, die betreffenden Produkte sogar selbst abzugeben.

Die Abgabe der Teststreifen durch den Beklagten sei medizinisch nicht geboten. Die Patienten benötigten die Teststreifen für die regelmäßige Blutzuckerkontrolle , die sie mittels der Teststreifen selbständig durchführten. Der Beklagte nehme für sich in Anspruch, daß er seine Patienten regelmäßig ausdrücklich darauf hinweise, daß sie die Teststreifen auch in Apotheken und Sanitätshäusern erwerben könnten.
Der Umstand, daß die Patienten eine Einweisung und nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten auch eine regelmäßige Schulung in der Handhabung der Teststreifen benötigten, mache die Abgabe einer Mehrzahl der Teststreifen nicht zum notwendigen Bestandteil der Therapie. Die Abgabe der bei den Einweisungen und Schulungen benötigten Teststreifen unterfalle nicht dem Streitgegenstand.
Das Verhalten des Beklagten verstoße ferner gegen § 34 Abs. 5 BOÄ NR. Dieser untersage es dem Arzt insbesondere, die T eststreifen anstelle von Apotheken und Sanitätshäusern abzugeben. Der Beklagte habe nicht dargetan , daß für sein Verhalten ein hinreichender Grund i.S. des § 34 Abs. 5 BOÄ NR bestehe. Soweit er behauptet habe, er gebe di e Teststreifen zu einem niedrigeren Preis ab als dem, der auf dem örtlichen Markt üblich sei, begründe dies keinen notwendig mit der Abgabe der Teststreifen durch den Beklagten verbundenen Vorteil; denn das Sanitätshaus könne die Teststreifen zu dem angeblich besonders günstigen Preis auch unmittelbar an den Patienten abgeben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Der Verbotsausspruch erfaßt entsprechend dem Verständnis des Berufungsgerichts (BU 8) und der hierzu von der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung
abgegebenen Erklärung allerdings nicht die Fälle, in denen der Hinweis auf die Abgabe der Diabetesteststreifen aus dem vom Beklagten unterhaltenen Depot anläßlich der Schulung der Patienten oder in Notfällen erfolgt.
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zu dem Zeitpunkt wettbewerbswidrig war, zu dem der Rechtsverstoß erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk).
2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß das von der Klägerin beanstandete Verhalten rechts- und wettbewerbswidrig ist, soweit es sich nicht um die Abgabe von Diabetesteststreifen handelt, die anläßlich der Schulung der Patienten oder in Notfällen benötigt werden. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. i.V. mit § 3 Abs. 2 BOÄ NR zu.

a) Die Abgabe der Diabetesteststreifen durch den Beklagten aus dem von ihm unterhaltenen Depot eines Sanitätshauses an seine Patienten stellt die Abgabe einer Ware unter seiner Mitwirkung dar. Sie ist nach § 3 Abs. 2 BOÄ NR unzulässig, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dies ist der Fall, wenn die Abgabe der Teststreifen anläßlich der Schulung der Patienten oder in Notfällen erfolgt.
aa) Bei der Auslegung des Begriffs des notwendigen Bestandteils ärztlicher Therapie und damit des Umfangs des in § 3 Abs. 2 BOÄ NR enthaltenen Verbots ist zum einen die hinter der Regelung stehende Gemeinwohlerwägung, zum anderen aber auch die Reichweite des Art. 12 GG zu berücksichtigen. Das Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll darauf vertrauen können, daß sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten läßt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966, 967 = WRP 2003, 1209 - betr. die Werbung eines Zahnarztes im Internet; Ratzel in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, 3. Aufl., § 3 Rdn. 2). Die Abgabe von in große m Umfang benötigten Verbrauchsprodukten durch den Arzt ist im Regelfall Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen Verhaltens, das die Gefahr einer langfristigen negativen Rückwirkung auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien in sich birgt. Das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ NR beugt der gesundheitspolitisch unerwünschten Komm erzialisierung des Arztberufs vor (vgl. BVerfGE 85, 248, 260).
bb) Das Verbot ist gerechtfertigt, soweit vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und den seinen Beruf ausübenden Arzt nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 85, 248, 260). Allerdings begegnet das Verbot des § 3 Abs. 2 BOÄ NR nicht unmittelbar best ehenden Gesundheitsgefahren , sondern soll lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufs verhindern. Dementsprechend ist der Begriff der Produkte, die notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind und daher von Ärzten zulässigerweise abgegeben werden dürfen, weit auszulegen. Es reicht aus, daß der Arzt Einweisungen, Schulungen, Anpassungs- oder Kontrolleistungen oder eine Notfallversorgung für erforderlich erachtet und die Abgabe der Ware in direktem Zusammenhang
damit vornimmt oder veranlaßt. Ein rein geschäftsmäßiges Verhalten liegt dagegen vor, wenn die abgegebenen Verbrauchsprodukte nicht unmittelbar für die genannten Maßnahmen benötigt werden. Soweit ein Arzt eine weitergehende Zusammenarbeit mit einem Leistungsanbieter wünscht, kann er mit diesem eine medizinische Kooperationsgemeinschaft i.S. des § 23b MBO eingehen, soweit die Berufsordnung des Landes eine entsprechende Regelung enthält.
cc) Die Abgabe von Diabetesteststreifen durch den Beklagten erfolgt danach als notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie, wenn die Teststreifen für eine Ersteinweisung oder eine notwendige Nachschulung oder zum Zwecke der Notfallversorgung benötigt werden. Der Umstand, daß die Ersteinweisung oder Nachschulung auch in Apotheken oder Sanitätshäusern durchgeführt werden könnte, steht dem nicht entgegen. Denn es ist Sache des Arztes, im Rahmen seiner Kompetenz zur umfassenden medizinischen Versorgung des Patienten zu entscheiden, ob er solche Schulungs- und Einweisungsmaßnahmen selbst vornehmen oder zumindest von seinem Personal vornehmen lassen will.
dd) Soweit der Beklagte über den zu vorstehend cc) dargestellten Umfang hinaus Diabetesteststreifen an Patienten abgibt, handelt es sich nicht um einen notwendigen Bestandteil der ärztlichen Therapie. Vielmehr ersetzt eine solche Abgabe den Bezug der Teststreifen durch die Patienten von einem ihrer Wahl unterliegenden Leistungsanbieter, nämlich einer Apotheke, einem Sanitätshaus oder einem Diabetikerversandhandel. Dies ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits aus dem eigenen Vortrag des Beklagten, er weise seine Patienten vor der Abgabe der Teststreifen auf alternative Bezugsquellen hin. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Parteien in dieser Hinsicht ausgeschöpft; von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

b) Die vorliegende Beurteilung steht, anders als die Revision meint, nicht in Widerspruch zu den Senatsentscheidungen "Verkürzter Versorgungsweg" (Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080 = WRP 2000, 1121) und "Hörgeräteversorgung" (Urt. v. 15.11.2001 - I ZR 275/99, GRUR 2002, 271 = WRP 2002, 211). Diesen Entscheidungen lagen Sachverhalte zugrunde, bei denen die Mitwirkung des Arztes zur Versorgung der Patienten mit Hörgeräten medizinisch notwendig war. Im Gegensatz dazu ist die Abgabe der Diabetesteststreifen unter Mitwirkung des Beklagten außer in Schulungs- und Notfällen medizinisch nicht geboten. Im übrigen kann das Sanitätshaus, für das der Beklagte ein Depot unterhält, auch ohne Überschreitung der nach § 3 Abs. 2 BOÄ NR für eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten bestehenden Beschränkungen eigenständig neben anderen Leistungsanbietern am Wettbewerb teilnehmen, indem es den Patienten die Teststreifen zu wirtschaftlich günstigen Bedingungen unmittelbar zur Verfügung stellt.

c) Der Beklagte handelt, soweit er gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 2 BOÄ NR verstößt, einer Vorschrift zuwider, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG wie auch der neueren Rechtsprechung des Senats zu § 1 UWG a.F. dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Insbesondere liegt keine reine Marktzutrittsregelung vor. Das in § 3 Abs. 2 BOÄ NR enthaltene Verbot beugt, wie bereits ausgeführt wurde, der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Es will verhindern, daß durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien statt an medizinischen Notwendigkeiten langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung eintreten. Dazu wird neben dem Schutz der Ärzteschaft bei deren Wettbewerb untereinander bezweckt, daß keine über die medizinischen Notwendigkeiten hinausgehende Einflußnahme auf den Wettbewerb unter den weiteren Leistungserbringern erfolgt. Denn gerade diese stellt eine rein geschäftsmäßige Betätigung dar, die dem Berufsbild des Arztes wider-
spricht. Insofern handelt es sich auch nicht um einen Bagatellverstoß i.S. der §§ 3 UWG, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.
3. Die Formulierung im Verbotsausspruch "…, soweit diese Vorgehensweise nicht auf Veranlassung des betreffenden Patienten erfolgt" trägt dem Umstand Rechnung, daß die Klägerin einen entsprechenden (beschränkten) Verbotsantrag gestellt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO). Sie ändert nichts daran, daß der Abgabewunsch eines Patienten für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Verhaltensweise des Beklagten unerheblich ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.2005 - I ZR 215/02, Entscheidungsgründe Ziffer II. 2. b) cc)).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Schaffert Bergmann

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 96/02 Verkündet am: 20. Januar 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:

1.
Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
2.
die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3,
3.
ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
4.
die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
5.
in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei

1.
im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder
2.
sonstigen Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

(5) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht oder soweit entgegen Absatz 4 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Der Anspruch nach Satz 1 ist beschränkt auf die Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs, die der Abmahnende geltend macht. Bei einer unberechtigten Abmahnung ist der Anspruch nach Satz 1 ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 96/02 Verkündet am:
20. Januar 2005
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Direkt ab Werk
Die Werbung eines Einzelhändlers mit den Angaben "Direkt ab Werk! Kein Zwischenhandel
! Garantierter Tief-Preis" ist irreführend, wenn sie bei den angesprochenen
Verbrauchern den Eindruck erweckt, die so beworbene Ware werde
zu den Abgabepreisen des Herstellers vertrieben, der Werbende in die von
ihm verlangten Preise jedoch seine Gewinnspanne eingerechnet hat.
BGH, Urt. v. 20. Januar 2005 - I ZR 96/02 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. März 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Fahrradeinzelhändler. Die Beklagte bewarb im Jahr 2000 in einem achtseitigen Werbefaltblatt die Fahrradmodelle "K. " und "C. " mit der Angabe:

Die Beklagte erwirbt die so beworbenen Fahrräder vom Hersteller und veräußert sie in eigenem Namen zu Preisen, in denen ihre Handelsspanne enthalten ist, an Endverbraucher.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte erwecke den unzutreffenden Eindruck, sie stelle die Fahrräder selbst her und biete einen Werksverkauf an. Die Angabe "garantierter Tief-Preis" verstärke den sich daran anschließenden Eindruck eines Preisvorteils durch Wegfall jeden Zwischenhandels.
Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung im einzelnen bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs die Behauptung aufzustellen, der Verkauf von Fahrrädern, insbesondere unter der Bezeichnung "K. " und "C. ", finde zu "garantierten Tiefpreisen, kein Zwischenhandel, direkt ab Werk" statt, insbesondere wenn dies wie mit der nachstehenden Abbildung erfolge:

Ferner hat er die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Werbung entspreche den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Verkehr verstehe sie dahin, daß zwischen dem Hersteller und der Beklagten kein Zwischenhändler eingeschaltet sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sich diese mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbung der Beklagten verstoße gegen § 3 UWG (a.F.). Zur Begründung hat es ausgeführt :
Ein am Erwerb eines Fahrrads interessierter Verbraucher werde dem beanstandeten Text entnehmen, daß der Letztverbraucher die so beworbenen Fahrräder ohne jeden Zwischenhandel vom Hersteller unmittelbar erwerben könne. Er werde dabei nicht vermuten, daß sich die Verkaufsstelle in unmittelbarem örtlichen Zusammenhang mit dem Herstellungsbetrieb befinde, sondern er werde nur annehmen, daß der Kaufvertrag unmittelbar zwischen ihm und dem Hersteller geschlossen werde. Dieses aus den Angaben "Direkt ab Werk!" und "kein Zwischenhandel!" folgende Verständnis werde der Verbraucher dann bei näherem Nachdenken über den Sinn der Angaben durch die Worte "garantierter Tief-Preis" weiter vertiefen können, weil der Tief-Preis ihm als unmittelbare Folge des direkten Verkaufs ab Werk unter Ausschaltung des Zwischenhandels erscheine. Der durchschnittlich verständige Verbraucher werde annehmen, daß der Werbende ihm nur deshalb einen außergewöhnlich günstigen Preis bieten könne, weil bei der Preisbildung nur die Gewinnspanne des Herstellers, nicht aber auch die Handelsspanne eines Zwischenhändlers berücksichtigt worden sei.
Der weitere Inhalt des Werbeprospekts sei nicht geeignet, den durch die beanstandeten Angaben hervorgerufenen falschen Eindruck zu korrigieren. Letztlich würden auch diejenigen Verbraucher irregeführt, welchen die Beklagte bereits als Einzelhändlerin bekannt sei. Denn auch ein überwiegender Teil die-
ses Personenkreises werde aufgrund der beanstandeten Werbung annehmen, daß jedenfalls hinsichtlich der mit dem beanstandeten Slogan herausgehoben beworbenen Fahrradmodelle besondere Vertragsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem Hersteller bestünden, die es erlaubten, den Abgabepreis des Herstellers an den Letztverbraucher weiterzugeben. Dieser durch die angegriffene Werbung beim Publikum erweckte Eindruck stimme mit der Wirklichkeit nicht überein. Die so beworbenen Fahrradmodelle könnten bei der Beklagten nicht vom Hersteller und nicht zu dessen Abgabepreisen erworben werden.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war. Auf diesen Zeitpunkt kommt es auch für den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten und den diesen vorbereitenden Anspruch auf Auskunftserteilung an.
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Werbung der Beklagten mit den Angaben "Direkt ab Werk! kein Zwischenhandel! garantierter Tief-Preis" sei irreführend und deshalb unlauter, hält sowohl nach altem (§ 3 UWG a.F.) als auch nach neuem Unlauterkeitsrecht (§§ 3, 5 Abs. 1 UWG) im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine Werbung ist irreführend i.S. von § 5 Abs. 1 UWG3 UWG a.F.), wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen, an die sie sich richtet,
erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1995 - I ZR 116/93, GRUR 1995, 612, 614 = WRP 1995, 701 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; Urt. v. 17.2.2000 - I ZR 254/97, GRUR 2000, 911, 913 = WRP 2000, 1248 - Computerwerbung, m.w.N.; vgl. ferner Piper in: Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 UWG Rdn. 106; Baumbach/Hefermehl/ Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 5 UWG Rdn. 2.65; Harte/Henning/ Dreyer, UWG, § 5 Rdn. 151). Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, ist ihr Gesamteindruck maßgeblich (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2002 - I ZR 100/00, GRUR 2003, 361, 362 = WRP 2003, 1224 - Sparvorwahl); es sind alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 2 UWG).

b) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe über die Bezugsart (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/Bornkamm aaO § 5 UWG Rdn. 6.13 ff.) der beworbenen Fahrradmodelle die irreführende Angabe gemacht , der Endverbraucher könne die Fahrräder unmittelbar vom Hersteller erwerben, erhebt die Revision die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend den Gesamteindruck berücksichtigt, den der Inhalt des Werbeprospekts der Beklagten hervorrufe. Ob die Angriffe der Revision durchgreifen, kann dahinstehen, weil das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 3 UWG a.F. jedenfalls zu Recht darin gesehen hat, daß die Beklagte irreführende Angaben über die Preisbemessung der von ihr beworbenen Fahrradmodelle gemacht hat. Der angesprochene Durchschnittsverbraucher werde irregeführt, weil er aufgrund der beanstandeten Werbeaussagen annehme, bei der Preisbildung sei nur die Gewinnspanne des Herstellers, nicht aber auch die Handelsspanne eines Zwischenhändlers berücksichtigt worden. Dieser durch die angegriffene Werbung beim angesprochenen Publikum erweckte Eindruck stimme mit der Wirklichkeit nicht überein, weil die beworbenen Fahrradmodelle nicht zu den Abgabepreisen des Herstellers erworben werden könnten.


c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den irreführenden Eindruck erweckt, sie gebe die beworbenen Fahrräder "K. " und "C. " zu den Preisen des Herstellers ab, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
aa) Es ist insoweit ohne Bedeutung, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Werbeaussage "Direkt ab Werk! kein Zwischenhandel! garantierter Tief-Preis" dahin verstehen, die so beworbenen Fahrräder könnten unmittelbar vom Hersteller erworben werden, oder ihr, wie die Beklagte geltend gemacht hat, lediglich entnehmen, daß zwischen dem Hersteller und der Beklagten kein Zwischenhändler eingeschaltet ist. Selbst wenn von letzterem Verkehrsverständnis auszugehen wäre, änderte dies nichts daran, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Werbung der Beklagten dahin verstehen, sie biete die von ihr so beworbenen Fahrräder zu den Abgabepreisen der Hersteller ohne weitere Aufschläge an. Denn in der beanstandeten Werbeaussage wird nicht nur auf den Bezugsweg ("Direkt ab Werk! kein Zwischenhandel!") hingewiesen, sondern durch die damit in Verbindung stehende Angabe "garantierter Tief-Preis" wird auch ein besonderer Preisvorteil herausgestellt. Die Auffassung des Berufungsgerichts , der "garantierte Tief-Preis" erscheine dem Verbraucher als unmittelbare Folge des Verkaufs ab Werk unter Ausschaltung des Zwischenhandels, trifft auch dann zu, wenn der Verbraucher entgegen der weiteren Annahme des Berufungsgerichts nicht von einem direkten Verkauf durch den Hersteller, sondern von einem Erwerb von der Beklagten ausgeht.
bb) Soweit die Revision dem entgegenhält, der Verbraucher, der die Beklagte als Einzelhändlerin kenne und der deshalb nicht annehme, daß er unmittelbar vom Hersteller erwerbe, werde die beanstandete Werbung dahin verste-
hen, daß die Beklagte die Waren unter Aussparung des Zwischenhändlers direkt beim Hersteller kaufe und somit (nur) die Gewinnspanne eines Zwischenhändlers , nicht aber diejenige der Beklagten als Einzelhändlerin entfalle, berücksichtigt sie nicht hinreichend, daß die Beklagte nicht bloß den Anschein irgendeines Preisvorteils erweckt. Sie wirbt vielmehr unter Bezugnahme auf die Angabe "Direkt ab Werk! kein Zwischenhandel!" mit einem "garantierten TiefPreis". Ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher wird in der Werbung einen Hinweis auch auf das Ausmaß des infolge des Direktbezugs vom Hersteller zu erzielenden Preisvorteils sehen und die Bewerbung eines "garantierten Tief-"Preises dahin verstehen, daß die Beklagte die so beworbenen Waren zu einem Preis im unteren Bereich des durch die Angabe "Direkt ab Werk! kein Zwischenhandel!" umschriebenen Preisniveaus anbietet (zur Werbung mit Tief-Preisen vgl. Baumbach/Hefermehl/Bornkamm aaO § 5 UWG Rdn. 7.134). Bei einem Direktbezug "ab Werk", d.h. vom Hersteller, ist das aber dessen Abgabepreis ohne weitere Zuschläge wie die Gewinnspanne des Wiederverkäufers oder dessen Vertriebs-, Lager- und Werbekosten. Der Umstand, daß die Beklagte lediglich einzelne der in ihrem Werbeprospekt beworbenen Fahrräder mit dem beanstandeten Zusatz angeboten hat, wirkt der Irreführungsgefahr entgegen der Ansicht der Revision nicht entgegen. Denn dadurch wird allenfalls der durch die Angabe "garantierter Tief-Preis" hervorgerufene und durch die blickfangmäßige Herausstellung des "Tief-Preises" bei der konkreten Verletzungsform zusätzlich betonte Eindruck verstärkt, die so beworbenen Waren würden zu einem noch günstigeren Preis als die anderen beworbenen Fahrräder angeboten. Dafür spricht auch der Umstand, daß bei sämtlichen beworbenen Waren dem von der Beklagten verlangten Preis die "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" gegenübergestellt wird und der Verkehr die beanstandete Werbeangabe daher als Anpreisung einer über diesen Preisvorteil noch hinausgehenden Vergünstigung ansehen wird.


d) Die Irreführung über die Günstigkeit des Preises der beworbenen Fahrräder ist für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verbraucher von maßgeblicher Bedeutung und somit wettbewerbsrechtlich relevant.
3. Die Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und auf Auskunftserteilung folgen aus §§ 3, 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UWG a.F., § 242 BGB.
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:

1.
Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
2.
die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3,
3.
ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
4.
die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
5.
in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei

1.
im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder
2.
sonstigen Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

(5) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht oder soweit entgegen Absatz 4 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Der Anspruch nach Satz 1 ist beschränkt auf die Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs, die der Abmahnende geltend macht. Bei einer unberechtigten Abmahnung ist der Anspruch nach Satz 1 ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 59/98 Verkündet am:
29. Juni 2000
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Verkürzter Versorgungsweg
UWG § 1; BayArztBerufsO Kap. B § 34 Abs. 1 und 5 Fassung: 12. Oktober
Ein HNO-Arzt handelt grundsätzlich nicht wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn
er im Einzelfall entsprechend der Entscheidung des Patienten ärztliche Leistungen
gegen eine von der Krankenkasse zu zahlende angemessene Vergütung
erbringt, die es ermöglichen, den Patienten im sog. verkürzten Versorgungsweg
mit einem Hörgerät zu versorgen. Ein solches Verhalten ist weder
durch § 1 HandwO verboten noch verstößt es gegen ärztliches Berufsrecht
oder Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Die Mitarbeit
bei der Versorgung des Patienten auf dem verkürzten Versorgungsweg
ist auch nicht deshalb wettbewerbsrechtlich unlauter, weil der HNO-Arzt dabei
für zusätzliche ärztliche Leistungen eine gesonderte Vergütung erzielen kann.
BGH, Urt. v. 29. Juni 2000 - I ZR 59/98 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Januar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 4. Juni 1997 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte stellt digital programmierbare Hörgeräte her und vertreibt diese. Mit einem Rundschreiben vom 6. September 1996 wandte sie sich an Hals-Nasen-Ohren-Ä rzte (im folgenden: HNO-Ä rzte), um für ihr neuartiges
Konzept der Versorgung von Patienten mit Hörgeräten zu werben. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Dr. med. die Ertragssituation der HNO-Fachärzte ist eher rückläufig als angemessen , insbesondere im Vergleich zu berufsverwandten Zweigen. Tendenziell wird sich daran auch nichts ändern. Wir haben für den HNO-Facharzt ein neues Hörgeräte-Versorgungskonzept über Online Telekommunikation entwickelt, das dem Qualitätsanspruch einer herkömmlichen Hörgeräteversorgung gerecht wird. Und mehr: die Verfahrensweise macht Sie zur alleinigen Bezugsperson Ihres Patienten, Ihr regelmäßiger Kontakt ermöglicht Ihnen, präventiv auf den Gesundheitszustand des Hörgeräteträgers einzuwirken. Sie können Ihren Patienten sogar zuzahlungsfreie, digital -programmierbare Hörgeräte und eine Versorgung mit günstigen Qualitätsbatterien (Zink-Luft) anbieten. Und bei allem steht Ihnen das a. -Nachsorge-System unterstützend zur Seite. Neben diesen Vorteilen erhalten Sie über uns ein interessantes angemessenes Honorar außerhalb des gedeckelten KV-Budgets. Die Ausstattung (PC mit installierter Software, ISDN-Anschluß, Ausrüstung zur Ohrabdrucknahme) stellt a. zur Verfügung. Alle rechtlichen Aspekte wurden bereits im Vorfeld von Herrn Rechtsanwalt Dr. W. aus der Sozietät Prof. Dr. H. & Partner/B. , der sich seit vielen Jahren mit der hier maßgeblichen Materie aus juristischer Sicht beschäftigt, geprüft. Ihre Neugier ist geweckt? Mit der beigefügten Anlage ist die Verfahrensweise ausführlich beschrieben." Bei einer herkömmlichen Hörgeräteversorgung sucht der Patient nach der Verordnung eines Hörgeräts durch den HNO-Arzt einen Hörgeräteakustiker auf. Dieser nimmt eine erweiterte audiometrische Messung vor, fertigt einen Ohrabdruck und wählt ein geeignetes Hörgerät aus. Danach stellt er ein Ohr-
paßstück her, in das später das Hörgerät eingefügt wird. Anschließend paßt der Hörgeräteakustiker das Hörgerät dem Patienten an und weist ihn in die Benutzung des Geräts ein. Darauf begibt sich der Patient erneut zum HNO-Arzt. Dieser überprüft, ob durch das Gerät eine ausreichende Hörverbesserung erreicht wird, und bestätigt für die Abrechnung mit der Krankenversicherung die Ordnungsmäßigkeit der Versorgung.
Nach dem Konzept der Beklagten, bei dem das Hörgerät im sogenannten verkürzten Versorgungsweg abgegeben wird, führt der HNO-Arzt die erweiterte audiometrische Messung selbst durch und nimmt auch selbst den Ohrabdruck ab. Die Meßergebnisse und den Ohrabdruck übermittelt er der Beklagten. Diese wählt ein Hörgerät aus, programmiert es digital und fertigt das Ohrpaßstück an. Das Hörgerät wird dann der Arztpraxis übersandt. Dort wird es individuell angepaßt und gegebenenfalls mit Hilfe eines von der Beklagten gestellten Computers - in telefonischer Sprechverbindung mit dem Hörgeräteakustiker der Beklagten - umprogrammiert. Die Beklagte stellt dem Arzt Ersatzgeräte und ein zusätzliches Ohrpaßstück zur Verfügung, die an den Patienten weitergegeben werden können, falls ein Mangel an dem Hörgerät auftritt und dieses zur Reparatur an die Beklagte eingesandt werden muß. Schwierige Versorgungsfälle soll ein Hörgeräteakustiker der Beklagten in der Arztpraxis betreuen.
Die Beklagte hat am 18. Dezember 1996 mit dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen einen Vertrag über die Versorgung der Versicherten dieser Kassen mit Hörgeräten auf dem von ihr entwikkelten Vertriebsweg geschlossen. In diesem Vertrag ist vorgesehen, daß die Krankenkasse für die ärztlichen Leistungen bei der Abnahme des Ohrabdrucks
und der Anpassung des Hörgeräts ein Honorar von 250,-- DM für jedes zu versorgende Ohr bezahlt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung soll das Honorar an die Beklagte ausgezahlt werden, die es an die HNO-Ä rzte weiterzuleiten hat.
Die klagende Bundesinnung der Hörgeräteakustiker ist der Ansicht, daß das von der Beklagten beworbene Versorgungssystem gegen Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts und des Handwerksrechts sowie gegen s ozialrechtliche Vorschriften verstoße und deshalb wettbewerbswidrig sei.
Sie hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Ä rzte, insbesondere Hals-Nasen-Ohren-Ä rzte, aufzufordern, die nachfolgenden Leistungen gegenüber Patienten zu erbringen: - Vornahme audiometrischer Messungen zur Anpassung eines Hörgerätes, - Erstellen von Ohrabdrücken zur Anpassung eines Hörgerätes , - Anpassung (Feinanpassung) eines von der Beklagten gelieferten Hörgerätes, - Übergabe und Einweisung des Patienten in den Gebrauch eines von der Beklagten gelieferten Hörgerätes und - Abgabe von Batterien und Hörgeräten für die Beklagte, 2. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Fachärzten, insbesondere Hals-Nasen-Ohren-Ä rzten, für die Erbringung der im Antrag zu 1 genannten Leistungen ein Honorar zuzusagen oder anzukündigen, daß von den jeweiligen Krankenkassen eine Vergütung gezahlt wird.
3. ... 4. ... Hilfsweise zum Antrag zu 1: die Beklagte zu verurteilen, Aufforderungen und Angebote im Sinne des Antrages zu 1 an Ä rzte, insbesondere Hals-Nasen-OhrenÄ rzte, zu richten, ohne diese darauf hinzuweisen, daß gegenüber den Patienten eine Aufklärung zu erfolgen hat, daß dieselbe Versorgungsleistung auch durch alle Hörgeräteakustiker erbracht werden kann. Weiter hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, die Behauptung wörtlich oder sinngemäß zu unterlassen, es seien "alle rechtlichen Aspekte" der von ihr angebotenen Hörgeräte-Versorgung "online" juristisch geprüft. Die Beklagte hat ihr Versorgungskonzept als rechtmäßig und s achgemäß verteidigt.
Das Landgericht (LG Dortmund MedR 1998, 36) hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (OLG Hamm NJW 1998, 2749) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Klageanträgen zu 1 und zu 2 - allerdings beschränkt auf Handlungen gegenüber HNO-Ä rzten - stattgegeben. Als redaktionelle Ä nderung hat es in der Verurteilung gemäß dem Klageantrag zu 1 das Wort "aufzufordern" durch das Wort "vorzuschlagen" ersetzt. Zudem hat es in dieser Verurteilung vor dem Wort "vorzuschlagen" die Wendung eingefügt "wie im Rundschreiben der Beklagten vom 6. September 1996".

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es sie beschwert, und insoweit das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klageanträge zu 1 und 2 im wesentlichen als begründet angesehen, weil die mit diesen Anträgen bezeichneten Handlungen wettbewerbswidrig seien. Mit ihrem Rundschreiben vom 6. September 1996 habe die Beklagte die angesprochenen HNO-Ä rzte zu einem Verhalten aufgefordert, das gegen berufsrechtliche Vorschriften der (Muster -)Berufsordnung für die deutschen Ä rzte (im folgenden: MBO a.F.) verstoße.
In Betracht zu ziehen sei bereits ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 MBO a.F. (abgedruckt Deutsches Ä rzteblatt 93, Heft 7, vom 16.2.1996, C-295), der den Ä rzten verbiete, für die Verordnung von Hilfsmitteln von dem Hersteller oder Händler eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen anzunehmen. Das dem HNO-Arzt hier zufließende Honorar werde allerdings letztlich von der Krankenkasse für die zusätzlichen Tätigkeiten gezahlt, die der HNO-Arzt statt - wie herkömmlich - der Hörgeräteakustiker vornehmen solle. Die Beklagte stelle aber dem Arzt eine besondere Ausstattung, nämlich einen
PC mit ISDN-Anschluß, zur Verfügung. Zudem biete sie den Ä rzten mit ihrem Versorgungskonzept die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen außerhalb des Krankenversicherungsbudgets zu erzielen. Es liege nicht fern, darin eine wirtschaftliche Vergünstigung im Sinne des § 30 Abs. 1 MBO a.F. zu sehen. Dies könne aber offenbleiben, weil jedenfalls ein Verstoß gegen § 30 Abs. 4 MBO a.F. gegeben sei.
Nach dieser Vorschrift sei es Ä rzten nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Geschäfte zu verweisen oder die Erzeugnisse bestimmter Hersteller zu nennen. Gerade dies schlage die Beklagte aber den Ä rzten in ihrem Rundschreiben vor. Die Einrichtung einer Online-Telekommunikationsverbindung mit dem zugehörigen PC sei nur sinnvoll, wenn sie regelmäßig genutzt werden solle. Der Vorschlag, sich für das System der Beklagten zu entscheiden, beinhalte deshalb das Ansinnen, die Patienten regelmäßig über die Beklagte mit Hörgeräten zu versorgen. Ein solches Verfahren werde aber von § 30 Abs. 4 MBO a.F. untersagt.
Nach der Lebenserfahrung sei weiter anzunehmen, daß ein Arzt, der mit der Beklagten zusammenarbeite, seinen Patienten nicht die freie Wahl anderer Hörgeräteakustiker lassen, sondern ihnen das Versorgungssystem der Beklagten zumindest nahelegen werde, das ohne den Hinweis des Arztes kaum einem Patienten bekannt sein werde. Wenn aber ein Arzt erwähne, daß er diese Versorgungsmöglichkeit bieten könne, werde jedenfalls ein ganz wesentlicher Teil der Patienten ihm als dem Arzt ihres Vertrauens bei der Wahl des Versorgungssystems folgen. Im übrigen bestehe die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung, weil der Arzt die ihm gebotene zusätzliche Einkommensmöglichkeit nur bei der Einschaltung der Beklagten nutzen könne. Die
Einrichtung der Online-Verbindung mit der Beklagten über den für die Praxis zur Verfügung gestellten PC vergrößere noch die Gefahr, daß der Arzt regelmäßig mit der Beklagten zusammenarbeiten werde.
Die Verweisung der Patienten auf die Hörgeräteversorgung über die Beklagte sei nicht durch einen hinreichenden Grund im Sinne des § 30 Abs. 4 MBO a.F., d.h. durch eine sachliche ärztliche Erwägung im Gegensatz zu wirtschaftlichen Gründen, gerechtfertigt. Die Beklagte vertreibe nur handelsübliche Hörgeräte, wie sie auch von den jeweils am Ort niedergelassenen Hörgeräteakustikern angeboten würden. Es sei nicht ersichtlich, daß die OnlineEinstellung des Hörgeräts der herkömmlichen Anpassung im Geschäft eines Hörgeräteakustikers überlegen sei.
Wegen des Verstoßes gegen § 30 Abs. 4 MBO a.F. sei das Verhalten der Beklagten auch wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Verurteilung zur Unterlassung sei allerdings auf ein Verhalten gegenüber HNO-Ä rzten zu beschränken, weil nichts dafür ersichtlich sei, daß die Beklagte auch bei anderen Ä rzten für ihr Versorgungskonzept werben wolle.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Mit ihrem Klageantrag zu 1 wendet sich die Klägerin dagegen, daß die Beklagte HNO-Ä rzte wie in ihrem Rundschreiben vom 6. September 1996 auffordert, sich an ihrem Vertriebssystem für Hörgeräte mit den in dem Antrag näher bezeichneten Leistungen gegenüber Patienten zu beteiligen. Von diesem Verständnis ist auch das Berufungsgericht zutreffend - wenn auch ohne Begründung - ausgegangen. Es hat dies dadurch zum Ausdruck gebracht, daß
es in die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 die Worte "wie im Rundschreiben der Beklagten vom 6. September 1996" aufgenommen hat. Der Klageantrag zu 1 bezieht sich zwar nach seinem Wortlaut nicht ausdrücklich auf das Rundschreiben vom 6. September 1996, das der Klage zugrunde liegt; aus dem Klagevorbringen ergibt sich aber, daß dieser die Beteiligung der HNOÄ rzte an dem Vertriebssystem der Beklagten zum Gegenstand hat, wenn diese gerade unter den in dem Rundschreiben genannten Bedingungen stattfindet.
2. Das mit dem Klageantrag zu 1 angegriffene Verhalten verstößt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gegen § 1 UWG, weil die Art und Weise der Zusammenarbeit mit der Beklagten, die den HNO-Ä rzten in dem Rundschreiben vom 6. September 1996 vorgeschlagen wird, nicht wettbewerbsrechtlich unlauter ist.

a) Den HNO-Ä rzten ist es nicht verboten, Leistungen, wie sie in dem Klageantrag zu 1 genannt sind, gegenüber Patienten zu erbringen. Sie üben damit nicht das Handwerk eines Hörgeräteakustikers aus (vgl. dazu auch die Anlage A Nr. 54 zur HandwO sowie die Hörgeräteakustikermeisterverordnung - HörgAkMstrV - vom 26.4.1994, BGBl. I S. 895). Ein Verstoß gegen § 1 HandwO ist schon deshalb nicht gegeben, weil es sich hier nur um einzelne Leistungen im Rahmen der ärztlichen Praxis handelt, die zu dem beruflichen Bereich eines HNO-Arztes gehören oder mit diesem zumindest in sehr engem Zusammenhang stehen. Für audiometrische Messungen wird dies auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen (vgl. dazu auch - für Kassenpatienten - Nr. 1591 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs [EBM] sowie - für Privatpatienten - die Nrn. 1403 und 1404 der Gebührenordnung für Ä rzte [GOÄ ]). Das Erstellen eines Ohrabdrucks zur Anpassung eines Hörgeräts ist zwar in dem
EBM und der GOÄ nicht ausdrücklich berücksichtigt. Diese Leistung, die im übrigen auch nach dem Vorbringen beider Parteien jedenfalls für einen HNOArzt nicht besonders schwierig ist, gehört jedoch ohne weiteres in den Tätigkeitsbereich eines HNO-Arztes. Dies ergibt sich auch daraus, daß für Leistungen , die mit der Fertigung eines Ohrabdrucks in Zusammenhang stehen, nach den Nrn. 1565, 1569 und 1570 GOÄ V ergütungen vorgesehen sind. Die Feineinstellung des Hörgeräts ist nach dem mit dem Klageantrag zu 1 angegriffenen Versorgungssystem der Beklagten nicht Sache des behandelnden HNOArztes , sondern wird von einem Hörgeräteakustiker bei der Beklagten, der dabei online mit dem Patienten und dem Arzt verbunden ist, vorgenommen. Etwas anderes läßt sich jedenfalls dem beanstandeten Rundschreiben der Beklagten, auf das bei der Beurteilung abzustellen ist, nicht entnehmen. Die Überprüfung des Ergebnisses der Tätigkeit des Hörgeräteakustikers und damit auch der individuellen Anpassung gehört ohne weiteres zu den Aufgaben des HNOArztes. Ebensowenig kann in Zweifel gezogen werden, daß die Einweisung eines Patienten in den Gebrauch eines Hörgeräts auch von einem HNO-Arzt vorgenommen werden darf (vgl. dazu auch Nr. 1653 EBM) oder daß es einem HNO-Arzt nicht verboten sein kann, Hörgeräte und Batterien, die von der Beklagten an einen Patienten geliefert werden, an diesen auszuhändigen.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fordert die Beklagte die HNO-Ä rzte auch nicht zu einem berufsordnungswidrigen Verhalten auf, wenn sie ihnen wie im Rundschreiben vom 6. September 1996 vorschlägt, die im Klageantrag zu 1 aufgeführten Tätigkeiten in Zusammenarbeit mit ihr zu erbringen. Grundlage für die Beurteilung sind insoweit die Berufsordnungen der einzelnen Ä rztekammern, nicht die im Jahr 1997 neu gefaßte (Muster )Berufsordnung für die deutschen Ä rztinnen und Ä rzte (MBO-Ä 1997, abge-
druckt NJW 1997, 3076), die keine Rechtsqualität besitzt. Die Berufsordnungen der einzelnen Ä rztekammern stimmen aber inhaltlich mit den hier maßgeblichen Regelungen der MBO-Ä 1997 überein (vgl. z.B. die Berufsordnung für die Ä rzte Bayerns vom 12.10.1997, Bayerisches Ä rzteblatt 1997 Nr. 11 S. 1; im folgenden: BOÄ B ayern 1998), so daß von den Formulierungen der MBO-Ä 1997 ausgegangen werden kann.
(1) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte die HNOÄ rzte mit ihrem Rundschreiben dazu auffordert, für die Verordnung von Hörgeräten ein Entgelt von ihr als Händlerin anzunehmen (vgl. Kap. B § 34 Abs. 1 MBO-Ä 1997; Kap. B § 34 BOÄ B ayern 1998). Diese Frage ist jedoch zu verneinen.
In Kap. B § 34 Abs. 1 MBO-Ä 1997 ist (wortgleich mit § 30 MBO-Ä a.F. und Kap. B § 34 Abs. 1 BOÄ B ayern 1998) bestimmt:
"Dem Arzt ist es nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln von dem Hersteller oder Händler eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen zu fordern oder anzunehmen." Gegen diese Vorschrift verstößt ein Arzt, der mit der Beklagten zusammenarbeitet , nicht schon durch die Annahme des Pauschalhonorars von 250,-- DM, weil dieses nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht von der Beklagten gezahlt wird, sondern letztlich von der Krankenkasse. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revisionserwiderung hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO). Die Vergütung wird nicht als Provision für die Verordnung des Hörgeräts entrichtet, sondern als Pauschalbetrag für alle zusätzlichen Leistungen, die der HNO-Arzt bei einer Zusam-
menarbeit mit der Beklagten statt - wie herkömmlich - der Hörgeräteakustiker für den Patienten erbringt. Es ist weder festgestellt noch von der Revisionserwiderung mit Verfahrensrügen geltend gemacht, daß das vorgesehene Honorar unangemessen hoch sei.
Ebensowenig ist die Überlassung eines PC, der eine Online-Verbindung zur Beklagten ermöglicht, eine berufsordnungswidrige Vergünstigung für die Verordnung von Hilfsmitteln. Mit dieser Ausrüstung des HNO-Arztes schafft die Beklagte lediglich die Voraussetzung, um mit diesem im Einzelfall überhaupt zusammenarbeiten zu können und auf dem von ihr vorgeschlagenen Versorgungsweg Hörgeräte als Hilfsmittel zu liefern. Eine Vergütung für spätere Verordnungen von Hörgeräten liegt darin nicht; der Arzt übernimmt auch keine Verpflichtung, gerade Hörgeräte der Beklagten zu verordnen. Im übrigen könnte es den Ä rzten nicht deshalb zeitlich unbegrenzt verboten werden, die mit dem Klageantrag zu 1 bezeichneten Leistungen zu erbringen, weil sie ursprünglich die erforderliche technische Grundausstattung unentgeltlich erhalten haben.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es auch unbedenklich, daß die Ä rzte durch die Zusammenarbeit mit der Beklagten eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit erhalten. In der Möglichkeit, aus erlaubter eigener ärztlicher Tätigkeit ein angemessenes Entgelt zu erzielen, liegt keine berufsordnungswidrige Vergünstigung. Allein mit der Begründung, ein bestimmter Weg zur Versorgung von Patienten mit Hörgeräten sei geeignet, das Tätigkeitsfeld eines HNO-Arztes zu erweitern und ihm damit eine neue Einkommensquelle zu erschließen, kann die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) der Ä rzte nicht beschränkt werden.

(2) Das Rundschreiben vom 6. September 1996 fordert die HNO-Ä rzte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht zu einem Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot auf, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen (vgl. Kap. B § 34 Abs. 5 MBO-Ä 1997; Kap. B § 34 Abs. 5 BOÄ B ayern 1998; vgl. auch § 30 Abs. 4 MBO-Ä a.F.). Es ist allerdings anzunehmen, daß die Beklagte mit ihrem Rundschreiben und dem Angebot, die technische Grundausrüstung für eine Zusammenarbeit mit dem Arzt zu stellen, den Wunsch verbunden hat, die Patienten der angesprochenen HNO-Ä rzte zukünftig regelmäßig mit Hörgeräten zu versorgen. Diesem naheliegenden Wunsch entspricht aber keine Bindung des Arztes. Dieser ist frei, ob er für den Patienten mit dessen Einwilligung die im Klageantrag zu 1 genannten Leistungen erbringen will und - wenn dies geschieht - ob er dies tun will, um den Patienten gerade von der Beklagten mit einem Hörgerät versorgen zu lassen. Die Verweisung des Patienten an bestimmte Geschäfte oder Leistungserbringer ist zudem nur untersagt, wenn dafür ein hinreichender Grund fehlt. Nach dem Klageantrag zu 1 soll der Beklagten jedoch allgemein verboten werden, Ä rzten vorzuschlagen, die näher bezeichneten Leistungen für Patienten im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Beklagten zu erbringen, ohne daß es weiter darauf ankommen soll, ob es im Einzelfall für die Einschaltung der Beklagten einen hinreichenden Grund gibt. Dadurch würde aber der Arzt an der Verweisung des Patienten an die Beklagte auch dann gehindert, wenn sachliche Gründe ganz überwiegend für eine Verweisung an sie sprechen würden (z.B. die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten, schlechte Erfahrungen mit den ortsansässigen Hörgeräteakustikern ), und sogar auch dann, wenn er von dem Patienten ausdrücklich um die
Versorgung durch ihn selbst und die Beklagte gebeten wird. Gerade dann, wenn nach den gegebenen Verhältnissen nur einer oder wenige ortsansässige Hörgeräteakustiker für die Versorgung eines bestimmten Patienten in Betracht kommen sollten, hätte ein Erfolg des Klageantrags zu 1 die Wirkung, daß der Arzt durch gerichtliches Verbot entscheidend in der Freiheit, dem Patienten mehrere Versorgungsmöglichkeiten aufzuzeigen, beschränkt würde.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Arzt zudem nicht gehindert, sondern sogar verpflichtet, bei seiner Abwägung auch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit zu berücksichtigen (vgl. - für Kassenpatienten - § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 SGB V). Aus der vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Ansicht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28. April 1981 (VI ZR 80/79, NJW 1981, 2007, 2008) ergibt sich nichts anderes.
Es mag allerdings sein, daß die Entscheidung für den verkürzten Versorgungsweg gegenwärtig mangels einer ausreichenden Zahl in gleicher Weise arbeitender Wettbewerber praktisch bedeutet, daß im Einzelfall nur die Beklagte als Hilfsmittelerbringer in Betracht kommt. Der Klageantrag zu 1 stellt auf diesen Umstand jedoch nicht ab. Mit ihm wird ein Verbot begehrt, das auch dann gelten soll, wenn ausreichender Wettbewerb zwischen Anbietern auf dem verkürzten Versorgungsweg besteht, so daß ein HNO-Arzt dem Patienten diese Versorgungsmöglichkeit zur Wahl stellen kann, ohne daß die Entscheidung dafür bereits mit einer Entscheidung für die Beklagte als Hilfsmittelerbringer verbunden wäre. Das Fehlen eines ausreichenden Wettbewerbs unter den Anbietern auf dem verkürzten Versorgungsweg könnte auch nicht zur Folge haben , daß den Ä rzten aus diesem Grund die Verweisung an die Beklagte allge-
mein untersagt wird. Die Entstehung von Wettbewerb in diesem Bereich ist vielmehr dem Markt zu überlassen; es ist nicht Aufgabe des wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsrechts, das Aufkommen neuartiger Angebotsformen, die als solche nicht wettbewerbswidrig sind, bereits im Ansatz zu verhindern. Es kann auch nicht übersehen werden, daß die Beschränkung des Angebots auf wenige für den Patienten erreichbare Hörgeräteakustiker am Ort oder sogar nur einen einzigen ihrerseits Gefahren für die Freiheit und die Lauterkeit des Wettbewerbs mit sich bringt.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung verstößt ein HNOArzt , der mit der Beklagten wie in dem Rundschreiben vorgeschlagen zusammenarbeitet , auch bei der Behandlung von Kassenpatienten nicht gegen Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Ein Verstoß gegen die Regelung des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V, nach der Hilfsmittel an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden dürfen, ist schon deshalb nicht gegeben, weil die HNO-Ä rzte die Hörgeräte nicht selbst abgeben sollen. Der HNO-Arzt verordnet lediglich ein Hörgerät und erbringt im übrigen in eigener Verantwortung zusätzliche ärztliche Leistungen; Hilfsmittelerbringer ist nur die Beklagte, die dazu auch unbestritten zugelassen ist.
Diejenigen Leistungen, die dem HNO-Arzt nach dem Rundschreiben der Beklagten vorgeschlagen werden, sind ihm nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nicht verboten. Welche Zusatzleistungen ein Arzt neben den Leistungen als Kassenarzt erbringen darf, ist im SGB V nicht geregelt. Die Frage, ob er Anspruch auf Vergütung für diese Leistungen hat, ist seinen vertraglichen Beziehungen zu den Krankenkassen überlassen.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung schließt die Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V auch nicht den Wettbewerb zwischen verschiedenen Gruppen von Leistungserbringern aus. Die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung findet im Gesetz keine Stütze. Die Wahl zwischen verschiedenen Leistungserbringern ist grundsätzlich dem Versicherten überlassen. Die Vorschrift des § 127 Abs. 3 SGB V über die Zulässigkeit von Preisvergleichen bei den Leistungserbringern von Hilfsmitteln und die Information der Versicherten und der Ä rzte über deren Ergebnis besagt dazu - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nichts. Die Zulassung von Hörgeräteakustikern nach § 126 SGB V zur Abgabe von Hilfsmitteln gibt keinen Schutz gegen Wettbewerb durch mehrere Hilfsmittelerbringer, selbst wenn diese einer anderen Berufsgruppe angehören sollten (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.12.1996 - L 5 K 56/95 [Bericht ArztuR 1997, Nr. 1, S. 14] und nachfolgend BSG, Beschl. v. 28.8.1997 - 3 BK 3/97, jeweils zitiert nach juris). Noch weniger schützt sie die Hörgeräteakustiker davor, daß HNOÄ rzte, die selbst keine Hörgeräte als Hilfsmittelerbringer abgeben, im Zusammenhang mit der Abgabe von Hörgeräten ärztliche Leistungen erbringen, selbst wenn diese Leistungen ganz oder teilweise auch von einem Hörgeräteakustiker erbracht werden dürften.

d) Das mit dem Klageantrag zu 1 angegriffene Verhalten ist auch nicht aus anderen Gründen wettbewerbswidrig. Eine generelle Beschränkung der Freiheit des Wettbewerbs, wie sie die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 1 erreichen will, bedarf einer besonderen Begründung. Eine solche fehlt.
Die Zusammenarbeit mit der Beklagten, die im Rundschreiben vom 6. September 1996 vorgeschlagen wird, ist nicht schon deshalb unlauter, weil
sie dem Arzt die Möglichkeit bietet, für zusätzliche von ihm zu erbringende Leistungen ein angemessenes Honorar zu erhalten. Auf das Vorliegen anderer Umstände, aus denen sich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens ergeben könnte, stellt der Klageantrag zu 1 jedoch nicht ab. Eine vertragliche Bindung des angesprochenen HNO-Arztes an die Zusammenarbeit mit der Beklagten wird mit dem Rundschreiben nicht angestrebt. Nach den getroffenen Feststellungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß das von der Beklagten vorgeschlagene Versorgungskonzept nur dann sinnvoll ist, wenn der Arzt ausschließlich oder auch nur regelmäßig mit der Beklagten zusammenarbeitet und nicht lediglich die Möglichkeiten, die Patienten ihrer besonderen Situation angepaßt zu versorgen, vermehrt. Eine Verweisung an andere Anbieter, sowohl solche am Ort als auch solche im verkürzten Versorgungsweg, ist nicht ausgeschlossen.
Bei der Beurteilung des Rundschreibens kann auch nicht mit dem Berufungsgericht von der Sachlage ausgegangen werden, daß das Konzept der Beklagten den Patienten nicht bekannt ist. Der Klageantrag zu 1 und seine Begründung stellen darauf nicht ab. Er berücksichtigt auch nicht die Möglichkeit, daß die Wahl der Versorgung über die Beklagte nach einer erfolgreichen Durchsetzung ihres Versorgungskonzepts auf dem Markt vielfach auf die Patienten selbst zurückgehen könnte. Damit wäre vor allem dann zu rechnen, wenn die von Kassenpatienten zu leistenden Zuzahlungen bei einer Versorgung durch die Beklagte entfallen sollten oder wesentlich niedriger als bei einer Versorgung durch einen örtlichen Hörgeräteakustiker sein sollten. Der Beklagten kann es jedoch nicht verboten werden, bei HNO-Ä rzten anzuregen, Vorsorge dafür zu treffen, daß sie Patientenwünschen nach einem verkürzten Versorgungsweg entsprechen können, wenn dies sachlich begründet erscheint.
Auch der Umstand, daß die Verbindung mit der Beklagten im Einzelfall bequem hergestellt werden kann und eine sofortige Veränderung der Einstellung des Hörgeräts ermöglicht, spricht - anders als dies das Berufungsgericht gemeint hat - nicht gegen, sondern für den von der Beklagten vorgeschlagenen Versorgungsweg.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist danach das Versorgungskonzept der Beklagten nicht schon als solches mit der Gefahr verbunden, daß die Patienten der angesprochenen HNO-Ä rzte aus unsachlichen Gründen veranlaßt werden können, die Beklagte als Leistungserbringerin zu wählen. Diese Gefahr würde sich zudem weiter verringern, wenn die HNO-Ä rzte für die zusätzlichen Leistungen, die sie bei einer Versorgung der Patienten im verkürzten Versorgungsweg erbringen, von den Kassen auch dann ein angemessenes Honorar erhalten würden, wenn sie einen anderen Anbieter, der im verkürzten Versorgungsweg arbeitet, empfehlen. Bei der Behandlung von Patienten ergibt sich zudem nicht selten die Situation, daß die Wahl eines bestimmten Therapiewegs dem Arzt ermöglicht, zusätzliche Leistungen zu erbringen, für die er dann auch eine zusätzliche Vergütung erhält. Die nicht ausschließbare Gefahr, daß dies Einfluß auf die ärztliche Behandlung des Patienten hat, kann jedoch kein Grund sein, Therapiemöglichkeiten oder Versorgungswege als solche zu unterbinden. Es kommt hinzu, daß ein Patient, dem der Arzt den verkürzten Versorgungsweg empfiehlt, nicht im Unklaren darüber sein kann, daß der Arzt aufgrund dieser Wahl zusätzliche Leistungen (wie den Ohrabdruck , erweiterte audiometrische Messung usw.) zu erbringen hat, die ihm dann - wie allgemein bekannt - auch gesondert zu vergüten sind. Ein mögliches Eigeninteresse des Arztes bleibt dem Patienten daher nicht verborgen.
Die vom Berufungsgericht angenommene Gefahr der unsachgemäßen Beeinflussung wird im übrigen offenbar von den zuständigen Fachbehörden nicht in gleicher Weise gesehen. Die Diskussion um die Zulässigkeit des verkürzten Versorgungsweges hält nun schon seit Jahren an (vgl. v. Maydell/ Kötter, Zur Aufgabenverteilung zwischen Hilfsmittelerbringern und Ä rzten bei der Versorgung mit Hörgeräten, 1994; Schwannecke/Webers, NJW 1998, 2697; Westenberg, WRP 1998, 1155; Kern, NJW 2000, 833). Bereits mit Urteil vom 10. Oktober 1991 (WRP 1992, 186) hat das Oberlandesgericht Hamburg einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen einen Wettbewerber der Beklagten zurückgewiesen. Seine Beurteilung des verkürzten Versorgungsweges für Hörgeräte hat das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 12. März 1992 (3 U 126/91) bestätigt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat der Senat durch Beschluß vom 3. Dezember 1992 nicht angenommen (I ZR 89/92). Auch andere Oberlandesgerichte haben schon vor einigen Jahren die Versorgung von Patienten mit Hörgeräten im verkürzten Versorgungsweg nicht als wettbewerbswidrig angesehen (vgl. die - noch nicht rechtskräftigen - Urteile OLG Nürnberg WRP 1997, 1212; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.1.1998 - 2 U 12/97; OLG Celle, Urt. v. 11.3.1998 - 13 U 116/97). Die zuständigen Behörden haben jedoch - soweit ersichtlich - keinen Anlaß gesehen, ihrerseits regelnd einzugreifen.

e) Durch die Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit des verkürzten Versorgungswegs werden die Hörgeräteakustiker in der Freiheit der Berufsausübung nicht beschränkt. Ein Recht auf Schutz gegen Wettbewerb kann aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 7, 377, 408 = NJW 1958, 1035, 1038; Scholz in Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdn. 40 m.w.N.). Den Hörgeräteakustikern wird auch nicht ihre wirtschaftliche Existenz genom-
men. Es steht ihnen frei, Hörgeräte ebenfalls - sei es allein oder neben dem herkömmlichen Vertriebsweg - im verkürzten Versorgungsweg abzugeben.
III. Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist auch der Klageantrag zu 2 abzuweisen. Das Berufungsgericht hat zudem unangegriffen festgestellt, daß die Beklagte den HNO-Ä rzten mit ihrem Rundschreiben nicht angekündigt oder zugesagt hat, für die im Klageantrag zu 1 bezeichneten Leistungen selbst eine Vergütung zu zahlen.
IV. Mit dem Hilfsantrag zu 1 beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen , Aufforderungen und Angebote wie in ihrem Rundschreiben vom 6. September 1996 an HNO-Ä rzte zu richten, ohne diese darauf hinzuweisen, daß gegenüber den Patienten eine Aufklärung zu erfolgen hat, daß dieselbe Versorgungsleistung auch durch alle Hörgeräteakustiker erbracht werden kann. Dieser Antrag ist schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, ohne besonderen Anlaß die von ihr angesprochenen HNO-Ä rzte an ihre berufsrechtlichen Pflichten gegenüber den Patienten zu erinnern.
V. Mit ihrem Hilfsantrag zu 2 begehrt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen , die Behauptung zu unterlassen, es seien "alle rechtlichen Aspekte" der von ihr angebotenen Hörgeräte-Versorgung im verkürzten Versorgungsweg juristisch geprüft. Auch mit diesem Antrag kann die Klägerin nicht durchdringen. Es bedarf keiner Feststellung, ob vor dem Rundschreiben vom 6. September 1996 tatsächlich alle rechtlichen Gesichtspunkte des Angebots an die HNO-Ä rzte überprüft worden sind. Da der mit dem Rundschreiben angebotene Versorgungsweg - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden ist, gibt es
keine Rechtsgrundlage für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch , der mit dem Hilfsantrag zu 2 geltend gemacht wird.
VI. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als dieses zu ihrem Nachteil erkannt hat. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin war das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 275/99 Verkündet am:
15. November 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Hörgeräteversorgung
Es ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht wettbewerbsrechtlich unlauter
, wenn ein HNO-Arzt seinen Patienten im Beratungsgespräch darauf hinweist
, daß dessen Versorgung mit einem Hörgerät nicht nur durch einen örtlichen
Hörgeräteakustiker durchgeführt werden kann, sondern auch - im sog.
verkürzten Versorgungsweg - durch einen auswärtigen Hörgeräteakustiker.
Dies gilt auch dann, wenn der Arzt für die ärztlichen Leistungen, die er im
Rahmen seiner Mitwirkung an der Versorgung im verkürzten Versorgungsweg
erbringt, eine gesonderte Vergütung erhält.
BGH, Urt. v. 15. November 2001 - I ZR 275/99 - OLG Frankfurt am Main in Kassel
LG Kassel
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher
und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kassel vom 17. November 1998 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger übt in mehreren Geschäften in K. und Umgebung das Handwerk eines Hörgeräteakustikers aus.
Die Beklagte ist HNO-Ärztin. Bis zum Jahr 1996 wurden ihre Patienten durchweg auf dem herkömmlichen Weg mit Hörgeräten versorgt. Nach der Feststellung des Grades der Hörschädigung, insbesondere mittels eines Audiogramms , verordnete die Beklagte ein Hörgerät. Mit dem Rezept suchte der Patient das Geschäft eines ortsansässigen Hörgeräteakustikers auf. Dies war häufig ein Geschäft des Klägers, das sich in demselben Gebäudekomplex wie die Praxis der Beklagten befindet. Der Hörgeräteakustiker nahm nach erneuten audiometrischen Messungen und der Auswahl eines Hörgeräts einen Ohrabdruck ab. Danach wurde ein Ohrpaßstück gefertigt, mit dem Hörgerät verbunden und dem Patienten angepaßt. Nach Feineinstellung des Gerätes begab sich der Patient erneut in die Praxis der Beklagten. Diese überprüfte die Funktionstüchtigkeit der Hörhilfe und erteilte die Freizeichnung. Bei Patienten mit gesetzlicher Krankenversicherung rechnete der Hörgeräteakustiker aufgrund der Freizeichnung die Hörhilfe mit der Krankenkasse ab; der Patient hatte gegebenenfalls eine Zuzahlung zu leisten.
Ein Teil der Patienten der Beklagten wird nunmehr unter ihrer Mitwirkung auf dem sog. verkürzten Versorgungsweg von der a. GmbH & Co. KG (im folgenden: a. ) versorgt. Diese hat dazu der Beklagten - wie auch den anderen an ihrem Versorgungssystem beteiligten HNO-Ärzten - einen Computer, der mit ihrem Betrieb verbunden werden kann, samt der erforderlichen Software zur Verfügung gestellt. Wenn die Beklagte festgestellt hat, daß
ein Patient eine Hörhilfe benötigt, erläutert sie ihm, daû er das Hörgerät bei einem ortsansässigen Hörgeräteakustiker oder - mit ihrer Mitwirkung - bei der a. beziehen könne. Entscheidet sich der Patient für eine Versorgung durch a. , nimmt die Beklagte den Ohrabdruck ab und übersendet diesen an a. . In deren Betrieb wird anhand des Ohrabdrucks das Ohrpaûstück gefertigt und - mit dem eingefügten Hörgerät - an die Beklagte zurückgesandt. Unter Mitwirkung eines - online zugeschalteten - Hörgeräteakustikers von a. nimmt die Beklagte nunmehr die Anpassung und Feinabstimmung des Hörgeräts mit Hilfe des Computers vor.
Für ihre Mitwirkung bei der Anpassung der Hörhilfe überweist a. der Beklagten für jedes versorgte Ohr 250 DM. Dabei handelt es sich um einen Teil des von den Krankenkassen an a. für jede Hörhilfe gezahlten Festbetrages.
Der Kläger ist der Ansicht, daû sich die Beklagte durch diese Art der Zusammenarbeit mit a. standeswidrig und deshalb wettbewerbswidrig verhält.
Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgende Handlungen vorzunehmen: - Vornahme audiometrischer Messungen zur Anpassung und Lieferung eines Hörgerätes, - Erstellen von Ohrabdrucken zur Anpassung und Lieferung eines Hörgerätes, - Anpassung (Feinanpassung) eines von der Firma a. GmbH & Co. KG, R. , gelieferten Hörgerätes,
- Übergabe und Einweisung von Patienten in den Gebrauch eines von der Firma a. GmbH & Co. KG, R. , gelieferten Hörgerätes und - Abgabe von Batterien, Hörgeräten sowie Auslage und Verteilung von Prospekten für die Firma a. GmbH & Co. KG, R. , - für die Erbringung der genannten Leistungen ein Honorar oder eine sog. Vergütung, insbesondere in Höhe von mindestens 250 DM, von Krankenkassen und/oder der Firma a. GmbH & Co. KG entgegenzunehmen; 2. festzustellen, daû die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den schon entstandenen und noch entstehenden Schaden durch die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen zu ersetzen; 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen zu den unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen , und zwar insbesondere unter Angabe der Stückzahl und Herkunft der im eigenen oder fremden Namen verkauften bzw. angepaûten Hörgeräte, Hörgeräte-Batterien und sonstigem Zubehör , insbesondere der Firma a. GmbH & Co. KG, R. , der dabei erzielten Umsätze/Aufwandsentschädigungen sowie der betriebenen Werbung, insbesondere unter Angabe der ausgelegten Werbebroschüren der Firma a. GmbH & Co. KG, R. . Die Beklagte hat ihr Vorgehen bei der Versorgung ihrer Patienten mit Hörgeräten als rechtmäûig und sachgerecht verteidigt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt a.M. WRP 2000, 220) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; dabei hat es den Tenor des landgerichtlichen Urteils zum Zweck der Klarstellung wie folgt neu gefaût:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zusammenarbeit mit der Firma a. GmbH & Co. KG, R. , folgende den Vertrieb der von dieser Firma hergestellten Hörhilfen fördernde Handlungen vorzunehmen: - Audiometrische Messungen zur Anpassung und Lieferung eines Hörgerätes, - Erstellen von Ohrabdrucken zum Anpassen und zur Lieferung eines Hörgerätes, - Anpassung (Feinanpassung) eines Hörgerätes, - Übergabe einer Einweisung der Patienten in den Gebrauch eines Hörgerätes und - Abgabe von Batterien, Hörgeräten sowie Auslage und Verteilung von Prospekten der Firma a. GmbH & Co. KG, R. , sowie - für die Erbringung der genannten Leistungen ein Honorar oder eine angemessene Vergütung, insbesondere in Höhe von mindestens 250 DM, von Krankenkassen und/oder der Firma a. GmbH & Co. KG entgegenzunehmen. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage beanstandete Zusammenarbeit der Beklagten mit der a. als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen, weil die Beklagte ihr Vertrauensverhältnis zu den Patienten und ihre fachärztliche Autorität ausnutze, um den Vertrieb der von a. hergestellten Hörhilfen zu fördern und ihre eigenen Einnahmen zu steigern. Es bestehe kein Zweifel, daû sich Patienten der Beklagten auf deren Hinweis, sie könnten in
ihrer Praxis mit Hörhilfen von a. versorgt werden, für den verkürzten Versorgungsweg entschieden, weil sie aufgrund ihres Vertrauens zu der Beklagten als ihrer Ärztin glaubten, daû das dazu angebotene Hörgerät zu ihrer Versorgung besonders geeignet sei. Das Vorbringen der Beklagten, sie unterrichte die Patienten über die verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten und empfehle nicht die Versorgung mit Hörhilfen von a. , stehe der Annahme einer wettbewerbswidrigen Ausnutzung ihrer Vertrauens- und Autoritätsstellung nicht entgegen. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, daû die Patienten unter den dargestellten Möglichkeiten unbeeinfluût wählten. Selbst wenn ihnen gesagt werden sollte, daû ortsansässige Hörgeräteakustiker Hörhilfen von gleicher Qualität herstellen könnten wie a. , wähle ein nicht unerheblicher Teil - bei der Beklagten jährlich mehr als 50 Patienten - die Versorgung mit Hörhilfen von a. , weil die Beklagte daran mitwirke. Für die in aller Regel älteren Patienten könne dabei der Wegfall von Laufereien mitbestimmend sein.
Durch die Mitwirkung der Beklagten an ihrem Versorgungssystem erlange a. einen wettbewerbswidrigen Vorsprung vor den ortsansässigen Hörgeräteakustikern. Die Patienten würden sich in nicht unerheblicher Zahl wegen des Vertrauensverhältnisses zur Beklagten und wegen der Bequemlichkeit des "kurzen Weges" für die Versorgung mit Hörgeräten von a. entscheiden. Diese erspare sich die Unterhaltung eines örtlichen Geschäftslokals und entsprechende Personalkosten, weil sie ihre Tätigkeit in ihrem Betrieb konzentrieren könne. Sie sei so eher in der Lage, Hörhilfen ohne oder mit geringer Zuzahlung an Kassenpatienten oder zu günstigeren Preisen an Patienten mit privater Krankenversicherung abzugeben.
Die Beklagte erlange auch selbst einen wirtschaftlichen Vorteil. Entgegen ihrem Vorbringen zahle ihr a. , nicht die jeweilige Krankenkasse den Be-
trag von 250 DM für jedes mit einer Hörhilfe versorgte Ohr. Dies ergebe sich schon daraus, daû dieser Betrag aus dem Festbetrag bezahlt werde, dena. von der gesetzlichen Krankenkasse als Entgelt für die Hörhilfe erhalte (z.B. aufgrund ihres Vertrages vom 18. Dezember 1996 mit den Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen). Die zusätzlichen Leistungen der Beklagten bei einer Versorgung im verkürzten Versorgungsweg seien Arbeiten eines Hörgeräteakustikers , keine ärztlichen Leistungen, die nach ärztlichem Gebührenrecht abgerechnet werden könnten.
Die Mitwirkung der Beklagten an der Versorgung durch a. sei auch nicht durch geringere finanzielle Belastungen der Krankenkassen oder der Patienten gerechtfertigt. Die Beklagte, die insofern als Ärztin darlegungspflichtig sei, habe auch keine sonstigen Umstände vorbringen können, die ausnahmsweise die Empfehlung eines bestimmten Hilfsmittels rechtfertigen könnten.
Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der durch ihre wettbewerbswidrigen Handlungen entstanden sei. Zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs habe die Beklagte die verlangte Auskunft zu erteilen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag dahin ausgelegt, daû der Kläger nicht ein unbedingtes Verbot der einzelnen in seinem Antrag aufgeführten Handlungen begehrt, sondern nur für den Fall, daû diese dazu dienen, den Vertrieb der Hörhilfen von a. im verkürzten Versorgungsweg zu
fördern, und von den Krankenkassen und/oder a. vergütet werden. Diese Auslegung ist, wie sich aus der Klagebegründung ergibt, zutreffend.
Dagegen hat das Berufungsgericht in seinem Urteilsausspruch zu 1 zu Unrecht die im Unterlassungsantrag des Klägers benutzte Wendung "eine sogenannte Vergütung" durch die unbestimmte Wendung "eine angemessene Vergütung" ersetzt.
2. Das mit dem Klageantrag zu 1 angegriffene Verhalten verstöût entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gegen § 1 UWG, weil die beanstandete Art und Weise der Zusammenarbeit der beklagten HNO-Ärztin mit a. nicht wettbewerbsrechtlich unlauter ist.

a) Den HNO-Ärzten ist es nicht verboten, Leistungen, wie sie in dem Klageantrag zu 1 genannt sind, als solche gegenüber Patienten zu erbringen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil "Verkürzter Versorgungsweg" (Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080, 1081 = WRP 2000, 1121), das beiden Parteien bekannt ist, dargelegt.

b) Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts nutzt die Beklagte nicht bereits dadurch, daû sie mit a. zusammenarbeitet, ihr Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten und ihre fachärztliche Autorität aus, auch wenn sie dadurch den Umsatz von a. mit Hörgeräten fördert und ihre eigenen Einnahmen vermehrt.
(1) Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem unstreitigen Sachverhalt ist zu entnehmen, daû die Beklagte ihren Patienten ausdrücklich die Versorgung mit Hörgeräten von a. unter ihrer Mitwirkung emp-
fiehlt. Es kommt hier deshalb nicht darauf an, daû auch ein solches Vorgehen nicht allgemein wettbewerbswidrig wäre (vgl. dazu auch BGH GRUR 2000, 1080, 1083 - Verkürzter Versorgungsweg). Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils ist es unstreitig, daû die Beklagte Patienten, bei denen sie die Notwendigkeit der Versorgung mit einer Hörhilfe festgestellt hat, lediglich erläutert , daû die Hörhilfe bei einem ortsansässigen Hörgeräteakustiker oder mit ihrer Mitwirkung von a. bezogen werden könne. Die Annahme des Berufungsgerichts , bereits darin liege eine Ausnutzung des Vertrauens der Patienten in ihre fachärztliche Befähigung und Objektivität, die ein allgemeines Verbot der Zusammenarbeit mit a. rechtfertige, ist unbegründet.
Ein Vertrauensmiûbrauch scheidet bei einem solchen Vorgehen von vornherein stets aus, wenn sich ein Patient unbeeinfluût von der Beklagten dafür entscheidet, sich mit einem Hörgerät von a. versorgen zu lassen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist aber ohne Hinzutreten besonderer Umstände auch dann kein Vertrauensmiûbrauch gegeben, wenn sich Patienten nach dem Beratungsgespräch für eine Hörhilfe von a. entscheiden und dies tun, weil sie der Beklagten vertrauen und glauben, besonders gut versorgt zu werden, wenn die Beklagte an der Hörgeräteversorgung mitwirkt.
Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner anderen Beurteilung auch nicht, daû es nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar dringend geboten sein kann, daû die Beklagte Patienten die Möglichkeit aufzeigt, sich durch sie selbst in Zusammenarbeit mit einem nicht ortsansässigen Hörgeräteakustiker versorgen zu lassen. Dies kann etwa der Fall sein bei einer besonderen Gehbehinderung des Patienten oder bei einem fachlich oder wirtschaftlich besseren Angebot des nicht ortsansässigen Hörgeräteakustikers (z.B. bei besserer Eignung des Hörgeräts oder günstigerem Preis). In diesem Sinn können auch
die Angebote von a. allgemein oder im Einzelfall den Angeboten ortsansässiger Hörgeräteakustiker vorzuziehen sein. Die Vorteile des verkürzten Versorgungsweges gegenüber der herkömmlichen Art und Weise der Versorgung (z.B. Wegfall der Wege zu einem ortsansässigen Hörgeräteakustiker, Einsparung der Kosten des Hörgeräteakustikers für einen Betrieb am Ort), sprechen zudem - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - nicht gegen, sondern für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Hinweises auf diese Möglichkeit. Es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts zu verhindern, daû Vorteile, die sich aus einer gröûeren Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungsweges oder aus Kostenvorteilen eines Anbieters ergeben, im Wettbewerb eingesetzt werden können. Ein Wettbewerbsvorsprung, der sich aus solchen Vorteilen ergibt, ist nicht nur wettbewerbsrechtlich unbedenklich, sondern vielmehr im Interesse der Entwicklung zu einer insgesamt besseren Versorgung der Patienten erwünscht.
(2) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts miûbraucht die Beklagte auch nicht deshalb das Vertrauen ihrer Patienten, weil sie für ihre Mitwirkung bei der Hörgeräteversorgung 250 DM für jedes versorgte Ohr erhält.
Einem Arzt ist es allerdings nicht gestattet, sich für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt versprechen oder gewähren zu lassen (vgl. § 31 der Berufsordnung der Ärztinnen und Ärzte in Hessen, HÄBl. 1998, Nr. 10 S. I). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Die Beklagte erhält die Vergütung für ihre zusätzlichen ärztlichen Tätigkeiten. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils überweist a. den Betrag von 250 DM für jedes versorgte Ohr für die Mitwirkung der Beklagten bei der Anpassung der Hörhilfe. Ohne die ärztlichen Tätigkeiten der Beklagten könnte a. Patienten im verkürzten Versorgungsweg auch nicht versorgen. Es ist weder festgestellt noch von der Re-
visionserwiderung mit Verfahrensrügen geltend gemacht, daû die Vergütung unangemessen sei. Unter diesen Umständen kommt es auf die Frage, ob die von a. ausgezahlte Vergütung wirtschaftlich von diesem Unternehmen getragen wird oder von den Krankenkassen, letztlich nicht an. Ebenso ist es für die Entscheidung unerheblich, ob die Beklagte bei der Erbringung ihrer ärztlichen Leistungen Vertragspartnerin von a. oder der Krankenkassen ist. In jedem Fall wird die Zahlung nicht als eine verdeckte Provision für die Beauftragung von a. geleistet, sondern als Entgelt für ärztliche Tätigkeiten.
Die Annahme des Berufungsgerichts, daû die Zahlung von 250 DM für jedes versorgte Ohr wirtschaftlich von a. geleistet werde, ist zudem nicht rechtsfehlerfrei begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts spricht der Vertrag des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen NordrheinWestfalen vom 18. Dezember 1996 dafür, daû die Vergütung der HNO-Ärzte, die mit a. zusammenarbeiten, letztlich von den Krankenkassen getragen wird. In § 12 Abs. 2 und 3 dieses Vertrages ist geregelt, daû sich a. als Leistungserbringer bei der medizinischen Ohrabdrucknahme und der Eingliederung des angepaûten Hörgerätes eines HNO-Arztes bedient. In einem solchen Fall wird nach dem Vertrag von der Krankenkasse ein Honorar für ärztlichen Aufwand in Höhe von grundsätzlich 250 DM für jedes versorgte Ohr gezahlt, das aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung über a. auszuzahlen ist. Nach § 12 Abs. 4 des Vertrages ist a. weiterhin verpflichtet, den HNO-Ärzten ihrerseits keine Vergütungen oder sonstigen geldwerten Vorteile zukommen zu lassen.
Ein Patient, dem die Beklagte im Beratungsgespräch die Möglichkeit einer Versorgung im verkürzten Versorgungsweg unter ihrer Mitwirkung darstellt, kann auch nicht im Unklaren darüber sein, daû die Beklagte aufgrund dieser Wahl zusätzliche Leistungen (wie die Abnahme des Ohrabdrucks und erwei-
terte audiometrische Messungen) zu erbringen hat, die ihr dann - wie allgemein bekannt - auch gesondert zu vergüten sind. Ein mögliches Eigeninteresse der Beklagten bleibt dem Patienten daher nicht verborgen (vgl. BGH GRUR 2000, 1080, 1083 - Verkürzter Versorgungsweg).

c) Anderweitige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daû die Zusammenarbeit der Beklagten mit a. grundsätzlich wettbewerbswidrig ist, sind nicht festgestellt. Der Unterlassungsantrag stellt auf solche Umstände auch nicht ab. Es wäre zudem mit der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) unvereinbar, der Beklagten uneingeschränkt zu verbieten, mit a. bei der Versorgung von Patienten im verkürzten Versorgungsweg zusammenzuarbeiten - und dies selbst für Fälle, in denen Patienten eine solche Versorgung ausdrücklich wünschen. Die bloûe Möglichkeit, daû die Beklagte Patienten im Beratungsgespräch in wettbewerbswidriger Weise zugunsten von a. beeinfluût, rechtfertigt ein allgemeines Verbot ebensowenig wie der Umstand, daû die Beklagte bei Einschaltung von a. eine sonst nicht gegebene Verdienstmöglichkeit hat (vgl. dazu auch BGH GRUR 2000, 1080, 1082 - Verkürzter Versorgungsweg).
Abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts ist es auch nicht Sache des Arztes, dem eine wettbewerbswidrige Empfehlung eines Hilfsmittelerbringers vorgeworfen wird, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daû seine Empfehlung sachlich begründet war. Das gilt selbst dann, wenn der Arzt ein wirtschaftliches Eigeninteresse hat. Auch in einem solchen Fall liegt die Darlegungs- und Beweislast bei demjenigen, der wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend macht.
3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daû nicht nur der geltend gemachte Unterlassungsantrag, sondern auch die Anträge auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und auf ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung unbegründet sind.
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 215/02 Verkündet am:
2. Juni 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Diabetesteststreifen
Berufsordnung der Ärzte (1997) § 3 Abs. 2
Ein Arzt, der in seiner Praxis an die Patienten Diabetesteststreifen abgibt und
im Zusammenhang damit Rezepte für die Teststreifen entgegennimmt, sammelt
und zur Einlösung verwendet, verstößt, sofern weder ein Schulungsbedarf besteht
noch ein Notfall vorliegt, gegen das wettbewerbsrechtlich relevante berufsrechtliche
Verbot, Waren im Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen
Tätigkeit abzugeben.
BGH, Urt. v. 2. Juni 2005 - I ZR 215/02 - OLG Naumburg
LG Dessau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. Juli 2002 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau - Kammer für Handelssachen - vom 6. Juli 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß an die Nummer 1 des Tenors der Zusatz angefügt wird: ", soweit sich die Rezepte nicht auf Diabetesteststreifen beziehen, die vom Beklagten als Schulungsbedarf oder in Notfällen abgegeben werden." Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Inhaber einer Apotheke in W. . Er nimmt den Beklagten , der in W. eine diabetologische Schwerpunktpraxis betreibt, wegen des Angebots und der Abgabe von Diabetesteststreifen auf Unterlassung in Anspruch.
Der Beklagte händigt den von ihm behandelten Patienten bei Bedarf ein der Abrechnung mit den Krankenkassen dienendes Rezept für Diabetesteststreifen aus. Bei diesen handelt es sich um weder verschreibungs- noch apothekenpflichtige Produkte, die deshalb außer über Apotheken auch über den Diabetikerversandhandel sowie in Sanitätshäusern vertrieben werden. Sie werden von Diabetespatienten in großem Umfang zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels benötigt und bei jedem Meßvorgang verbraucht.
Der Beklagte läßt seine Diabetespatienten bei der - gegebenenfalls auch wiederholt - erforderlichen Einweisung in den Gebrauch der Teststreifen durch seine Mitarbeiter darauf hinweisen, daß die Teststreifen auch kostengünstig über seine Praxis zu beziehen seien. Wenn es zu einer entsprechenden Abgabe kommt, läßt er die Patienten die auf die Rückseite des Rezepts aufgestempelte Erklärung "Aus wirtschaftlichen Gründen möchte ich die Artikel hier vor Ort erhalten. Das Personal der medizinischen Einrichtung nahm keinen Einfluß auf meine Entscheidung. Alternative Bezugsquellen sind mir bekannt. Artikel erhalten." unterschreiben. In welcher Weise die Patienten über die Wahlfreiheit und die Bezugsmöglichkeiten für die Teststreifen im einzelnen aufgeklärt werden, ist zwischen den Parteien streitig. Die unterschriebenen Rezepte leitet der Beklagte an das Diabetikerversandhandelsunternehmen D. GmbH & Co. KG
weiter, von dem er die Teststreifen bezieht. Dieses rechnet dann mit den Kassen ab oder erteilt den Patienten eine Rechnung.
Das Landgericht hat den Beklagten entsprechend dem von dem Kläger gestellten Antrag unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Leistung
1. Rezepte mit Diabetesteststreifen seiner Patienten in seiner Praxis entgegenzunehmen oder zu sammeln und diese zur ausschließlichen Einlösung bei der D. GmbH & Co. KG zu verwenden;
2. Diabetesteststreifen in seiner Praxis an die Patienten abzugeben, soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt.
Die Berufung des Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Naumburg GRUR-RR 2003, 114).
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Er stützt sich dabei insbesondere auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 der Ärztlichen Berufsordnung des Landes Sach sen-Anhalt (BOÄ LSA). Diese hat - inhaltlich übereinstimmend mit derselben Bestimmung in der im Jahr 1997 erlassenen (Muster-)Berufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO) - folgenden Wortlaut:
"Ärzten ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistun-
gen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der Therapie sind." In der mündlichen Revisionsverhandlung hat der Kläger erklärt, daß der Zusatz "soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt" auch für den Klageantrag zu 1 gilt. Der Beklagte hat einer darin enthaltenen Klagerücknahme zugestimmt.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsansprüche für nicht begründet erachtet, weil der Beklagte mit seinem Verhalten weder gegen das Apothekenrecht noch gegen das ärztliche Berufsrecht noch gegen das Kartellrecht verstoße und ferner nicht in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers eingreife. Zur Begründung hat es ausgeführt :
Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß die Patienten unabhängig davon, wie deutlich sie über ihre Wahlfreiheit aufgeklärt würden, von dem Angebot, die verordneten Produkte in der Praxis des Beklagten unmittelbar zu erhalten, Gebrauch machten. Da der Beklagte die einzige diabetologische Schwerpunktpraxis in W. betreibe, sei auch anzunehmen, daß die Auswirkungen seiner Verfahrensweise auf den örtlichen Abgabemarkt für Diabetesteststreifen erheblich seien. Die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen zeigten , daß die Preise der D. GmbH & Co. KG unter den in Apotheken verlangten Preisen lägen.

Das Verhalten des Beklagten verstoße nicht gegen das Verbot der Einrichtung einer Rezeptsammelstelle bei einem Angehörigen eines Heilberufs. Die restriktiv auszulegende Bestimmung des § 24 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) umfasse nicht das Sammeln von Rezepten über rezept- und apothekenfreie Medizinprodukte.
Der Beklagte verstoße mit seinem Verhalten auch nicht gegen § 34 Abs. 5 BOÄ LSA, der es dem Arzt verbiete, Patienten ohn e hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter gesundheitlicher Leistungen zu verweisen. Für seine Vorgehensweise sprächen ebenso wie in den den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "Verkürzter Versorgungsweg" und "Hörgeräteversorgung" zugrundeliegenden Fällen hinreichende sachliche Gründe. Zu berücksichtigen sei insbesondere das von den Angehörigen der Heilberufe in verstärktem Maße zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Verfahrensweise des Beklagten dürfte im Ergebnis wirtschaftlicher sein als der Bezug über Apotheken. Sie biete die Möglichkeit, eventuell notwendige Einweisungen und Erläuterungen zugleich in der Fachpraxis durch den Arzt oder geschultes Personal erhalten zu können. Umgekehrt hätten die dort Hilfe suchenden Patienten einen besonders großen Schulungs- und Beratungsbedarf.
Die danach gerechtfertigte Vorgehensweise des Beklagten verstoße deshalb auch nicht gegen §§ 19, 20 GWB. Ebensowenig liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers vor, zumal es an einem dafür erforderlichen betriebsbezogenen Eingriff fehle.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils des
Landgerichts mit der Maßgabe, daß - entsprechend der in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärten teilweisen Klagerücknahme - vom Verbot gemäß der Nummer 1 des Tenors diejenigen Rezepte ausgenommen sind, die sich auf vom Beklagten als Schulungsbedarf oder in Notfällen abgegebene Diabetesteststreifen beziehen.
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 anzuwenden. Der im Streitfall auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zu dem Zeitpunkt wettbewerbswidrig war, zu dem der Rechtsverstoß erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk).
2. Die hinsichtlich der Abgabe von Diabetesteststreifen an Patienten, soweit es sich nicht um Proben, Schulungsbedarf oder Notfälle handelt (Klageantrag 2), und der Entgegennahme, Sammlung und Verwendung der dafür ausgestellten Rezepte (Klageantrag 1) geltend gemachten Unterlassungsansprüche folgen aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. i.V. mit § 3 Abs. 2 BOÄ LSA.

a) Der Senat ist nicht gehindert, das Klagebegehren auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch unter dem Gesichtspunkt eines wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 BOÄ LSA ge setz- und wettbewerbswidrigen Verhaltens zu würdigen, auf den sich der Kläger erstmals in seinem im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 16. Mai 2003 gestützt hat. Die dortige Beurteilung bezieht sich auf die vom Kläger mit den Klageanträ-
gen in den Rechtsstreit eingeführten Streitgegenstände. Diese werden durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 154, 342, 348 f. - Reinigungsarbeiten ; BGH, Urt. v. 22.10.2004 - V ZR 47/04, NJW-RR 2005, 501, 502, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat geltend gemacht, daß der Beklagte berufsordnungswidrig und zugleich wettbewerbswidrig handele. Der Sachverhalt, aus dem er das berufsordnungswidrige Verhalten hergeleitet hat, umfaßte einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BOÄ LSA. Soweit der Kläger d iese Verbotsnorm in den Tatsacheninstanzen nicht bezeichnet hat, betraf dies allein die rechtliche Bewertung des Sachverhalts; diese aber obliegt dem Gericht. Es ist daher grundsätzlich nicht maßgebend, ob sich der Kläger ausdrücklich auf bestimmte Normen beruft; entscheidend ist vielmehr, ob er sich gegen ein davon erfaßtes Verhalten wendet. Abweichendes gilt nur dann, wenn der Kläger den Streitgegenstand dadurch begrenzt, daß er seinen Antrag nach seinem Vorbringen erkennbar allein auf bestimmte Normen stützt (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1998 - I ZR 77/96, GRUR 1999, 272, 274 = WRP 1999, 183 - Die Luxusklasse zum Nulltarif; Urt. v. 6.10.1999 - I ZR 242/97, NJWE-WettbR 2000, 232, 233 - Handy "fast geschenkt" für 0,49 DM; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG Rdn. 2.23; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 230; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 46 Rdn. 5). Dies trifft für den Streitfall jedoch nicht zu.

b) Die Abgabe der Diabetesteststreifen durch den Beklagten aus dem von ihm unterhaltenen Depot der D. GmbH & Co. KG an seine Patienten stellt die Abgabe einer Ware unter seiner Mitwirkung dar. Sie ist - sofern es sich nicht um Proben handelt - nach § 3 Abs. 2 BOÄ LSA unzul ässig, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dieses ist der Fall, wenn die Abgabe der Teststreifen anläßlich der Schulung
der Patienten oder in Notfällen erfolgt. Das Verbot umfaßt auch die mit der Abgabe der Teststreifen notwendig verbundenen Handlungen, wie sie im Klageantrag 1 bezeichnet sind.
aa) Bei der Auslegung des Begriffs des notwendigen Bestandteils ärztlicher Therapie und damit des Umfangs des in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA enthaltenen Verbots ist zum einen die hinter der Regelung stehende Gemeinwohlerwägung, zum anderen aber auch die Reichweite des Art. 12 GG zu berücksichtigen. Das Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll darauf vertrauen können, daß sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten läßt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966, 967 = WRP 2003, 1209 - betr. die Werbung eines Zahnarztes im Internet; Ratzel in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, 3. Aufl., § 3 Rdn. 2). Die Abgabe von in große m Umfang benötigten Verbrauchsprodukten durch den Arzt ist im Regelfall Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen Verhaltens, das die Gefahr einer langfristigen negativen Rückwirkung auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien in sich birgt. Das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA beugt der gesundheitspolitisch unerwünschten Kom merzialisierung des Arztberufs vor (vgl. BVerfGE 85, 248, 260).
bb) Das Verbot ist gerechtfertigt, soweit vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und den seinen Beruf ausübenden Arzt nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 85, 248, 260). Allerdings begegnet das Verbot des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA nicht unmittelbar best ehenden Gesundheitsgefahren , sondern soll lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufs verhin-
dern. Dementsprechend ist der Begriff der Produkte, die notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind und daher von Ärzten zulässigerweise abgegeben werden dürfen, weit auszulegen. Es reicht aus, daß der Arzt Einweisungen, Schulungen, Anpassungs- oder Kontrolleistungen oder eine Notfallversorgung für erforderlich erachtet und die Abgabe der Ware in direktem Zusammenhang damit vornimmt oder veranlaßt. Ein rein geschäftsmäßiges Verhalten liegt dagegen vor, wenn die abgegebenen Verbrauchsprodukte nicht unmittelbar für die genannten Maßnahmen benötigt werden. Soweit ein Arzt eine weitergehende Zusammenarbeit mit einem Leistungsanbieter wünscht, kann er mit diesem eine medizinische Kooperationsgemeinschaft i.S. des § 23b MBO eingehen, soweit die Berufsordnung des Landes eine entsprechende Regelung enthält.
cc) Da das Verbot in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA der Verhinderun g einer langfristig negativen Rückwirkung auf die medizinische Versorgung durch Kommerzialisierung des Arztberufs und damit dem Gemeinwohlinteresse dient, führte auch der von den einzelnen Patienten geäußerte Wunsch nach einer Abgabe der Ware nicht aus dem Verbotsbereich heraus (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1980 - I ZR 185/78, GRUR 1981, 280, 281 = WRP 1981, 205 - Apothekenbegünstigung ). Die von den Patienten auf der Rückseite der Rezepte unterschriebene Erklärung vermag daher das Verhalten des Beklagten nicht zu rechtfertigen.
dd) Soweit der Beklagte über die vom Kläger nicht bzw. - nach der in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärten teilweisen Klagerücknahme - nicht mehr verfolgten Fälle hinaus Diabetesteststreifen an Patienten abgibt, handelt es sich nicht um einen notwendigen Bestandteil der ärztlichen Therapie. Vielmehr ersetzt eine solche Abgabe den Bezug der Teststreifen durch die Patienten von einem ihrer Wahl unterliegenden Leistungsanbieter, nämlich einer Apotheke , einem Sanitätshaus oder einem Diabetikerversandhandel. Wie insbeson-
dere der Text des auf Veranlassung des Beklagten auf der Rückseite seiner Rezepte angebrachten Stempelabdrucks ausweist, erfolgt die Abgabe der Teststreifen unter diesen Umständen nicht - was § 3 Abs. 2 BOÄ LSA allein zuläßt - aus medizinischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen.

c) Die vorliegende Beurteilung steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht in Widerspruch zu den Senatsentscheidungen "Verkürzter Versorgungsweg" (Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080 = WRP 2000, 1121) und "Hörgeräteversorgung" (Urt. v. 15.11.2001 - I ZR 275/99, GRUR 2002, 271 = WRP 2002, 211). Diesen Entscheidungen lagen Sachverhalte zugrunde, bei denen die Mitwirkung des Arztes zur Versorgung der Patienten mit Hörgeräten medizinisch notwendig war. Im Gegensatz dazu ist die Abgabe der Diabetesteststreifen unter Mitwirkung des Beklagten außer in Schulungsund Notfällen medizinisch nicht geboten. Im übrigen kann dieD. GmbH & Co. KG auch ohne Überschreitung der nach § 3 BOÄ LSA f ür eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten bestehenden Beschränkungen eigenständig neben anderen Leistungsanbietern am Wettbewerb teilnehmen, indem sie den Patienten die Teststreifen zu wirtschaftlich günstigen Bedingungen unmittelbar zur Verfügung stellt.

d) Der Beklagte handelt, soweit er gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA verstößt, einer Vorschrift zuwider, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG wie auch der neueren Rechtsprechung des Senats zu § 1 UWG a.F. dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Insbesondere liegt keine reine Marktzutrittsregelung vor. Das in § 3 Abs. 2 BOÄ LSA enthaltene Verbot beugt, wie bereits ausgefüh rt wurde, der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Es will verhindern, daß durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien statt
an medizinischen Notwendigkeiten langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung eintreten. Dazu wird neben dem Schutz der Ärzteschaft bei deren Wettbewerb untereinande r bezweckt, daß keine über die medizinischen Notwendigkeiten hinausgehende Einflußnahme auf den Wettbewerb unter den weiteren Leistungserbringern erfolgt. Denn gerade diese stellt eine rein geschäftsmäßige Betätigung dar, die dem Berufsbild des Arztes widerspricht. Insofern handelt es sich auch nicht um einen Bagatellverstoß i.S. des § 3 UWG.
III. Nach allem war das Urteil des Landgerichts mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Schaffert Bergmann

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)