Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2003 - I ZR 228/01

bei uns veröffentlicht am18.12.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 228/01 Verkündet am:
18. Dezember 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 31, Art. 1a (Vertragsgesetz)
Bei einer der CMR unterliegenden Beförderung bleibt der für die Ablieferung
vorgesehene Ort als Gerichtsstand erhalten, wenn das Gut im Hinblick auf seine
Beschädigung nicht abgeliefert, sondern zurückbefördert wird.
BGH, Urt. v. 18. Dezember 2003 - I ZR 228/01 - OLG Hamm
LG Arnsberg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Juni 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, nimmt die in Österreich ansässige Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz aus einem Transportvertrag in Anspruch.
Die ebenfalls in Österreich ansässige Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte mit dem Transport von Computerfestplatten von G. (Österreich) zu der Firma A. in S. . Die Beklagte übernahm am 20. Februar 1998 mit Frachtbrief Nr. als erste Partie
zwei Paletten zu einem deklarierten Warenwert von 199.820 US-$. Die Paletten wurden am 23. Februar 1998 zunächst in das Lager der T. GmbH in D. und von dort aus am 25. Februar 1998 nach S. gebracht. Da die Verpackung der einen Palette beschädigt war, verweigerte die Firma A. die Annahme der Sendung. Die beiden Paletten wurden daraufhin zurück zu der T. GmbH nach D. verbracht. Die von der Beklagten über die Annahmeverweigerung unterrichtete Versicherungsnehmerin der Klägerin erteilte die Weisung, die Sendung nach G. zurückzubefördern.
Am 3. März 1998 übernahm die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als zweite Partie mit Frachtbrief Nr. eine weitere Palette mit einem deklarierten Wert von 134.752 US-$ zum Transport von G. nach S. .
Aufgrund der Weisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte die T. GmbH am 5. März 1998 mit der Rücksendung der Sendung vom 20. Februar 1998. Die Paletten wurden neu foliert und zusammengefaßt und mit neuem Frachtbrief Nr. nach G. zurückbefördert. Versehentlich wurde dabei die zwischenzeitlich ebenfalls in D. eingetroffene Sendung vom 3. März 1998 der Sendung vom 20. Februar 1998 beigegeben.
Nach dem Eintreffen der Sendung am 11. März 1998 reklamierte die Versicherungsnehmerin der Klägerin den Verlust einer Palette mit 500 Festplatten aus der Sendung vom 20. Februar 1998 und von 40 Festplatten aus der Sendung vom 3. März 1998. Die Beklagte zahlte daraufhin an die Versicherungsnehmerin der Klägerin den von ihr auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 3 CMR berechneten Haftungshöchstbetrag von 9.703,80 US-$.

Die Klägerin geht von einem Gesamtschaden i.H. von 80.077,60 US-$ aus und hat an ihre Versicherungsnehmerin daher weitere 70.373,80 US-$ gezahlt. Diesen Betrag verlangt sie im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten ersetzt.
Nach der Auffassung der Klägerin ist das von ihr angerufene Landgericht Arnsberg international, örtlich und sachlich zuständig. Der Beklagten sei ein grobes Organisationsverschulden anzulasten. Diese habe die beiden Partien vollständig und unbeschädigt übernommen und mit Schreiben vom 17. März 1998 den Verlust von 540 Festplatten in ihrem Gewahrsam anerkannt.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin seit Anfang 1994 auf der Grundlage der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) zusammengearbeitet , gemäß deren § 65 Buchst. b der Ort der Handelsniederlassung der Beklagten als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart sei. Da der Schaden nach der Behauptung der Klägerin auf dem Rücktransport von D. nach W. eingetreten sei, habe sich der Ablieferungsort im übrigen nicht in S. , sondern in G. befunden.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das Landgericht für zuständig erachtet. Es hat dessen Urteil aufgehoben und die Sache gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen (OLG Hamm TranspR 2001, 397 = VersR 2002, 338).
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese die Wie- derherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg bejaht und hierzu ausgeführt:
Die internationale Zuständigkeit folge aus Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR, der nicht durch Art. 57 EuGVÜ verdrängt werde. Maßgebend sei danach der vertraglich vereinbarte Ort der Ablieferung. Gemäß Art. 12 Abs. 1 CMR verbleibe die Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Transportgutes allerdings bis zur Ablieferung beim Absender, wobei dieser auch einen anderen Ort der Ablieferung bestimmen könne. Eine entsprechende Änderung sei im Streitfall jedoch nicht erfolgt. Zwar habe die Beklagte, wie in Art. 15 Abs. 1 CMR vorgesehen, im Hinblick auf die Ablieferungshindernisse nach der Ankunft des Transportgutes am Bestimmungsort Weisungen der Absenderin eingeholt. Diese habe daraufhin jedoch keinen neuen Ablieferungsort mitgeteilt, sondern den Rücktransport des Transportgutes angeordnet. Damit sei es bei dem ursprünglich nach dem Vertrag vorgesehenen Ablieferungsort in S. verblieben. Die Vorschrift des Art. 31 CMR enthalte eine ausschließliche und nach Art. 41 CMR nicht abdingbare Zuständigkeitsbestimmung. Im Hinblick darauf sei § 65 Buchst. b AÖSp nicht anwendbar und damit das Landgericht Arnsberg gemäß Art. 1a CMR örtlich und sachlich zuständig.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Zuständigkeit des Landgerichts zu Recht bejaht.
1. Das Revisionsgericht ist befugt, die deutsche internationale Zuständigkeit zu überprüfen. Die Vorschrift des § 549 Abs. 2 ZPO a.F., die hier gemäß § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO anzuwenden ist, gilt nicht für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 134, 127, 129 f.).
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Anwendung des Art. 31 CMR im Streitfall nicht durch Art. 57 Abs. 1 und 2 i.V. mit Art. 20 EuGVÜ ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.2003 - I ZR 58/02, TranspR 2003, 302, 303 = NJW-RR 2003, 1347 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 102/02, Umdruck S. 6 f.). Mit Recht hat es auch angenommen , daß § 65 Buchst. b AÖSp wegen Unvereinbarkeit mit der ausschließlichen und nicht abdingbaren Zuständigkeitsbestimmung in Art. 31 CMR insgesamt nicht anwendbar ist (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 31 CMR Rdn. 6) und daher der sich aus Art. 1a CMR (Zustimmungsgesetz) ergebenden Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg nicht entgegensteht.
3. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß der Absender gemäß Art. 12 Abs. 1 CMR bis zur Ablieferung des Gutes über dieses verfügen und daher insbesondere den Ort der Ablieferung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. d CMR) ändern kann. Dieser wird grundsätzlich durch den Beförderungsvertrag bestimmt, kann aber durch im Rahmen des Art. 12 CMR liegende Weisungen des Absenders nachträglich geändert werden (Koller aaO Art. 31 CMR Rdn. 4; GroßKomm.HGB/Helm, 4. Aufl., Anh. VI nach § 452: CMR Art. 12 Rdn. 13 und 15). Der für die Ablieferung vorgesehene Ort bleibt aber dann als Gerichtsstand erhalten, wenn das Gut im Hinblick auf seine Beschädigung nicht
abgeliefert, sondern zurückbefördert wird (OLG Karlsruhe TranspR 1996, 203, 204; Cour d'appel de Poitiers BullT 1971, 168, 169; MünchKomm.HGB/ Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 22 Fn. 55; Großkomm.HGB/Helm aaO CMR Art. 31 Rdn. 41 Fn. 151 mit umfangr. Nachw.). Soweit Koller (aaO Art. 31 CMR Rdn. 4) der gegenteiligen Auffassung ist, erkennt er zwar an, daß der Frachtführer in seinem Vertrauen auf einen Gerichtsstand im Staat des ursprünglichen Ablieferungsortes grundsätzlich schutzwürdig ist, meint aber, daß sein Interesse durch das Recht zur Ausladung gemäß Art. 16 Abs. 2 CMR ausreichend geschützt ist. Er berücksichtigt dabei aber nicht genügend, daß die Ausladung für den Frachtführer gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 CMR auch mit nicht unerheblichen Verpflichtungen verbunden ist und daher für diesen möglicherweise keine Alternative darstellt, die geeignet ist, die sich für ihn aus dem Verlust eines Gerichtsstands ergebenden Nachteile auszugleichen.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann

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(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revisi

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 102/02 Verkündet am: 20. November 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Feb. 2003 - I ZR 58/02

bei uns veröffentlicht am 27.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 58/02 Verkündet am: 27. Februar 2003 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR :

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 58/02 Verkündet am:
27. Februar 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 31 Abs. 1; EuGVÜ Art. 20 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a
Auch Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ ist i.V. mit Art. 31 Abs. 1 CMR eine die internationale
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Bestimmung i.S.
von Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ.
BGH, Urt. v. 27. Februar 2003 - I ZR 58/02 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte wird von der Klägerin, einem Transportversicherer, wegen eines Transportschadens in Anspruch genommen. Die in Dänemark ansässige Beklagte hatte von der Versicherungsnehmerin, der G. GmbH, den Auftrag erhalten, Frischfleisch von Dissen im Teutoburger Wald nach Spanien zu transportieren. Die Beklagte setzte eine dänische Firma als Frachtführer
ein. Die Klägerin regulierte gegenüber der G. GmbH einen Schaden in Höhe von 18.340 DM.
Die Klägerin macht geltend, das Fleisch sei verspätet entladen worden und deshalb zum Teil verdorben. Die verspätete Entladung sei darauf zurückzuführen , daß der Frachtführer die Ware beim Laden nicht entsprechend der Reihenfolge der vorgesehenen Entladungen sortiert habe.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gerügt und sich darauf berufen, daß das Fleisch bereits bei dessen Ladung verdorben gewesen sei.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 18.340 DM nebst Zinsen verurteilt.
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt , verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat das Landgericht für international zuständig und die Beklagte für ersatzpflichtig gehalten. Dazu hat es ausgeführt:
Da die Ware in Deutschland übernommen worden sei und sowohl Deutschland als auch Dänemark Unterzeichnerstaaten der CMR seien, ergebe sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus Art. 31 CMR. Dessen Anwendung sei nicht durch Art. 57 Abs. 2 Buchst. a i.V. mit Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ ausgeschlossen. Sinn und Zweck dieser Regelung sei, daß der Beklagte nicht allein deshalb vor dem ausländischen Gericht erscheinen müsse , um dessen Unzuständigkeit zu rügen. Es solle lediglich sichergestellt werden , daß der Schutz des Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ auch dann eingreife, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus einem Spezialabkommen ergebe.
Die Klage sei auch begründet. Die Berufung bringe gegenüber den zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil nichts Erhebliches vor.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts bestimme sich nach der Regelung des Art. 31 Abs. 1 CMR, weil es im Streitfall um einen grenzüberschreitenden Gütertransport gehe, der nach Art. 1 CMR den Bestimmungen dieses Abkommens unterliege. Daraus folge die Zuständigkeit des deutschen Gerichts, weil das Transportgut in Deutschland übernommen worden sei und der Kläger die Gerichte eines Staates anrufen könne, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes liege (Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR). Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Anwendung der Regelung des Art. 31 CMR nicht durch Art. 57 Abs. 1 und 2 i.V. mit Art. 20 EuGVÜ ausgeschlossen ist.
Diese Bestimmungen haben, soweit im Streitfall von Interesse, folgenden Wortlaut:
Art. 57 (1) Dieses Abkommen läßt Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit... regeln. (2) Um eine einheitliche Auslegung des Absatzes 1 zu sichern, wird dieser Absatz in folgender Weise angewandt:
a) Dieses Übereinkommen schließt nicht aus, daß ein Gericht eines Vertragsstaates, der Vertragspartei eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, seine Zuständigkeit auf ein solches Übereinkommen stützt, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, der nicht Vertragspartei eines solchen Übereinkommens ist. In jedem Fall wendet dieses Gericht Artikel 20 des vorliegenden Übereinkommens an. ...
Art. 20 (1) Läßt sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat und der vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt wird, auf das Verfahren nicht ein, so hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht aufgrund der Bestimmungen dieses Übereinkommens begründet ist. ... Nach Art. 57 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 EuGVÜ soll zwar in jedem Fall ein Gericht, das seine Zuständigkeit auf ein Übereinkommen i.S. von Abs. 1 stützt, Art. 20 EuGVÜ anwenden. Daraus ergibt sich aber - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - nicht, daß es dem Beklagten freisteht, durch Nichterscheinen oder durch die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, trotz der Zuständigkeitsregelung des Art. 31 CMR die Unzuständigkeit des deutschen Gerichts herbeizuführen (OLG Hamm TranspR 2001, 397; OLG Schleswig
TranspR 2002, 76; OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1722; a.A. OLG Dresden TranspR 1999, 62, 64; OLG München TranspR 2001, 399).
In Art. 20 EuGVÜ ist nämlich ausdrücklich auf die Zuständigkeitsregelung "dieses Übereinkommens" abgehoben, also auch auf die Regelung des Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ, diese wiederum erläutert in Abs. 2 Buchst. a. Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ bestimmt, daß andere dort näher gekennzeichnete Abkommen bezüglich ihrer Zuständigkeitsregelung unberührt bleiben und regelt damit eine Zuständigkeit aufgrund der "Bestimmungen des Übereinkommens" im Sinne des Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ (MünchKomm.ZPO/Gottwald, Art. 57 EuGVÜ Rdn. 4; OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1722, 1723; ähnlich: Dißars, TranspR 2001, 387, 389; Heuer, TranspR 2002, 221). Anhaltspunkte dafür, daß die in Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ angeführte Zuständigkeit sich aus Titel II des Übereinkommens selbst ergeben muß, sind nicht erkennbar. Der Zweck der in Art. 57 EuGVÜ übernommenen Zuständigkeit aus besonderen Übereinkommen besteht gerade darin, die Beachtung der darin enthaltenen Zuständigkeitsregeln zu gewährleisten , da diese unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsgebiete, auf die sie sich beziehen, aufgestellt wurden (EuGH, Urt. v. 6.12.1994 - Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309 Tz. 24).
Es bleibt deshalb dabei, daß die durch Art. 31 Abs. 1 CMR begründete Zuständigkeit des deutschen Gerichts gegeben ist, ohne daß es weiterer Ausführungen zur Frage der Einlassung auf das Verfahren oder der Rüge der Unzuständigkeit bedarf.
3. Das Berufungsgericht hat zur Sache ausgeführt, daß die Beklagte im Berufungsverfahren gegenüber den zutreffenden Ausführungen des Landge-
richts nichts Erhebliches vorgebracht habe. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der Rüge, das Landgericht habe erheblichen - hilfsweisen - Vortrag der Beklagten außer acht gelassen.
Die Beklagte hat vorgebracht, das Fleisch sei schon bei der Übernahme in mangelhaftem Zustand gewesen; ein Verderben des Fleisches auf dem Transport sei ausgeschlossen, weil die Ladung ständig auf eine Temperatur von ein Grad Celsius gekühlt gewesen sei. Dieser Vortrag, auf den sie sich in der Berufungsbegründung bezogen hat, greift jedoch gegenüber den vom Landgericht festgestellten Schäden nicht durch. Als maßgeblich hat das Landgericht nicht die Frage der Temperatur beim Transport angesehen, sondern die im Schadensgutachten angeführte Tatsache, daß das Frischfleisch wegen des durch mehrfaches Anfahren der Abladestellen langdauernden Transports an der Oberfläche ausgetrocknet gewesen sei. Auf die Frage der Kühlung und den darauf bezogenen Vortrag der Beklagten kommt es mithin nicht an.
III. Danach war die Revision auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 102/02 Verkündet am:
20. November 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
EuGVÜ Art. 20, 57
Es wird - trotz inzwischen erfolgter Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften zur Vorabentscheidung (vgl. OLG München TranspR 2003, 155 f.) -
daran festgehalten, daß auch Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ i.V. mit Art. 31 Abs. 1 CMR eine
die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Bestimmung
i.S. von Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ ist (Bestätigung von BGH, Urt. v. 27. Februar
2003
- I ZR 58/02, TranspR 2003, 302 f.).
BGH, Urt. v. 20. November 2003 - I ZR 102/02 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden die Urteile des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 6. März 2002 und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Verkehrshaftungsversicherer der M. Spedition (im folgenden : Versicherungsnehmerin). Sie nimmt mit ihrer im Jahre 2000 erhobe-
nen Klage die in den Niederlanden ansässige Beklagte aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. Seit Dezember 1999 ist zwischen den Parteien eine negative Feststellungsklage über den Klageanspruch in Belgien rechtshängig.
Die Versicherungsnehmerin war mit der Besorgung des Transports von Kosmetikartikeln von W. im Landgerichtsbezirk Ansbach nach Kampenhout/Belgien beauftragt. Mit der Durchführung des Transports beauftragte sie ihrerseits die Beklagte, welche eine belgische Firma als Unterfrachtführer einsetzte. Diese übernahm die Sendung am 27. August 1999. Am 30. August 1999 informierte die Beklagte die Versicherungsnehmerin darüber, daß die Ware abhanden gekommen sei. Die Klägerin regulierte gegenüber der Versicherungsnehmerin einen Schaden in Höhe von 62.003, 60 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 62.003, 60 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gerügt und sich darauf berufen, daß einer Sachentscheidung auch die wegen des streitgegenständlichen Anspruchs bereits früher vor dem belgischen Gericht erhobene negative Feststellungsklage entgegenstehe.
Das Landgericht Ansbach hat die Klage wegen Fehlens seiner internatio- nalen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Nürnberg TranspR 2002, 402).
Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt , verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei jedenfalls nach Art. 31 Abs. 2 CMR, Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ wegen der früheren Rechtshängigkeit der vor dem belgischen Gericht erhobenen negativen Feststellungsklage umgekehrten Rubrums unzulässig. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das belgische Gericht sei für die dort erhobene negative Feststellungsklage nach Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR, Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ zuständig, weil der für die Ablieferung des Gutes vorgesehene Ort in Belgien liege. Diese Klage entfalte hinsichtlich einer - wie hier - später erhobenen, denselben Streitgegenstand betreffenden Leistungsklage die Sperrwirkung des Art. 31 Abs. 2 CMR. Dem stehe nicht entgegen, daß nach dem einschränkenden letzten Halbsatz dieser Bestimmung eine neue Klage erhoben werden könne, wenn die Entscheidung des Gerichts, bei dem die erste Klage erhoben worden sei, in dem Staat nicht vollstreckt werden könne, in dem die neue Klage erhoben wer-
de. Zwar sei diese Voraussetzung an sich gegeben, weil ein Feststellungsurteil abgesehen von der Kostenentscheidung nicht vollstreckungsfähig sei. Ein solches Ergebnis widerspreche jedoch dem Zweck der genannten Bestimmung, die der Prozeßökonomie und dem Ansehen der Justiz diene, das durch widersprechende Entscheidungen verschiedener Staaten Schaden nehmen würde. Die Einschränkung in Art. 31 Abs. 2 letzter Halbsatz CMR müsse deshalb so verstanden werden, daß die Vollstreckbarkeit des Urteils des Gerichts, bei dem die erste Klage erhoben worden sei, gerade an den Vorschriften des Zweitstaates (Vollstreckungsstaates) scheitere. Daran fehle es hier, da die Entscheidung des belgischen Gerichts in Deutschland anerkannt werde, ohne daß es eines besonderen Verfahrens bedürfe. Im übrigen sei für den Geltungsbereich des EuGVÜ anerkannt, daß der negativen Feststellungsklage der Vorrang vor einer später erhobenen Leistungsklage gebühre.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Das deutsche Gericht ist für die streitgegenständliche Leistungsklage international zuständig (1.). Der Zulässigkeit der Klage steht nicht die von der Beklagten gegen die Klägerin vor einem belgischen Gericht erhobene negative Feststellungsklage entgegen (2.).
1. Das deutsche Gericht ist international zuständig.

a) Das Revisionsgericht ist befugt, die deutsche internationale Zuständigkeit zu überprüfen. Die Vorschrift des § 545 Abs. 2 ZPO, die hier anzuwenden
ist (vgl. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO), steht dem nicht entgegen, da sie ungeachtet ihres weitgefaßten Wortlauts - wie bereits bislang unter der Geltung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. - nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges, nicht jedoch die internationale Zuständigkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung entzieht (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, NJW 2003, 2916).

b) Die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts ergibt sich aus Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR. Nach dieser Vorschrift kann der Kläger wegen aller Streitigkeiten aus einer der CMR unterliegenden Beförderung die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Im Streitfall geht es um einen grenzüberschreitenden Gütertransport, der nach Art. 1 Abs. 1 CMR den Bestimmungen dieses Abkommens unterliegt. Das deutsche Gericht ist daher zuständig, weil das Transportgut in Deutschland übernommen worden ist.

c) Das Berufungsgericht hat die Frage der internationalen Zuständigkeit aus seiner Sicht nicht für entscheidungserheblich erachtet. Es hat aber anders als das Landgericht zu Recht keine Zweifel gehegt, daß diese nicht an einer fehlenden Einlassung der Beklagten zur Sache scheitert (Art. 20, 57 Abs. 1 EuGVÜ).
aa) Nach Erlaß des Berufungsurteils hat der Senat mit Urteil vom 27. Februar 2003 (I ZR 58/02, TranspR 2003, 302 f.) entschieden, daß Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ i.V. mit Art. 31 Abs. 1 CMR eine die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Bestimmung i.S. von Art. 20 Abs. 1
EuGVÜ darstellt. Damit kann der Beklagte, wenn sich - wie im Streitfall - die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus Art. 31 Abs. 1 CMR ergibt, dessen Unzuständigkeit nicht durch Nichterscheinen, Nichtverhandeln oder durch die Rüge der fehlenden Zuständigkeit herbeiführen. Hieran ist festzuhalten.
bb) Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften liegt inzwischen die Auslegung des Verhältnisses von Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ zu Art. 20 EuGVÜ zur Vorabentscheidung vor (vgl. OLG München TranspR 2003, 155). Der Senat sieht keinen Anlaß, mit der Entscheidung des Streitfalls bis zur Entscheidung des Gerichtshofs zuzuwarten. Die vom Senat vorgenommene Auslegung begegnet keinen durchgreifenden Zweifeln. Auch das vorlegende Gericht versteht die internationale Zuständigkeit aus der CMR als eine Zuständigkeit i.S. des Art. 20 EuGVÜ (OLG München TranspR 2003, 155, 156; vgl. auch OLG Hamburg TranspR 2003, 23).
Der Senat sieht auch keinen Anlaß, selbst vorzulegen. Abweichend von Art. 234 Abs. 3 EG bedarf es nach Art. 2 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) einer Vorlage nur, wenn das entscheidende Gericht eine Vorlage für erforderlich hält (Art. 3 Abs. 1), es also vernünftige Zweifel an der vorzunehmenden Auslegung hat (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415, 3430 f. Tz. 16 ff.; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35; 153, 82, 92). Dies ist bezüglich der in Rede stehenden Frage nicht der Fall.

Der Senat ist weiterhin der Auffassung, daß keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, die in Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ angeführte Zuständigkeit müsse sich aus Titel II des Übereinkommens selbst ergeben. Der Zweck der in Art. 57 EuGVÜ übernommenen Zuständigkeit aus besonderen Übereinkommen besteht gerade darin, die Beachtung der in diesen Übereinkommen enthaltenen Zuständigkeitsregeln zu gewährleisten, da diese unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsgebiete, auf die sie sich beziehen, aufgestellt wurden (vgl. EuGH, Urt. v. 6.12.1994 - Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309, 310 Tz. 24; BGH TranspR 2003, 302, 303). Auch im Hinblick auf die zuletzt genannte Entscheidung des Gerichtshofs sieht der Senat keine vernünftigen Zweifel an der von ihm vorgenommenen Auslegung der Art. 20 Abs.1, Art. 57 Abs. 1 und 2 EuGVÜ.
2. Der Zulässigkeit der Klage steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die von der Beklagten gegen die Klägerin vor einem belgischen Gericht erhobene negative Feststellungsklage entgegen.

a) Die Frage, ob der Zulässigkeit der Klage das Prozeßhindernis der Rechtshängigkeit entgegensteht, richtet sich im Streitfall nach der Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 CMR, die als Regelung für ein besonderes Rechtsgebiet i.S. von Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ der Vorschrift des Art. 21 EuGVÜ vorgeht (vgl. EuGH EuZW 1995, 309, 310 Tz. 25; Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rdn. 3, 26; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 13; Huther in: Ebenroth/ Boujong/Joost, HGB, Art. 31 CMR Rdn. 2; Großkomm.HGB/Helm, 4. Aufl., Anh. VI zu § 452 Art. 31 CMR Rdn. 3, 46).

Nach Art. 31 Abs. 2 CMR kann, wenn ein Verfahren bei einem nach Art. 31 Abs. 1 CMR zuständigen Gericht wegen einer dort genannten Streitigkeit anhängig ist, eine neue Klage wegen derselben Sache zwischen denselben Parteien nicht erhoben werden, es sei denn, die Entscheidung des Gerichts, bei dem die erste Klage erhoben worden ist, kann in dem Staat nicht vollstreckt werden, in dem die neue Klage erhoben wird. Da im Streitfall der im Frachtvertrag vorgesehene Ort der Ablieferung des Transportguts in Belgien liegt, sind auch die belgischen Gerichte für die dort erhobene negative Feststellungsklage international zuständig. Ferner sind die Parteien in beiden Verfahren identisch.
Ob die Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage in Belgien der Erhebung der vorliegenden Leistungsklage in Deutschland entgegensteht, hängt daher davon ab, ob es in beiden Verfahren um dieselbe Sache i.S. von Art. 31 Abs. 2 CMR geht und gegebenenfalls die Entscheidung des belgischen Gerichts in Deutschland vollstreckt werden kann.

b) Zur Auslegung des Art. 31 Abs. 2 CMR kann nicht ohne weiteres die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Bereich des nationalen deutschen Rechts anerkannte prozessuale Regel des Vorrangs der Leistungsklage vor der negativen Feststellungsklage herangezogen werden. Danach entfällt zum einen das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Zum anderen steht die Rechtshängigkeit
der negativen Feststellungsklage der später erhobenen Leistungsklage nicht entgegen, weil das mit der Leistungsklage verfolgte Rechtsschutzziel über den Streitgegenstand der Feststellungsklage hinausgeht und es daher an der erforderlichen Identität der Streitgegenstände fehlt (vgl. BGHZ 99, 340, 341 ff. - Parallelverfahren I; BGH, Urt. v. 7.7.1994 - I ZR 30/92, GRUR 1994, 846, 847 f. = WRP 1994, 810 - Parallelverfahren II, jeweils m.w.N.).

c) Ebensowenig läßt sich die zu Art. 21 EuGVÜ ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und - ihm folgend - des Bundesgerichtshofs unbesehen auf Art. 31 Abs. 2 CMR übertragen (so aber OLG Düsseldorf TranspR 2002, 237; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 30; Huther in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Art. 31 CMR Rdn. 18; GroßKomm.HGB/Helm aaO Anh. VI zu § 452 Art. 31 CMR Rdn. 49; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 31 CMR Rdn. 8). Danach kommt es hinsichtlich des Begriffs desselben Anspruchs i.S. des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ darauf an, ob der Kernpunkt beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist (vgl. EuGH, Urt. v. 8.12.1987 - Rs. 144/86, NJW 1989, 665 Tz. 16), so daß nach dem Prioritätsgrundsatz auch die zeitlich früher erhobene negative Feststellungsklage Vorrang vor der später erhobenen Leistungsklage hat (vgl. EuGH EuZW 1995, 309, 312 Tz. 45; BGH, Urt. v. 8.2.1995 - VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758 f.; BGHZ 134, 201, 210 f.; BGH, Urt. v. 6.2.2002 - VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2795, 2796).

d) Die CMR ist als internationales Abkommen aus sich selbst heraus - gegebenenfalls unter Heranziehung der Materialien - auszulegen, wobei ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang ihrer Einzelvorschriften besondere
Bedeutung beizumessen ist (vgl. BGHZ 75, 92, 94; 115, 299, 302). Die danach vorzunehmende Auslegung des Art. 31 Abs. 2 CMR ergibt, daß die Rechtshängigkeit einer von dem als Schuldner in Anspruch Genommenen gegen den Anspruchsteller bei einem nach Art. 31 Abs. 1 CMR international zuständigen Gericht erhobenen negativen Feststellungsklage nicht der späteren Erhebung der Leistungsklage durch den Anspruchsteller vor dem zuständigen Gericht eines anderen Vertragsstaats entgegensteht (ebenso OLG Köln TranspR 2002, 239, 241; OLG Hamburg TranspR 2003, 25 f.; Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rdn. 26; Herber, TranspR 1996, 196, 197 f.; ders. in TranspR 2003, 19, 20 f.).
aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß dieses Ergebnis nicht bereits daraus folgt, daß nach dem letzten Halbsatz des Art. 31 Abs. 2 CMR eine neue Klage erhoben werden kann, wenn die (noch ausstehende) Entscheidung des Erstgerichts in dem Staat, in dem die neue Klage erhoben wird, nicht vollstreckt werden kann (vgl. MünchKomm.HGB /Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 28; Herber, TranspR 2003, 19, 20). Zwar hat selbst ein der Klage stattgebendes negatives Feststellungsurteil mit Ausnahme des Kostenausspruchs keinen vollstreckbaren Inhalt. Dasselbe gilt jedoch auch für das eine Leistungsklage abweisende Urteil. Daß ein solches Urteil ebenso wie ein der Leistungsklage stattgebendes Urteil der Erhebung einer erneuten Leistungsklage wegen derselben Sache entgegensteht, ist mit Recht allgemein anerkannt (vgl. MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 28; Großkomm.HGB/Helm aaO Anh. VI zu § 452 Art. 31 CMR Rdn. 51; Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rdn. 25; Koller aaO Art. 31 CMR Rdn. 8). Denn nach Art. 31 Abs. 2 CMR sollen gerade mehrere Verfahren vor verschiedenen Gerichten wegen ein und derselben Angelegenheit vermieden werden. Es ist
daher ausreichend, daß ein der negativen Feststellungsklage stattgebendes Urteil hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Kosten (gegebenenfalls in Verbindung mit einem Kostenfestsetzungsbeschluß) vollstreckbar ist. Erst wenn die Vollstreckbarkeit gerade an den Vorschriften des Vollstreckungsstaats scheitert, kann nach der Ausnahmebestimmung des Art. 31 Abs. 2 letzter Halbsatz CMR dort eine neue Klage erhoben werden (vgl. MünchKomm.HGB /Basedow, Art. 31 CMR Rdn. 28).
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, es handele sich in beiden Verfahren um dieselbe Sache i.S. des Art. 31 Abs. 2 CMR, steht jedoch nicht mit dem sich aus dem Regelungszusammenhang ergebenden Sinn und Zweck des Art. 31 CMR in Einklang.
(1) Die Vorschrift des Art. 31 CMR verfolgt den Zweck, die materiellrechtliche Rechtsvereinheitlichung, die die CMR vorsieht, dadurch noch wirksamer zu machen, daß auch gewisse prozeßrechtliche Fragen einheitlich geregelt werden (vgl. Denkschrift der Bundesregierung zur CMR und zum zugehörigen Unterzeichnungsprotokoll, BT-Drucks. III/1144, S. 44). Die Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 CMR steht in Zusammenhang mit der Regelung in Art. 31 Abs. 1 CMR, auf die sie Bezug nimmt. Art. 31 Abs. 1 CMR regelt die internationale Zuständigkeit, also die Frage, vor den Gerichten welcher Staaten Klage erhoben werden kann. Danach besteht keine ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates. Vielmehr soll einerseits der Kläger unter mehreren möglichen den ihm im Einzelfall als zweckmäßig erscheinenden Staat, vor dessen Gerichten er Klage erheben möchte, auswählen dürfen. Andererseits soll durch die Beschränkung der Staaten, deren Gerichte angerufen
werden können, sowie durch die Regelung der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft in Art. 31 Abs. 2 CMR die Gefahr verringert werden, daß ein Beklagter wegen desselben Anspruchs vor Gerichten verschiedener Staaten in Anspruch genommen wird und in den einzelnen Staaten einander widersprechende Entscheidungen ergehen (vgl. BT-Drucks. III/1144, S. 45; BGH, Beschl. v. 31.5.2001 - I ZR 85/00, TranspR 2001, 452 f. = VersR 2002, 213).
(2) Dieses Spannungsverhältnis ist, wenn - wie im Streitfall - eine negative Feststellungsklage und eine Leistungsklage erhoben worden sind, zugunsten eines Vorrangs der Leistungsklage zu lösen.
Das dem Kläger durch Art. 31 Abs. 1 CMR eingeräumte Wahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen, das gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 1 CMR nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, darf nicht losgelöst von den ihm zugrundeliegenden materiellrechtlichen Bezügen betrachtet werden. Das Wahlrecht dient der prozessualen Durchsetzung der materiellrechtlichen Ansprüche aus einem der CMR unterliegenden Beförderungsvertrag. Es ist daher zum Schutz desjenigen bestimmt, der Rechte aus einem solchen Vertrag geltend macht. Dieser nimmt im Prozeß typischerweise die Rolle als Kläger ein, etwa der Frachtführer bei Klagen auf Zahlung des Frachtlohns oder aus Art. 10 CMR, der Absender oder Empfänger bei Schadensersatzklagen wegen des Verlusts oder der Beschädigung des Transportguts oder wegen Überschreitung der Lieferfrist (Art. 17 Abs. 1 CMR). Besonders deutlich tritt der bezweckte Schutz des Anspruchsinhabers in der in Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR getroffenen Regelung zutage, die die internationale Zuständigkeit der Gerichte am Ort der Übernahme und Ablieferung bestimmt. Danach soll dem Absender oder
Empfänger ersichtlich die Möglichkeit gegeben werden, den Frachtführer dort auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, wo er mit ihm zu tun hatte, nämlich der Absender am Ort der Übernahme der Sendung und der Empfänger am Ablieferungsort. Anhaltspunkte dafür, daß das dem Kläger eingeräumte Wahlrecht auch den Schutz des als Schuldner in Anspruch Genommenen bezweckt, der gegen den Gläubiger im Wege der negativen Feststellungsklage vorgeht, sind dagegen nicht ersichtlich.
Dieser Wertung widerspräche es, wenn es der als Schuldner in Anspruch Genommene in der Hand hätte, die Wahlmöglichkeit des Gläubigers zu unterlaufen , indem er dem Gläubiger durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage vor dem Gericht eines ihm als zweckmäßig erscheinenden Staates zuvorkommt, und den Gläubiger hierdurch dazu zu zwingen, dort (widerklagend ) auch die Leistungsklage zu erheben. Vor diesem Hintergrund muß der in der Beschränkung der Gerichtsstände und der Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 CMR zum Ausdruck kommende Regelungszweck zurücktreten, Klagen wegen ein und derselben Angelegenheit vor Gerichten verschiedener Staaten mit möglicherweise divergierenden Entscheidungen zu verhindern.
3. Da sonstige Gründe, die der Zulässigkeit der Klage entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind, hätten die Vorinstanzen die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen.
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache - unter Aufhebung auch des Urteils des Landgerichts - zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechts-
mittel, an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Sache war entgegen dem Wortlaut des § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Landgericht zurückzuverweisen. Denn im Falle einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht müßte dieses zum Zwecke der nunmehr erforderlichen Verhandlung zur Sache gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F., der im Streitfall auf das Berufungsverfahren noch anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 5 Satz 1 EGZPO), seinerseits die Sache an das Landgericht zurückverweisen. Zu einer solchen Entscheidung des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht jedoch selbst in der Lage (vgl. BGHZ 16, 71, 82; BGH, Urt. v. 12.1.1994 - XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 380 f., jeweils m.w.N.).
Ullmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)