Bundesgerichtshof Urteil, 27. Feb. 2003 - I ZR 58/02

bei uns veröffentlicht am27.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 58/02 Verkündet am:
27. Februar 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 31 Abs. 1; EuGVÜ Art. 20 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a
Auch Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ ist i.V. mit Art. 31 Abs. 1 CMR eine die internationale
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Bestimmung i.S.
von Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ.
BGH, Urt. v. 27. Februar 2003 - I ZR 58/02 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte wird von der Klägerin, einem Transportversicherer, wegen eines Transportschadens in Anspruch genommen. Die in Dänemark ansässige Beklagte hatte von der Versicherungsnehmerin, der G. GmbH, den Auftrag erhalten, Frischfleisch von Dissen im Teutoburger Wald nach Spanien zu transportieren. Die Beklagte setzte eine dänische Firma als Frachtführer
ein. Die Klägerin regulierte gegenüber der G. GmbH einen Schaden in Höhe von 18.340 DM.
Die Klägerin macht geltend, das Fleisch sei verspätet entladen worden und deshalb zum Teil verdorben. Die verspätete Entladung sei darauf zurückzuführen , daß der Frachtführer die Ware beim Laden nicht entsprechend der Reihenfolge der vorgesehenen Entladungen sortiert habe.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gerügt und sich darauf berufen, daß das Fleisch bereits bei dessen Ladung verdorben gewesen sei.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 18.340 DM nebst Zinsen verurteilt.
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt , verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat das Landgericht für international zuständig und die Beklagte für ersatzpflichtig gehalten. Dazu hat es ausgeführt:
Da die Ware in Deutschland übernommen worden sei und sowohl Deutschland als auch Dänemark Unterzeichnerstaaten der CMR seien, ergebe sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus Art. 31 CMR. Dessen Anwendung sei nicht durch Art. 57 Abs. 2 Buchst. a i.V. mit Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ ausgeschlossen. Sinn und Zweck dieser Regelung sei, daß der Beklagte nicht allein deshalb vor dem ausländischen Gericht erscheinen müsse , um dessen Unzuständigkeit zu rügen. Es solle lediglich sichergestellt werden , daß der Schutz des Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ auch dann eingreife, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus einem Spezialabkommen ergebe.
Die Klage sei auch begründet. Die Berufung bringe gegenüber den zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil nichts Erhebliches vor.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts bestimme sich nach der Regelung des Art. 31 Abs. 1 CMR, weil es im Streitfall um einen grenzüberschreitenden Gütertransport gehe, der nach Art. 1 CMR den Bestimmungen dieses Abkommens unterliege. Daraus folge die Zuständigkeit des deutschen Gerichts, weil das Transportgut in Deutschland übernommen worden sei und der Kläger die Gerichte eines Staates anrufen könne, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes liege (Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR). Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Anwendung der Regelung des Art. 31 CMR nicht durch Art. 57 Abs. 1 und 2 i.V. mit Art. 20 EuGVÜ ausgeschlossen ist.
Diese Bestimmungen haben, soweit im Streitfall von Interesse, folgenden Wortlaut:
Art. 57 (1) Dieses Abkommen läßt Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit... regeln. (2) Um eine einheitliche Auslegung des Absatzes 1 zu sichern, wird dieser Absatz in folgender Weise angewandt:
a) Dieses Übereinkommen schließt nicht aus, daß ein Gericht eines Vertragsstaates, der Vertragspartei eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, seine Zuständigkeit auf ein solches Übereinkommen stützt, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, der nicht Vertragspartei eines solchen Übereinkommens ist. In jedem Fall wendet dieses Gericht Artikel 20 des vorliegenden Übereinkommens an. ...
Art. 20 (1) Läßt sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat und der vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt wird, auf das Verfahren nicht ein, so hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht aufgrund der Bestimmungen dieses Übereinkommens begründet ist. ... Nach Art. 57 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 EuGVÜ soll zwar in jedem Fall ein Gericht, das seine Zuständigkeit auf ein Übereinkommen i.S. von Abs. 1 stützt, Art. 20 EuGVÜ anwenden. Daraus ergibt sich aber - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - nicht, daß es dem Beklagten freisteht, durch Nichterscheinen oder durch die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, trotz der Zuständigkeitsregelung des Art. 31 CMR die Unzuständigkeit des deutschen Gerichts herbeizuführen (OLG Hamm TranspR 2001, 397; OLG Schleswig
TranspR 2002, 76; OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1722; a.A. OLG Dresden TranspR 1999, 62, 64; OLG München TranspR 2001, 399).
In Art. 20 EuGVÜ ist nämlich ausdrücklich auf die Zuständigkeitsregelung "dieses Übereinkommens" abgehoben, also auch auf die Regelung des Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ, diese wiederum erläutert in Abs. 2 Buchst. a. Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ bestimmt, daß andere dort näher gekennzeichnete Abkommen bezüglich ihrer Zuständigkeitsregelung unberührt bleiben und regelt damit eine Zuständigkeit aufgrund der "Bestimmungen des Übereinkommens" im Sinne des Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ (MünchKomm.ZPO/Gottwald, Art. 57 EuGVÜ Rdn. 4; OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1722, 1723; ähnlich: Dißars, TranspR 2001, 387, 389; Heuer, TranspR 2002, 221). Anhaltspunkte dafür, daß die in Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ angeführte Zuständigkeit sich aus Titel II des Übereinkommens selbst ergeben muß, sind nicht erkennbar. Der Zweck der in Art. 57 EuGVÜ übernommenen Zuständigkeit aus besonderen Übereinkommen besteht gerade darin, die Beachtung der darin enthaltenen Zuständigkeitsregeln zu gewährleisten , da diese unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsgebiete, auf die sie sich beziehen, aufgestellt wurden (EuGH, Urt. v. 6.12.1994 - Rs. C-406/92, EuZW 1995, 309 Tz. 24).
Es bleibt deshalb dabei, daß die durch Art. 31 Abs. 1 CMR begründete Zuständigkeit des deutschen Gerichts gegeben ist, ohne daß es weiterer Ausführungen zur Frage der Einlassung auf das Verfahren oder der Rüge der Unzuständigkeit bedarf.
3. Das Berufungsgericht hat zur Sache ausgeführt, daß die Beklagte im Berufungsverfahren gegenüber den zutreffenden Ausführungen des Landge-
richts nichts Erhebliches vorgebracht habe. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der Rüge, das Landgericht habe erheblichen - hilfsweisen - Vortrag der Beklagten außer acht gelassen.
Die Beklagte hat vorgebracht, das Fleisch sei schon bei der Übernahme in mangelhaftem Zustand gewesen; ein Verderben des Fleisches auf dem Transport sei ausgeschlossen, weil die Ladung ständig auf eine Temperatur von ein Grad Celsius gekühlt gewesen sei. Dieser Vortrag, auf den sie sich in der Berufungsbegründung bezogen hat, greift jedoch gegenüber den vom Landgericht festgestellten Schäden nicht durch. Als maßgeblich hat das Landgericht nicht die Frage der Temperatur beim Transport angesehen, sondern die im Schadensgutachten angeführte Tatsache, daß das Frischfleisch wegen des durch mehrfaches Anfahren der Abladestellen langdauernden Transports an der Oberfläche ausgetrocknet gewesen sei. Auf die Frage der Kühlung und den darauf bezogenen Vortrag der Beklagten kommt es mithin nicht an.
III. Danach war die Revision auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

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Referenzen

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)