Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2005 - 5 StR 86/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räu berischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte , vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der namentlich die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB beanstandet wird, bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellun gen getroffen :
Der Angeklagte und der Mitangeklagte kamen überein, den dem Angeklagten bekannten Autohändler S in dessen Geschäft auszurauben. Sie begaben sich, der Angeklagte mit einem Kuhfuß, der Mitangeklagte mit einem Klappmesser ausgerüstet, zu dem Geschäft und zogen sich beim Be-
treten des ersten Büroraumes jeweils eine Sturmwollhaube, in die Augenschlitze eingeschnitten waren, über den Kopf. Während der Angeklagte den Kuhfuß hervorholte und zielstrebig in den angrenzenden zweiten Büroraum zu dem Zeugen S lief, befahl der Mitangeklagte der Büroangestellten K im ersten Raum: „Hinlegen! Guck mich nicht an! Wo ist das Geld?“ Anweisungsgemäß legte sich die völlig verängstigte Zeugin mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und sagte, sie wisse nicht, wo sich das Geld befinde. Der Angeklagte forderte von dem Zeugen S : „Gib das Geld!“ Dabei hielt er drohend den Kuhfuß in seiner Hand. Aus Angst übergab der Zeuge dem Angeklagten 1.800 € aus seiner Hosentasche. Der Angeklagte nahm erneut eine drohende Haltung ein und fragte, wo „das andere Geld“ sei. Der ZeugeS übergab dem Angeklagten daraufhin sein Portemonnaie mit 200 €. Als sich zwei Kunden näherten, flüchteten die Angeklagten mit ihrer Beute. Auf der Flucht entledigten sie sich der Beute, des Kuhfußes und des Klappmessers.
Die psychischen und die daraus resultierenden sozialen Folg en der Tat für die beiden Tatopfer hat das Landgericht bei den Feststellungen (UA S. 12) und zudem im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 16) als erheblich hervorgehoben: Beide Tatopfer haben beträchtliche Schwierigkeiten, allein außer Hauses zu gehen. Der GeschädigteS hat seinen Gewerbebetrieb verlegt. Der Geschädigten K fiel es schwer, „überhaupt noch arbeiten zu gehen“.
II.
Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprü fung stand.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen,
sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht. Die vom Tatrichter vorgenommene Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann zu respektieren, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Gesamtwürdigung , fehlerfreie 1 m.w.N.).
Hier ist das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigu ng ohne Rechtsfehler insbesondere zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB gelangt. Es hat zu Lasten des Angeklagten in Rechnung gestellt, daß der geringfügig vorbestrafte Angeklagte die „treibende Kraft“ der beiden Täter war und daß „zwei Personen durch seine Tat … geschädigt wurden.“ Mit letzterer Wendung hat das Landgericht ersichtlich auch den festgestellten und bewerteten besonderen Grad der psychischen und sozialen Schädigung der beiden Tatopfer (UA S. 12, 16) in Bezug genommen. Zugunsten des Angeklagten hat das Landgericht insbesondere sein frühes Geständnis, das Ausbleiben eines dauerhaften materiellen Schadens, seine schriftliche Entschuldigung bei beiden Tatopfern, sein mit 22 Jahren geringes Alter und seine Beeindruckung durch die erfahrene Untersuchungshaft berücksichtigt.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Nennung des zulässigen Strafschärfungsgrundes der Maskierung der Täter (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17; BGH, Urteil vom 11. Januar 2000
– 4 StR 611/99) vermißt, gilt – neben dem oben genannten begrenzten Überprüfungsmaßstab – folgendes: Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, daß ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden , der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 24, 268; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17).
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) sind nicht ersichtlich.
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal
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Annotations
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.