Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2000 - 5 StR 566/99

bei uns veröffentlicht am26.01.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 566/99
URTEIL
vom 26. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Rechtsbeugung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richterin Dr. Gerhardt,
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26. Mai 1999 wird verworfen.
Die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
- Von Rechts wegen - G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft – die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten wird – hat keinen Erfolg.
Der Angeklagte hat als Staatsanwalt in Dresden im Jahre 1988 – als Vertreter in der politischen Abteilung, der er selbst nicht angehörte – z wei ausreisewillige DDR-Bürger, die mehrere Tage lang ein auffallendes Symbol “A” im PKW des einen öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt, weiterhin gemeinsam am Altmarkt in Dresden an einer Ansammlung Ausreisewilliger teilgenommen hatten, wegen Vergehen nach § 214 StGB-DDR angeklagt. Ferner hat er mit Anklageerhebung die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen die Betroffenen beantragt und in der Hauptverhandlung – einem Strafvorschlag der Dezernentin folgend – Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei bzw. fünf Monaten beantragt. Das Gericht hat gegen beide Betroffene jeweils ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe verhängt.
Der Freispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend annimmt, fehlt es angesichts des wiederholten Vorgehens der Betroffenen und des Umstandes, daß ihnen im zweiten Fall qualifiziertes gemeinschaftliches Vorgehen (§ 214 Abs. 3 StGB-DDR) angelastet wurde, hinsichtlich der Verhängung von Untersuchungshaft nach Maßgabe bislang vom Bundesgerichtshof entschiedener Fälle aus dem Bereich des politischen Strafrechts der DDR (vgl. nur BGHR StGB § 336 – DDR-Recht 28) jedenfalls aus subjektiven Gründen an den Voraussetzungen für die Annahme von Rechtsbeugung. Das hohe Strafmaß betreffend liegt ein Grenzfall vor.
Zwar sind in beiden Fällen bei objektiver Überdehnung der DDRStrafgesetze dem DDR-Staat politisch mißliebige Personen aus rechtsstaatlicher Sicht unvertretbar inhaftiert und insbesondere zu unerträglich hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Zu den genannten beiden Fallbesonderheiten kommt aber hier hinzu, daß sich der Angeklagte mit seinem Tatverhalten als nicht auf politische Strafsachen spezialisierter Staatsanwalt an der üblichen Vorgehensweise seiner entsprechend spezialisierten Kollegen orientiert hat. Angesichts dieser Umstände führen der nach dem Rechtsstaatsgebot zu beachtende Vertrauensschutz und letztlich der Grundsatz, daß sich Zweifel zugunsten der Angeklagten auswirken, dazu, daß der Senat die Bewertung des Landgerichts, die Rechtsanwendung des Angeklagten sei noch keine wissentlich gesetzwidrige Entscheidung, also keine direkt vorsätzliche Rechtsbeugung im Sinne von § 244 StGB-DDR, hinnimmt und im Ergebnis nicht beanstandet (vgl. BGHR StGB § 339 – Vorsatz 1 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 5 StR 580/98 –).
Harms Häger Basdorf Tepperwien Gerhardt

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2000 - 5 StR 566/99 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 244 Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel b

Strafgesetzbuch - StGB | § 339 Rechtsbeugung


Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bi

Strafgesetzbuch - StGB | § 336 Unterlassen der Diensthandlung


Der Vornahme einer Diensthandlung oder einer richterlichen Handlung im Sinne der §§ 331 bis 335a steht das Unterlassen der Handlung gleich.

Referenzen

Der Vornahme einer Diensthandlung oder einer richterlichen Handlung im Sinne der §§ 331 bis 335a steht das Unterlassen der Handlung gleich.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.