Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2001 - 5 StR 292/01

published on 06/11/2001 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2001 - 5 StR 292/01
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 292/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. November 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schwerer Brandstiftung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger der Angeklagten K ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger der Angeklagten Du ,
Rechtsanwälte S und Si
als Verteidiger des Angeklagten E ,
Rechtsanwalt Ga
als Verteidiger des Angeklagten Da ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Januar 2001 wird verworfen, soweit es den Angeklagten Da betrifft. Die Staatskasse hat die durch dieses Rechtsmittel entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten Da zu tragen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil, soweit es die Angeklagten E , K und Du betrifft, in den gesamten Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten E , K und Du wegen schwerer Brandstiftung schuldig gesprochen und – beim Angeklagten E unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten ± auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten, einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr erkannt; letztere wurden zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte Da wurde vom Vorwurf der Nichtanzeige geplanter Straftaten freigesprochen. Die unbeschränkt eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge zum Teil Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Im Laufe eines gemeinsamen Trinkgelages erzählte die Angeklagte Du den anderen Angeklagten, sie sei von ihrem ehemaligen Freund M mehrfach geschlagen worden. Der Angeklagte E meinte daraufhin, man müsse dem M “eins auswischen” und am besten “seine Bude anzünden”. Während der Angeklagte Da dies ablehnte, stimmten die beiden anderen dem Angeklagten E zu. Nachdem die Angeklagten abends auseinandergegangen waren, trafen sie sich am Morgen des folgenden Tages , dem 15. Oktober 2000, wieder und kamen erneut auf den Vorschlag des Angeklagten E zu sprechen. Der Angeklagte Da , der mit der Angeklagten Du verlobt war, riet abermals von einem solchen Vorhaben ab. Die Angeklagten begaben sich dann zu einer Tankstelle, um Wein zu kaufen. In einem “unbeobachteten Augenblick” entwendete der Angeklagte E dort einen Kanister, den er mit Benzin füllte. In die Wohnung der Angeklagten Du zurückgekehrt, tranken alle Angeklagten den zuvor erworbenen Wein. Nachdem der Angeklagte Da eingeschlafen war, begaben sich die drei anderen, nunmehr erheblich angetrunkenen Angeklagten ± ihre Blutalkoholkonzentration lag zwischen 2,3 und 2,6 ‰ ± zur Wohnung des M . Sie entzündeten dort mit Hilfe des Benzins die Wohnungstür, die selbständig brannte, später aber gelöscht werden konnte. Als der Ange- klagte Da am Abend desselben Tages davon erfuhr, verständigte er die Polizei.
2. Die zugunsten der Angeklagten E , K und Du jeweils vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 21 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Der Senat entnimmt den Feststellungen, daß die Angeklagten, mit Ausnahme des Angeklagten Da , bereits am Vormittag des Tattages entschlossen waren, die Wohnung des M anzuzünden, also zu einem Zeitpunkt, bevor sie infolge ihres erheblichen Alkoholkonsums in einen Zustand gerieten, in dem jeweils nicht ausschließbar die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben waren. Bei dieser Sachlage hätte der Tatrichter bei der Strafzumessung prüfen müssen, ob die Angeklagten trotz möglichen Restalkohols für die Ausführung der Tat nach den Grundsätzen der actio libera in causa voll verantwortlich waren (vgl. BGHR StGB § 20 ± actio libera in causa 3; BGH NStZ 1999, 448 f.). Das Fehlen dieser Erörterung führt zur Aufhebung der Rechtsfolgenaussprüche bei diesen drei Angeklagten.
3. Dagegen hat der Freispruch des Angeklagten Da Bestand. Es bedarf keiner Entscheidung, ob sich der Angeklagte im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 1 StGB ªernsthaft bemühtº hat, die mit ihm verlobte Mitangeklagte Du von einem Vorgehen gegen den späteren Geschädigten abzuhalten. Denn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen , daß Da die Ernsthaftigkeit des Tatentschlusses seitens der anderen Angeklagten nicht hinreichend erkannt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1976 ± 1 StR 237/76 ± bei Holtz MDR 1976, 987), bevor er alkoholbedingt einschlief. Dies ergibt sich nicht allein aus seinen ablehnenden Äußerungen und Warnungen während der Erörterung der allgemein in Aussicht genommenen Brandstiftung; vielmehr folgt dies aus seinem Verhalten am Abend, als er ± über den Ablauf der von den anderen Angeklagten be- gangenen Tat in Kenntnis gesetzt ± nicht zögerte, seine Freunde und seine Verlobte unverzüglich bei der Polizei anzuzeigen. Da für einen Wechsel in der Motivlage nichts ersichtlich ist, läût dieses Verhalten nur den Schluû zu, daû er die vorangegangenen Erörterungen über die mögliche Durchführung zuvor nicht ernst genommen hatte.
Der Senat schlieût aus, daû weitere sichere Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten Da getroffen werden können.
Harms Häger Raum Brause Schaal
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Annotations

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Ist in den Fällen des § 138 die Tat nicht versucht worden, so kann von Strafe abgesehen werden.

(2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.

(3) Wer eine Anzeige unterläßt, die er gegen einen Angehörigen erstatten müßte, ist straffrei, wenn er sich ernsthaft bemüht hat, ihn von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, es sei denn, daß es sich um

1.
einen Mord oder Totschlag (§§ 211 oder 212),
2.
einen Völkermord in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder ein Kriegsverbrechen in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder
3.
einen erpresserischen Menschenraub (§ 239a Abs. 1), eine Geiselnahme (§ 239b Abs. 1) oder einen Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c Abs. 1) durch eine terroristische Vereinigung (§ 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1)
handelt. Unter denselben Voraussetzungen ist ein Rechtsanwalt, Verteidiger, Arzt, Psychotherapeut, Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden ist. Die berufsmäßigen Gehilfen der in Satz 2 genannten Personen und die Personen, die bei diesen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind, sind nicht verpflichtet mitzuteilen, was ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft bekannt geworden ist.

(4) Straffrei ist, wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet. Unterbleibt die Ausführung oder der Erfolg der Tat ohne Zutun des zur Anzeige Verpflichteten, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden.