Bundesgerichtshof Urteil, 04. Feb. 2010 - 4 StR 487/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es den Wertersatzverfall in Höhe von 2.700 Euro angeordnet. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das – von dem Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
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- 1. Nach den zu den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Rahmen der sog. Nigeria-Connection, die sich mit dem internationalen Handel von Kokain befasste, als Kurier tätig. Neben den genannten beiden Fällen, die die Verurteilung tragen, hat die Anklage dem Angeklagten unter der laufenden Nr. 12 (Fallakte 15) zur Last gelegt, in Amsterdam von dem Lieferanten "Sunny" mindestens 400 g Heroin übernommen , inkorporiert und am 21. Juni 2008 nach Deutschland eingeführt zu haben; auf dem Weg zur Wohnung in M. sei er festgenommen , jedoch bereits am nächsten Tag wieder freigelassen worden, nachdem eine Röntgenuntersuchung nicht zum Auffinden des inkorporierten Rauschgifts geführt habe; nach seiner Freilassung habe er sich zu der gesondert verfolgten A. begeben und das inkorporierte Kokain ausgeschieden , das durch die Tätergruppe gewinnbringend in den Handel gelangt sei.
- 3
- Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ohne den Anklagesachverhalt mitzuteilen, führt es in dem angefochtenen Urteil zur Begründung lediglich aus, der Angeklagte habe sich dahin eingelassen, er habe kein Kokain transportiert, insbesondere habe er kein Kokain inkorporiert. Diese Einlassung sei - so das Landgericht - dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, nachdem inkorporiertes Rauschgift bei seiner Festnahme nicht festgestellt worden sei. Nach dem Inhalt eines kurz vor der Festnahme des Angeklagten zwischen "Sunny" und dem früheren Mitangeklagten O. geführten Telefonats sei es vielmehr in hohem Maße wahrscheinlich, dass der Angeklagte sich bei seiner Festnahme auf dem Wege zu O. befunden habe, um dort das Rauschgift als Kurier zu übernehmen; "der Angeklagte hatte mithin mutmaßlich die Absicht, für ein Rauschgiftgeschäft tätig zu werden, hatte diese Absicht aber noch nicht umgesetzt" (UA 9). Auch eine Einfuhr von Rauschgift durch den Angeklagten nach Deutschland sei nicht sicher feststellbar; die Telefongespräche des "Sunny" mit O. beträfen lediglich Tatplanungen über Kurierfahrten , belegten jedoch nicht deren Durchführung durch den Angeklagten.
- 4
- 2. Diese knappen Ausführungen werden bereits den formellen Anforderungen , die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, nicht gerecht. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10; Senat, Urt. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08).
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- Diese gebotene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht. Schon der Tatvorwurf lässt sich dem Urteil - wie erwähnt - nicht, jedenfalls nicht hinreichend deutlich, entnehmen. Ebenso fehlt eine zusammenfassende Darstellung der Einlassung des Angeklagten. Dessen hätte es aber hier schon deshalb bedurft, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen , ob die Strafkammer den Anklagesachverhalt erschöpfend erfasst und gewürdigt hat. Insoweit hätte das Landgericht, wenn es sich in diesem Fall schon nicht von einem durch den Angeklagten tatsächlich durchgeführten Rauschgifttransport zu überzeugen vermochte, jedenfalls - wie die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt zu Recht geltend machen - eine Strafbarkeit des Angeklagten nach der subsidiären Vorschrift des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 30 Rdn. 16 m.N.) wegen Verabredung eines Verbrechens des - täterschaftlichen - Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Betracht ziehen müssen.
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- 3. Die Sache bedarf deshalb in dem den Freispruch betreffenden Fall umfassend neuer Prüfung und Entscheidung.
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- Der Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils bleibt von der Aufhebung des freisprechenden Teils des angefochtenen Urteils unberührt. Die Beschwerdeführerin wendet mit ihrer wirksam auf den Freispruch beschränkten Revision gegen den Gesamtstrafenausspruch auch nichts ein. Sofern der neue Tatrichter im Fall 12 (Fallakte 15) der Anklage zu einer Verurteilung des Angeklagten kommt, wird er entsprechend § 55 Abs. 1 StGB unter Einbeziehung der in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe rechtskräftig erkannten Einzelstrafen und Auflösung der bisherigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben (vgl. BGH NJW 1983, 1130, 1131 f.). Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Ernemann
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.