Bundesgerichtshof Urteil, 11. Sept. 2003 - 4 StR 193/03

bei uns veröffentlicht am11.09.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 193/03
vom
11. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. November 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Ver- handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die sie - wie die Revisionsbegründung deutlich macht - trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrages wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Das auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen schlug der hochverschuldete Angeklagte der M. K. GmbH & Co KG, dessen Geschäftsführer er gut kannte, die Beteiligung an einem Kunststoffhandelsgeschäft vor. Mit dem einzusetzenden Geld sollten
angeblich sogenannte „Streckengeschäfte“ mit solventen Partnern und sicherer Gewinnaussicht finanziert werden. Den Gewinn veranschlagte der Angeklagte auf 10 %; er sollte zwischen ihm und der M. K. GmbH & Co KG hälftig geteilt werden. Im Vertrauen auf die Angaben des aus seiner früheren Tätigkeit in der Kunststoffbranche als seriöser Geschäftsmann bekannten Angeklagten leistete die M. K. GmbH & Co KG vier Zahlungen über insgesamt 475.000 DM, und zwar jeweils auf Anforderung des Angeklagten Einzelbeträge von 50.000 DM am 14. Februar 2000, 160.000 DM am 21. Februar 2000, 80.000 DM am 1. März 2000 und 185.000 DM am 21. Juni 2000. Tatsächlich schloß der Angeklagte kein Geschäft der bezeichneten Art ab, sondern verwendete entsprechend seinem Tatplan den überwiegenden Teil des Geldes zur Abdeckung von Verbindlichkeiten aus seiner früheren Unternehmertätigkeit. Rückzahlungen an die M. K. GmbH & Co KG leistete er nicht (Fall 1). Noch während die M. K. GmbH & Co KG auf Rückzahlung der eingesetzten Gelder drängte, spiegelte der Angeklagte dem Inhaber einer für ihn tätigen Gebäudereinigungsfirma ebenfalls die Möglichkeit einer kurzfristigen Geldanlage mit einer Verzinsung von 10 % vor. Im Vertrauen auf die Angaben des kompetent und seriös wirkenden Angeklagten stellte dieser am 2. November 2000 einen Betrag von 10.000 DM zur Verfügung. Die Rückzahlung nebst 1.000 DM Gewinn wurde für den 1. Februar 2001 vereinbart. Auch hier investierte der Angeklagte das Geld nicht, sondern verwendete es entsprechend seiner vorgefaßten Absicht zur Deckung seiner laufenden Lebenshaltungskosten (Fall 2).
2. Das Landgericht hat - infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtmittels auf den Rechtsfolgenausspruch für den Senat bindend (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 267) - die betrügerische Erlangung der Zahlungen im Fall 1 rechtlich als eine Handlung bewertet und hierfür eine Einzelfreiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt. Im Fall 2 hat es eine Einzelfrei- heitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Hierbei hat es jeweils das Vorliegen besonders schwerer Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB verneint und ausgeführt, es sei insoweit maßgeblich darauf abzustellen, ob das gesamte Tatbild unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle derart abweiche, daß „die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten“ erscheine. Gewerbsmäßig habe der Angeklagte nicht gehandelt, denn er habe „mit den Taten allein weder seinen Lebensunterhalt verdient“, noch sei er in der planmäßigen Absicht vorgegangen , sich durch die wiederholte Tatbestandsverwirklichung eine laufende Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Vielmehr seien die Taten „Ausdruck des Wunsches des Angeklagten, sich wieder kurzzeitig Luft vor allzu drängenden Altgläubigern zu verschaffen und durch neue Schulden alte drängende Verbindlichkeiten begleichen zu können“ (UA 17). Auch die Höhe des Schadens rechtfertige nicht die Annahme eines besonders schweren Falles. Insoweit müsse zu Gunsten des Angeklagten insbesondere sein vorbehaltloses Geständnis in der Hauptverhandlung, seine Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung , die Verwendung der Gelder zur Schuldentilgung und namentlich im Fall 1 berücksichtigt werden, daß die „schwer verständliche Leichtgläubigkeit der Anlegerfirma in Verbindung mit einer nicht unerheblichen Geldgier“ die Tat wesentlich erleichtert habe (UA 18). Bei einer Gesamtwürdigung reiche daher zur Ahndung jeweils der Regelstrafrahmen aus.
3. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Sie lassen bereits besorgen, daß das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Betrugstaten des Angeklagten als besonders schwere Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB zu qualifizieren sind, von einem fehlerhaften rechtlichen Ansatz ausgegangen ist. Nach § 263 Abs. 3 StGB in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes wird ein besonders schwerer Fall durch die Verwirklichung eines der in Satz 2 Nrn. 1 bis 5 bezeichneten Regelbeispiele indiziert. Sind die Voraussetzungen eines Regelbeispiels gegeben, so bestimmt sich der „Regelstrafrahmen“ nach dem erhöhten Strafrahmen; einer zusätzlichen Prüfung, ob dessen Anwendung im Vergleich zu den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle geboten erscheint, bedarf es hier nicht. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung betraf - soweit überhaupt einschlägig - die Regelung des § 263 Abs. 3 StGB a.F., die keine Regelbeispiele, sondern einen unbenannten besonders schweren Fall zum Gegenstand hatte und die zudem gegenüber § 263 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung ein höheres Mindeststrafmaß (ein Jahr statt nunmehr sechs Monate Freiheitsstrafe) vorsah.

b) Zwar kann die Indizwirkung des Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, daß die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (vgl. BGH NStZ 1999, 244, 245; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdnr. 91 m.w.N.). Das Landgericht hat - was rechtlich nicht zu beanstanden ist - im Fall 1 ersichtlich das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 1. Alt StGB (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) als erfüllt angesehen. Die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist jedoch - ungeachtet des aufgezeigten verfehlten Ansatzes - ebenfalls nicht frei von rechtlichen Mängeln.

Sie ist einerseits in einem wesentlichen Punkt lückenhaft. Das Landgericht hat nämlich - wie die Revision zu Recht rügt - bei der Abwägung, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt, nicht erkennbar berücksichtigt, daß der Angeklagte schon 1997 und 1998 wegen einschlägiger Straftaten zu Bewährungsstrafen verurteilt worden war und damit die hier abgeurteilten Taten jeweils unter laufender Bewährung, die Tat zu Fall 1 sogar unter laufender Bewährung aus beiden Vorverurteilungen, begangen hat. Diese Umstände hätten hier schon deshalb besonderer Erörterung bedurft, da der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge bereits die den genannten Vorverurteilungen zugrundeliegenden Betrugstaten „in dem Bemühen (beging), Altschulden zu stopfen“ (UA 8).
Des weiteren ist der vom Landgericht herangezogene strafmildernde Umstand, die Tatbegehung sei - namentlich im Fall 1 - durch die „schwer verständliche“ Leichtgläubigkeit und „nicht unerhebliche Geldgier“ der Geschädigten erleichtert worden, nicht ohne weiteres mit den getroffenen Feststellungen in Einklang zu bringen. Danach verfügte der Angeklagte als langjähriger Marketingleiter eines namhaften Unternehmens der Kunststoffbranche „über vielfältige Kontakte als seriöser Geschäftsmann“, beschloß diese für seine Zwecke auszunutzen und vertraute darauf, von den Kunden, die ihn seit langem kannten, auf diesem Gebiet „als kompetent und seriös akzeptiert zu werden“ (UA 8/9). Die den Anlegern zugesagten Gewinnmargen lagen zudem gegenüber vergleichbaren Fällen eher im unteren Bereich.

c) Das Urteil kann schließlich im Rechtsfolgenausspruch auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte
habe bei den ausgeurteilten Taten jeweils nicht gewerbsmäßig gehandelt, rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefaßten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1995, 85 sowie Tröndle/Fischer aaO vor § 52 Rdn. 37 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist weder erforderlich, daß der Täter beabsichtigt , seinen Lebensunterhalt „allein“ oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten zu bestreiten (vgl. Tröndle/Fischer aaO), noch steht der Annahme der Gewerbsmäßigkeit entgegen, daß er in dem Bestreben handelt , mit dem erlangten Geld alte Verbindlichkeiten abzutragen (vgl. BGH NJW 1998, 2913, 2914 sowie hierzu auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2003 - 1 StR 469/02). Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt es daher nahe, daß der Angeklagte jedenfalls im Fall 1 gewerbsmäßig handelte, zumal er - wie das Landgericht an anderer Stelle ausgeführt hat - von vorneherein beabsichtigte, den als zahlungsbereit eingeschätzten Geschäftsführer der Geschädigten als „Finanzierungsquelle“ einzusetzen, um von ihm soviel Geld zu erhalten, wie jeweils zur Schuldentilgung notwendig war (UA 15/16). Aufgrund des gegebenen zeitlichen Zusammenhanges kann der Senat nicht ausschließen, daß der Angeklagte auch im Fall 2 in Fortsetzung des einmal gefaßten Entschlusses, sich durch die Begehung von Betrugsstraftaten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, gehandelt hat.
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

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Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 469/02
vom
25. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Juni 2002 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Untreue in 173 Fällen, wegen Beihilfe zur Untreue sowie wegen Urkundenunterdrückung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue in weiteren elf Fällen wurde sie freigesprochen. Die Revision der Angeklagten richtet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Strafzumessung. Zu Unrecht sei die Strafkammer in allen Fällen der Untreue von gewerbsmäßigem Handeln der Angeklagten und in der Folge - von Bagatellfällen abgesehen - jeweils vom Strafrahmen für besonders schwere Fälle des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Tatsächlich habe die Angeklagte in der überwiegenden Zahl der Fälle rein fremdnützig gehandelt. Der Revision bleibt der Erfolg versagt.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts schädigten die Angeklagte und ihr Ehemann W. E. gemeinsam Nachlässe, die der Angeklagten als Nachlaßverwalterin - in einigen Fällen auch als Testamentsvollstreckerin - anvertraut worden waren. Dem Urteil liegen Taten seit dem Jahre 1995 zugrunde.
W. E. , seit 1964 Beamter im Notariat K. , hatte bereits seit 1979 als Nachlaßverwalter und Testamentsvollstrecker Gelder veruntreut. Infolge einer Rechtsänderung war es ihm ab 1984 in vielen Fällen verwehrt , Nachlaßpflegschaften und Testamentsvollstreckungen zu übernehmen. Er trug Sorge dafür, daß nunmehr seine Ehefrau - unter der Firmierung "Fachbüro für Nachlaßangelegenheiten" - damit betraut wurde. So wollte er weiterhin "sich und ihr" - auch nachdem die Eheleute seit 1993 getrennt lebten - "durch eigennützige Verwendung der zu verwaltenden Gelder aus wiederholter Tatbegehung eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen" , um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Die Angeklagte stimmte zu, "um ihrerseits in den Genuß der aus den Nachlässen stammenden illegalen Gelder zu kommen, die sie zur dauerhaften Bestreitung ihres Lebensunterhalts benötigte". Die Angeklagte E. E. , die deshalb ihre Arbeitsstelle aufgegeben hatte, "wollte sich auf diese Weise eine Einkommensquelle von einigem Unfang und einiger Dauer verschaffen, zumal nach dem Wegfall ihres Einkommens als Röntgenassistentin die Bearbeitung der Nachlassangelegenheiten und nach der Trennung vom Ehemann dessen 'Unterhaltszahlungen' "- dahinter verbargen sich veruntreute Nachlaßgelder - "neben
den geringen Einnahmen aus der Vermietung der Eigentumswohnung in L. ihre einzigen Einnahmequellen waren und sie sowie ihr Lebensge- fährte R. ebenfalls einen hohen Geldbedarf hatten, zum Beispiel für Einladungen in Brenner's Parkhotel, mehrere Mauritius-Urlaube oder auch zur Feier des 60. Geburtstags von G. R. im Hotel Bareiss. Im Herbst 1995 hatte die Angeklagte eine Wohnung in Baden-Baden gekauft und mit erheblichen Mitteln ausgebaut.
Der Zugriff auf die der Angeklagten anvertrauten Nachlaßvermögen erfolgte zum einen durch Überweisungen, Abhebungen oder Abbuchungen (nach Scheckhingabe) unmittelbar von den jeweiligen Nachlaßkonten zum privaten Verbrauch, zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten, zur Zuwendung an z.T. unbekannt gebliebene nachlaßfremde Personen oder auch um Verbindlichkeiten aus anderen Nachlaßverwaltungen abzudecken - d.h. um Löcher zu stopfen -. Teilweise verfügte die Angeklagte auch in Absprache mit ihrem Ehemann. Unter anderem hob sie in sieben Fällen von Nachlaßkonten Gelder ab bzw. entnahm Wertpapiere, um die entsprechenden Beträge unmittelbar für sich zu verwenden. Häufiger dagegen handelte W. E. , der der Angeklagten hierzu die entsprechenden Dokumente zur Unterschrift vorlegte oder Formulare mit von ihr vorab geleisteten Blankounterschriften verwendete. Zum anderen wurde fremdes Nachlaßvermögen zunächst durch die Angeklagte und ihren Ehemann einvernehmlich auf ein "privates Girokonto" der Angeklagten bei der Sparkasse Karlsruhe - teilweise unter Zwischenschaltung eines weiteren Kontos der Angeklagten bei der Hypo-Bank Mannheim - transferiert und so vereinnahmt, sei es durch Überweisung von den Nachlaßkonten, durch Überweisungen von Nachlaßschuldnern sowie durch Einzahlung oder Überweisung der Erlöse aus der Veräußerung von Wertpapieren sowie mobiler oder immo-
biler Nachlaßgegenstände. Auf die Guthaben dieses Kontos hatten die Angeklagte und ihr Ehemann beliebig Zugriff, sei es zur Abwicklung privater Geldgeschäfte , aber auch um Verpflichtungen zu erfüllen, die die Nachlaßverwaltung betrafen. Denn das Konto wurde für Privates und Nachlaßangelegenheiten gleichermaßen genutzt.
Für dieses Girokonto bei der Sparkasse Karlsruhe war deshalb neben der Angeklagten auch ihr Ehemann zeichnungsberechtigt. Soweit die auf das Konto transferierten Mittel nicht - wieder - der Verwendung für Nachlaßangelegenheiten zugeführt wurden, verfügte über "einen Großteil der Nachlaßgelder" (auf dem Konto) zum einen der Ehemann der Angeklagten - mit deren Kenntnis und Billigung - zu seinen Gunsten durch Barabhebungen, durch den Einsatz der EC- und Kreditkarte sowie durch Verwendung von Schecks und Überweisungsaufträgen , die er seiner Ehefrau zur Unterzeichnung vorlegte, zur Bezahlung an ihn gerichteter privater Rechnungen. Zum anderen nutzte die Angeklagte die auf ihrem Konto angesammelten Nachlaßmittel für sich, etwa durch Barabhebungen, Zahlung mit Kreditkarte sowie durch Zulassung von Abbuchungen, z.B. zur Tilgung der Kredite für ihre Eigentumswohnungen, zur Entrichtung ihrer Krankenkassen- und Lebensversicherungsbeiträge, zur Bezahlung von Tankrechnungen, Bahnfahrkarten und Restaurantrechnungen. Die Barabhebungen "verstand sie" als Unterhaltszahlungen ihres Ehemanns und als Vorschüsse auf ihren Anteil an den Nachlaßverwaltervergütungen. Bewilligungen des Nachlaßgerichts lagen hierzu keine vor. Nach ihrer internen Abrede sollten von den "Nachlaßvergütungen" dem Ehemann 2/3 zustehen, der Angeklagten 1/3. Abgerechnet wurde nie.
Die Nachlässe waren der Angeklagten ohne Beschränkung des Wirkungskreises und meist unter Befreiung von Beschränkungen der §§ 1812, 1813 BGB anvertraut. Die zur Aufsicht berufenen Notare überwachten die Tätigkeit der Nachlaßpflegerin E. zu keiner Zeit und forderten auch die gebotene jährliche Berichterstattung und Rechnungslegung "nicht ansatzweise ernsthaft ein".
So gelang es der Angeklagten - zusammen mit ihrem Ehemann, der den überwiegenden Vorteil aus den Taten zog -, in der Zeit von November 1995 bis Oktober 2000 in 34 Nachlaßsachen durch 174 Taten insgesamt über 6.000.000,-- DM, im Einzelfall bis zu 361.568,98 DM -, zu veruntreuen. Ein erheblicher Teil floß allerdings wieder in die Nachlaßverwaltung zurück. So übergab W. E. der Angeklagten am 11. Oktober 2000 338.315,09 DM in einer Tüte, um diesen Betrag auf ein Nachlaßkonto einzubezahlen. Zur Verschleierung der tatsächlichen Herkunft des Geldes erklärte die Angeklagte der Bankangestellten gegenüber, das Geld stamme aus einem Hausverkauf.
Der Verurteilung wegen Urkundenunterdrückung lag zugrunde, daß die Angeklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann ein in der Wohnung eines Erblassers aufgefundenes Testament beiseite schaffte.
Das Landgericht hat Einzelstrafen in Höhe von zwei Monaten bis zu (bei Schäden über 250.000,-- DM in drei Fällen) zwei Jahren Freiheitsstrafe (für die Urkundenunterdrückung sechs Monate Freiheitsstrafe) verhängt - die Summe der Einzelstrafen liegt bei 160 Jahren - und daraus die Gesamtstrafe in Höhe von drei Jahren und drei Monaten gebildet. W. E. wurde - rechts-
kräftig - wegen Untreue in 192 Fällen u.a. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.

II.


Die Überprüfung des Urteils deckt Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Auch der Rechtsfolgenausspruch hat Bestand. Insbesondere ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer - von "Bagatellfällen" abgesehen - die Untreuehandlungen als besonders schwere Fälle im Sinne von § 266 Abs. 2 aF, als auch von § 266 Abs. 2 StGB (i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB) in der ab dem 1. April 1998 nach der Änderung durch das 6. StrRG geltenden Fassung wertete und bei der Strafzumessung dann gemäß § 2 Abs. 3 StGB in allen Fällen (die überwiegende Zahl der Fälle liegt vor dem 1. April 1998) nach dem Grundsatz der strikten Alternativität (vgl. BGH wistra 2002, 63) den Strafrahmen des § 266 Abs. 2 StGB nF, dem dann mildesten Gesetz, zugrunde legte.
Bei der Frage, ob ein besonders schwerer Fall i.S. des § 266 Abs. 2 StGB anzunehmen ist, handelt es sich um eine dem Tatgericht obliegende Frage der Strafzumessung, in die einzugreifen dem Revisionsgericht nur in engen Grenzen gestattet ist (BGH NStZ 1982, 464). Das Tatgericht hat alle die Taten und die Persönlichkeit der Angeklagten kennzeichnenden wesentlichen Gesichtspunkte im Urteil genannt, folglich in seine Strafzumessungserwägungen einbezogen und somit seiner Bewertung die gebotene Gesamtwürdigung (vgl. BGH StV 1988, 253) zugrundegelegt. Allein schon das ungewöhnliche Ausmaß des Vertrauensbruchs und der Umfang der Tatfolgen vor dem Hintergrund gewohnheitsmäßiger Begehung (vgl. BGHR StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Gewerbsmäßig
1) über Jahre hinweg kennzeichnen über das Gesamtgeschehen hinaus
auch alle Einzelfälle und rechtfertigen hier durchweg die Annahme besonders schwerer Fälle, auch i.S. von § 266 Abs. 2 StGB aF (nicht benannte besonders schwere Fälle). Zudem handelten die Angeklagten in allen Fällen gewerbsmäßig. Die Angeklagte und ihr Ehemann wollten sich eine gemeinsame dauerhafte Quelle zur illegalen Finanzierung ihres aufwendigen Lebensstils erschließen und setzten dies im Rahmen des "Fachbüros für Nachlaßangelegenheiten" der Angeklagten um. Diesem Ziel, diesem Unternehmenszweck, dienten alle Untreuehandlungen, unabhängig von der Verwendung der veruntreuten Gelder im Einzelfall. Wie in Gewinnerzielungsabsicht handelnde Mittäter die Beute teilen - im jeweiligen Einzelfall oder auf andere Weise - ist ebenso unerheblich wie die Verwendung der illegalen Einkünfte, z.B. teilweise auch zugunsten anderer oder zur partiellen Schadenswidergutmachung, insbesondere wenn dies der Vermeidung der Aufdeckung der illegalen Praktiken dient und so die Fortsetzung der einträglichen Straftaten ermöglicht. Auch hier sicherte die Bezahlung an oder für einzelne Nachlässe aus veruntreutem Geld die illegale Einnahmequelle für die Zukunft. Früher verursachte Untreueschäden wurden mit - erneut - veruntreutem Geld ausgeglichen zur Vermeidung der Tatentdeckung. Die Angeklagte wirkte an diesem System maßgeblich mit und partizipierte daran in erheblichem Umfang. Jeder darauf bezogene Tatbeitrag, jede Einzeltat, war auch bei ihr (§ 28 Abs. 2 StGB) durch die dauerhafte Gewinnerzielungsabsicht geprägt und damit gewerbsmäßig.
Ein Tatbestandsirrtum hinsichtlich des Merkmals der Pflichtwidrigkeit lag, auch soweit es sich um die Übertragung von Nachlaßmitteln auf das Privatkonto handelte, das auch der Abwicklung von Nachlaßangelegenheiten diente, - nach den Feststellungen des Landgerichts - nicht vor. Die Angeklagte hatte "erkannt, daß .... eine sorgfältige Abrechnung der einzelnen Nachlässe nicht
gewährleistet war". Die mißbräuchliche Verwendung dorthin transferierter Mittel war "für sie offensichtlich". Daß die Strafkammer der Angeklagten gleichwohl einen - vermeidbaren - Verbotsirrtum und insoweit Strafmilderung zugebilligt hat, belastet sie nicht.
Fehlende Kontrolle und Aufsicht erleichterte nicht nur die Untreuehandlungen , sie waren Voraussetzung für die Tatbegehung über so lange Zeit. Dies entlastet die Angeklagte dennoch nicht. Ihr war fremdes Vermögen ganz persönlich anvertraut. Unabhängig von Überwachung und Kontrolle hatte sie aufgrund ihrer Bestellung zur Nachlaßverwalterin für ihre Person die Pflicht diese Vermögen für die - zunächst unbekannten - Erben sorgsam und sicher zu verwalten , die Erben zu ermitteln und ihnen den Nachlaß schließlich zu übergeben. Versäumnisse anderer mindern diese Pflichtenstellung nicht und lassen den Vertauensmißbrauch keineswegs in einem milderen Licht erscheinen. Die Situation hier ist dem Mitverschulden des leichtsinnigen Geschädigten nicht gleichzusetzen (vgl. hierzu BGH StV 1988, 253, aber auch BGH, Beschluß vom 14. August 2002 - 1 StR 286/02 -). Daß die Strafkammer das Versagen der Aufsicht gleichwohl strafmildernd berücksichtigt hat, belastet die Angeklagte ebenfalls nicht.
Nack Boetticher Kolz Hebenstreit Elf