Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2013 - 3 StR 503/12

bei uns veröffentlicht am07.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 503/12
vom
7. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 3.: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 9. August 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und S. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Nötigung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung jugendrechtliche Weisungen und Auflagen verhängt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zuungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Mitte des Jahres 2011 hatte der Angeklagte S. dem Geschädigten L. etwa 25 Gramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf übergeben. L. verkaufte dieses Marihuana jedoch in der Folgezeit nicht, sondern konsumierte es - jedenfalls zum Teil - selbst. Fortan ging er dem Angeklagten S. aus dem Weg und ignorierte dessen Kontaktversuche, da er davon ausging, dass dieser nun das Geld aus dem Verkauf der Betäubungsmittel , wenigstens 500 €, von ihm verlangen würde. Die Angeklagten H. und B. hatten von alledem Kenntnis.
4
Als die Angeklagten am Tattag mit dem BMW des Angeklagten S. eine Straße in N. befuhren, entdeckte der Angeklagte S. den Zeugen L. . Nachdem der Angeklagte B. den von ihm gesteuerten Pkw angehalten hatte, verließ der Angeklagte S. den Pkw, wobei er an dem Innenspiegel des BMW hängende Handschellen mitnahm. Gemeinsam mit dem Angeklagten H. näherte er sich dem Zeugen L. von hinten und schloss mit den Worten: "Jetzt haben wir Dich!" eine Seite der Handschellen um dessen linkes Handgelenk und die andere Seite um sein eigenes rechtes Handgelenk, um eine Flucht des Geschädigten zu verhindern. Der Angeklagte S. führte den Zeugen sodann zurück zu dem BMW, in dem der Angeklagte B. geblieben war. Aus Furcht weinte der Geschädigte bereits zu diesem Zeitpunkt und rief um Hilfe.
5
Der Angeklagte S. schob den Zeugen L. von links in den Fahrgastraum auf den hinteren rechten Sitz, löste die Handschellen von seinem eigenen Handgelenk und befestigte die nunmehr freie Seite der Fessel am Türgriff der hinteren rechten Tür, um auch weiterhin eine Flucht des Zeugen L. zu verhindern. Der Angeklagte H. setzte sich auf den Beifahrersitz. Sodann fuhr der Angeklagte B. auf Geheiß des - hinten links sitzenden - Angeklagten S. in Richtung Niederlande. Während der Fahrt sprach der Angeklagte S. die Geldschulden des Zeugen L. aus dem Betäubungsmittelgeschäft an sowie dessen Versuche, sich ihm zu entziehen. Der Zeuge L. schrie und weinte auch weiterhin. Im Laufe der Fahrt schlug der Angeklagte S. dem Zeugen L. mindestens zwei Mal mit der flachen Hand ins Gesicht. Er nahm ihm ferner 50 € Bargeld aus der Hosentasche , die er dort bei der Suche nach dessen Mobiltelefon gefunden hatte. Das Geld und das Mobiltelefon nahm er dem Zeugen L. auch deshalb ab, damit dieser keine Hilfe rufen konnte und um ihm die Rückfahrt zu erschweren. Das Mobiltelefon gab er dem Zeugen jedoch zunächst noch während der Fahrt mit dem Hinweis zurück, dass er ihn anrufen solle, sobald er das Geld habe.
6
Der Angeklagte H. , der das Verhalten des Angeklagten S. billigte , drehte sich während der Fahrt mehrfach um, redete ebenfalls auf den Zeugen L. ein, wandte sich vom Beifahrersitz aus diesem zu und schlug dem Geschädigten mindestens zwei Mal mit der flachen Hand ins Gesicht. Zudem hielt er eine Zigarette mit brennender Spitze an die linke Schläfe des Zeugen L. , wodurch dieser eine kleine Brandwunde erlitt. Während der gesamten Zeit folgte der Angeklagte B. , der das Geschehen wahrnahm, den Fahrtanweisungen des Angeklagten S. über die Autobahnen in Richtung Niederlande.
7
Nach etwa 30 Minuten endete die Fahrt in den Niederlanden, wo die Angeklagten H. und S. mit dem Zeugen L. ausstiegen, ihm die Handschellen abnahmen und in ein nahe gelegenes Waldstück gingen, das sich noch in Sichtweite des Angeklagten B. befand, der im Fahrzeug verblieb. Sodann brachten die Angeklagten S. und H. den Zeugen L. zu Boden und forderten ihn auf, sein Mobiltelefon herauszugeben so- wie seine Hose und seine Schuhe auszuziehen. Sie beabsichtigten damit, dem Geschädigten das Herbeirufen von Hilfe und die Rückkehr nach Hause zu erschweren. Unter dem Eindruck der vorherigen Fesselung und der verabreichten Schläge folgte der Zeuge L. dieser Aufforderung zunächst. Auf seine Bitte und den Hinweis auf die winterlichen Temperaturen gab ihm der Angeklagte S. jedoch die Hose wieder. Die Angeklagten H. und S. gingen sodann wieder zum Pkw und fuhren mit dem Angeklagten B. nach N. zurück.
8
Das Landgericht hat auf der Grundlage der Einlassungen der Angeklagten sowie der Angaben des Zeugen L. hinsichtlich des Tatplanes der Angeklagten angenommen, dass diese dem Geschädigten einen "Denkzettel verpassen" und ihn einschüchtern wollten, um zu erreichen, dass er den gegenüber dem Angeklagten S. aus dem Drogengeschäft geschuldeten Geldbetrag zu einem späteren Zeitpunkt entrichtet. Der Angeklagte S. habe nicht die Absicht verfolgt, das ausstehende Geld im Rahmen der Tat ganz oder teilweise einzutreiben. Hinsichtlich der durch den Angeklagten S. während der Fahrt weggenommenen 50 € sei dieser davon ausgegangen, dass ihm dieser Betrag aus dem Betäubungsmittelgeschäft zugestanden habe. Aufgrund des vergangenen Zeitablaufs und des Sichentziehens des Zeugen sei es lebensnah, dass der Angeklagte S. die Vorstellung gehabt habe, die Wegnahme des Geldes sei nicht rechtswidrig.
9
2. Diese Beweiswürdigung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
10
a) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung dessen ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Rechtsfehlerhaft ist auch, wenn der Tatrichter es versäumt, sich im Urteil mit anderen naheliegenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen und dadurch über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 1993 - 1 StR 450/93, NStE Nr. 119 zu § 261 StPO; Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12 mwN). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters müssen zudem ausreichend mit Tatsachen abgesichert sein und dürfen sich nicht so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - 3 StR 259/09, NStZ-RR 2009, 351; KK-Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 45 mwN). Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft.
11
b) Dies gilt im Besonderen für die Feststellung des Landgerichts, die Angeklagten hätten nicht die Absicht verfolgt, die Forderung aus dem Betäubungsmittelgeschäft bereits im Rahmen der Tat ganz oder teilweise einzutreiben , sondern hätten diesem einen "Denkzettel" verpassen und ihn dazu bringen wollen, diese Geldschulden zu einem späteren Zeitpunkt zu begleichen. Insoweit hätte sich das Landgericht vor dem Hintergrund einer möglichen Strafbarkeit der Angeklagten nach § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB damit auseinandersetzen und erörtern müssen, ob die Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als sie den Zeugen L. auf der Straße ergriffen, fesselten und in den Pkw verbrach- ten, die Absicht hatten, den Zeugen unter Ausnutzung der offensichtlichen Sorge um sein Wohl zu erpressen oder zu berauben. Das Erfordernis einer derartigen Erörterung ergibt sich aus Folgendem: Die Einlassungen der Angeklagten B. und H. sind zu ihrer Absicht im Zeitpunkt der Begründung der Bemächtigungslage über den Zeugen L. unergiebig. Der Angeklagte S. hat insoweit lediglich angegeben, er "habe sich bei alledem nichts gedacht, er sei einfach betrunken gewesen und verärgert." Nach den - insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen liegt ein anderer als der festgestellte Tatplan ausgesprochen nahe. Maßgebend sind insoweit hier die Vorgeschichte und der Anlass der Tat sowie das vor diesem Hintergrund zu beurteilende Vorgehen der Angeklagten. Danach war der Geschädigte dem Angeklagten S. seit längerem die Bezahlung von erhaltenen Betäubungsmitteln schuldig; die Angeklagten S. und H. bemächtigten sich mit von Anfang an zielgerichteten, verbal entsprechend begleiteten Handlungen des Geschädigten und misshandelten diesen während der Fahrt in die Niederlande nach Ansprache seines Zahlungsverhaltens körperlich; noch während der Fahrt nahm der Angeklagte S. dem gefesselten Geschädigten sodann Geld Weg und zwang diesen zusammen mit dem Angeklagten H. nach dem Ende der Fahrt in den Niederlanden schließlich, sein Mobiltelefon und andere Gegenstände herauszugeben.
12
c) Die Erörterung eines zum Zeitpunkt der Begründung der Bemächtigungslage über den Geschädigten L. bestehenden, möglicherweise zur Strafbarkeit nach § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB führenden Tatplanes der Angeklagten war nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht die Absicht einer rechtswidrigen Zueignung des Angeklagten S. abgelehnt hat, als dieser dem Geschädigten 50 € wegnahm; denn die dieser Annahme zugrundeliegen- de Beweiswürdigung ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Die insoweit maßgebliche Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte S. sei bei dieser Wegnahme davon ausgegangen, "dass ihm diese aus dem Betäubungsmittelgeschäft mit dem Zeugen zustünden", beruht nicht auf einer rechtlich tragfähigen Grundlage, sondern stellt eine reine Vermutung dar. Eine derartige Vorstellung hat der Angeklagte S. selbst nicht behauptet, sondern hat sich insoweit dahin eingelassen, er habe mit der Wegnahme des Geldes dafür sorgen wollen , dass der Zeuge "nicht so schnell und einfach wieder nach Hause käme". Die nicht näher begründete Wertung des Landgerichts, "aufgrund des vergangenen Zeitablaufs und des Sichentziehens des Zeugen" sei "es auch lebensnah , dass der Angeklagte S. die Vorstellung hatte, die Wegnahme des Geldes sei nicht rechtswidrig", ist nicht schlüssig und vermag daher die entsprechende Feststellung des Landgerichts nicht zu begründen. Eine andere rechtlich tragfähige Beweisgrundlage für die festgestellte Vorstellung des Angeklagten S. , die den vom Landgericht angenommenen Tatbestandsirrtum dieses Angeklagten im Sinne von § 16 StGB tragen könnte, kann den Urteilsgründen auch im Übrigen nicht entnommen werden.
13
3. Wegen der aufgezeigten, die Schuldsprüche gegen alle Angeklagten betreffenden und für diese vorteilhaften Rechtsfehler kann das Urteil insgesamt nicht bestehen bleiben. Die Sache bedarf daher in vollem Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es auf die weiteren von der Revision erhobenen Beanstandungen ankommt. Dies gilt auch für die Rüge der Beschwerdeführerin , das Landgericht hätte auch mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB erörtern müssen, ob die Angeklagten die durch die Bemächtigung des Zeugen L. begründete Lage zu einer Erpressung oder einem Raub ausnutzten.
14
4. Die Überprüfung des Urteils auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat demgegenüber keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 301 StPO).
Schäfer Pfister Hubert
Mayer Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 177/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 1. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das von dem Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. In der unverändert zugelassenen Anklage ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am frühen Morgen des 27. Juli 2011 den Geschädigten E. P. bei einer tätlichen Auseinandersetzung in der Wohnung der Zeugin S. absichtlich durch einen Messerstich in die Brust getötet und sich dadurch des Totschlags schuldig gemacht zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen hielten sich der Geschädigte P. , die Zeugin S. und der Angeklagte am frühen Morgen des Tattages gemein- sam in der Wohnung der Zeugin S. auf. Ab 3.30 Uhr kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten zu einem Streit, an dem sich möglicherweise auch die Zeugin S. beteiligte. Noch vor 4.40 Uhr schlug dieser Streit in eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und P. um. Möglicherweise mischte sich die Zeugin S. auch hier wieder in das Geschehen ein. Auf wessen Seite und wie weit ihre Beteiligung dabei ging, blieb „unklar“ (UA 7).Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurden dem Geschädigten neben einer Verletzung des Kehlkopfes und einer Schnittwunde am Kinn zwei Stiche mit einem Küchenmesser beigebracht. Ein Stich erfolgte in den Rücken und war für sich allein nicht tödlich. Der andere traf ihn von vorne ins Herz.
4
Wer welchen Stich setzte und in welcher Reihenfolge die Stiche und die übrigen Verletzungen beigebracht wurden, konnte nicht geklärt werden. Es steht jedoch fest, dass der Angeklagte einen von beiden Stichen gesetzt hat. Dabei ist das Landgericht in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen , dass es sich hierbei um den für sich allein nicht tödlichen Stich in den Rücken gehandelt hat. Dieser wurde durch den Angeklagten „wohl in liegender Position unter P. gesetzt“, nachdem er in dieser Lage das Küchenmesser erstmals zu fassen bekam (UA 8). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte in diesem Moment „begründeten Anlass für dieAnnahme hatte“, P. wolle ihn töten und sich ausweglos in die Enge gedrängt sah.
5
Nach der Rückenverletzung gelang es dem Angeklagten zumindest kurzfristig , die Oberhand zu gewinnen und P. im Flur auf dem Rücken liegend am Boden zu fixieren. Um 4.40 Uhr verließ der schwer verletzte Geschädigte die Wohnung. Nach einer Wegstrecke von ca. 70 Metern brach er zusammen und verstarb noch vor 5.00 Uhr an den Folgen des Herzstichs.
6
3. Das Landgericht hat sich aufgrund der Spurenlage und der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass dem Geschädigten beide Messerstiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden (UA 13). Seine Überzeugung, dass zumindest einer dieser Stiche von dem in der Hauptverhandlung jede Tatbeteiligung abstreitenden Angeklagten gesetzt worden ist, hat es aus einer Einlassung des Angeklagten vom 27. Juli 2011 gegenüber dem Polizeibeamten A. hergeleitet. Dort hatte der Angeklagte über eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten berichtet und angegeben, er habe in der Küche ein Messer zu fassen bekommen und damit einmal auf den Geschädigten eingestochen (UA 21). Die in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten demonstrierte und von dem Polizeibeamten A. in der Hauptverhandlung nachgestellte Stichbewegung sei mit einem Stich in den Rücken eines direkt gegenüberstehenden Kontrahenten vereinbar (UA 22). Dass der Angeklagte ein zweites Mal zugestochen hat, vermochte das Landgericht nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, weil der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten A. nur einen Stich geschildert habe und das übrige Beweisergebnis einen zweiten Stich des Angeklagten nicht belege (UA 29). Die Zeugin S. habe keine verlässlichen Angaben zum Tatgeschehen gemacht und sei bemüht gewesen, ihr Wissen zu verbergen (UA 37). Das Spurenbild lasse keine sicheren Schlüsse zur zeitlichen Reihenfolge der Stiche und zur Körperposition der Beteiligten zu. Aus der Lage der Stichverletzungen (Brustvorderseite und Brustrückseite) sei zu schließen, dass die ursächlichen Stiche „nicht aus der zeitlich punktuell selben Kampfsituation heraus“ beigebracht wurden. Wären sie von derselben Person gesetzt worden, „hätte diese Person zwischen den Stichen wohl ihre relative Position zu seinem Gegenüber eher verändert. Gleichermaßen könnte allerdings auch ein Dritter, sei es die Zeugin S. , sei es der Angeklagte zu dem Geschehen nach dem ersten Stich durch den jeweils anderen hinzugetreten sein“ (UA 39). Ein gewis- ser Hinweis darauf, dass beide Stiche von derselben Person stammen könnten, ergebe sich allerdings daraus, dass ein aufgefundenes Küchenmesser mit Blutanhaftungen zu beiden Einstichen von der Größe her passe und ein weiteres Messer mit Blutanhaftungen nicht gefunden worden sei (UA 40).
7
Hinsichtlich des festgestellten Stichs in den Rücken hat das Landgericht eine durch einen rechtswidrigen Angriff des Geschädigten eingetretene und die Stichführung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr „rechtfertigende Bedrängnis“ des Angeklagten nicht auszuschließen vermocht. Der Angeklagte habe ge- genüber der Polizei am Tattag in mehreren Varianten über einen Angriff des Geschädigten berichtet (UA 52 ff.). Dem wegen eines Tötungsdelikts vorbestraften P. seien derartige Angriffe nicht wesensfremd gewesen. Der Umstand , dass der Angeklagte von sich aus die Polizei verständigen wollte, spreche dafür, dass er sich im Recht fühlte (UA 55). Aus der Tatsache, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr auf eine Notwehrlage berufen habe, könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, weil es der Fall sein könne, dass er sich von einem völligen Bestreiten der Tat eine bessere Verteidigungsposition erhofft habe (UA 56). Dass der Stich in den Rücken erfolgt ist, schließe die Annahme einer Notwehrsituation nicht aus, da ein solcher Stich nicht notwendig auch „hinterrücks“ und damit ohne Androhung erfolgt sein müsse (UA 58).

II.


8
Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten Tatsachen nicht unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat oder über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen ist (BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt es auch, ob überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 191/11; Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 11; Urteil vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Hieran gemessen unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Zurechnung des zweiten Stichs für nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar gehalten hat, lassen besorgen, dass es bei der richterlichen Überzeugungsbildung von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Auch wurde das vorhandene Beweismaterial nicht erschöpfend gewürdigt.
11
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteil vom 1. September 1993 – 2 StR 361/93, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22; vgl. Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243; Beschluss vom 8. September 1989 – 2 StR 392/89, BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1).
12
Vor dem Hintergrund der durch objektive Beweismittel abgesicherten Feststellung, dass dem Geschädigten beide Stiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden, dort zur Tatzeit neben dem Angeklagten und dem Geschädigten nur noch die Zeugin S. anwesend war, und angesichts der weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Verdachtsmomente (tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten, im Ermittlungsverfahren eingeräumter Messereinsatz) konnte eine Zurechnung auch des zweiten Stichs nur noch dann zweifelhaft sein, wenn eine Stichbeibringung durch die Zeugin S. als alternativer Geschehensverlauf nach den Umständen in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Das Landgericht hat es dafür ausreichen lassen, dass die Stichverletzungen auch von zwei Tätern gesetzt worden sein können, die Zeugin S. unglaubhafte Angaben gemacht und der Angeklagte keinen eigenen zweiten Stich geschildert hat. Damit werden jedoch noch keine konkreten Umstände aufgezeigt, die für einen gegen den Geschädigten gerichteten Messerangriff der Zeugin S. sprechen könnten.
13
Hinzu kommt, dass sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht mit den Einlassungen des Angeklagten auseinandergesetzt hat, die dieser im Ermittlungsverfahren zur Rolle der Zeugin S. bei der Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gemacht hat. So hat der Angeklagte noch am Tattag gegenüber dem Zeugen A. angegeben, die Zeugin habe versucht, ihn von dem Geschädigten wegzuziehen und sei deshalb von ihm geschlagen worden (UA 21). Gegenüber dem Polizeibeamten E. hat der Angeklagte ebenfalls noch am Tattag erklärt, dass die Zeugin S. gerufen habe, was sie da machen würden; sie habe an ihm gezerrt und er habe versucht, sie wegzustoßen. Dabei habe der Geschädigte weiter auf ihn eingeschlagen (UA 22). In diesem Zusammenhang berichtete der Angeklagte auch über eigene Wahrnehmungen zu der Herzstichverletzung, ohne einen Bezug zu dem Verhalten der Zeugin S. herzustellen. Stattdessen gab er auf Nachfrage an, dass es sein könne , „dass er das gewesen sei“ (UA 23). Beide Einlassungen enthalten keinen Hinweis auf einen Messerstich der Zeugin S. zum Nachteil des Geschädigten. Stattdessen legen sie nahe, dass die Zeugin lediglich schlichtend in die Auseinandersetzung eingegriffen hat. Hiermit stimmt überein, dass auch die (unbeteiligten) Zeugen Sa. und D. nur über einen lauten Streit zwischen zwei Männern berichtet haben.
14
Vor diesem Hintergrund ist zu besorgen, dass die Strafkammer verkannt hat, dass sie eine Einlassung des Angeklagten, für die es keine Anhaltspunkte gibt, nicht zu dessen Gunsten unterstellen muss, zumal der Angeklagte erst in der Hauptverhandlung von einer über Schlichtungsversuche hinausgehenden Beteiligung der Zeugin S. an dem Streit berichtet hat.
15
Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
3. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass der an seinem bisherigen Verteidigungsverhalten festhaltende Angeklagte für einen oder beide Messerstiche verantwortlich ist, wird er zu beachten haben, dass dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen darf, dass er die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, zum Vorliegen einer Notwehrsituation vorzutragen. Sollten insoweit keine sicheren Feststellungen getroffen werden können , sind allerdings auch hier Unterstellungen zugunsten des Angeklagten nur gerechtfertigt, wenn es dafür reale Anknüpfungspunkte gibt (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 259/09
vom
14. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juli
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 8. September 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte unter II. 2. b) der Urteilsgründe wegen Betruges in 36 Fällen verurteilt worden ist;
b) im gesamten Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung und zur Festsetzung einer Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 37 Fällen und wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es ausgesprochen, dass drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
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1. Die Verurteilung wegen Betruges in 36 Fällen unter Fall II. 2. b) der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben.
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a) Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte im Internet über das Auktionshaus ebay in 56 Fällen jeweils eine Navigationsantenne Triplex der Volkswagen AG. Sämtliche Käufer erhielten gegen Zahlung des Kaufpreises die Antenne. 36 dieser Verkaufsfälle betrafen Navigationsantennen, die dem berechtigten Eigentümer durch Diebstahl oder Unterschlagung abhanden gekommen waren und an denen die Käufer kein Eigentum erwerben konnten, wobei der Angeklagte die unredliche Herkunft der Antennen kannte.
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b) Gegen die Beweiswürdigung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
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Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, von mehreren Bezugsquellen ständig Kraftfahrzeugteile der Marken Volkswagen und Audi aufgekauft und anschließend verkauft zu haben. Die Navigationsantennen habe er von Autoverwertungsbetrieben erworben.
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In der Hauptverhandlung konnte durch Zeugenaussagen festgestellt werden , dass der Angeklagte im Tatzeitraum von der Firma R. höchstens zehn Navigationsantennen Triplex gekauft hatte. Im Übrigen konnte nicht geklärt werden, von wem und unter welchen Umständen er die weiteren Antennen erworben hatte. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Angeklagte habe mindestens 36 Antennen unredlich erworben, weil sich aus Zeugenaussagen sowie sichergestellten Rechnungen und Quittungen ergebe, dass er bei den von ihm üblicherweise frequentierten Betrieben keine weiteren Antennen gekauft habe, entfernt sich so sehr von einer festen Tatsachengrundlage, dass sie letztlich eine bloße Vermutung ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 261 Rdn. 38). Der Angeklagte hatte nach seiner unwiderlegten Einlassung eine große Anzahl unterschiedlicher Bezugsquellen. Dass er bei seinem Handel mit Kraftfahrzeugteilen verschiedene Verkäufernamen und mehrere Girokonten unterschiedlicher Personen verwendete, lässt sich mit einer Verschleierung seines Handelgeschäftes gegenüber den Finanzbehörden erklären. Dasselbe gilt für die unvollständige Dokumentation seiner Verkaufsaktivitäten durch Rechnungen und Quittungen.
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2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zu den Schuldsprüchen im Fall II. 1. (Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz ) und im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe (Betrug durch den Verkauf eines entwendeten CD-Wechslers) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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3. Die Aufhebung der Verurteilung in den 36 Fällen des Betruges führt auch zur Aufhebung der für den in Rechtskraft erwachsenen Betrug verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Das Landgericht hat für diesen Betrug eine kurze Freiheitsstrafe von drei Monaten vor allem wegen des gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten und seiner erheblichen kriminellen Energie ausgesprochen. Dieser Begründung wird durch die Aufhebung der Verurteilung in den 36 Fällen des Betruges die Grundlage entzogen. Für den Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz hat das Landgericht keine Einzelstrafe festgesetzt. Dies hat der neue Tatrichter nachzuholen.
Becker Pfister von Lienen
Hubert Mayer

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.