Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2012 - 2 StR 605/11

bei uns veröffentlicht am18.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 605/11
vom
18. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juli 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug von drei Jahren und sechs Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, Totschlags, Unterschlagung und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Außerdem hat es angeordnet, dass drei Jahre und sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt vollstreckt werden sollen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der nach zunächst unbeschränkter Einlegung und Begründung des Rechtsmittels durch Schriftsatz vom 4. November 2011 erklärt hat, er beschränke die Revision auf die Verurteilung wegen Totschlags (Fall II.1. der Urteilsgründe) und nehme die beiden Maßregeln vom Rechtsmittelangriff aus. Die teilweise Zurücknahme der Revision ist unwirksam, soweit sie den Maßregelausspruch betrifft. Jedoch hat das Rechtsmittel nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang hinsichtlich der Anordnung des Vorwegvollzuges der Strafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Erfolg.

A.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte schon in der Schulzeit durch leichte Erregbarkeit aufgefallen. Seit dem 12. oder 13. Lebensjahr konsumierte er Haschisch und Alkohol. Im Jahre 1995 wurde er wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und begann in der Haft den Konsum von Kokain und Heroin. Nach weiteren leichten Straftaten versuchte er im Jahre 1999 einen schweren Raub zur Beschaffung von Geld für den Drogenerwerb, weshalb er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Eine Drogentherapie unter Zurückstellung der Vollstreckung eines Strafrests blieb ohne dauerhaften Erfolg. Im Jahre 2003 wurde der Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und es wurde wegen seiner Drogensucht, die eine Persönlichkeitsänderung zur Folge hatte, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Maßregel wurde alsbald für erledigt erklärt, weil ihr Vollzug nicht das erhoffte Ergebnis erzielte. Nach der Entlassung aus der Strafhaft beging der Angeklagte eine Reihe von Diebstählen zur Beschaffung von Geldmitteln zum Drogenerwerb. Ende des Jahres 2009 wurde der Angeklagte in das Methadonprogramm aufgenommen und es gelang ihm zunächst eine Stabilisierung seiner Lage. Jedoch wurde er im März 2010 mit dem Konsum von Heroin und Kokain rückfällig.
3
Zu dieser Zeit hielt sich der Angeklagte zeitweise bei dem Drogenkonsumenten F. in Z. auf und übernachtete in dessen Sozialwohnung. Er tötete F. am 27. oder 28. Mai 2010 aus einem unbekannten Beweggrund , wobei er ihm einen Bruch des Kehlkopfhorns, einen Rippenbruch und mindestens 14 Stichverletzungen in Brust und Rücken beibrachte (Fall II.1. der Urteilsgründe). Am 3. Juni 2010 hielt der Angeklagte sich in F. auf und drang in eine Gartenhütte ein, um dort Drogen konsumieren und übernachten zu können. Am Folgetag wurde er in der Mittagszeit von der Inhaberin Fa. angetroffen, die um Hilfe rief. Um nicht entdeckt und verfolgt zu werden, erwürgte der Angeklagte Fa. . Danach nahm er ihr Bargeld und eine Bankkarte weg (Fall II.2. der Urteilsgründe). Am 29. Juni 2010 hielt der Angeklagte sich in B. auf, wo er der Geschädigten M. die Handtasche wegnahm, um Geld für den Drogenerwerb zu erbeuten (Fall II.3. der Urteilsgründe).

B.

4
Die Revision ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs durch teilweise Zurücknahme vom Beschwerdeführer auf den Totschlag zum Nachteil von F. (Fall II.1. der Urteilsgründe) - sowie davon untrennbar - auf die Gesamtstrafe beschränkt worden. Das Rechtsmittel konnte aber nicht wirksam durch Teilrücknahme weiterhin so beschränkt werden, dass der Maßregelausspruch von dem Rechtsmittelangriff ausgenommen ist.
5
Eine Beschränkung der Revision nach § 344 Abs. 1 StPO ist nur zulässig , soweit die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil - tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen; für eine teilweise Zurücknahme des Rechtsmittels gilt nichts anderes. Weiter muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.; Urteil vom 2. März 1995 – 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59). Die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung eines Maßregelausspruchs ist deshalb unwirksam, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171 f.; Senat, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 2 StR 139/11, StV 2012, 72). Auch der Angriff auf einen Teil des Schuldspruchs führt zur Unwirksamkeit der Beschränkung hinsichtlich des Maßregelausspruchs, wenn diese Rechtsfolgenentscheidung auch an den Schuldspruch hinsichtlich des angefochtenen Teil der Verurteilung anknüpft.
6
So liegt es hier. Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregeln auch auf das Tötungsdelikt zum Nachteil des Geschädigten F. gestützt. Der Revisionsangriff gegen den wegen dieser Tat ergangenen Schuldspruch erfaßt daher auch den Maßregelausspruch; denn es ist nicht auszuschließen, dass dieser ohne Berücksichtigung der Symptomtat vom 27./28. Mai 2010 anders ausgefallen wäre.

C.

7
I. Die Revision ist unbegründet, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1. der Urteilsgründe des Landgerichts betrifft.
8
1. Insoweit ist der Schuldspruch wegen Totschlags rechtsfehlerfrei begründet worden, weil sich das Landgericht ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche aufgrund einer Gesamtschau von Indizien, unter anderem dem Auffinden des Rucksacks mit Reisepass und Methadonbezugskarte des Getöteten im Gepäck des Angeklagten, den vom Angeklagten am Tatort hinterlassenen Blutspuren sowie der aufgezeichneten Telekommunikationsverbindungsdaten, von seiner Täterschaft überzeugt hat.
9
2. Auch der Strafausspruch wegen dieser Tat begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Obwohl das Landgericht den Anlass der Tat und das Motiv des Angeklagten für ihre Begehung nicht feststellen konnte, ist die Annahme, es habe kein Fall des § 213 (1. Alternative) StGB vorgelegen, mit Blick auf die Persönlichkeiten von Täter und Opfer sowie deren Lebenssituation rechtlich unbedenklich begründet worden.
10
II. Der Maßregelausspruch hält der Nachprüfung durch das Revisionsgericht im Wesentlichen stand.
11
1. a) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ist rechtsfehlerfrei.
12
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß aufweist.
13
bb) Es hat den weiterhin für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum im Übermaß und der Begehung der Anlasstaten für die Maßregelanordnung nur knapp begründet. Jedoch ergibt sich dieser Symptomzusammenhang zumindest aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit hinreichender Deutlichkeit.
14
Eine Tatbegehung durch den Angeklagten im akuten Rausch ist nicht festgestellt worden. Außer dem akuten Rausch während der Tatbegehung nennt das Gesetz aber auch die Alternative, dass die Tat in sonstiger Weise auf den Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß zurückgeht. Dabei muss ein Ursachenzusammenhang festgestellt werden, der etwa bei Geldbeschaffungsdelikten mit dem Folgeziel des Drogenerwerbs oder aber im sozialen Verfall des Täters infolge des Rauschmittelkonsums bestehen kann. Der Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum muss zudem nicht die alleinige Ursache der Begehung von Straftaten sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4StR 27/11). Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur des Täters schließt die Mitursächlichkeit des Hangs zum Rauschmittelkonsum für die Tatbegehung nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2002 - 5 StR 543/01, NStZ-RR 2002, 107). Allerdings muss die hangbedingte Tat zugleich wiederum Symptomcharakter für künftige weitere Straftaten besitzen, deren Prognose den materiellen Maßregelgrund bildet. Die Vor- und Anlasstaten der Maßregelentscheidung sind wichtige Indizien für die Prognosebeweiswürdigung. Sie lassen hier in der Gesamtschau einen Symptomzusammenhang zwischen dem Hang zum Drogenkonsum und der Kriminalität des Angeklagten erkennen. Die Tötung von F. erfolgte im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Drogenkonsum in der Wohnung des Opfers. Auch der Verdeckungsmord des Angeklagten zum Nachteil von Fa. wegen seiner Entdeckung in deren Gartenhütte, die er für seinen Drogenkonsum aufgesucht hatte, steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum. Früher bereits abgeurteilte Gewaltdelikte lassen in ähnli- cher Weise einen Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Kriminalität des Angeklagten erkennen.
15
cc) Rechtlich fehlerfrei hat das Landgericht zudem aus der von sozialem Verfall und zunehmend schwerer werdender Kriminalität bis hin zu den Tötungsverbrechen geprägten Biographie des Angeklagten auf die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten infolge seines Hanges zum Drogenkonsum geschlossen.
16
dd) Schließlich ist auch die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten der Maßregel im Sinne von § 64 Satz 2 StGB durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden.
17
Das Landgericht hat konkrete Erfolgsaussichten rechtsfehlerfrei aus der Therapiebereitschaft des Angeklagten und seinen früheren Versuchen, sich eigenständig von der Drogensucht zu lösen, begründet. Dass einzelne Therapieversuche im Zusammenhang mit früherer Straf- oder Maßregelvollstreckung nach § 64 StGB erfolglos geblieben sind, schließt einen künftigen Erfolg dann nicht aus.
18
b) Die Anordnung des Vorwegvollzuges von drei Jahren und sechs Monaten der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beruht aber auf rechtsfehlerhaften Überlegungen.
19
Das Landgericht hat angenommen, es könne im Fall des Angeklagten ausnahmsweise nicht von einer Strafrestaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung der Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe unter Anrechnung des Maßregelvollzuges ausgegangen werden. Eine solche Annahme lässt das Gesetz in § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 StGB jedoch nicht zu. Die dortige Anknüpfung an den Halbstrafenzeitpunkt ist zwingend (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 327/09, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 17; Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 67 Rn. 11a). Nur die Frage, ob das Gericht von der Möglichkeit der Anordnung des Vorwegvollzuges eines Teils der Strafe Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen.
20
Diese Ermessensentscheidung kann der Senat nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzen; daher ist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
21
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung ist wiederum ohne Rechtsfehler getroffen worden.
22
Die formellen Maßregelvoraussetzungen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a, Nr. 2 und 3 StGB liegen im Hinblick auf die Vorverurteilungen wegen Vergewaltigung , versuchten schweren Raubes und Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie im Hinblick auf die wiederholte Strafvollstreckung von mehr als einem Jahr Dauer vor. Gegen die weitere Annahme des sachverständig beratenen Landgerichts, dass der Angeklagte bei Gesamtwürdigung von Täter und Taten infolge eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit selbst bei besonders strenger Prüfung angesichts der Mehrzahl der bisherigen schweren Straftaten des Angeklagten, die gegen Leib und Leben der Geschädigten oder ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gerichtet waren und die das Gefahrenpotenzial für künftige Straftaten andeuten, gewahrt.
23
Zwar ist gemäß der nach § 31 BVerfGG bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts § 66 Abs. 1 StGB verfassungswidrig. Er gilt aber bis zur Neugestaltung des Maßregelrechts, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2010 – 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 404 ff.). Während der Dauer seiner Weitergeltung muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG handelt. Nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts darf die Regelung der Si- cherungsverwahrung nur aufgrund einer „strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ angewandt werden. Dies setzt eine eingehende Prognoseentscheidung über das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher Gewalt- oder Sexualdelikte ohne die Maßregel voraus (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, 107). Auch nach diesem Maßstab ist die Anordnung der Maßregel durch das Landgericht indes nicht zu beanstanden. Becker Fischer Appl Berger Eschelbach

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 504/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Juni 2009, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von insgesamt drei Jahren und neun Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es bestimmt, dass zwei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten , mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führt zu einer geänderten Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. Oktober 2009 verwiesen. Auch der auf § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) gestützte Ausspruch, dass ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen ist, hält als solcher sachlich -rechtlicher Nachprüfung stand.
3
2. Indessen kann die Entscheidung des Landgerichts über die Dauer des Vorwegvollzugs nicht bestehen bleiben.
4
a) Dass der Maßregelausspruch nach dem Willen des Beschwerdeführers vom Revisionsangriff ausgenommen sein soll, steht dem nicht entgegen. Ob die Beschränkung des Rechtsmittels die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe hier überhaupt erfasst (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 StR 374/07 Tz. 4 a.E.), kann letztlich dahinstehen ; denn die Beschränkung ist insgesamt unwirksam, weil der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift. In einem solchen Fall kann mit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der Unterbringung nach § 64 StGB verzichtet werden, da die Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung ist (BGH, Beschluss vom 26. August 2009 - 2 StR 302/09).
5
b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung über die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe zwar ausdrücklich der Gesetzeslage nach Neufassung des § 67 Abs. 2 StGB Rechnung tragen wollen. Aus dieser folgt jedoch, dass im vorliegenden Fall nicht zwei Jahre und neun Monate, sondern drei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Erst danach ist unter Berücksichtigung der im Fall des Beschwerdeführers für erforderlich gehaltenen Dauer der Therapie im Maßregelvollzug von zwei Jahren mit dann insgesamt fünf Jahren und neun Monaten die Hälfte der verhängten, sich auf elf Jahre sechs Monate belaufenden Freiheitsstrafe erledigt. Eine Kürzung der Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09).
6
c) Da die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt ist, dass im Fall des Angeklagten die Therapie voraussichtlich zwei Jahre dauern werde und es sich bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhenden Rechenvorgang handelt, kann der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst festlegen (Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - 4 StR 21/08 m.w.N.). Der Angeklagte ist durch diese nachträgliche Entscheidung unter keinen Umständen beschwert (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 105).
7
3. Eine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO war nicht veranlasst, weil das unbeschränkte Rechtsmittel des Angeklagten nur zu einer geringen Änderung des angefochtenen Urteils geführt hat.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 139/11
vom
22. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 10. Dezember 2010, soweit es ihn betrifft, im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten F. wird als unbegründet verworfen. 2. Die Revisionen der Angeklagten M. und R. werden als unbegründet verworfen. Von der Auferlegung der Kosten des Rechtsmittels auf den Angeklagten M. wird abgesehen. Der Angeklagte R. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten M. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen zugleich in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung eines früheren Urteils eine Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Es hat ferner den Angeklagten F. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neu Monaten verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von 500 Euro für verfallen erklärt. Schließlich hat es den Angeklagten R. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel der Angeklagten M. und R. sind insgesamt, die
2
Revision des Angeklagten F. ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 6. April 2011 Bezug genommen.
3
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten F. keinen Bestand haben. Das Landgericht hat dessen Drogenabhängigkeit festgestellt. Es hat aber versäumt, diesen Aspekt unter dem Blickwinkel eines minderschweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG beziehungsweise § 30 Abs. 2 BtMG oder unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit im Sinne von § 21 StGB sowie auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu erörtern. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass diese Prüfung eine dem Angeklagten günstigere Entscheidung im Straf- und Maßregelausspruch ergeben hätte. Der Angeklagte hat zwar mit Verteidigerschriftsatz vom 30. April 2011 er4 klärt, er nehme die Nichtanordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff aus. Diese Revisionsbeschränkung ist jedoch unwirksam, weil zugleich der Schuldspruch mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde angegriffen wurde, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann (BGH NStZ-RR 2010, 171 f.), ferner weil die Entscheidung über den Strafund den Maßregelausspruch untrennbar erscheint.
5
Nicht begründet ist die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages gegen den Angeklagten F. , da die Urteilsfeststellungen nur ergeben, dass dieser als Gegenleistung für seine Tatbeiträge zehn Gramm Amphetamin erhalten hat.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 543/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Raubes mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. März 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) gegen die Angeklagten J und M
C
jeweils im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen,
b) gegen den Angeklagten W im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe sowie mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
1. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten des (gemeinschaftlichen) Raubes mit Todesfolge für schuldig befunden und gegen die Angeklagten J und
M C jeweils zwölf Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten W acht Jahre Jugendstrafe verhängt; eine Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei allen Angeklagten unterblieben.
Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch, beim Angeklagten W auch zur Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Im übrigen haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1. Alle drei Angeklagten pflegen seit ihrer Jugend unkritischen, teils massiven Umgang mit Alkohol. Vor der in den Abendstunden begangenen Tat hatten sie alle tagsüber Alkohol konsumiert. Gemeinsam begaben sie sich in ein Obdachlosenheim, gingen gewalttätig gegen dortige Bewohner vor, entwendeten ihnen dabei auch Bier, das sie tranken, und raubten schließlich einem Obdachlosen die Barschaft in Höhe von 140 DM. Bevor sie den Tatort verließen, brachte mindestens einer von ihnen mit Billigung der anderen dem zuvor schon mißhandelten Opfer massive Tritte oder Schläge gegen den Kopf bei, an deren Folgen das Opfer später verstarb. Einen erheblichen Teil der Beute vertranken sie anschließend in einer Gaststätte.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen auf einer insgesamt noch ausreichend ausgeführten Beweiswürdigung. Danach gingen die Angeklagten einverständlich ohne nähere Absprache gemeinsam mit körperlicher Gewalt, die in wechselnder Abfolge und in unterschiedlicher Art, Intensität und Zielrichtung von jedem einzelnen eingesetzt, in Art und Ausmaß von den Mittätern nicht kontrolliert, aber wahrgenommen und insgesamt gebilligt wurde, gegen Insassen des Obdachlosenheimes vor; Gewalt und Drohungen setzten sie dabei auch zur Durchsetzung der Wegnahme von Geld und anderen Gegenständen aus der Habe ihrer Opfer ein. Das Landgericht hat die Verfolgung sachgerecht auf
den nach den Grundsätzen von BGHSt 38, 295 fraglos erfüllten Verbrechenstatbestand des gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge zum Nachteil des Obdachlosen beschränkt, der, wie insbesondere durch den Obduktionsbefund und durch das beobachtete Verletzungsbild unmittelbar nach der Tat hinreichend belegt ist, infolge der Gewalthandlungen verstorben ist. Dabei durfte den Angeklagten ihr gesamtes gewalttätiges Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat, auch zum Nachteil anderer Obdachloser, bei der Strafzumessung angelastet werden.
3. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch – bei dem Angeklagten W teilweise, bei den beiden anderen Angeklagten insgesamt – sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat lediglich bei dem Angeklagten W unbedenklich die Voraussetzungen des § 21 StGB wegen nicht ausgeschlossener erheblicher alkoholbedingter Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zugrundegelegt. Obgleich sich das Landgericht hierfür bei den beiden anderen Angeklagten nicht an ihren rechtsfehlerfrei als unzuverlässig gewerteten Trinkmengenangaben orientieren muûte, ist die – wenngleich im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen erfolgte – Ablehnung der Voraussetzungen für eine entsprechende Schuldminderung bei ihnen nicht tragfähig begründet.
Zumal vor dem Hintergrund ihrer festgestellten Trinkgewohnheiten und eines längeren nicht unerheblichen Alkoholkonsums vor Tatbegehung sowie unter Berücksichtigung aller festgestellten Tat- und Begleitumstände, die insgesamt eine starke alkoholbedingte Enthemmung aller Mittäter nahelegen , weisen die herangezogenen Elemente des Leistungsverhaltens der Angeklagten J und M C – die allerdings ausreichten, bei ihnen , nicht anders als bei dem Mitangeklagten W , einen Vollrausch auszuschlieûen – zu wenig Differenziertheit auf, um ein insoweit intaktes Hem-
mungsvermögen ausreichend belegen zu können. Das Erinnerungsvermögen ist angesichts der verhältnismäûig dürftigen von den Angeklagten angegebenen Umstände gleichermaûen wenig aussagestark. Bei dieser Sachlage war auch der Beobachtung und Beurteilung der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Angeklagten durch zwei Zeuginnen nach der Tat ± und damit möglicherweise nach gewisser aufgrund wahrgenommener Tatfolgen eingetretener Ernüchterung ± nicht zuzubilligen.
Es liegt freilich denkbar nahe, daû bei dem Angeklagten J C im Blick auf seine einschlägige Vorverurteilung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gekommen wäre. Gleichwohl läût sich jedenfalls nicht sicher ausschlieûen, daû der Tatrichter die Freiheitsstrafe auch gegen ihn bei Zugrundelegung erheblich verminderter Schuldfähigkeit geringer bemessen hätte.

b) Der Angeklagte W wird durch die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht beschwert.
Bei ihm begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhanges zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden Bedenken. Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur, die ihn an der von Gruppendynamik geprägten brutalen Tat zum Nachteil sozial noch Schwächerer mitwirken lieû, steht mit seinem systematischen Alkoholmiûbrauch ersichtlich in engem Zusammenhang , dieser ist für sein besonders kritikloses Verhalten ebenso offensichtlich gleichermaûen ursächlich (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1 und 2). Das Gewicht der von den dargestellten dissozialen Lebensumständen des Angeklagten geprägten schweren Tat indiziert eine spezifische Wiederholungsgefahr (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7). Wenn das Landgericht meinte, eine solche Gefahr unter Hinweis auf
einen “aus der Gruppensituation” folgenden “episodenhaften Charakter” der Tat verneinen zu können, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar.
Es läût sich nicht ausschlieûen, daû sich eine Maûregel der Unterbri ngung des Angeklagten W in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB i.V.m. § 105 Abs. 1, § 7 JGG auf die nach dem Erziehungsbedarf vorzunehmende Bemessung der gegen ihn zweifelsfrei zu verhängenden Jugendstrafe mildernd hätte auswirken können. Deren Höhe kann allein deshalb keinen Bestand haben. Insoweit bedarf es allerdings nicht der Aufhebung von Urteilsfeststellungen. Der neue Tatrichter hat die Höhe der Jugendstrafe auf der Grundlage der hierzu bisher getroffenen Feststellungen ± insbesondere auch zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit ± unter Berücksichtigung im Zusammenhang mit § 64 StGB gefundener neuer Erkenntnisse zu bemessen. Im übrigen kann er lediglich ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen ± möglicherweise auch zu Vorbelastungen des Angeklagten W ± treffen.

c) Auch bei dem Angeklagten M C wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu Vorbelastungen zu treffen haben, wenn auch er sie wegen Miûachtung der von ihnen ausgehenden Warnfunktion strafschärfend berücksichtigen will.
Bei ihm wie bei dem Angeklagten J C hat das Landgericht für die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB auf die rechtsfehlerhafte Begründung der Entscheidung bei dem Angeklagten W Bezug genommen. Auch insoweit ist der Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagten M und J C zu beanstanden.
Der neue Tatrichter wird daher bei allen Angeklagten mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StGB) die Voraussetzungen des § 64 StGB zu klären haben, bei den Angeklagten J und M C nach Klärung
der ± bei W feststehenden ± Voraussetzungen des § 21 StGB, deren es indes für eine solche Maûregel nicht einmal notwendig bedarf (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

5 StR 327/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. September 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. März 2009 werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen , dass der Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe bei dem Angeklagten N. entfällt, und bei dem Angeklagten H. die Vollziehung von zwei Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen schweren Raubes in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, den Angeklagten H. ferner wegen schweren Raubes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischer Erpressung schuldig gesprochen, gegen sie Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren bei N. und von acht Jahren bei H. verhängt sowie ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Es hat weiter angeordnet, dass die gegen den Angeklagten N. erkannte Freiheitsstrafe bis zu einer Dauer von einem Jahr und sechs Monaten und die gegen den Angeklagten H. erkannte Freiheitsstrafe bis zu einer Dauer von drei Jahren und sechs Monaten vor der jeweiligen Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vollzogen werden.
2
Die Revisionen der Angeklagten führen, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, jeweils mit der Sachrüge zu einer Änderung der Anordnung des Vorwegvollzugs; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Zu Recht beanstanden beide Beschwerdeführer, dass das Landgericht sich hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs der Maßregel (§§ 64, 67 Abs. 2 StGB) an der Möglichkeit einer Reststrafenaussetzung zum Zweidrittel -Zeitpunkt orientiert hat. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I S. 1327) soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB so zu bestimmen , dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB (n. F.), also eine Halbstrafenentlassung , möglich ist. Darauf, ob es naheliegend erscheint, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung treffen wird, kommt es nicht an (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 182).
4
Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, dass im Falle des Angeklagten N. die Anordnung des Vorwegvollzugs einer vom Landgericht festgestellten voraussichtlichen Therapiedauer von „mehr als einem Jahr“ entfallen kann, da nach Anrechnung der im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung bereits mehr als ein Jahr währenden Untersuchungshaft (vgl. BGH NStZ 2008, 213 f.) keine vorweg zu vollziehende Strafe mehr verbliebe. Der vom Angeklagten H. vorweg zu verbüßende Strafteil ist unter Berücksichtigung einer voraussichtlichen Therapiedauer von „mehr als einem Jahr, wahrscheinlich sogar bis zu zwei Jahren“ (UA S. 73) auf zwei Jahre festzulegen , auf die dann die bereits verbüßte Untersuchungshaft anzurechnen ist.
5
Da es sich hier bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhenden Rechenvorgang handelt, konnte der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst festlegen (vgl. BGH NStZ 2008, 213 f. und BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – 3 StR 69/08).
6
Eine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO war nicht veranlasst, weil die unbeschränkten Rechtsmittel der Angeklagten nur zu einer geringen Änderung des angefochtenen Urteils geführt haben.
Basdorf Raum Brause Schneider König

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.