Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2003 - 2 StR 486/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2. Juni 1999 wegen sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das angefochtene Urteil, das nach Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen ist, hat die Verurteilung durch das Landgericht Darmstadt aufrechterhalten. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte lernte Ende 1996 die Zeugin H.-P., das spätere Tatopfer kennen und bezog mit ihr im August 1997 eine gemeinsame Wohnung. Da sich das Zusammenleben aber nicht befriedigend gestaltete, trennte sich die Zeugin von ihm nach ca. drei bis vier Monaten und suchte sich eine eigene Wohnung. Der Angeklagte akzeptierte die Trennung nicht. Er verfolgte die Zeugin mit Anrufen , suchte sie in ihrer neuen Wohnung auf und drohte ihr, sie und ihre Tochter umzubringen. Er belästigte die Zeugin auch, wenn sie sich in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt. Dennoch verbrachte die Zeugin mit ihm im April/Mai 1998 einen Urlaub in der Türkei. Während sie anschließend für einige Monate ihr Heimatland Iran besuchte, befreundete sich der Angeklagte mit seiner jetzigen Lebensgefährtin, einer Niederländerin, bei der er auch den Juli 1998 verbrachte. Trotz dieser neuen Beziehung rief er die Schwester der Zeugin mehrfach an, um sich nach der Rückkehr der Zeugin zu erkundigen, und nach deren Rückkehr am 10. August 1998 auch diese selbst, um mit ihr zu reden und sich mit ihr zu verabreden. Am 24. August 1998 ließ er der Zeugin, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt, durch diese ausrichten, daß sie herunterkommen solle. Als sie daraufhin das Fenster der Wohnung öffnete und heraussah, beschimpfte er sie und drohte ihr, sie umzubringen , wenn sie nicht komme. Zwei Tage später suchte er die Wohnung der Zeugin auf und forderte sie auf, zu einem letzten Gespräch herunterzukommen. Um Aufsehen in der Nachbarschaft zu vermeiden, folgte die Zeugin der Aufforderung und setzte sich in das Auto des Angeklagten. Unvermittelt fuhr der Angeklagte los. Er drohte ihr, sie umzubringen, wenn sie nicht mit zu ihm nach Hause komme. In der von ihm gemeinsam mit dem Zeugen H. bewohnten Wohnung ging er mit der Zeugin in sein Zimmer, wo man sich zunächst unterhielt. Der Angeklagte drückte plötzlich die auf dem Bett des Angeklagten sitzende Zeugin nach hinten, hielt ihre Hände mit der linken Hand fest, zog ihr mit
Gewalt Leggings und Slip herunter und vollzog gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr. Als die Zeugin die Leggings danach wieder anziehen wollte, zerriß er diese, um sie am Weggehen zu hindern, auch nahm er der Zeugin die von ihr mitgebrachten 50,-- DM weg, um ihr kein Geld für die Heimfahrt zu lassen. Der Zeugin gelang jedoch die Flucht, als der Angeklagte ins Bad ging. Er folgte ihr noch, erreichte sie aber nicht mehr. Die Zeugin berichtete unmittelbar danach ihrer Schwester von dem Geschehenen, die ihr zur Anzeige riet. Da die Zeugin aber Angst vor dem Angeklagten hatte, ging sie erst fünf Tage später zur Polizei, als der Angeklagte sie weiterhin nicht in Ruhe ließ.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Nicht er, sondern die Zeugin habe die Trennung nicht akzeptiert und ihn des öfteren angerufen. So habe sie ihn auch am Tattag angerufen und sich mit ihm zum Essen verabredet. Während des Essens habe er ihr erklärt, daß er neu liiert und die Beziehung mit ihr beendet sei. Sie habe dies hingenommen und sei dann mit in seine Wohnung gegangen, um noch Kleidungsstücke aus seiner Wohnung zu holen. Dort sei es auf ihre Initiative zum einverständlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Sie sei dann noch eine Stunde geblieben und habe bei ihm übernachten wollen, was er abgelehnt habe. Sie sei dann gegen 19.00 Uhr gegangen. Er sei ihr nach 10 bis 15 Minuten gefolgt und habe sie an der S-Bahn stehen sehen. Sie habe ihn auch danach mehrfach angerufen und ihm erklärt, als er auf der Trennung beharrte, daß das Folgen haben werde.
Diese Einlassung hat das Landgericht insbesondere auf Grund der glaubhaften Aussage der Zeugin als widerlegt angesehen und das Geschehen als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet.
II.
1. Die Verfahrensrügen sind, soweit sie nicht unzulässig sind, jedenfalls unbegründet. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, daß das Landgericht sich in den Urteilsgründen nicht mit Tatsachen auseinandergesetzt habe, die es aufgrund eines Beweisantrags der Verteidigung als wahr unterstellt habe, was hier im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. erforderlich gewesen wäre.
Auch diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings war die Ablehnung des Beweisantrags nicht rechtsbedenkenfrei. Das Landgericht hatte die Beweisbehauptungen als wahr unterstellt und in der Beschlußbegründung weiter ausgeführt, daß davon abgesehen die behaupteten Tatsachen für die Entscheidung nicht von Bedeutung seien. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei einer erheblichen Tatsache in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aber aus. Die Angriffsrichtung der Rüge (vgl. auch BGH NStZ 1998, 636 f.) geht aber nicht auf den in der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags liegenden Verfahrensmangel, sondern sieht einen Verfahrensfehler in der fehlenden Auseinandersetzung des Urteils mit den als wahr unterstellten Tatsachen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. Dabei erscheint schon zweifelhaft, ob angesichts der Widersprüchlichkeit der Beschlußbegründung hier überhaupt von der Zusage einer Wahrunterstellung ausgegangen werden konnte. Jedenfalls liegt der von der Revision beanstandete Erörterungsmangel nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß es einer Auseinandersetzung mit den als wahr unter-
stellten Tatsachen in den Urteilsgründen nur dann bedarf, wenn sie sich angesichts der im übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweislage sich sonst als lückenhaft erwiese (BGH BGHR StPO § 244 Abs. 3). Ein solcher Fall war hier entgegen der Auffassung der Revision nicht gegeben, denn zur Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. brachten die von dem Zeugen K. zu bekundenden Tatsachen, soweit sie nicht diese Zeugin sondern deren Schwester betrafen, keine weitergehenden Erkenntnisse. Soweit sie eine allgemeine Warnung des Zeugen K. vor der ganzen Familie der Zeugin H.-P. einschließlich dieser Zeugin selbst zum Inhalt hatten, handelte es sich um eine durch keine Tatsachen belegte Meinungsäußerung.
2. Auch die Sachrüge ist unbegründet, insbesondere weist die Beweiswürdigung keine den Bestand des Urteils gefährdende Rechtsfehler auf. Zu erörtern ist auch hier nur folgendes:
Das Landgericht hat die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf die ausführlich gewürdigte Aussage der Zeugin H.-P. gestützt, die jedenfalls in Randbereichen von der Schwester der Zeugin bestätigt worden ist. Eine Beweissituation, in der Aussage gegen Aussage steht, lag daher nicht vor. Die Abweichungen in der Aussage der Zeugin vor der Kammer gegenüber ihren Angaben in der früheren Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt, teilweise auch vor der Polizei, die sämtlich nicht das Kerngeschehen betreffen, hat das Landgericht gesehen und erörtert. Seine Auffassung, daß es sich dabei zum Teil um nur scheinbare Abweichungen (Telefonat nach Iran, das die Zeugin auch nach den Angaben des Angeklagten von seiner Wohnung aus geführt hat), teilweise um Mißverständnisse in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt (Sprechanlage am Haus der Schwester) und teilweise um Erin-
nerungsfehler - Farbe des am Tattag getragenen Shirts, Tragen einer kleinen Handtasche oder Mitsichführen des Geldes lose in einer Tasche des Shirts, Begrüßung durch den Zeugen H. - gehandelt habe, ist nachvollziehbar. Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Landgerichts, daß die Abweichungen in den Aussagen der Zeugin nicht geeignet seien, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern, nicht zu beanstanden.
Frau Vors.RiinBGH Detter Bode Dr. Rissing-van Saan ist aufgrund Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift zu leisten. Detter Otten Roggenbuck
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Annotations
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.