Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2018 - 2 StR 408/17

bei uns veröffentlicht am21.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 408/17
vom
21. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210318U2STR408.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist erfolgreich und führt zur Aufhebung des Urteils.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte wurde am 19. Mai 2016 von Polizeibeamten in seinem Pkw angetroffen. Im Fahrzeug fanden die Beamten 5,04 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 4,32 Gramm Kokainhydrochlorid sowie 94,56 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11,44 Gramm THC, die der Angeklagte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Der Angeklagte trug – wie er es „immer“ tat – griffbereit an seinem Gürtel ein Messer mit einer fest- stehenden Klinge von 7,5 Zentimeter Länge. Die Waffe diente nach seiner Vorstellung dazu, sich und seine Drogengeschäfte zu sichern.
4
Am selben Tag lagerte der Angeklagte an verschiedenen Stellen im Schlaf- und Wohnzimmer seiner Wohnung sowie in dem von ihm genutzten Kellerraum diverse Betäubungsmittel in unterschiedlichen Mengen und Verpackungen , die er zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Insgesamt handelte es sich um 13,86 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 11,89 Gramm Kokainhydrochlorid, 1.353 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 197,32 Gramm Amphetaminbase, 3.178 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 390,28 Gramm THC, 1.857 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von 149,48 Gramm THC und 180 Ecstacy-Tabletten. Darüber hinaus befand sich im Wohnzimmer eine Dose mit 52,45 Gramm Amphetamin zum Eigengebrauch. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers, in dem der Angeklagte fünf Beutel Amphetamin lagerte, befand sich eine Kunststoffbox mit 19 Messern.
5
2. Das Landgericht ist „mangels anderer konkreter Anhaltspunkte“ zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel jeweils aus denselben Mengen stammten und vom Angeklagten bei demselben Dealer gleichzeitig zum Zweck der sukzessiven Weiterveräußerung erworben worden seien. Es hat daher nur eine Tat des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.

II.

6
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiswürdigung ist originäre Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Allein ihm obliegt es, die Ergebnisse der Hauptverhandlung festzustellen und abschließend zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein. Es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die Beweiswürdigung des Tatrichters selbst dann hinzunehmen, wenn eine anderweitige Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, juris Rn. 9; Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist , mit Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, BeckRS 2017, 104320; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420, 421 mwN). Eine Lücke in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn sich das Tatgericht mit tatsächlich vorhandenen Anhaltspunkten für nahe liegende andere Möglichkeiten nicht auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – 1 StR 385/16 mwN). Der vom Landgericht herangezogene Zweifelssatz greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein und besagt nicht, dass das Tatgericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. September 2016 – 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381 mwN).
8
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass die im Pkw, in der Wohnung und im Keller sichergestellten Drogen jeweils aus derselben Menge stammten und vom Angeklagten im Rahmen nur eines Ankaufsgeschäfts erworben worden, lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
9
Entgegen der Auffassung der Strafkammer lagen konkrete Anhaltspunkte vor, die gegen diese Annahme sprachen und der Erörterung bedurft hätten. So hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich um fünf verschiedene Arten Betäubungsmittel handelte, die an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Behältnissen und Mengen aufgefunden wurden. Dabei wiesen die räumlich und nach Verpackung getrennt aufbewahrten Mengen Amphetamin und Haschisch signifikant unterschiedliche Wirkstoffgehalte auf. Auch die Wirkstoffgehalte des aufgefundenen Marihuanas differierten voneinander, wenn auch nur geringfügig. Lediglich das im Fahrzeug aufgefundene Kokain und eine der drei im Kellerraum aufgefundenen Haschischplatten entsprachen im Wirkstoffgehalt dem in der Wohnung sichergestellten Kokain bzw. Haschisch. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei Berücksichtigung dieser Umstände zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die Betäubungsmittel aus mindestens zwei unterschiedlichen Erwerbsvorgängen stammen.
10
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet im Übrigen allein der Umstand, dass der Angeklagte aus mehreren selbständigen Einkäufen stammende Betäubungsmittel zeitgleich bei sich gelagert hat, keine Bewertungseinheit und wäre nicht geeignet, die selbständigen Taten des Handeltreibens zu Tateinheit zu verklammern (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2012 – 2 StR 277/12, NStZ 2013, 48; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 316 mwN). Da nach den Feststellungen die Grenze zur nicht geringen Menge im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG nicht erst durch eine Zusammenfassung der Betäubungsmittelmengen, sondern bereits bei mehreren der sichergestellten Einzelmengen jeweils um ein Vielfaches überschritten war, hat sich die rechtsfehlerhafte Annahme (nur) einer Tat nur zugunsten und nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.
11
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
a) Sollte sich dem neuen Tatrichter der Sachverhalt zur objektiven Tatseite in seinen wesentlichen Elementen ebenso darstellen, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, und er dazu gelangen, dass mehrere selbständige Taten des unerlaubten Handeltreibens vorliegen, wird er für die Frage der Anwendung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auf weitere Fälle im Hinblick auf die zutreffenden Erwägungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts insbesonde- re zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte den Dolch „immer“trug, es sich bei den 19 im Schlafzimmer aufbewahrten Messern des Angeklagten nur zum Teil um Wurfmesser handelten und sich am „Walther-Einhandmesser“ Betäubungsmittelanhaftungen befanden.
13
b) Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Tatbestandsvariante des Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) um einen Auffangtatbestand handelt, der nur zur Anwendung kommt, wenn andere Begehungsweisen nicht nachgewiesen werden können (BGH, Beschluss vom 6. September 1988 – 1 StR 466/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 3), wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte bezüglich der von ihm zum Eigenkonsum gekauften Betäubungsmittel wegen Erwerbs gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht hat.
14
c) Im Rahmen der neu zu treffenden Einziehungsentscheidung wird zu beachten sein, dass nach ständiger Rechtsprechung einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden müssen, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1991 – 1 StR 719/91, BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand

2).

15
5. Einen durchgreifenden Rechtsfehler, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht (§ 301 StPO). Soweit die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen und von einem Strafrahmen von einem Jahr bis fünfzehn Jahren ausgegangen ist, entspricht dies zwar nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – 3 StR349/02, NJW 2003, 1679, 1680; Beschluss vom 1. April 2009 – 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Im Hinblick auf die von der Strafkammer angestellten Strafzumessungserwägungen schließt der Senat aber aus, dass diese auf eine niedri- gere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie von einer Strafobergrenze von zehn statt fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre.
Schäfer RiBGH Dr. Eschelbach Zeng befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer Grube Schmidt

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 33 Einziehung


Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 360/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer Brandstiftung
ECLI:DE:BGH:2017:120117U1STR360.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 10. Januar 2017 in der Sitzung am 12. Januar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 10. Januar 2017 – als Verteidiger des Angeklagten S. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 10. Januar 2017 – als Verteidiger des Angeklagten A. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 7. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es nicht mehr an.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte S. erwarb im Jahr 2002 das spätere Brandobjekt, ein in H. gelegenes Wohnhaus mit Nebengebäuden, zum Kaufpreis von 70.000 Euro zu Alleineigentum und lebte dort zuletzt gemeinsam mit seiner Ehefrau und drei volljährigen Kindern. Abgesehen von dem Einbau einer neuen Heizungsanlage im Jahr 2007 nahm er seit dem Erwerb keinerlei Renovierungsarbeiten vor. Im Oktober 2014 wurde ihm ein Renovierungsdarlehen in Höhe von 80.000 Euro gewährt, über welches er vor dem Tatgeschehen am 30. Dezember 2014 bereits in Höhe von 45.000 Euro durch Barabhebungen verfügte, ohne jedoch Sanierungsarbeiten am Wohnhaus zu finanzieren. Unmittelbar vor dem Tatgeschehen befand sich das Wohnhaus in einem maroden und stark renovierungsbedürftigen Zustand. Es war mit einfachverglasten Holzfenstern ausgestattet. Weder die Außenwände noch das Dach waren isoliert. Im Keller waren tragende Dachbalken an mehreren Stellen mit Holzverstrebungen abgestützt. Die dort befindlichen Heizöltanks waren fast ganz leer.
4
Für das Haustürschloss existierten zwei Schlüssel; einen hatte die Ehefrau des Angeklagten S. stets bei sich. Den zweiten Schlüssel nutzten die übrigen Familienmitglieder im Wechsel.
5
Am Nachmittag des 29. Dezember 2014 hielten sich der Angeklagte S. und sein Bruder, der Angeklagte A. , als letzte aus der Familie am späteren Brandobjekt auf. Die übrigen Familienmitglieder waren bereits zu Feierlichkeiten im etwa 60 Kilometer entfernten St. aufgebrochen. Beiden Angeklagten war bekannt, dass sämtliche Familienmitglieder dort auch übernachten wollten. Diesen Umstand wollten sie bewusst ausnutzen, um das Wohnhaus unter Ausschluss einer Gefährdung für die Bewohner anzuzünden, auf diese Weise zu zerstören und im Anschluss daran den entstandenen Schaden unrechtmäßig gegenüber der Versicherung geltend zu machen.
6
Während sich der Angeklagte S. vom 29. auf den 30. Dezember 2014 gemeinsam mit seiner Familie in St. aufhielt, verließ der Angeklagte A. die dortigen Feierlichkeiten bereits gegen 23.00 Uhr und traf gegen 23.50 Uhr an seinem Wohnort in W. – etwa sechs Kilometer von H. entfernt – ein. Gegen 1.15 Uhr setzte der Angeklagte A. – entsprechend dem zuvor mit seinem Bruder gemeinsam gefassten Tatplan – das Wohnhaus des Bruders mit Benzin in Brand, wodurch dieses vollständig ausbrannte. In das Haus gelangte er mit einem Haustürschlüssel, welcher ihm vom Angeklagten S. am 29. Dezember 2014 zu diesem Zweck übergeben und der später im Flur des Wohnhauses im Brandschutt aufgefunden wurde. Noch am 30. Dezember 2014 meldete der Angeklagte S. – ebenfalls dem gemeinsamen Tatplan entsprechend – den entstandenen Schaden der Versicherung, bei welcher seit dem 1. Februar 2010 eine Versicherung zum gleitenden Neuwert mit einer Versicherungssumme von 410.000 Euro bestand. Bis dahin war das Wohngebäude noch zum jeweiligen Zeitwert versichert. Zu einer Auszahlung der Versicherungsleistungen kam es in der Folge nicht.
7
2. Die Strafkammer stützt die Tatbeteiligung des die Tat bestreitenden und in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten A. maßgeblich darauf, dass er den Brand vorsätzlich unter Verwendung von Benzin als Brandbeschleuniger im wirtschaftlichen Interesse seines Bruders S. gelegt habe. Sie schließe eine Brandlegung durch außenstehende Dritte – etwa aus einer fremdenfeindlichen Motivation heraus – aufgrund der Tatortspuren aus. Das unmittelbare Anzünden des Tatobjekts könne ausschließlich durch den Angeklagten A. erfolgt sein, der den Schlüssel zum Betreten des Hauses von dem Angeklagten S. vor Tatbegehung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Auswertung der Mobilfunkverbindungsdaten des vom Angeklagten A. genutzten Handys habe ergeben, dass er sich am 29. Dezember 2014 um 23.50 Uhr an seinem Wohnort in W. aufgehalten habe, so dass es ihm zeitlich möglich gewesen sei, den Brand am etwa sechs Kilometer entfernten Tatort zu legen.
8
Für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten A. sei es nicht von Bedeutung gewesen, dass bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 26. Februar 2015 ein Bargeldbetrag von 12.000 Euro aufgefunden worden sei. Gleiches gelte für zwei anonyme, an die Ermittlungsbehörden gerichtete Schreiben vom 5. Januar 2015, in denen der Verdacht geäußert worden sei, die Familie des Angeklagten S. und der Angeklagte A. hätten den Brand „organisiert“ und das Feuer gelegt, um auf diese Weise Ver- sicherungsleistungen zu erlangen. Auch etwaige weitere mögliche strafbare Handlungen des Angeklagten A. , u.a. der Verdacht einer Brandlegung in seiner eigenen Wohnung im Jahr 2003 seien unberücksichtigt geblieben.

II.


9
Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es sich von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt hat, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
10
1. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts, das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteile vom 30.März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238 und vom 1. Juli 2008 – 1StR 654/07). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lü- cken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN). Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14).
11
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten A. ist nicht tragfähig begründet, so dass die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen sich als bloße Vermutungen erweisen (dazu unten a). Dieser Rechtsfehler lässt auch die Grundlage für die Verurteilung des Angeklagten S. als Mittäter entfallen (dazu unten b).
12
a) Die vom Landgericht in seine Gesamtwürdigung einbezogenen Beweistatsachen genügen nicht, um eine Täterschaft des Angeklagten A. bei der unmittelbaren Brandlegung tragfähig zu begründen. Die Strafkammer zeigt lediglich auf, dass er die Möglichkeit zur Tatausführung gehabt habe, weil er in Besitz des Haustürschlüssels durch dessen Überlassung seitens des Angeklagten S. vor Tatbegehung gekommen sein kann und die Tat aufgrund seiner Nähe zum Tatort in zeitlicher Hinsicht begangen haben kann.
13
aa) Der Umstand, dass dieser Schlüssel nach dem Brand im Brandschutt des Wohnhauses aufgefunden wurde, besagt zur Täterschaft des Angeklagten A. jedoch nichts. Das Landgericht trifft insoweit auch keine Feststellungen dazu, dass der Angeklagte S. nach der Tat nicht (mehr) im Besitz eines Haustürschlüssels gewesen ist.
14
bb) Die Möglichkeit des Angeklagten A. , zum Tatzeitpunkt am Tatort gewesen zu sein, reicht allein zu dessen Überführung nicht aus. Die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte könnte sein Handy, das zuletzt an seinem Wohnort in W. und nicht am Tatort eingebucht war, nicht zum Tatort mitgenommen oder ausgeschaltet haben, belegt seine Anwesenheit am Tatort nicht. Die Begründung des Landgerichts, dass dieser Umstand seiner Täterschaft nicht entgegenstehe, weil der Angeklagte sich „unter Berücksichti- gung des gesamten Tatbildes, das eine detaillierte Planung der Tat“ (UA S. 26) belege, über die Möglichkeit der Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten bewusst gewesen sei und deshalb Vorkehrungen getroffen habe, ist jedenfalls kreisschlüssig. Die nachzuweisende Tatbeteiligung des Angeklagten A. wird daraus hergeleitet, dass er die Tat mit dem Angeklagten S. detailliert geplant habe und deshalb sein Handy nicht am Tatort eingeloggt war. Die zu beweisende Tatsache, nämlich die detaillierte Tatplanung der Täter, wird insoweit zum Tatnachweis der Täterschaft des Angeklagten A. vorausgesetzt.
15
cc) Das Landgericht begründet des Weiteren nicht, warum ausschließlich der Angeklagte A. als Tatausführender in Betracht kommt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte S. in der Tatnacht gegen 2.00 Uhr von seinem Schwager angerufen worden, der ihm vom Brand des Wohnhauses berichtet habe. Es stellt angesichts der vorliegenden Beweislage einen Erörterungsmangel dar, weshalb der Schwager des Angeklagten S. trotz zeitnaher Kenntnis vom Brandgeschehen als Täter ausscheidet.
16
dd) Die übrigen Beweistatsachen, die sich aus den wirtschaftlichen Interessen des Angeklagten S. an der Brandlegung herleiten, betreffen den Angeklagten A. nicht unmittelbar; sie sind daher ohne weitere Beweisanzeichen nicht dazu geeignet, den Angeklagten A. als unmittelbaren Täter der Inbrandsetzung zu überführen.
17
b) Die Verurteilung des Angeklagten S. ist – obwohl gewichtige Umstände für seine Tatbeteiligung sprechen – bereits deswegen aufzuheben , weil seine Mittäterschaft im Rahmen der Beweiswürdigung untrennbar aus dem Zusammenwirken mit dem Angeklagten A. hergeleitet wird, dessen Täterschaft indes nicht rechtsfehlerfrei begründet wurde.
18
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Jäger Bellay Cirener Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2. März 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei früheren Urteilen und Auflösung dort gebildeter Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte suchte am Morgen des 6. Mai 2009 einen Autohandel in Duisburg auf, um dessen Inhaber T. unter Verwendung eines Elektroschockgeräts zu berauben. Während vermeintlicher Verkaufsverhandlungen ging der Angeklagte auf den halb abgewandt stehenden T. zu und führte das eingeschaltete Elektroschockgerät in dessen Richtung. Da der Angegriffene sich wehrte, versetzte ihm der Angeklagte im Rahmen eines Kampfes schließlich Kniestöße ins Gesicht, die zu Frakturen des Nasenbeins sowie der Nasenhöhle führten und den Geschädigten kampfunfähig machten. Der Angeklagte entnahm sodann aus dessen Hosentaschen 3.600 €. Zudem nahm er die Jacke des Opfers an sich, in der sich ein Portemonnaie mit Bargeld befand.
4
Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Zu seiner Täterschaft hat das Landgericht im Urteil ausgeführt, dass diese sich aus den DNA-Spuren ergebe, die an der Nylonschlaufe und der Batterie des vom Täter mitgebrachten Elektroschockgeräts sowie an einem vom Täter berührten Autoschlüssel festgestellt worden seien. Nach näherer Darstellung der jeweils acht untersuchten Merkmalsysteme hat die Strafkammer den Schluss gezogen, dass der Angeklagte der Spurenverursacher gewesen sei, da das für ihn bestimmte DNA-Identifizierungsmuster statistisch unter mehr als zehn Milliarden Personen kein zweites Mal vorkomme.
5
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gestützt hat.
6
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen (vgl. hinsichtlich Fingerabdrücken bereits BGH, Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52, juris Rn. 4 ff.; zu Schriftsachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NJW 1982, 2882, 2883). Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147 mwN; vom 26. Juli 1990 - 4 StR 301/90, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 3 mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325). Nach diesen Prüfungsmaßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
7
1. Die hier festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen des Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen in den acht untersuchten Systemen bietet angesichts der statistischen Häufigkeit des beim Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts.
8
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324: Wahrscheinlichkeit von 1 : 6.937 reicht allein zum Nachweis der Täterschaft nicht aus; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159: Seltenheitswert im Millionenbereich, im konkreten Fall 1 : 256 Billiarden, kann ausreichen; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 155/92, NJW 1994, 1348, 1349).
9
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden - oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VI ZR 132/10, juris Rn. 8; Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN). Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch - ihm selbst überlassen (vgl. allgemein zur Bewertung des Beweiswerts einer DNA-Analyse durch das Tatgericht BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92, NJW 1996, 771, 773 mwN; weitergehend zum Beweiswert BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a., BVerfGE 103, 21, 32). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
10
Dem stehen die Urteile des 5. Strafsenats vom 21. August 1990 (5 StR 145/90, BGHSt 37, 157, 159) und 12. August 1992 (5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 322 ff.) nicht entgegen. Zum einen gingen die Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der (damals lediglich drei) untersuchten Merkmale und des Stands der Untersuchungsabläufe von anderen Grundlagen aus. Zum anderen ist ihnen kein allgemeiner Rechtssatz zu entnehmen, dass das Ergebnis einer DNA-Analyse niemals allein zur Überzeugungsbildung von der Täterschaft ausreichen könne. Vielmehr weisen die Urteile darauf hin, dass einem Analyseergebnis kein unumstößlicher Beweiswert zukomme, der eine Gesamtschau der gegebenenfalls weiter vorhandenen be- und entlastenden Indizien entbehrlich mache. Dass dem Tatgericht generell versagt ist, dem als bedeutsames Indiz zu wertenden Untersuchungsergebnis die maßgebliche oder alleinige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung beizumessen, ergibt sich daraus nicht. Hiervon ist auch der Senat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21) nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Anschluss an die vorgenannte Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Ergebnis eines DNAVergleichsgutachtens lediglich ein Indiz darstelle, das jedoch hinsichtlich der Spurenverursachung keinen zwingenden Schluss erlaube. Dies allein hindert indes das Tatgericht nicht, aus dem Ergebnis einen möglichen Schluss auf die Spurenverursachung und die Täterschaft zu ziehen.
11
2. Das Landgericht hat die Grundlagen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit in einer Weise dargelegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibilität ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21 mwN). Dazu sind in den Urteilsgründen tabellarisch die acht untersuchten Merkmalsysteme und die Anzahl der Wiederholungen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Senat sieht insofern - auch zur Klarstellung und Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, aaO; vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 23; vom 15. Mai 2012 - 3 StR 164/12) - Anlass zu dem Hinweis, dass eine solche umfangreiche Darstellung grundsätzlich nicht erforderlich ist.
12
Das Tatgericht hat in den Fällen, in dem es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen , welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann.
13
Danach reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 7. November 2012 - 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180). Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
14
3. Die weitere Darstellung der Beweiswürdigung ist hier nicht lückenhaft, auch wenn die Urteilsgründe keine ausdrückliche Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände enthalten. Zwar hat das Tatgericht zu beachten, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 1994 - 3 StR 225/94, NStZ 1994, 554, 555; vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79, 82 f.). Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (etwa BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03, juris Rn. 11). Nach den konkreten Umständen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstim- mung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten und daher in der Beweiswürdigung näher zu erörtern gewesen wären.
15
4. Schließlich hat das Landgericht den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
PräsBGH Prof. Dr. Tolksdorf Pfister Schäfer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 385/16
vom
26. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260117U1STR385.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte - in der Verhandlung -, Justizangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25. Februar 2016 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die er auf die Sachrüge und die Verletzung von Verfahrensrecht stützt. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte verbrachte den Nachmittag und den Abend des 1. Dezember 2014 zusammen mit seiner Ehefrau und der am 8. Oktober 2014 geborenen gemeinsamen Tochter L. in der Ehewohnung in S. . Gegen 18.00 Uhr wickelte der Angeklagte - wie üblich - seine Tochter und seine Ehefrau stillte das Kind, ohne dass dieses Auffälligkeiten oder Besonderheiten zeigte. Zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitraum zwischen 18.00 und 21.00 Uhr befand sich der Angeklagte beim Wickeln oder Zubettbringen des schreienden Kindes allein in einem Zimmer der Wohnung, während sich die Ehefrau in einem anderen Zimmer aufhielt. Der Angeklagte fühlte sich auf Grund des Geschreis seiner knapp acht Wochen alten Tochter, die sich nicht beruhigen ließ, überfordert und wurde wütend. Um das Kind zur Ruhe zu bringen , nahm er es spontan hoch und schüttelte es für die Dauer von zumindest fünf Sekunden mindestens zehn Mal derart kräftig, dass der Kopf des Kindes unkontrolliert hin und her pendelte. Ihm war dabei bewusst, dass seine Vorgehensweise zu dauerhaften und schweren Gesundheitsschäden bei seiner Tochter führen könnte und er nahm auch deren Tod zumindest billigend in Kauf.
4
Durch das Handeln des Angeklagten erlitt seine Tochter ein Schütteltrauma , das insbesondere zu einem subduralen Hämatom, ausgeprägten Netzhautblutungen in beiden Augen, ausgedehnten Rissen in beiden Frontallappen des Gehirns, einem massiven Hirnödem und einer irreparablen Hirnschädigung führte. Äußerlich sichtbare Verletzungen erlitt das Kind - mit Ausnahme einer kleinen Einblutung an der Stirn - nicht. Es wurde aber auf Grund der in Folge des massiven Schüttelvorgangs hervorgerufenen Hirnschädigung sofort ruhig und danach vom Angeklagten in sein Bett gelegt. Das Bewusstsein des Kindes trübte in der Folge immer mehr ein, während der Angeklagte den weiteren Abend mit seiner Frau im Wohnzimmer verbrachte. Beim Zubettgehen der Eltern gegen 24.00 Uhr versuchte die Ehefrau - entsprechend dem üblichen Trinkrhythmus des Kindes - die schlafende Tochter zu stillen, was aber nicht gelang. In den frühen Morgenstunden des 2. Dezember 2014, kurz vor 5.00 Uhr, erwachten der Angeklagte und seine Frau wegen ungewöhnlicher Atemgeräusche des Kindes, welches zu diesem Zeitpunkt auf Grund seiner massiven Hirnschädigung bereits nicht mehr erweckbar war. Nachdem der Angeklagte keinen Puls mehr bei seiner Tochter fühlte, unternahm er selbst Rettungsbemühungen durch eine Herzdruckmassage mit Mund-zu-MundBeatmung , um den Tod seiner Tochter zu verhindern, und verständigte den Notarzt.
5
Nach Einlieferung in die Klinik wurde das Kind noch am selben Tag notoperiert. In der Folgezeit waren weitere Operationen erforderlich. Nach einer stationären Behandlung bis 27. Januar 2015 in der Klinik und einer Rehabilitationsmaßnahme bis 3. Juni 2015 befindet sich das Kind wieder in der Wohnung der Eltern und wird dort durch die Mutter und einen professionellen 24Stunden -Pflegedienst betreut. Das Kind ist auf Grund dieses Vorfalls wegen schwerster Gewebeuntergänge im Gehirn und einer schweren Hirnfunktionsstörung geistig behindert, leidet an einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten , hat keine Kopfkontrolle und kann nicht selbstständig sitzen oder nach einem Gegenstand greifen. Sein Kopf ist sichtbar deformiert. Eine wesentliche kognitive, motorische oder sprachliche Entwicklung des Kindes oder eine wesentliche Regeneration sind auf Grund der schwersten Hirnschädigung nicht zu erwarten.

II.

6
Die auf Verletzung von Verfahrensrecht und sowie die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg; das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerfrei.
7
1. Die erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 73 StPO hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg.
8
2. Auch die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
9
a) Die Feststellungen des Landgerichts werden von der Beweiswürdigung getragen.
10
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Februar 2016 - 3 StR 436/15 und vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148, jeweils mwN).
11
bb) Derartige Rechtsfehler werden durch die Revision nicht aufgedeckt.
12
(1) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei.
13
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und sich dahingehend eingelassen , am Abend des Tattages zwar mit seiner Tochter während des Wickelns und Zubettbringens alleine im Bad bzw. im Schlafzimmer gewesen zu sein, ohne dass es zu Auffälligkeiten gekommen sei. Er habe keine Erklärung dafür, wie es zu den schweren Verletzungen des Kindes gekommen sei, er habe seine Tochter nicht geschüttelt. Das Landgericht hat sich auf Grund einer umfassenden Würdigung sämtlicher erhobener Beweise davon überzeugt, dass der Angeklagte den Gesundheitszustand der Geschädigten durch massives Schütteln ihres Körpers verursachte.
14
(2) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch nicht lückenhaft.
15
(a) Auf die Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht, ob die tatrichterliche Beweiswürdigung so, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergibt, den Beweisstoff lückenlos ausgeschöpft hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 81). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 - 4 StR 387/15, Rn. 13, StraFo 2016, 110; Beschluss vom 12. November 2015 - 2 StR 197/15, Rn. 14, NStZ 2016, 338; Urteile vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06 und vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87).
16
Im Übrigen liegt ein Erörterungsmangel und damit eine Lücke nur dann vor, wenn sich das Tatgericht mit tatsächlich vorhandenen Anhaltspunkten für nahe liegende andere Möglichkeiten nicht auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. November 2015 - 2 StR 197/15, Rn. 14, NStZ 2016, 338 und vom 30. April 1987 - 4 StR 164/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 6; Urteil vom 5. Dezember 1986 - 2 StR 566/86, BGHR StPO 261 Beweiswürdigung, unzureichende 4). Es ist aber weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, wistra 2010, 310, 312 mwN; Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11, Rn. 24, in BGHSt 57, 1 nicht abgedruckt; Urteil vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4). Deshalb braucht das tatrichterliche Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (BGH, Beschlüsse vom 12. November 2015 - 2 StR 197/15, Rn. 14, NStZ 2016, 338; vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12, Rn. 7, wistra 2012, 355 [in NStZ 2012, 584 nicht abgedruckt] und vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11, Rn. 24; Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11, NStZ 2011, 688), sondern muss sich nur mit nach der Sachlage naheliegenden Möglichkeiten auseinandersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2015 - 2 StR 197/15, Rn. 14, NStZ 2016, 338; Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Beschluss vom 29. August 1974 - 4 StR 171/74, BGHSt 25, 365, 367; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 49 mwN).
17
(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen enthält die Beweiswürdigung auch keine Erörterungsmängel und sonstige Lücken. Das Landgericht hat sich mit sämtlichen in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen umfassend auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum.
18
Auf Grund der Ausführungen der behandelnden Ärzte sowie der kinderradiologischen und rechtsmedizinischen Sachverständigen geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass der Gesundheitszustand der Geschädigten nur durch ein Schütteltrauma verursacht worden sein kann, weil Anhaltspunkte für einen anderen Verursachungsmechanismus fehlen. Insbesondere ist auch die auf einer Gesamtwürdigung aller in der Beweisaufnahme gewonnenen Beweismittel beruhende Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu beanstanden. So war der Angeklagte im Tatzeitraum als Einziger mit dem Säugling alleine, als dieser plötzlich ruhig wurde und typische unmittelbare Folgen eines Schütteltraumas zeigte. Der leicht erregbare und in affektiver Erregung auch impulsiv agierende Angeklagte war bereits zuvor gegenüber der Geschädigten gewalttätig geworden und hatte sie wiederholt nicht kindgerecht behandelt. Das Landgericht hat auch nachvollziehbar vor dem gesamten Indizienhintergrund eine Tatbegehung durch Dritte ausgeschlossen.
19
b) Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch.
20
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich als schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gewertet. Infolge der körperlichen Misshandlung durch den Angeklagten bei dem massiven Schüttelvorgang hat die Geschädigte langwierige, schwere Schäden an Körper und Gesundheit erlitten, wobei alle drei Qualifikationsmerkmale des § 226 StGB erfüllt sind. Dazu in Tateinheit verwirklicht wurde der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung , da es sich bei dem massiven Schüttelvorgang auch um eine das Leben gefährdende Behandlung handelt (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 - 1 StR 241/09, NStZ-RR 2009, 278 und vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 408/08, BGHSt 53, 23). Hinsichtlich des ebenfalls in Betracht kommenden versuchten Mordes ist das Landgericht von einem strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB ausgegangen.
21
3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
22
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZRR 2016, 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verlet- zung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108).
23
Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falls der schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 3 StGB eingehend geprüft und mit tragfähigen Erwägungen nach umfassender Gesamtwürdigung verneint. Die Strafzumessung des Landgerichts, die vor allem der erheblichen Anzahl und damit dem Ausmaß der schweren Körperverletzungsfolgen ein besonders hohes Gewicht beigemessen hat, ist auch im Übrigen rechtsfehlerfrei.

III.


24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Raum Graf Cirener Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 320/16
vom
29. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290916U4STR320.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 5. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Nach der zugelassenen Anklage liegt dem Angeklagten sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in fünf Fällen, sexueller Missbrauch von Kindern und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zur Last. Der zur Tatzeit an einer Schule für Körperbehinderte als Lehrer tätige Angeklagte soll an dem am 6. August 1998 geborenen Nebenkläger, einem seiner Schüler, im Sommer 2009 während einer Unterrichtspause in seinem in Schulnähe geparkten Reisemobil den Oralverkehr ausgeübt (Fall 1) und vor ihm in der Dusche des Schulschwimmbads onaniert haben (Fall 2). Außerdem soll es bei Besuchen des Nebenklägers in der Wohnung des Angeklagten in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum Ende des Schuljahrs 2010/2011 zu sexuellen Handlungen des Angeklagten vor und an dem Nebenkläger und zu sexuellen Handlungen des Nebenklägers an dem Angeklagten gekommen sein. Dabei soll der Angeklagte nach der Vorführung von mehreren kurzen Pornofilmen sein erigiertes Geschlechtsteil an dem Nebenklä- ger gerieben und diesen an seinem Geschlechtsteil berührt (Fall 3) sowie bei einer anderen Gelegenheit sein erigiertes Geschlechtsteil zwischen dessen Beine geschoben haben (Fall 4). Außerdem soll der Nebenkläger von dem Angeklagten dazu veranlasst worden sein, ihm bei der Selbstbefriedigung zuzusehen und das zu diesem Zweck gezuckerte Sperma von seinem Penis abzulecken (Fall 5), in den Mund des Angeklagten zu urinieren (Fall 6) sowie an dem Angeklagten den Oralverkehr auszuüben (Fall 7). Schließlich soll der Angeklagte zur eigenen sexuellen Stimulation vor dem Nebenkläger einen Löffelstiel in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und ihn dazu veranlasst haben, an dem Penis zu fühlen, wie weit der Löffelstiel bereits eingeführt sei (Fall 8). Das Landgericht hat den Angeklagten von allen Vorwürfen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der nicht vorbestrafte Angeklagte war in den Schuljahren 2005/2006 bis 2010/2011 Lehrer des Nebenklägers an einer Schule für Körperbehinderte. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis war gut. Der Angeklagte war der Lieblingslehrer des Nebenklägers. Zu im Einzelnen nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 1. Januar 2009 und dem Ende des Schuljahrs 2010/2011 kam es zu mindestens zwei Übernachtungen des Nebenklägers im Haus des Angeklagten, die jeweils mit dessen Mutter abgesprochen waren. Zum Schuljahr 2011/2012 wechselte der Nebenkläger – auch auf Empfehlung des Angeklagten – auf eine andere Schule.
4
Der Angeklagte ist Eigentümer eines selbst ausgebauten geländegängigen Reisemobils, mit dem er regelmäßig auch zur Schule fuhr. Das auffällige Fahrzeug stieß bei dem Nebenkläger und seinen Mitschülern auf großes Interesse und wurde ihnen seitens des Angeklagten auch von innen gezeigt.
5
Die Schule verfügt über ein eigenes Schwimmbad. Der Angeklagte duschte nach dem von ihm betreuten Schwimmen nackt mit den Jungen in der Gemeinschaftsdusche. Kurz vor Weihnachten des Jahres 2009 oder 2010 fasste der Angeklagte beim gemeinsamen Duschen nach dem Schwimmunterricht einem seiner Schüler an den Penis und schob die Vorhaut zurück. Danach begab er sich sogleich zum Schulleiter, berichtete von dem Vorfall und gab zur Erklärung an, er habe dem Schüler aus hygienischen Gründen zeigen wollen, wie man die Vorhaut zurückschiebt.
6
Jedenfalls seit dem Jahr 2013 konsumierte der Angeklagte zumindest gelegentlich pornografische Bild- und Videodateien, die er sich in großem Umfang aus dem Internet herunterlud und auf verschiedenen Datenträgern vorrätig hielt. Dabei interessierten ihn insbesondere transsexuelle Inhalte, daneben aber auch weniger verbreitete bis ausgesprochen selten vorkommende Sexualpraktiken wie Urinspiele oder das – selbst im Internet nur schwierig aufzufindende – Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis. Auf einem USB-Stick des Angeklagten waren unter anderem vier Bilder abgespeichert, bei denen sich Männer schmale längliche Gegenstände in die Harnröhre einführen. Weiterhin finden sich auf dem USB-Stick drei Bilder, die „Urinspiele“ zum Gegenstand haben. Auf einem Bild uriniert eine Frau unmittelbar in den Mund eines Mannes. Bilder oder Videos mit pädophilem Inhalt waren auf den Datenträgern des Angeklagten nicht gespeichert.
7
2. Der Angeklagte hat alle Vorwürfe von sich gewiesen. Die Strafkammer hat sich – in Abweichung von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen – von der Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben des Nebenklägers „nicht vollständig“ zu überzeugen vermocht. Zwar habe die Beweisaufnahme eine Reihe von Indizien erbracht, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprächen. Dies betreffe insbesondere die Angaben des Nebenklägers zu zum Teil nur sehr selten vorkommenden Sexualpraktiken, die sich mit Bilddateien gedeckt hätten, die der Angeklagte aus dem Internet heruntergeladen habe. Doch seien insoweit auch andere Erklärungsmöglichkeiten aufgezeigt worden, die zu erwägen gewesen seien. Auch habe die Aussage des Nebenklägers in den Bereichen Aussageentstehung, Aussageentwicklung und Aussageinhalt zahlreiche Schwächen aufgewiesen, die jeweils für sich ge- nommen „zwar keinen überragenden Erkenntniswert“ gehabt hätten. Diese hät- ten es aber doch in der Summe unmöglich gemacht, sich von der uneingeschränkten Glaubwürdigkeit des Nebenklägers und der Richtigkeit seiner Angaben zu überzeugen.

II.


8
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil der Freispruch des Angeklagten auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht.
9
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 9; weitere Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.). Der Tatrichter ist gehalten , die Gründe für den Freispruch so vollständig und genau zu erörtern, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, anhand der Urteilsgründe zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, Rn. 10; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, Rn. 2; Urteil vom 20. November 2013 – 2 StR 460/13, NStZ-RR 2014, 56).
10
2. Daran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsrechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
11
a) Die Ausführungen zum Beweiswert der Angaben des Nebenklägers in Bezug auf Fall 8 der Anklage (Befühlen des erigierten Penis des Angeklagten beim Einführen eines Gegenstands in die Harnröhre) lassen besorgen, dass die Strafkammer überhöhte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.
12
aa) Der Tatrichter darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1998 – 2 StR 65/98, NStZ-RR 1998, 275 mwN).
Auch ist es rechtsfehlerhaft, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, StV 2005, 421; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188, 2189 [insoweit in BGHSt 47, 243 nicht abgedruckt]; weitere Nachweise bei Miebach in MüKoStPO § 261 Rn. 88 und 129).
13
bb) Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht verstoßen.
14
Nach den Urteilsgründen hat der Nebenkläger in der Hauptverhandlung, bei seiner polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren und im Rahmen des Explorationsgespräches mit der aussagepsychologischen Sachverständigen konstant geschildert, dass der Angeklagte einen Gegenstand in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und er auf seine Aufforderung hin immer wieder gefühlt habe, wie tief dieser eingedrungen sei. Lediglich zu der Beschaffenheit des Gegenstandes machte er unterschiedliche Angaben. Die Strafkammer hat in dem Umstand, dass sich auf einem USB-Stick des Angeklagten Bilddateien befanden, die das Einführen von Gegenständen in die Harnröhre und damit eine sehr seltene Sexualpraktik zeigen, ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers gesehen. Dessen Gewicht hat sie dann aber mit der Erwägung relativiert, dass kaum zuverlässig ausgeschlossen werden könne, dass der Nebenkläger im Internet auf solche Inhalte gestoßen sei. Denn die Beweisaufnahme habe auch ergeben, dass die betreffenden Inhalte im Internet frei zugänglich gewesen seien und der Nebenkläger sowohl im Elternhaus als auch in seiner Wohngruppe Zugang zum Internet gehabt habe. Schließlich sei es auch „keinesfalls fernliegend“, dass der Nebenkläger dievon ihm beschriebenen Sexualpraktiken gekannt habe, weil er sich zusammen mit dem Angeklagten entsprechende Bilder angesehen habe. Weder für die erste noch für die zweite als mögliche Erklärung für die Kenntnis des Nebenklägers von derartigen Sexualpraktiken herangezogene Variante hat das mitgeteilte Beweisergebnis konkrete Anhaltspunkte erbracht. Sowohl die Mutter des Nebenklägers als auch sein Betreuer in der Wohngruppe haben angegeben, dass der Nebenkläger nie über längere Zeit im Internet unbeaufsichtigt habe „surfen“ können. Zudem seien jeweils Jugendschutzfilter installiert gewesen. Dass der Nebenkläger von selbst im Internet auf – wie die Strafkammer an anderer Stelle festgestellt hat – dort nur schwierig aufzufindende Bilder über das Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis gestoßen sein könnte, ist unter diesen Umständen eine lediglich abstrakt-theoretische Möglichkeit. Gleiches gilt für die Annahme, der Nebenkläger könnte sich derartige Bilddateien zusammen mit dem Angeklagten angesehen haben. In diese Richtung weisende Angaben des Nebenklägers sind in den Urteilsgründen nicht aufgeführt. Der Angeklagte hat behauptet, die einschlägigen Bilddateien nicht gekannt zu haben und damit auch ein Betrachten dieser Dateien zusammen mit dem Nebenkläger in Abrede gestellt.
15
Das Urteil beruht auch auf diesem Beweiswürdigungsmangel. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Bewertung dieses Gesichtspunktes die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers insgesamt anders beurteilt hätte.
16
b) Soweit die Strafkammer bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen abgewichen ist, lassen die schriftlichen Urteilsgründe eine revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu.
17
aa) Weicht der Tatrichter von der Einschätzung eines Sachverständigen ab, nachdem er zuvor glaubte, einer Beratung durch diesen Sachverständigen zu bedürfen, muss er sich erschöpfend mit dessen Ausführungen auseinandersetzen und diese im Einzelnen darlegen. Dazu gehört auch eine Wiedergabe der Stellungnahme des Sachverständigen zu den Gesichtspunkten, auf die der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55, 56; Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550). Andernfalls ist dem Revisionsgericht eine Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat sowie woher sich sein besseres Fachwissen oder seine fortbestehenden Zweifel ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106; Urteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR 190/01; Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243).
18
bb) Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
19
Die Strafkammer hat zwar mitgeteilt, dass sie sich eingehend mit dem zu einem anderen Ergebnis gelangenden aussagepsychologischen Sachverständigengutachten auseinandergesetzt habe. Sie hat es aber verabsäumt, den wesentlichen Inhalt des Gutachtens mitzuteilen und im Zusammenhang darzulegen , warum sie der Einschätzung der Sachverständigen im Ergebnis nicht zu folgen vermocht hat. Auch wird nicht nachvollziehbar dargestellt, wie sich die Sachverständige zu den Gesichtspunkten verhalten hat, auf die das Landgericht seine abweichende Auffassung stützt. Das Revisionsgericht kann daher nicht prüfen, ob die in den Urteilsgründen an verschiedenen Stellen angeführten Defizite des Gutachtens (unzureichende Auseinandersetzung mit den „recht dürftigen Angaben“ des Nebenklägers zu dem jeweiligen Randgeschehen und seinen ausweichenden Reaktionen auf Vorhalte, keine erschöpfende Thematisierung möglicher suggestiver Beeinflussung durch betreuende Personen, mangelnde Erörterung von Abweichungen und Widersprüchen, Beschränkung der Konstanzanalyse auf die Angaben vor der Polizei, gegenüber der Sachverständigen und in der Hauptverhandlung) und die Zurückweisung von einzelnen Bewertungen der Sachverständigen (etwa zum fehlenden Interesse des Nebenklägers an sexualbezogenen Handlungen und der Beurteilung seiner Persönlichkeitsstruktur ) auf einer zutreffenden Würdigung des Gutachtens beruhen.
20
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Fall StPO Gebrauch und verweist die Sache an ein anderes Gericht gleicher Ordnung zurück.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 277/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. August 2012
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 21. März 2012 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Urteilsfeststellungen legte der Angeklagte ab März 2011 in seiner Wohnung ein Kokaindepot an, um das Kokain in Form von so genannten Bubbles mit Gewinn weiterzuverkaufen. Das Depot füllte er mehrfach mit neu erworbenen Kokainmengen auf. So erwarb er Anfang März 2011 100 g, am 9. April 2011 nochmals 100 g, am 10. April 2011 500 g, am 16. April 2011 300 g und danach weitere 700 g Kokaingemisch mit einem Wirkstoffanteil von jeweils mindestens 50 % Kokainhydrochlorid. Zurzeit seiner Festnahme am 19. August 2011 besaß er noch 955,5 g Kokaingemisch.
3
Das Landgericht ist im Hinblick auf die sukzessive Auffüllung des Drogenvorrats davon ausgegangen, dass der Angeklagte insgesamt nur eine Tat im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG begangen habe. Dagegen bestehen rechtliche Bedenken. Beim wiederholten Rauschgifterwerb zum Weiterverkauf in Kleinmengen sind die Handlungen des Käufers grundsätzlich nicht als eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelnen Portionen von einem Lieferanten erworben werden, der sie seinerseits aus einem einheitlichen Vorrat entnommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 1 StR 587/09, NStZ-RR 2011, 25, 26). Alleine der gleichzeitige Besitz mehrerer Drogenmengen verbindet die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470). Deshalb führt auch das wiederholte Auffüllen eines Betäubungsmittelvorrats nicht zur Verklammerung der Erwerbsakte zu einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 – 3 StR 162/00, NStZ 2000, 540 f.). Auf die Zahl der Einzelverkäufe kommt es hier nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810 f.). Bei allen Einkaufsmengen handelte es sich um nicht geringe Mengen. Danach wäre von fünf Taten im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auszugehen statt nur von einer derartigen Tat.
4
Die Annahme nur einer Tat durch das Landgericht beschwert den Angeklagten jedoch auch im Hinblick darauf, dass das Landgericht das Verfahren durch Beschluss vom 21. März 2012 gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den abgeurteilten Vorwurf beschränkt hat, hier nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender Bewertung der Konkurrenzlage zu einer milderen (Gesamt-)Freiheitsstrafe gelangt wäre. Es hatte im Rahmen der gemäß § 257c StPO getroffenen Verständigung - noch vor Umgestaltung der Strafklage zur Annahme einer Bewertungseinheit - zugesagt, eine Gesamtfreiheitsstrafe zwi- schen vier Jahren und sechs Monaten sowie fünf Jahren und sechs Monaten zu verhängen. Die tatsächlich ausgesprochene Freiheitsstrafe entspricht der Untergrenze dieses Rahmens.
Fischer Appl Berger
Eschelbach Ott

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 79/09
vom
1. April 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
zu 2. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2009 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Waldshut-Tiengen vom 13. Oktober 2008 werden als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Den Angeklagten F. beschwert es nicht, dass die Strafkammer
übersehen hat, dass bei Annahme eines minder schweren Falles
des § 30a BtMG dennoch die Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 Nr. 2
BtMG mit einer Mindeststrafe von einem Jahr zu beachten ist (st. Rspr.,
BGH NJW 2003, 1679; StV 2007, 65)
Nack Elf Graf
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 59/10
vom
25. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2010 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 2. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
2
Der Angeklagte verkaufte aus einem Vorrat von etwas mehr als einem Kilogramm Haschisch, den er, wie er angibt, von einem inzwischen verstorbenen und aus „Pietätsgründen“ nicht benannten Lieferanten erhalten hatte, an B. zwischen Ende November und kurz vor Weihnachten 2008 zweimal je 100 Gramm Haschisch und einmal 200 Gramm Haschisch. Bei der dritten Lieferung erklärte er, er könne erst wieder im Januar liefern. Am 13. Februar 2009 wollte er dann vereinbarungsgemäß 300 Gramm Haschisch liefern, wurde aber vor der Übergabe festgenommen. Er hatte drei Haschischplatten mit einem Gewicht von zusammen 291,3 Gramm dabei, außerdem in seiner Hosentasche ein Springmesser. Bei diesem springt die Klinge seitlich aus dem Griff heraus, der aus dem Griff herausragende Klingenteil ist nicht länger als 8,5 cm. Es ist nicht zweiseitig geschliffen, aus „starkem“ Material und spitz zulaufend. Der Angeklagte erklärte hierzu, er habe das Messer nicht einsetzen wollen, sondern es wegen seiner Tätigkeit als Hausmeister in der Hosentasche gehabt. In seiner Wohnung wurden vier Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 387,50 Gramm ge- funden. Diese hatten etwa den gleichen Wirkstoffgehalt wie das bei der Festnahme sichergestellte Rauschgift.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in drei Fällen sowie bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu vier Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ein Geldbetrag wurde für verfallen erklärt. Für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurden zweimal je ein Jahr und sechs Monate und einmal zwei Jahre Freiheitsstrafe verhängt; das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde als minder schwerer Fall (§ 30a Abs. 3 BtMG) bewertet, die Strafe von drei Jahren und drei Monaten jedoch dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen.
4
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, wobei eine Gesamtschau der Revisionsbegründungen vom 2. und 11. Dezember 2009 ergibt, dass auch der Schuldspruch angefochten sein soll.
5
Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
6
Möglicherweise sind sämtliche Taten im Blick auf eine Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden (1.a), eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs durch den Senat ist jedoch nicht möglich (1.b). Außerdem ist die für eine Verurteilung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderliche Feststellung, dass das Messer zur Verletzung von Personen bestimmt war, bisher nicht rechtsfehlerfrei getroffen (2.). Auf der Grundlage der Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG ist die Strafkammer von einer unzutreffenden Höchststrafe ausgegangen (3.). Sollte von einer Bewertungseinheit auszugehen sein, hätte die Bewertung eines Teilaktes des Geschehens als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Einfluss auf den Schuldspruch insgesamt, die Bewertung als minder schwerer Fall Einfluss auf den insgesamt anzuwendenden Strafrahmen (4.).
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1. Mehrere Rauschgiftgeschäfte sind dann im Sinne von Tateinheit in einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie in ein und demselben Güterumsatz in einem Handlungsteil, etwa bei Erwerb, Lieferung oder Bezahlung des Kaufpreises in einer Gesamtmenge oder in einem Geldbetrag zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 846 f. m.w.N.). Die Strafkammer hat diesen hier möglicherweise einschlägigen Gesichtspunkt nicht erörtert.
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a) Die Menge von verkauftem und sichergestelltem Rauschgift entspricht der von dem Unbekannten gelieferten Menge. Zudem hatte sowohl das bei der Festnahme als auch das in der Wohnung sichergestellte Rauschgift etwa den gleichen Wirkstoffgehalt. Daher ergeben die Urteilsgründe die Auffassung der Strafkammer, der Angeklagte habe sämtliches Rauschgift, mit dem er Handel getrieben hat, in einer Lieferung bezogen.
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b) Dennoch kann der Senat nicht, wie beantragt, den Schuldspruch (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) auf Tateinheit umstellen. Dies setzte - abgesehen von der nach Maßgabe des Einzelfalles zu beurteilenden Frage nach der Vereinbarkeit mit § 265 StPO - klare, erschöpfende und eindeutige Feststellungen voraus; es ist dagegen nicht möglich, wenn eine neue Hauptverhandlung andere oder ergänzende Feststellungen erwarten lässt, oder wenn eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Feststellungen erforderlich ist (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; BGH, Urt. vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 ; BGH NStZ 2008, 213; NJW 1973, 1511, 1512; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 18; Temming in HK-StPO 4. Aufl. § 354 Rdn. 12 jew. m.w.N.). Hier sagte der Angeklagte im Dezember 2008 zu B. , er könne erst im Januar 2009 wieder liefern. Dies spricht dagegen, dass er zum Zeitpunkt der Äußerung weiteres Rauschgift besaß.
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Einige Feststellungen sprechen also für eine Bewertungseinheit, andere dagegen. Eine zusammenfassende Würdigung dieser Erkenntnisse (§ 261 StPO) ist nicht vorgenommen, da die Strafkammer die Möglichkeit einer Bewertungseinheit nicht erwogen hat. Auf dieser Grundlage kommt eine Schuldspruchänderung durch den Senat nicht in Betracht. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass im Hinblick auf den Zweifelssatz getroffene Feststellungen keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Bewertungseinheit sein können (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09; zusammenfassend Körner aaO § 29 Rdn. 855 m.w.N.).
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2. Während alle sonstigen Voraussetzungen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ohne den Angeklagten benachteiligende Rechtsfehler bejaht sind, geht die Strafkammer ohne weiteres davon aus, die Bestimmung des geschilderten Messers zur Verletzung von Personen folge aus seiner Beschaffenheit. Dies trifft so nicht zu.
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a) Eine Bestrafung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter bei der Tat eine Schusswaffe - hier nicht einschlägig - oder einen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Daran, dass das in Rede stehende Messer seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet ist, besteht kein Zweifel. Hinzukommen muss eine subjektive Zweckbestimmung durch denjenigen, der den Gewahrsam an dem Gegenstand hat, hier also den Angeklagten. Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert; es reicht aus, wenn die genannte Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend Franke/Wienroeder BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 16 m.w.N.).
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b) Vielfach ergibt sich diese Zweckbestimmung ohne weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu können etwa die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen, wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder Ort und Art seiner Aufbewahrung (vgl. zusammenfassend Weber BtMG 3. Aufl. § 30a Rdn. 116 m.w.N.). Fehlt ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, ohne dass er ihn je zur Verletzung von Menschen bestimmt hätte, bedarf die Annahme einer entsprechenden Zweckbestimmung durch ihn regelmäßig keiner besonderen Begründung (vgl. BGHSt 43, 266, 269; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 5; Körner aaO § 30a Rdn. 57, 58; Weber aaO Rdn. 117, 124 jew. m.w.N.). Kommt dagegen bei einem gängigen Gebrauchsgegenstand (vgl. die Beispiele bei Weber aaO Rdn. 118) nach den Umständen des Falles die Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus sonstigen Gründen mit sich führte, so ist die Annahme, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt, konkret zu begründen; der Hinweis, dass dieser Gegenstand nach seiner objektiven Beschaffenheit zur Verletzung von Menschen geeignet sei, genügt dann nicht (st. Rspr.; vgl. d. N. bei Weber aaO Rdn. 118).
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c) So verhält es sich hier. Der Angeklagte war zur Tatzeit als Hausmeister tätig. Er hat erklärt, er habe das Messer - keinen unter § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG fallenden verbotenen Gegenstand (vgl. Anlage 2 zum WaffG Abschnitt 1 Unterpunkt 1. 4. 1, Satz 2) - deswegen bei sich gehabt. Die Unrichtigkeit dieser Einlassung versteht sich weder von selbst, noch hat die Strafkammer hierzu Aus- führungen gemacht. Es fehlt daher an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme , der Angeklagte habe das Messer (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt.
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3. Die Strafkammer nimmt mit eingehender Begründung einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge an, § 30a Abs. 3 BtMG.
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a) Zutreffend führt sie unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 1679, 1680 aus, der zugleich erfüllte § 29a Abs. 1 BtMG trete zwar hinter § 30a BtMG zurück, entfalte aber im Falle des § 30a Abs. 3 BtMG hinsichtlich der Mindeststrafe eine Sperrwirkung. Darüber hinaus ist die Strafkammer der Auffassung, hier sei insgesamt der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG anzuwenden, sodass die Mindeststrafe ein Jahr, die Höchststrafe 15 Jahre betrage. Die Bejahung eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG dürfe (auch hinsichtlich der Höchststrafe) nicht dazu führen, dass dem bewaffneten Täter eine geringere Strafe drohe, als dem unbewaffneten Täter.
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b) Diese Auffassung entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, 1679, 1680; vgl. auch BGHSt 30, 166, 167 f.). Danach gilt vielmehr in derartigen Fällen die Höchststrafe der für den Schuldspruch maßgeblichen Bestimmung, mag dies auch (wie, nach der Bejahung eines minder schweren Falles, hier) „als systemwidrig und unbefriedigend empfunden“ (BGH NJW 2003, 1679, 1680) werden, was „auf die wenig geglückte Harmonie der Strafrahmen des Betäubungsmittelstrafrechts zurückzuführen“ ist (BGH aaO). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Im Übrigen wurde inzwischen die Höchststrafe des § 30a Abs. 3 BtMG von fünf Jahren auf zehn Jahre erhöht (Art. 5 Nr. 7 AMGuaÄndG vom 17. Juli 2009, BGBl. I 1990, 2010). Dies ist in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass der vom Bundesgerichtshof (aaO) aufgezeigte Wertungswiderspruch beseitigt werden soll (BT-Drucks. 16/ 12256 S. 61; BR-Drucks. 171/09 S. 102 f.). Die verschärfte Neufassung von § 30a Abs. 3 BtMG ist allerdings hier nicht anwendbar, weil sie zur Tatzeit noch nicht galt, § 2 Abs. 1 und 3 StGB.
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4. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer insgesamt von einer Bewertungseinheit ausgehen (vgl. oben 1.) und das Geschehen vom 13. Februar 2009 als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ansehen (vgl. oben 2), würde diese Bewertung eines Teilaktes eines im Rechtssinne einheitlichen Geschehens (vgl. Franke/Wienroeder aaO § 29 Rdn. 68) dazu führen, dass es sich bei der Tat insgesamt um bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handeln würde (vgl. Körner aaO § 30a BtMG Rdn. 73 m.w.N.). Würde die Strafkammer insgesamt von einem minder schweren Fall ausgehen, wäre die Strafe dem aufgezeigten , zur Tatzeit geltenden Strafrahmen zu entnehmen (vgl. oben 3.), wobei die im aufgehobenen Urteil gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht überschritten werden dürfte. Hinsichtlich der Strafhöhe würde entsprechendes gelten, wenn ein minder schwerer Fall verneint würde, sodass die an sich in § 30a Abs.1 BtMG vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren unterschritten werden müsste. Nack Wahl Graf Jäger Sander