Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - 2 StR 393/13

bei uns veröffentlicht am22.01.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 393/13
vom
22. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung,
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwältin ,
als Vertreterinnen der Nebenklägerinnen C. H. und
S. S. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung,
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 12. März 2013 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in fünf Fällen sowie wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.
2
1. Die Verfahrensrüge, der Strafausspruch beruhe nicht auf der freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung des Landgerichts (§ 261 StPO), dringt nicht durch. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargetan , dass das Urteil auf Vorgängen beruht, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren. Dass das Urteil einem Verständigungsvorschlag der Strafkammer entsprach, dem die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt hatte, begründet für sich genommen keinen Rechtsfehler (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - 5 StR 424/10). Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Gericht habe sich aufgrund des erfolgten Verständigungsvorschlags dem Angeklagten gegenüber in der Pflicht gesehen und daher keine schuldangemessene Strafe bestimmt, ist dies als möglicher Verstoß gegen § 46 StGB nur auf die Sachrüge zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648 mwN).
3
Das Vorliegen einer informellen Absprache zwischen dem Gericht und der Verteidigung, was einen Verstoß gegen § 257c StPO begründen könnte, wird nicht behauptet.
4
2. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Entgegen der Ansicht der Revision beruht er nicht auf einer schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten und der nachfolgenden Urteilsberatung vorgenommenen Selbstbindung des Gerichts.
5
Allein der Umstand, dass sich die durch das Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung im Rahmen des Verständigungsvorschlages hält, deutet nicht darauf hin, dass das Gericht nach durchgeführter Hauptverhandlung keine schuldangemessene Strafe bestimmt, sondern lediglich eine vorher gemachte Zusage eingehalten hat. Dagegen spricht schon, dass die seitens des Gerichts vorgeschlagene Verständigung gerade nicht zustande gekommen war. Auch hatte das Landgericht keine so genannte "Punktstrafe" von zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe vorgeschlagen, sondern lediglich zu erkennen gegeben, dass der Angeklagte unter bestimmten Voraussetzungen mit einer "Bewährungsstrafe" rechnen könne.
6
Das Landgericht hat auch mit seiner Strafrahmenwahl, der Einzelstrafund Gesamtstrafbemessung sowie Strafaussetzung zur Bewährung den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren noch nicht unter- schritten. Die Sanktionierung des Angeklagten ist nach Art und Gesamtumfang der Taten und angesichts des Gesamttatzeitraums, des Prozessverhaltens des Angeklagten und seiner sozialen Einbindung nicht unvertretbar milde.
Fischer Appl Herr RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist aus tatsächlichen Gründen gehindert zu unterschreiben. Fischer Eschelbach Ott

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - 2 StR 393/13 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.