Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2006 - 2 StR 162/06

bei uns veröffentlicht am19.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 162/06
vom
19. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als Vorsitzende
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. Oktober 2005 wird, soweit sie den Angeklagten C. betrifft, verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt; den Angeklagten K. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einem weiteren Tatvorwurf sind beide Angeklagte freigesprochen worden. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffen die Verurteilungen und sind auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt; hinsichtlich des Angeklagten C. ist das Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die gesondert verfolgten D. und U. mit einem A. Anfang des Jahres 2004 überein, in Zukunft Kokain aus Ecuador nach Deutschland einzuführen und hier damit Handel zu treiben. Das Kokain kam per Schiff in verschiedenen europäischen Städten an. Die beiden Angeklagten C. und K. waren an zwei Taten beteiligt.
3
1. Fall II 3 der Urteilsgründe: Im April 2004 fragte U. den Angeklagten C. , ob er bereit sei, gegen Entgelt Kokain aus St. Petersburg nach Deutschland zu bringen. Der Angeklagte C. weihte den Angeklagten K. ein, der einwilligte, das Rauschgift gemeinsam zu transportieren. Beide fuhren im Pkw nach St. Petersburg, wo ihnen D. drei Kilogramm Kokain zumindest durchschnittlicher Qualität aushändigte. Die beiden Angeklagten brachten das Rauschgift im Pkw nach Warschau, wo der Mitangeklagte S. gemeinsam mit dem gesondert verfolgten B. zweieinhalb Kilogramm übernahm und nach Deutschland brachte. Hinsichtlich der restlichen 500 Gramm versuchte der Angeklagte C. , es in Polen zu verkaufen; zumindest einen Teil hiervon brachte er nach einigen Wochen zu U. nach Deutschland. Mit dieser Transportfahrt war der Angeklagte C. als Mitglied in die Gruppierung von U. , D. und A. aufgenommen.
4
2. Fall II 6 der Urteilsgründe: Im September 2004 wurden 12 Kilogramm Kokain nach Istanbul geliefert. Zur Bezahlung der Kuriere aus Ecuador benötigte man 48.000 US-Dollar. Der Angeklagte C. besorgte über den Angeklagten K. 37.000 US-Dollar und warb ihn auch für den Transport an. Der Angeklagte K. brachte das Kokain in einem Wohnmobil von Istanbul nach Deutschland, der Angeklagte C. begleitete das Wohnmobil in seinem Pkw. Das Kokain wurde in Deutschland sichergestellt; es wies Kokainhydrochloridanteile zwischen 77,5 % und 95,4 % auf, insgesamt 9.353 g Kokainhydrochlorid.

I.

5
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hinsichtlich des Angeklagten C. hat keinen Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsfehler enthalten, denn die Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe sind angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO. Diese Vorschrift ist auch auf eine zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft anwendbar (BGH NJW 2006, 1822, 1824; Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06).

II.


6
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hinsichtlich des Angeklagten K. führt in beiden Fällen zur Aufhebung des Schuldspruchs.
7
1. Die Urteilsgründe lassen im Fall II 3 besorgen, der Tatrichter könnte übersehen haben, dass die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den täterschaftlichen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, welcher den vollen Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG eröffnet, nicht verdrängt (st. Rspr., u. a. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1; BGH, Urteile vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03, vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 375/03 – und vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05). Nach den Urteilsfeststellungen liegt nahe, dass der Angeklagte K. , der das Kokain in der Rücksitzbank des Pkws versteckt hatte, während des Transports nach Polen daran Besitz hatte. Der Tatrichter hätte diesen Umstand daher ausdrücklich erörtern müssen.
8
2. Im Fall II 6 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei seiner Wertung, der Angeklagte habe die Bande um U. und D. beim Handeltreiben als Gehilfe unterstützt, lediglich den Kokaintransport als Tatbeitrag des Angeklagten zu Grunde gelegt (UA S. 46). Hingegen hat es den Umstand, dass der Angeklagte K. dem Angeklagten C. 37.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt hat, nicht ausdrücklich erörtert, obwohl sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe aufdrängt, dass der Angeklagte K. wusste, dass dieses Geld für die Durchführung des Geschäfts benötigt wurde. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei vollständiger Würdigung der maßgeblichen Umstände zu einer anderen Beurteilung und damit zur Annahme von Mittäterschaft gelangt wäre. Unter diesem Aspekt wird der neue Tatrichter auch die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten K. nochmals zu prüfen haben.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden können, da die Bandenmitgliedschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist (vgl. BGHSt 46, 120, 128; 47, 214, 216; Senatsbeschluss vom 8. März 2006 – 2 StR 609/05). Der täterschaftliche Bandenhandel verbindet alle im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung, also auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit. Dagegen kommt der täterschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr neben Beihilfe zum Bandenhandel ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass Tateinheit möglich ist (vgl. BGH Beschluss vom 11. März 2003 – 1 StR 50/03). Neben der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann tateinheitlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (als Täter oder Gehilfe) vorliegen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt hingegen gegenüber der unerlaubten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurück (vgl. BGH Urteil vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03).
Otten Rothfuß Fischer
Roggenbuck Appl

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Strafgesetzbuch - StGB | § 28 Besondere persönliche Merkmale


(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 46/06
vom
16. Mai 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
1. Bei der Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB (Entreicherung) kommt
es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen Bezug zu
der rechtswidrigen Tat hat.
2. Zum Wert des Erlangten bei Tatbeteiligten in einer Handelskette.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06 - LG Karlsruhe
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 23. September 2005 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz, soweit von einer 12.500,-- € übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen wurde , aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen G r ü n d e:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 12.500,-- € angeordnet.
2
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch im Fall 8, auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von - nur - 12.500,-- € (betreffend die Fälle 1 bis 7) beschränkt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg.

I.


3
Zur Strafzumessung im Fall 8:
4
In Erwartung eines hohen Gewinns stellte der Angeklagte am 19. November 2004 - zumindest in positiver Kenntnis dessen, dass es um den Handel mit Betäubungsmitteln geht, wenn er das Geschäft nicht sogar selbst initiiert und organisiert hatte, - zwei Mittätern 46.250,-- € zum Erwerb von 25 kg Marihuana zur Verfügung. Den Einsatz des Angeklagten vereinnahmte der vorgebliche Lieferant - unter Drohung mit einer Schusswaffe - ohne Gegenleistung. Die Strafkammer verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, wobei sie dem Angeklagten unter anderem zugute hielt, dass er "nur mit Eventualvorsatz gehandelt hat".
5
Diese Erwägung in der Strafzumessung stellt einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten dar. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit direktem Vorsatz. Der Ausspruch über die Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand. Denn die vom Landgericht erkannte Strafe ist - noch - angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einer Norm, die auch bei einer Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05). Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittelgeschäft scheiterte und der Angeklagte seiner eingesetzten Mittel in Höhe von 46.250,-- € vollständig verlustig ging.
6
Damit hat auch die rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtstrafe Bestand.

II.


7
Zur Verfallsanordnung:
8
1. In der Zeit von Mai bis Dezember 2004 bezog der Angeklagte in sieben Fällen insgesamt 67 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,97 % THC (10 kg) beziehungsweise mindestens 8 % THC (57 kg) "auf Kommission". 62.244 kg veräußerte der Angeklagte an verschiedene Abnehmer. Von diesen erhielt er 161.000,-- €, die er insgesamt - ohne Abzug seines nach der getroffenen Vereinbarung ihm hieraus zustehenden Gewinnanteils in Höhe von 200,-- € je Kilogramm - an seinen Lieferanten weitergab. Die Strafkammer beschränkte die Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB) auf den Gewinnanteil (12.500,-- €). Nur diesen habe der Angeklagte, da es sich um ein Kommissionsgeschäft gehandelt habe, - jedenfalls zeitweise - erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. "In dem Bewusstsein, dass die [von der Strafkammer] vertretene Rechtsansicht möglicherweise nicht der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht", hat das Landgericht das Absehen von einer weiterreichenden Verfallsanordnung ergänzend auf § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei jedenfalls nicht mehr Vermögensbestandteil, denn die vorhandenen Vermögenswerte (netto über 800.000,-- €) des Angeklagten seien ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden und der Zugriff auf das "unbefleckte" Vermögen würde insbesondere die Familie treffen, deren langfristiger Absicherung das vorhandene Vermögen des Angeklagten diene.
9
2. Die Erwägungen, aufgrund derer die Strafkammer davon abgesehen hat, einen 12.500,-- € übersteigenden Betrag für verfallen zu erklären, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bei der Prüfung, was der Angeklagte aus der Tat (Fälle 1 bis 7) gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat, hat die Strafkammer die Reichweite des Bruttoprinzips verkannt.
11
"Bruttoprinzip" bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Bei der Berechnung des bei einem verbotenen "Verkauf" Erlangten ist deshalb vom gesamten Erlös ohne Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen auszugehen (BGHSt 47, 369 [370]; BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 388, 389; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01). Insbesondere bei Betäubungsmitteldelikten "besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGHSt 47, 369 [372]; BGH NStZ 2001, 312).
12
Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos sind, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog und darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll (BGHSt 47, 369 [373 f.]).
13
An dieser - verfassungungskonformen (vgl. BVerfG NJW 2004, 2073 [2074 ff.]) - Rechtsprechung hält der Senat uneingeschränkt fest. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach dann, wenn für einen dem Verfall unterliegenden Vermögensvorteil die Steuer bereits bestandskräftig festgesetzt worden ist, dies bei der zeitlich nachfolgenden Anordnung des Verfalls mindernd zu berücksichtigen ist (BGHSt 47, 260) liegen Besonderheiten des Steuerrechts zugrunde. Da für verfallen erklärte Vermögenswerte mangels Strafcharakters einer Verfallsanordnung grundsätzlich steuermindernd geltend gemacht werden dürfen, könnte die Verfallsanordnung je nach dem Zeitpunkt der Verfallsanordnung - vor oder nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung - zu dem Gleichbehandlungsgebot widersprechenden unterschiedlichen Gesamtbelastungen führen (vgl. BGHSt 47, 260 [265 ff.]). Dies - sowie eine daraus folgende mögliche Doppelbelastung desselben Betroffenen - zu vermeiden, dient die Berücksichtigung steuerlicher Konsequenzen bei der Feststellung dessen, was im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wurde. Das gesetzlich verankerte Bruttoprinzip wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Bei Betäubungsmittelgeschäften dürfte eine entsprechende - steuerlich relevante - Situation ohnehin nie eintreten.
14
Wirtschaftlich erlangt ist ein Gegenstand oder Wert im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sobald dieser unmittelbar aus der Tat in die eigene Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist (vgl. Nack, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verfall, Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 2003, 879 [880] m.w.N.). Beim Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Auch der einem Kurier ausgehändigte Kaufpreis unterliegt bei diesem in voller Höhe dem Verfall, unabhängig von den zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnissen zwischen den Tatbeteiligten (BGH NStZ 2004, 440; vgl. aber Winkler NStZ 2003, 247 [250]). Auf die Besonderheiten des Kommissionsgeschäfts kann es beim Betäubungsmittelhandel schon deshalb nicht ankommen, da sämtliche schuldrechtlichen Vereinbarungen in diesem Zusammenhang nichtig sind (§ 134 BGB).
15
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Angeklagte - entgegen der Bewertung durch die Strafkammer - nicht nur seinen Gewinnanteil, sondern den Gesamterlös in Höhe von 161.000,-- € gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Mit der Übertragung der Beträge von seinen Abnehmern an ihn wurden die entsprechenden Geldmittel Teil seines Vermögens, und zwar unabhängig davon, ob sie bar oder unbar übergingen, ob sie mit anderen Geldern vermischt oder gesondert verwahrt wurden. Unmaßgeblich ist auch, aus welchem Guthaben anschließend der Lieferant bedient wurde. Selbst wenn ein Zwischenhändler dieselben Geldscheine, die er von seinen Rauschmittelkäufern erhalten hat, unmittelbar im Anschluss daran an seinen Lieferanten weitergibt, werden diese Beträge zunächst Teil seines Vermögens. Spätere Mittelabflüsse können dann allenfalls noch im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein.
16
Grundsätzlich unterliegen somit die vom Angeklagten von seinen Abnehmern als Gegenwert für das veräußerte Marihuana erhaltenen 161.000,-- € bei ihm insgesamt dem Verfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. es ist gegen ihn in dieser Höhe der Verfall von Wertersatz anzuordnen (§ 73a Satz 1 StGB).
17
c) Das im Einzelfall unter Umständen notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bietet die Härtevorschrift des § 73c StGB.
18
Deren Voraussetzungen hat die Strafkammer in ihren Hilfserwägungen allerdings ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
19
aa) Das gilt zunächst für die Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, die die Anordnung des Verfalls zwingend ausschließt, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Als unbillige Härte - als Verstoß gegen das Übermaßverbot (vgl. BGHR StGB § 73c Härte 11) - stellt sich eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der insgesamt vereinnahmten 161.000,-- € nach den bisherigen Feststellungen nicht dar. Dies hat zwar die Strafkammer im Ergebnis ebenfalls so gesehen. Soweit das Landgericht allerdings in anderem Zusammenhang auf die existenzbedrohenden Konsequenzen einer weitergehenden Verfallsanordnung für die Familie des Angeklagten - dies betrifft ihn selbst, nicht nur Außenstehende - hinweist, überzeugt dies nicht. Die Anordnung des Verfalls in Höhe von 161.000,-- € würde bei weitem nicht deren Existenzgrundlage vernichten. Bei diesem Betrag handelt es sich um nur 19,06 % des Nettovermögens am 31. Dezember 2004. Außerdem scheint der Angeklag- te neben seinem Erwerbseinkommen (1.800,-- € netto) bis Frühjahr 2004 über weitere laufende Einnahmen zu verfügen, etwa aus seinem mit Hilfe der Arbeitsagentur gegründeten Brennstoffhandel oder aus Überschüssen aus Vermietung und Verpachtung seiner Immobilien. Denn der Angeklagte hat sein Nettovermögen im Jahre 2004 um immerhin 30.882,-- € gesteigert. Hinzu kommt der - in der Höhe unbekannte - Aufwand zur Deckung des Lebensunterhalts der Familie.
20
bb) Die bisherigen Feststellungen tragen allerdings auch nicht das fakultative Absehen von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der gesamten 161.000,-- € aufgrund des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB.
21
Schon die Bewertung der Strafkammer, der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB vermag nicht zu überzeugen.
22
Der Wert des Erlangten ist dann noch vorhanden, wenn das (Netto-) Vermögen des Betroffenen den Wert des Erlangten zumindest erreicht. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem "verfallbaren" Betrag zurück bleibt (BGHSt 48, 40 [42]; BGHR StGB § 73c Wert 2). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu der rechtswidrigen Tat hat; ebenso wenig hängt die Anordnung des Verfalls davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat (BGHR StGB § 73c Wert 2). Hieran hält der Senat fest. Nachforschungen über die Verwendung der erlangten Beträge, über die Quellen des vorhandenen Vermögens , über Vermögensumschichtungen, über ersparte Aufwendungen usw. sind deshalb grundsätzlich nicht erforderlich.
23
Der Senat teilt nicht die Auffassung, wonach vorhandenes Vermögen nur nahe lege, dass der Wert des Erlangten beim Verfallsbetroffenen noch vorhanden ist, wobei dies nicht mehr sei als eine widerlegbare Vermutung, die nicht greife, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten, etwa mehrere Jahre vor deren Begehung im Wege der Erbfolge, erworben wurde (vgl. BGHSt 48, 40 [42 f.]). Ob eine derartig differenzierte Betrachtung einer über Jahre angesammelten Vermögensmasse im Hinblick darauf, ob der "Wert" eines bestimmten Mittelzuflusses darin noch enthalten ist, überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Unter Umständen könnten umfangreiche Finanzermittlungen notwendig werden. Jedenfalls ist diese einengende Auslegung aus Sicht des Senats vom Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB nicht geboten, beschränkt aber die Praktikabilität und Effektivität der Vorschriften über den Verfall - von Wertersatz - und insbesondere deren Präventivwirkung. In besonders gelagerten Einzelfällen bietet § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB genügend Schutz. Wäre die Anordnung des Verfalls des Erlangten im Einzelfall - ganz oder zum Teil - eine unbillige Härte, wäre die Maßnahme ungerecht oder verstieße gegen das Übermaßgebot (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, insoweit in NStZ 2004, 457, nicht abgedruckt); dann hat die Anordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zu unterbleiben. Um eine unbillige Härte festzustellen, bedarf es im Rahmen der hierzu erforderlichen Gesamtbewertung dann aber keiner exakten Untersuchung über den Ursprung des vorhandenen Vermögens oder des wirtschaftlichen Verbleibs des Erlangten.

24
Im vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen. Denn soweit die Strafkammer auf die "unbefleckten" Vermögensteile des Angeklagten, also auf die vor dem Jahr 2004 erworbenen Grundstücke abgestellt hat, hat sie nicht bedacht , dass diese Immobilien weitgehend (1,4 von 2 Millionen €) kreditfinanziert sind. Zu Einzahlungen auf zur späteren Tilgung abgeschlossene Bauspar- und Lebensversicherungsverträge wurden vom Angeklagten im Jahre 2004 - dem Tatzeitraum - etwa 67.000,-- € aufgebracht; deren Bestand erhöhte sich nach den Feststellungen im Jahr 2004 nämlich von 207.764,-- € auf 275.000,-- €. Dies diente mittelbar der Entschuldung der Grundstücke und legt nahe, dass ein den Wert des Erlangten entsprechendes Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist, das nicht ohne jeden denkbaren Bezug zu den Straftaten des Angeklagten ist (vgl. BGHSt 38, 23 [25]; BGHSt 48, 40 [42 f.]). Feststellungen zum Umfang (Wert) des durch Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von den Eltern erworbenen (unbelasteten?) Grundvermögens hat die Strafkammer bislang nicht getroffen.
25
Im Übrigen schlösse auch nach der oben zitierten - vom Senat nicht geteilten - Rechtsprechung selbst ein völlig fehlender Bezug des vorhandenen Vermögens zu den Straftaten des Angeklagten die Abschöpfung über die Verfallsvorschriften nicht aus. Denn vorhandenes Vermögen behält, auch dann, wenn es in keiner denkbaren Beziehung zum - nicht mehr vorhandenen - "Wert des Erlangten" steht und deshalb die Anwendbarkeit des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht hindert, seine Bedeutung im Rahmen der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung (vgl. BGHSt 48, 40 [43]).
26
cc) Die Strafkammer hat ihre grundsätzlichen Vorbehalte gegen das Bruttoprinzip argumentativ auch auf den kumulierenden Effekt mehrerer Verfallsan- ordnungen gegen verschiedene Personen bei Handelsketten beziehungsweise bei Mittätern gestützt und in diesem Zusammenhang auch auf vermeintliche Probleme bei der Vollstreckung in derartigen Konstellationen hingewiesen. Denn dann ist - so bisherige Meinung - grundsätzlich von Gesamtschuldnerschaft auszugehen (vgl. BGH NStZ 2003, 198 [199]). Dies überzeugt nach Auffassung des Senats allerdings nicht für Fallgestaltungen der vorliegenden Art. Vielmehr ist jeder Täter, jeder Teilnehmer einer Handelskette, in der ein und dieselbe Menge an Betäubungsmitteln mehrfach umgesetzt und der entsprechende Kaufpreis jeweils bezahlt und vom Verkäufer im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wird, für sich zu betrachten und allein daran zu messen, was er konkret erhalten hat. Anderes gilt nur dann, wenn - dabei - mehrere Tatbeteiligte etwas gemeinsam erlangten, ohne dass festgestellt werden kann, wem dies zufloss. Ziel der aus Verfallsanordnungen gemäß §§ 73, 73a StGB resultierenden Zahlungsansprüche ist nicht die einmalige Abschöpfung des - regelmäßig beim Endabnehmer schließlich erreichten - höchsten Handelspreises. Vielmehr soll bei jedem Einzelnen, der aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt hat, dieses weggenommen werden und zwar, da es sich um eine präventive Maßnahme eigener Art handelt, nach dem Bruttoprinzip. Bei einer Handelskette kann deshalb die Summe der Beträge, hinsichtlich derer gegen die verschiedenen Händler der Verfall angeordnet wurde, den maximalen Handelspreis des umgesetzten Betäubungsmittels um ein mehrfaches übersteigen. Dies dann über das Rechtsinstitut der Gesamtschuldnerschaft zu begrenzen und auszugleichen, widerspräche dem Zweck des Verfalls gemäß §§ 73, 73a StGB. Die Weitergabe des Erlangten kann in besonderen Ausnahmefällen beim jeweiligen Einzelfall im Rahmen des Härtausgleichs gemäß § 73c StGB Berücksichtigung finden, wenn kein - ausreichendes - Vermögen mehr vorhanden oder eine Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre.
27
Auch dies kann hier jedoch dahinstehen, da die Stellung als Gesamtschuldner die Anordnung des Verfalls beziehungsweise des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten in voller Höhe zunächst gerade nicht berührt.
28
3. Die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Diesen nicht widersprechende, ergänzende Feststellungen sind möglich.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Hebenstreit

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 270/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 10. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II 5 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall II 5 der Urteilsgründe) und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen (Fälle II 1 bis 4 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach § 69 a StGB und eine Verfallsanordnung nach § 73 StGB getroffen sowie die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie wendet sich gegen den Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jedenfalls aber wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; außerdem richtet sich der Revisionsangriff gegen den Strafausspruch und die Strafaussetzung zur Bewährung. Das vom Generalbundesanwalt nur zum Teil vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobene Verfahrensbeschwerde bedarf es daher nicht.
1. Der Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte sich der Angeklagte gegenüber dem in den Niederlanden tätigen Drogenhändler "Chris" bereit erklärt, Drogenkurierfahrten zu Abnehmern in Deutschland, vornehmlich in Hannover, Hamburg und Berlin, durchzuführen. Für jede Fahrt sollte er unabhängig von der zu transportierenden Rauschgiftmenge 1.000 Euro erhalten. Entsprechend dieser Abrede übernahm der Angeklagte am 7. Mai 2002 von einem Beauftragten des "Chris" - möglicherweise bereits in Deutschland - 24,891 kg Haschisch und 9,933 kg Marihuana, um es unter anderem nach Hannover zu bringen. Nach der Übernahme fuhr der Angeklagte, der - wie er wußte - nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, mit seinem Kraftfahrzeug zunächst nach Steinfurt. Gegen 22.45 Uhr wurde er von einer zivilen Polizeistreife , die in der Nähe seines Hauses auf ihn gewartet hatte, bemerkt und
nach einer Verfolgungsfahrt festgenommen. Die ihm um 23.58 Uhr entnommene Blutprobe wies Cocainmetabolite auf, da der Angeklagte etwa drei Stunden vor seiner Festnahme in den Niederlanden Kokain konsumiert hatte.

b) Mit Recht beanstandet die Revisionsführerin, daß das Landgericht den Angeklagten nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat.
Dieser Schuldspruch ist auf die Sachrüge aufzuheben, weil die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils in Bezug auf eine mögliche Einfuhr der Betäubungsmittel lückenhaft ist.
Die Strafkammer hat den Angeklagten nicht wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, weil sie ihren Feststellungen die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zugrundegelegt hat, die von denjenigen bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme abweichen. Damals hatte er - unter detaillierter Schilderung des Geschehensablaufs - angegeben, die in seinem Fahrzeug sichergestellten Betäubungsmittel in der Nähe von Enschede übernommen und nach Deutschland transportiert zu haben, und zwar aufgrund einer Vereinbarung mit einem Türken namens "G. ", den er in den Niederlanden kennengelernt habe. In der Hauptverhandlung hat er dagegen behauptet, die Betäubungsmittel nicht aus den Niederlanden eingeführt, sondern sie erst in Deutschland übernommen zu haben, um sie für seinen Auftraggeber, den niederländischen Drogenhändler "Chris", unter anderem nach Hannover zu bringen. Die Strafkammer hat diese Darstellung für "möglich" gehalten, weil der Angeklagte im Laufe des Ermitt-
lungsverfahrens durch Vermittlung seines Verteidigers an die Polizei herangetreten und umfangreiche Angaben zu seinem Auftraggeber "Chris" gemacht hat, die sich als zutreffend erwiesen haben.
An die Bewertung der Einlassung des Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter hat sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StPO § 261 Einlassung 6 m.w.N.). Eine solche Würdigung des Wechsels der Einlassung lassen die Urteilsgründe vermissen. Auch wenn der Angeklagte bei der ersten polizeilichen Vernehmung seinen wahren Auftraggeber "Chris" noch nicht nennen wollte, bestand keine Veranlassung, unrichtige Angaben zum Übernahmeort zu machen. Zudem hätte sich das Landgericht in den Urteilsgründen damit auseinandersetzen müssen, daß sich der Angeklagte nach den Feststellungen drei Stunden vor seiner Festnahme, die in der Umgebung von Steinfurt erfolgte, in den Niederlanden aufgehalten hatte. Da das Landgericht nicht mitteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Angeklagte diesen Aufenthalt, der nach seiner Einlassung in der Hauptverhandlung nicht der Übernahme der Betäubungsmittel gedient hatte, erklärt hat, vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob das Landgericht die Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannt hat.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II 5 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Erfolgt keine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wird der Tatrichter aufgrund wertender Betrachtung zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Täter oder Gehilfe schuldig gemacht hat (vgl. dazu BGHSt 34, 124, 125; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 54, 57 m.w.N.). Im Falle eines Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen (täterschaftlichen) unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht ; gegenüber täterschaftlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dagegen als Auffangtatbestand zurück (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1). Sollte der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden, kann tateinheitlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (als Täter oder Gehilfe) vorliegen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge tritt dagegen gegenüber der unerlaubten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurück (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 332; vgl. auch Körner BtMG 5. Aufl. § 29 a Rdn. 158). !#" $&% ' ( ) * + , - Ernemann Sost-Scheible

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 50/03
vom
11. März 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4. Oktober 2002 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß bei den Angeklagten H. und M. die Verurteilung wegen tateinheitlicher bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und bei dem Angeklagten B. die Verurteilung wegen tateinheitlicher Beihilfe zur bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen entfällt. Der Schuldspruch des Angeklagten A. wegen tateinheitlicher Beihilfe zur bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen wird aufgehoben. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


In den Fällen des § 30a BtMG verbindet der Bandenhandel die im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung, also auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (BGH NStZ 1994, 496). Das gilt auch, wenn im Rahmen des Bandenhandels Beihilfe zur Einfuhr geleistet wird (BGH, Beschl. vom 14. August 1997 - 1 StR 376/97 -). Dagegen kommt der täterschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr neben Beihilfe zum Bandenhandel ein eigener Unrechtsgehalt zu, so daß Tateinheit möglich ist (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1).
Die zugunsten der Beschwerdeführer erfolgte Schuldspruchänderung war auf den nichtrevidierenden Angeklagten A. zu erstrecken (§ 357 StPO).
Die rechtliche Änderung des Schuldspruchs berührt den Rechtsfolgenausspruch nicht. Das Tatunrecht bleibt unverändert.
Im übrigen sind die Revisionen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 270/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 10. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II 5 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall II 5 der Urteilsgründe) und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen (Fälle II 1 bis 4 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach § 69 a StGB und eine Verfallsanordnung nach § 73 StGB getroffen sowie die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie wendet sich gegen den Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jedenfalls aber wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; außerdem richtet sich der Revisionsangriff gegen den Strafausspruch und die Strafaussetzung zur Bewährung. Das vom Generalbundesanwalt nur zum Teil vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobene Verfahrensbeschwerde bedarf es daher nicht.
1. Der Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte sich der Angeklagte gegenüber dem in den Niederlanden tätigen Drogenhändler "Chris" bereit erklärt, Drogenkurierfahrten zu Abnehmern in Deutschland, vornehmlich in Hannover, Hamburg und Berlin, durchzuführen. Für jede Fahrt sollte er unabhängig von der zu transportierenden Rauschgiftmenge 1.000 Euro erhalten. Entsprechend dieser Abrede übernahm der Angeklagte am 7. Mai 2002 von einem Beauftragten des "Chris" - möglicherweise bereits in Deutschland - 24,891 kg Haschisch und 9,933 kg Marihuana, um es unter anderem nach Hannover zu bringen. Nach der Übernahme fuhr der Angeklagte, der - wie er wußte - nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, mit seinem Kraftfahrzeug zunächst nach Steinfurt. Gegen 22.45 Uhr wurde er von einer zivilen Polizeistreife , die in der Nähe seines Hauses auf ihn gewartet hatte, bemerkt und
nach einer Verfolgungsfahrt festgenommen. Die ihm um 23.58 Uhr entnommene Blutprobe wies Cocainmetabolite auf, da der Angeklagte etwa drei Stunden vor seiner Festnahme in den Niederlanden Kokain konsumiert hatte.

b) Mit Recht beanstandet die Revisionsführerin, daß das Landgericht den Angeklagten nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat.
Dieser Schuldspruch ist auf die Sachrüge aufzuheben, weil die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils in Bezug auf eine mögliche Einfuhr der Betäubungsmittel lückenhaft ist.
Die Strafkammer hat den Angeklagten nicht wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, weil sie ihren Feststellungen die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zugrundegelegt hat, die von denjenigen bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme abweichen. Damals hatte er - unter detaillierter Schilderung des Geschehensablaufs - angegeben, die in seinem Fahrzeug sichergestellten Betäubungsmittel in der Nähe von Enschede übernommen und nach Deutschland transportiert zu haben, und zwar aufgrund einer Vereinbarung mit einem Türken namens "G. ", den er in den Niederlanden kennengelernt habe. In der Hauptverhandlung hat er dagegen behauptet, die Betäubungsmittel nicht aus den Niederlanden eingeführt, sondern sie erst in Deutschland übernommen zu haben, um sie für seinen Auftraggeber, den niederländischen Drogenhändler "Chris", unter anderem nach Hannover zu bringen. Die Strafkammer hat diese Darstellung für "möglich" gehalten, weil der Angeklagte im Laufe des Ermitt-
lungsverfahrens durch Vermittlung seines Verteidigers an die Polizei herangetreten und umfangreiche Angaben zu seinem Auftraggeber "Chris" gemacht hat, die sich als zutreffend erwiesen haben.
An die Bewertung der Einlassung des Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter hat sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StPO § 261 Einlassung 6 m.w.N.). Eine solche Würdigung des Wechsels der Einlassung lassen die Urteilsgründe vermissen. Auch wenn der Angeklagte bei der ersten polizeilichen Vernehmung seinen wahren Auftraggeber "Chris" noch nicht nennen wollte, bestand keine Veranlassung, unrichtige Angaben zum Übernahmeort zu machen. Zudem hätte sich das Landgericht in den Urteilsgründen damit auseinandersetzen müssen, daß sich der Angeklagte nach den Feststellungen drei Stunden vor seiner Festnahme, die in der Umgebung von Steinfurt erfolgte, in den Niederlanden aufgehalten hatte. Da das Landgericht nicht mitteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Angeklagte diesen Aufenthalt, der nach seiner Einlassung in der Hauptverhandlung nicht der Übernahme der Betäubungsmittel gedient hatte, erklärt hat, vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob das Landgericht die Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannt hat.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II 5 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Erfolgt keine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wird der Tatrichter aufgrund wertender Betrachtung zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Täter oder Gehilfe schuldig gemacht hat (vgl. dazu BGHSt 34, 124, 125; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 54, 57 m.w.N.). Im Falle eines Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen (täterschaftlichen) unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht ; gegenüber täterschaftlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dagegen als Auffangtatbestand zurück (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1). Sollte der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden, kann tateinheitlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (als Täter oder Gehilfe) vorliegen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge tritt dagegen gegenüber der unerlaubten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurück (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 332; vgl. auch Körner BtMG 5. Aufl. § 29 a Rdn. 158). !#" $&% ' ( ) * + , - Ernemann Sost-Scheible