Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2013 - 3 StR 24/13

bei uns veröffentlicht am20.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 24/13
vom
20. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 20. Februar 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 29. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und einen Wertersatzverfall angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb eine Bande von Rauschgifthändlern eine Vielzahl von Marihuanaplantagen. Der Angeklagte, "der von der Existenz und Absicht der Gruppierung wusste", mietete für diese in E. eine Betriebshalle an und errichtete darin eine Trennwand, so dass ein von außen nicht einsehbarer Innenraum entstand. "In diesem Raum betrieben die Mitglieder der Gruppierung eine professionelle Marihuanaplantage" (UA S. 4). Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Annahme einer Bande zutreffend wiedergegeben und daran anschließend ausgeführt: "Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Die genannten Hinterleute" (danach folgt die Aufzählung der zuvor auch im Rahmen der Feststellungen genannten fünf Personen, der Angeklagte ist nicht genannt) "sind im Zusammenhang mit dem Verfahren in den Niederlanden bekannt, in denen es um etwa zehn Marihuanaplantagen geht. Übereinstimmende DNA-Spuren hinterließen sie sowohl in den Niederlanden als auch in E. . Da sich - wie ausgeführt - die genannten Personen nicht nur vereinzelt, sondern gezielt für eine Vielzahl von Taten zusammengetan haben und die Tatbegehung in E. nahezu identisch ist zu derjenigen in D. , ergibt sich auch vorliegend eine entsprechende Bandenabrede" (UA S. 12).
3
Danach war der Angeklagte nicht Mitglied der Bande. Dies entzieht der Verurteilung wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die Grundlage. Hierzu gilt:
4
Die Bandenmitgliedschaft ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB, das in der Person eines jeden Teilnehmers an der Bandenstraftat gegeben sein muss (BGH, Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99, BGHSt 46, 120, 128 für die Mitgliedschaft an einer Diebesbande; Urteil vom 19. Juli 2006 - 2 StR 162/06, NStZ 2007, 101; sowie Beschluss vom selben Tag in derselben Sache, juris Rn. 2). Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, können deshalb nur wegen der Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 84 mwN).
5
Die bisherigen Feststellungen belegen deshalb lediglich eine Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat hat von einer Änderung des Schuldspruchs abgesehen, da er nicht ausschließen kann, dass in einer erneuten Verhandlung Feststellungen zu einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten getroffen werden können.
Schäfer Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Spaniol

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Strafgesetzbuch - StGB | § 28 Besondere persönliche Merkmale


(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2006 - 2 StR 162/06

bei uns veröffentlicht am 19.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 162/06 vom 19. Juli 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2015 - 2 StR 445/14

bei uns veröffentlicht am 15.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 445/14 vom 15. Oktober 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2015:151015B2STR445.14.0 Der 2.

Referenzen

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 162/06
vom
19. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als Vorsitzende
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. Oktober 2005 wird, soweit sie den Angeklagten C. betrifft, verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt; den Angeklagten K. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einem weiteren Tatvorwurf sind beide Angeklagte freigesprochen worden. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffen die Verurteilungen und sind auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt; hinsichtlich des Angeklagten C. ist das Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die gesondert verfolgten D. und U. mit einem A. Anfang des Jahres 2004 überein, in Zukunft Kokain aus Ecuador nach Deutschland einzuführen und hier damit Handel zu treiben. Das Kokain kam per Schiff in verschiedenen europäischen Städten an. Die beiden Angeklagten C. und K. waren an zwei Taten beteiligt.
3
1. Fall II 3 der Urteilsgründe: Im April 2004 fragte U. den Angeklagten C. , ob er bereit sei, gegen Entgelt Kokain aus St. Petersburg nach Deutschland zu bringen. Der Angeklagte C. weihte den Angeklagten K. ein, der einwilligte, das Rauschgift gemeinsam zu transportieren. Beide fuhren im Pkw nach St. Petersburg, wo ihnen D. drei Kilogramm Kokain zumindest durchschnittlicher Qualität aushändigte. Die beiden Angeklagten brachten das Rauschgift im Pkw nach Warschau, wo der Mitangeklagte S. gemeinsam mit dem gesondert verfolgten B. zweieinhalb Kilogramm übernahm und nach Deutschland brachte. Hinsichtlich der restlichen 500 Gramm versuchte der Angeklagte C. , es in Polen zu verkaufen; zumindest einen Teil hiervon brachte er nach einigen Wochen zu U. nach Deutschland. Mit dieser Transportfahrt war der Angeklagte C. als Mitglied in die Gruppierung von U. , D. und A. aufgenommen.
4
2. Fall II 6 der Urteilsgründe: Im September 2004 wurden 12 Kilogramm Kokain nach Istanbul geliefert. Zur Bezahlung der Kuriere aus Ecuador benötigte man 48.000 US-Dollar. Der Angeklagte C. besorgte über den Angeklagten K. 37.000 US-Dollar und warb ihn auch für den Transport an. Der Angeklagte K. brachte das Kokain in einem Wohnmobil von Istanbul nach Deutschland, der Angeklagte C. begleitete das Wohnmobil in seinem Pkw. Das Kokain wurde in Deutschland sichergestellt; es wies Kokainhydrochloridanteile zwischen 77,5 % und 95,4 % auf, insgesamt 9.353 g Kokainhydrochlorid.

I.

5
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hinsichtlich des Angeklagten C. hat keinen Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsfehler enthalten, denn die Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe sind angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO. Diese Vorschrift ist auch auf eine zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft anwendbar (BGH NJW 2006, 1822, 1824; Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06).

II.


6
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hinsichtlich des Angeklagten K. führt in beiden Fällen zur Aufhebung des Schuldspruchs.
7
1. Die Urteilsgründe lassen im Fall II 3 besorgen, der Tatrichter könnte übersehen haben, dass die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den täterschaftlichen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, welcher den vollen Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG eröffnet, nicht verdrängt (st. Rspr., u. a. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1; BGH, Urteile vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03, vom 11. Dezember 2003 – 3 StR 375/03 – und vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05). Nach den Urteilsfeststellungen liegt nahe, dass der Angeklagte K. , der das Kokain in der Rücksitzbank des Pkws versteckt hatte, während des Transports nach Polen daran Besitz hatte. Der Tatrichter hätte diesen Umstand daher ausdrücklich erörtern müssen.
8
2. Im Fall II 6 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei seiner Wertung, der Angeklagte habe die Bande um U. und D. beim Handeltreiben als Gehilfe unterstützt, lediglich den Kokaintransport als Tatbeitrag des Angeklagten zu Grunde gelegt (UA S. 46). Hingegen hat es den Umstand, dass der Angeklagte K. dem Angeklagten C. 37.000 US-Dollar zur Verfügung gestellt hat, nicht ausdrücklich erörtert, obwohl sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe aufdrängt, dass der Angeklagte K. wusste, dass dieses Geld für die Durchführung des Geschäfts benötigt wurde. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei vollständiger Würdigung der maßgeblichen Umstände zu einer anderen Beurteilung und damit zur Annahme von Mittäterschaft gelangt wäre. Unter diesem Aspekt wird der neue Tatrichter auch die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten K. nochmals zu prüfen haben.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden können, da die Bandenmitgliedschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist (vgl. BGHSt 46, 120, 128; 47, 214, 216; Senatsbeschluss vom 8. März 2006 – 2 StR 609/05). Der täterschaftliche Bandenhandel verbindet alle im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung, also auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit. Dagegen kommt der täterschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr neben Beihilfe zum Bandenhandel ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass Tateinheit möglich ist (vgl. BGH Beschluss vom 11. März 2003 – 1 StR 50/03). Neben der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann tateinheitlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (als Täter oder Gehilfe) vorliegen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt hingegen gegenüber der unerlaubten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurück (vgl. BGH Urteil vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03).
Otten Rothfuß Fischer
Roggenbuck Appl