Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juni 2013 - 1 StR 86/13

bei uns veröffentlicht am11.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 86/13
vom
11. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten Totschlags u.a.
zu 2.: versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten V. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 17. Oktober 2012 werden verworfen. Die Angeklagten haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
2. a) Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten V. betrifft , im Strafausspruch aufgehoben; die weitergehende Revision wird verworfen.

b) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die gegen den Angeklagten G. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Kosten dieses Rechtsmittels und die dem Angeklagten G. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Schwurgericht des Landgerichts München II hat den Angeklagten V. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten G. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten und näher ausgeführten Revisionen.
2
Die Staatsanwaltschaft verfolgt mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen zu Ungunsten der Angeklagten das Ziel, dass diese auch wegen versuchten Mordes in der Alternative Heimtücke verurteilt werden, sowie u.a. die Verurteilung der Angeklagten wegen schweren Raubes durch Wegnahme der Motorrad-Kutte des Geschädigten; außerdem wird die Strafzumessung gegenüber den Angeklagten gerügt.

A.

3
Das Landgericht hat seinem Urteil folgende Feststellungen zugrunde gelegt :
4
Der Angeklagte V. war zur Tatzeit ebenso wie der Mitangeklagte G. Mitglied des Motorradclubs „Bandidos“, Chapter M. . Beide hatten zum Tatzeitpunkt die Position eines „Probationary“, d.h. eines Probemitglieds , inne. Der Geschädigte Sc. war Mitglied des S. Chapters der Rockergruppierung „Gringos“, welche eine sogenannte „Supportergruppe“ der Bandidos S. ist.
5
Zwischen dem Geschädigten Sc. und dem Angeklagten V. bestanden Differenzen, da es im Zusammenhang mit der Tätigkeit der jetzigen Ehefrau des Geschädigten, der Zeugin C. , in dem Bordell des Angeklagten in M. zum Streit gekommen war; denn die Zeugin wollte später als geplant aus dem Urlaub zurück kehren, worauf der Angeklagte ihr eine weitere Tätigkeit in seinem Etablissement untersagte. In der Folge war er offenbar auch nicht bereit, ihr noch zustehende Einnahmen aus der Vergangenheit auszuzahlen. Nachdem diese Streitigkeiten dem Präsidenten der Bandidos M. bekannt wurden, machte dieser, quasi als Strafzahlung, für seinen Motorradclub eine Forderung von 2.000 € gegen den Geschädigten Sc. geltend, weil es diesem als „Gringo“ nicht zustehe, sich solchermaßen gegenüber einem Bandido zu verhalten. Nachdem aber Sc. nicht bereit war, diese Forderung zu erfüllen, wurde V. nahe gelegt, dem Geschädigten Sc. „eine Abreibung zu verpassen“. Hierbei wollte ihn der Mitangeklagte G. unterstützen. Beide gingen auch davon aus, dass die Erledigung dieses „Auftrags“ auch für die Erlangung der gewünschten Vollmitgliedschaft bei den Bandidos förderlich sei. Wann die beiden den Entschluss eines gemeinsamen Vorgehens gegen den Geschädigten genau fassten, konnte letztlich nicht festgestellt werden.
6
Der Angeklagte V. vereinbarte mit dem Geschädigten Sc. ein Treffen am cluboffenen Abend der Bandidos S. am 11. November 2011 in deren Clubhaus, wobei er vorgab, mit ihm über die zwischen ihnen strittige Geldforderung sprechen zu wollen.
7
V. und G. fuhren daraufhin am 11. November 2011 zusammen mit zwei weiteren Clubmitgliedern, unter anderem dem Präsidenten der Bandidos M. , nach S. . Im Clubhaus waren an diesem Abend zwischen 20 und 40 Personen, zumeist Mitglieder der Bandidos S. , darunter auch der Geschädigte Sc. . Nachdem G. außen am Clubhaus neben der Eingangstür eine etwa 1.000 g schwere Stabtaschenlampe Maglite versteckt hatte, forderte V. im Clubhaus den Geschädigten Sc. dazu auf, mit nach draußen zu kommen. Sc. hatte eigentlich erwartet, dass das Gespräch im Clubhaus stattfinden sollte und hatte bei der Aufforde- rung, nach draußen zu kommen, „ein mulmiges Gefühl“. Dennoch folgte er V. vor das Haus, wobei ihnen G. nachkam. Die ebenfalls im Clubhaus anwesende Zeugin C. blieb allerdings dort zurück. Im Hof vor dem Clubhaus waren Autos geparkt und es war dunkel. G. griff draußen sogleich nach der bereitgelegten Taschenlampe und schlug dem Geschädigten heftig auf den Hinterkopf. Unmittelbar danach schlug V. dem Geschädigten mit der Faust ins Gesicht. G. versetzte ihm sodann zehn bis 15 weitere Schläge mit der Stablampe auf den Hinterkopf sowie den Nacken - und Schulterbereich, während V. ihn gleichzeitig mit Fäusten schlug und mit Knien und Füßen trat. V. bemerkte dabei, dassG. eine Stablampe zum Schlagen verwendete. Bei den Schlägen war beiden Angeklagten bewusst, dass die wuchtigen Schläge mit der Stablampe gegen den Kopf des Geschädigten geeignet waren, seinen Tod herbeizuführen, was sie als mögliche Folge ihres Verhaltens billigend in Kauf nahmen. Sc. wehrte sich nicht, sondern nahm nur die Hände seitlich an den Kopf, um diesen zu schützen. Schließlich ging er zu Boden und lag flach auf dem Bauch. Er erhielt noch einige wenige Schläge, bevor die Angeklagten aufhörten.
8
Als der Geschädigte in der Folge aufzustehen versuchte, befahl ihm G. liegen zu bleiben. Kurz darauf sagte er zu Sc. : „Zieh die Kutte aus, zieh die Kutte aus!“, womit er die Motorradjacke meinte und damit symbo- lisch die Mitgliedschaft des Geschädigten bei den Gringos beenden wollte. Der Geschädigte presste darauf heraus: „Dann musst du mich schon ganz umbringen.“ G. antwortete daraufhin „Was“ und „Okay“ und versetzte dem Ge- schädigten hierauf, mindestens zwei bis drei weitere wuchtige Schläge mit der Stablampe auf den Hinterkopf, welche zur Bewusstlosigkeit des Geschädigten führten. Daraufhin zog ihm G. die Jacke aus. V. und G. ließen den bewusstlosen Geschädigten im Hofraum zwischen den geparkten Autos , mit dem Kopf unter einem der Autos, liegen und gingen wieder ins Clubhaus hinein. Dort warf G. die Jacke auf den Boden, da er sie nicht behalten wollte. Was in der Folge mit der Jacke geschah, blieb ungeklärt.
9
Nach Überzeugung der Strafkammer gingen die Angeklagten zwar davon aus, dass dem Geschädigten im Hofraum von anderen Personen geholfen würde; sie selbst unternahmen allerdings nichts, um ihm zu helfen, sondern ließen ihn zwischen den Autos liegen. Sie wussten allerdings, dass Sc. mit der Zeugin C. gekommen war, weshalb sie annehmen konnten, dass diese oder eine andere Person alsbald nach dem Geschädigten sehen würden. Nach Überzeugung der Strafkammer hatte dann tatsächlich auch der Zeuge F. gezielt vor dem Haus nachgesehen, was geschehen war, um Schlimmeres zu verhindern.
10
Auch die Zeugin C. begab sich sogleich vor das Clubhaus, als sie die Angeklagten allein wieder hereinkommen sah. Sie konnte den Geschädigten im Hofraum zunächst nicht sehen und fand ihn erst nach einigen Minuten infolge seiner ächzenden Atemgeräusche, immer noch bewusstlos und blutüberströmt auf dem Rücken liegend, zwischen zwei geparkten Autos. Es gelang ihr, ihn aus der Bewusstlosigkeit zu wecken, worauf sie dann mit seinem aus dem Clubhaus geholten Mobiltelefon den Rettungsdienst verständigte. Zwischenzeitlich war auch der Zeuge F. hinzugekommen und hatte aus Sperrmüll eine Sitzgelegenheit für den verletzten Sc. hergestellt. In der Folge fuhr C. mit dem Geschädigten im Auto zum Bahnhof, wo sie sich vereinbarungsgemäß mit dem Rettungsdienst traf. Die Sanitäter stellten eine Pupillendifferenz fest, weshalb sie ihrerseits einen Notarzt anforderten. Diese Diagnose wurde in der Folge vom Notarzt bestätigt, worauf der Geschädigte ins Krankenhaus M. gebracht wurde. Im Krankenhaus wurden fünf Kopfplatzwunden versorgt und genäht und sein Schädel im MRT untersucht. Obgleich der Geschädigte neben den Kopfplatzwunden auch noch eine Gehirnerschütterung, ein Hämatom der Kopfschwarte, eine Gesichtsprellung , Nasenbluten, eine oberflächliche Schulterprellung sowie Prellungen an Ellenbogen, Handgelenk, Knie und Wade sowie eine Schnittverletzung an der Hand erlitten hatte, verließ er das Krankenhaus noch in derselben Nacht gegen ärztlichen Rat.
11
Der Angeklagte V. erklärtemit Brief vom 23. Januar 2012 seinen Austritt aus den Bandidos M. und schloss mit dem Geschädigten Sc. eine Schlichtungsvereinbarung mit Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 € sowie Schadensersatz in Höhe von 1.000 €. Die entsprechenden Zahlungen erfolgten noch vor der Hauptverhandlung. Außerdem entschuldigte er sich umfassend zunächst in schriftlicher Form und dann nochmals in der Hauptverhandlung bei dem Geschädigten, welcher die Entschuldigung annahm. G. erklärte in der Hauptverhandlung, dass es ihm leid tue, was passiert sei.

B.


12
I. Die Revision des Angeklagten V. bleibt ohne Erfolg.Weder die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten (vgl. 1), noch die Verneinung der Rücktrittsvoraussetzungen (vgl. 2) durch das Landgericht lassen Rechtsfehler erkennen.
13
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN). Weiterhin liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Vorliegend war es nach den Feststellungen des Landgerichts beiden Angeklagten bewusst, dass die wuchtigen Schläge mit der Stablampe gegen den Kopf des Geschädigten geeignet waren, seinen Tod herbeizuführen, wobei sie dies als mögliche Folge ihres Verhaltens billigend in Kauf nahmen (UA S. 11). Die Gefährlichkeit des Handelns war bereits nach den ersten Schlägen erkennbar, als spätestens V. bemerkte, dass G. bei seinen Schlägen eine schwere Stabtaschenlampe verwendete, so dass es für den zumindest bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten V. nicht auf die späteren zusätzlichen Schläge des Mitangeklagten G. ankommt.
14
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte V. nicht zurückgetreten ist. Vielmehr habe er, nachdem er dem Geschädigten die ihm zugedachte Abreibung mit verabreicht hatte, alles aus seiner Sicht zur Tatausführung Erforderliche getan.
15
Die Voraussetzungen eines Rücktritts liegen schon deswegen nicht vor, weil der Angeklagte keine aktiven Rücktrittsbemühungen gezeigt hat. Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB reicht es bei mehreren Tatbeteiligten grundsätzlich nicht hin, wenn einer von diesen einfach nur die weitere Tatausführung aufgibt. Dies ist unabhängig von der Vorstellung des Angeklagten zu Rettungsbemühungen Dritter. Jedenfalls hing es aufgrund der konkreten Situation am Tatort, gerade auch wegen der selbst bei gezieltem Suchen nur schweren Auffindbarkeit des Opfers im dunklen und infolge des wegen der zahlreichen parkenden Autos unübersichtlichen Hofbereichs, praktisch vom Zufall ab, ob und wann der Geschädigte gefunden würde. Somit war auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem bereits die Untätigkeit eines Angeklagten oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung verhinderte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 - 4 StR 268/11).
16
Insoweit kann es nach den getroffenen Feststellungen auch dahinstehen , ob das Schwurgericht, wovon nach dem Gesamtzusammenhang auszugehen ist, nur versehentlich die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB anstelle von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB angegeben hat, oder damit nur zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Angeklagten nichts getan haben, um eine Vollendung der Tat zu verhindern.
17
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet.

18
II. Auch die Revision des Angeklagten G. bleibt ohne Erfolg.
19
1. Der Tötungsvorsatz ist bei dem Angeklagten G. schon deswegen nicht in Frage zu stellen, da er dem Geschädigten nicht nur die erheblichen Schläge mit der 1 kg schweren Stabtaschenlampe versetzte, bevor dieser zu Boden fiel, sondern ihn dann auch noch weiter schlug, bis er bewusstlos wurde. Hinzu kommt, dass der Geschädigte geäußert hatte, dass er ihn „schon ganz umbringen“ müsse, wenn er die Kutte wolle. Daraufhin äußerte G. ent- sprechend „Okay“ und setzte seine Schläge mit der Stablampe auf den Hinterkopf des Geschädigten bis zu dessen Bewusstlosigkeit fort.
20
2. Auch hinsichtlich des Angeklagten G. hat das Schwurgericht festgestellt, dass er, nachdem er den Geschädigten bewusstlos geschlagen hatte, aus seiner Sicht die Tat vollendet hatte (UA S. 30). Auch G. ist nicht zurückgetreten; denn er hat den Geschädigten, nachdem er ihn bewusstlos geschlagen hatte, einfach im dunklen Hof zwischen den geparkten Autos liegend zurückgelassen und keine weiteren Bemühungen zu seiner Rettung unternommen. Wie vom Schwurgericht festgestellt, war der Geschädigte hierdurch in die besondere Gefährdungslage geraten, dass er in diesem Zustand zurückgelassen an Erbrochenem oder dem eigenen Blut hätte ersticken können. Auch wenn der Angeklagte meinte, dass andere dem Geschädigten möglicherweise noch rechtzeitig helfen könnten, konnte er davon keinesfalls als sicher ausgehen, zumal die Zeugin C. später tatsächlich - trotz zielgerichtetem Suchen - erhebliche Zeit aufwenden musste, um ihn überhaupt in dem dunklen und unübersichtlichen Hofbereich zu finden.
21
3.Der von der Verteidigung erhobene Einwand, dass G. durch die Wegnahme der Kutte möglicherweise gar keine Straftat begangen habe, trägt nicht. Aus den Feststellungen ergibt sich nämlich gerade nicht, dass die Kutte Eigentum des Motorradclubs gewesen sein könnte, sondern dass sie im Eigentum des Sc. stand (UA S. 30). Dass G. dem Geschädigten dieKutte nicht wegnehmen durfte, wusste er deshalb. Ebenso war völlig klar, dass er die Kutte nur gegen den erklärten Willen des Geschädigten (UA S. 11) wegnehmen konnte, weshalb er zur Nötigungshandlung griff und die Schläge zunächst androhte und nach der Erfolglosigkeit dieser Drohung mit vis absoluta die weiteren Schläge versetzte, bis der Geschädigte bewusstlos wurde und sich der Wegnahme nicht mehr weiter widersetzen konnte, so dass letztlich eine vollendete Nötigung gegeben war.

C.


22
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft war der Strafausspruch gegen den Angeklagten V. aufzuheben; die weitergehende Revision hinsichtlich des Angeklagten V. blieb dagegen ohne Erfolg.
23
1. Keinen Rechtsfehler weist die Verurteilung des AngeklagtenV. insoweit auf, als das Landgericht ihn nur wegen versuchten Totschlags verurteilt hat und nicht auch von einem heimtückischen Handeln ausgegangen ist.
24
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht (mehr) mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Januar 2005 - 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692; vom 29. November 2007 - 4 StR 425/07, NStZ 2008, 273 jeweils mwN). Vorliegend war es so, dass der Geschädigte spätestens zu dem Zeitpunkt, als er aufgefordert wurde, mit hinaus zu gehen, „ein mulmiges Gefühl“ hatte. Bereits die Aufforderung, ins Freie zu treten, bedeutet regelmäßig den Beginn einer körperlichen Auseinandersetzung ; ein anderer Zweck ist in diesem Zusammenhang nicht vorstellbar, zumal wenn es draußen dunkel ist und das vom Geschädigten erwartete Gespräch ohne Weiteres im Clublokal hätte stattfinden können. Im Zusammenhang mit der bereits zuvor durch den Präsidenten der Bandidos gegenüber dem Geschädigten telefonisch gemachten Mitteilung, sie würden in dieser An- gelegenheit „als Bandidos operieren“ (UAS. 9), konnte das Schwurgericht in seinen Urteilsfeststellungen davon ausgehen, dass der Geschädigte beim Verlassen des Clubhauses mit einem erheblichen Angriff zumindest des Angeklagten V. gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnen musste.
25
2. Kein Rechtsfehler ergibt sich daraus, dass die Strafkammer dem Angeklagten V. nicht auch die weiteren Schläge des AngeklagtenG. zugerechnet hat, mit welchen dieser den Geschädigten bewusstlos schlug, nachdem er am Boden lag und die Beteiligten ihre Schläge zunächst eingestellt hatten. Ausweislich der Feststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das weitere Vorgehen von G. , um dem Geschädigten gewaltsam die Kutte ausziehen zu können, einem gemeinsamen Tatplan entsprach oder der Angeklagte V. ihm mangels konkreter Unterstützungshandlungen zumindest psychische Beihilfe hierbei leistete. Insoweit sind die Feststellungen auch nicht lückenhaft. Das Schwurgericht hat, wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, den Geschädigten Sc. ausdrücklich danach gefragt, ob der Angeklagte V. an den weiteren Schlägen beteiligt war (UA S. 23). Zudem bestand, nachdem das Schwurgericht festgestellt hatte, dass der Angeklagte V. aufgehört hatte, zu treten und zu schlagen, keine Veranlassung zu der zusätzlichen Feststellung, dass er später nicht wieder damit begonnen hatte.
26
Eine Aufklärungsrüge hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
27
3. Aus denselben Gründen ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass der Angeklagte V. nicht als Mittäter der Nötigungshandlung des G. verurteilt wurde.
28
4. Hinsichtlich der Wegnahme der Kutte durch G. ist ein Tatbeitrag des Angeklagten V. nicht festgestellt, was ebenso bezüglich derFrage einer Zueignung gilt.
29
5. Die weiteren Revisionsangriffe der Staatsanwaltschaft gegen den Schuldspruch sind ebenfalls unbegründet; demgegenüber war der Strafausspruch bezüglich des Angeklagten V. aufzuheben.
30
Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten V. berücksich- tigt, dass er die Tat „weitgehend eingeräumt“ hat (UAS. 31). Diese Annahme ist aber offensichtlich unzutreffend; denn der Angeklagte hat ausweislich der Feststellungen nur angegeben, dass er draußen zum Geschädigten „Du Wich- ser“ gesagt habe und „dann ziemlich aggressiv auf ihn losgegangen“ sei. „Sc. sei in die Hocke gegangen, dann habe er von ihm abgelassen“ (UA S. 15). Damit hat der Angeklagte weder die heftigen Schläge und Tritte, erst recht nicht die die Tat maßgeblich prägenden vielfachen Schläge mit der etwa 1 kg schweren Stabtaschenlampe eingeräumt. Außerdem war die Tat maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass an ihr ein weiterer Täter beteiligt war, welcher zudem die ersichtlich schwereren Schläge dem Geschädigten beigebracht hatte. Insoweit hat das Schwurgericht selbst die Verwendung der Stablampe durch diesen weiteren Täter als „wesentlich“ bezeichnet (UA S. 31).
31
Auch der Umstand, dass nach den Feststellungen des Landgerichts der Angeklagte V. von einer „realistischen Bedrohungslage“ wegen der Zusendung einer Mini-Maglite in die Vollzugsanstalt ausgehen musste, ändert letztlich nichts daran, dass er entgegen der Auffassung des Tatrichters die Tat damit nicht „weitgehend eingeräumt“ hat.
32
Insoweit liegt daher ein Wertungsfehler im Rahmen der Strafzumessungserwägungen vor, bei dem der Senat nicht ausschließen kann, dass bei zutreffender Wertung durch das Landgericht auf eine höhere Strafe erkannt worden wäre. Die entsprechenden Feststellungen sind, da es sich nur um einen Wertungsfehler handelt, nicht betroffen.
33
Die vorgenannten Umstände wird das neu zur Entscheidung berufene Schwurgericht auch bei der Bewertung des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a StGB zu berücksichtigen haben (vgl. BGHSt 48, 134, 141 f.; BGH, NStZ 2003, 199, 200).
34
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten G. blieb erfolglos.
35
1. Aus den oben dargelegten Gründen scheidet eine heimtückische Begehungsweise bei der versuchten Tötung des Geschädigten aus.
36
2. Zutreffend ist das Landgericht bei der Wegnahme der Kutte und dem auf den Boden Werfen im Vereinslokal nicht von einer Zueignung durch den Angeklagten und damit nicht von der Erfüllung des Tatbestands eines schweren Raubes ausgegangen.
37
Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte die Kutte zu keinem Zeitpunkt zueignen. Zueignung ist die Anmaßung der Stellung eines Eigentümers an der aus fremdem Gewahrsam genommenen Sache. Kennzeichnend für diese Eigentumsanmaßung ist die Inbesitznahme der Sache zu einem Zweck, der mit der Anerkennung fremden Eigentums nicht zu vereinbaren ist. Wie der spätere konkrete Umgang mit der Sache nichts mit dem Eigentumserwerb selbst zu tun hat, sondern nur als Akt der Ausübung des Eigentumsrechts zu verstehen ist, so darf beim Diebstahl aber die (geplante) Sachverwendung nicht mit der Zueignung als dem angemaßten Eigentumserwerb gleichgesetzt werden (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Aufl., § 242 Rn. 80). Weder das Fortschaffen vom Tatort noch das bloße Verbergen eines weggenommenen Gegenstandes sind allein geeignete Kriterien der Abgrenzung , da sie nicht hinreichend zwischen bloßer Gewahrsams-Lockerung und der Begründung neuen Gewahrsams unterscheiden (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 17).
38
Dem Angeklagten G. kam es offensichtlich nur auf den symbolischen Akt des Ausziehens der Kutte und des anschließenden Hinwerfens im Vereinslokal an. Was damit in der Folge geschah, war ihm gleichgültig. Auch wenn dieser Handlung im allgemeinen Handlungsgefüge eines Motorradclubs große symbolische Bedeutung zukommen kann, bedeutet es nicht, dass der so Handelnde wie ein Eigentümer über die Sache verfügt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. März 1971, BGHSt 24, 115, 119) und sich damit die Sache aneignet. Durchgreifende Anhaltspunkte für einen Erörterungsmangel sind damit nicht ersichtlich.
39
3. Hinsichtlich des Angeklagten G. hält die Strafzumessung des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen ist die Anwendung der Versuchsmilderung nicht zu beanstanden.
40
Dies gilt auch für die Verneinung der weiteren Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Die mit der Revision angeführten Merkmale, aus welchen sich der Tatbestand ergeben soll, insbesondere die behauptete vorherige Absprache unter den Angeklagten und die mit deren Handlungen von vornherein verfolgten Absichten, sind vom Landgericht bereits nicht festgestellt.
Wahl Rothfuß Graf
Cirener Zeng

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

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Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 268/11
vom
26. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Februar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Besitz und Führen eines verbotenen Wurfkörpers unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderen rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der in einem Bordell arbeitende Angeklagte mit zwei anderweitig verurteilten Mittätern überein, auf einen Konkurrenzbetrieb einen Brandanschlag zu verüben. In Ausführung dieses Planes begaben sich alle drei zu dem Gebäude, in dem der konkurrierende Bordellbetrieb untergebracht war, wobei jeder von ihnen zwei mit Benzin gefüllte Brandflaschen mit sich führte. Dort warfen die Mittäter des Angeklagten so- dann jeweils ihre beiden, der Angeklagte aber nur eine seiner Brandflaschen gezielt in Richtung des Gebäudes. Einige Flaschen zerbrachen beim Auftreffen auf die Außenwand und brannten außerhalb des Gebäudes nahezu folgenlos ab. Andere fielen unzerbrochen zu Boden. Die ihm verbliebene Brandflasche entsorgte der Angeklagte im Weggehen auf einem Parkplatz. Wäre eine der Brandflaschen oder entzündetes Benzin in das Innere des Gebäudes gelangt, hätte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Brand und einer Gefährdung des Lebens der sich im Gebäude aufhaltenden Personen geführt. Beides nahmen der Angeklagte und seine Mittäter billigend in Kauf.
3
Einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der besonders schweren Brandstiftung hat das Landgericht mit der Erwägung verneint , dass er sich nicht im Sinne von § 24 Abs. 2 StGB darum bemüht habe, die Vollendung der Tat zu verhindern. Eine bloße Untätigkeit des Angeklagten sei hierzu nicht ausreichend gewesen, weil der tatbestandliche Erfolg allein durch das Handeln der Mittäter hätte eintreten können. Stattdessen hätte es eines aktiven Eingreifens bedurft (UA 16).

II.


4
Die getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um einen strafbefreienden Rücktritt rechtsfehlerfrei zu verneinen.
5
Sind an einer Tat Mehrere beteiligt, wird nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht wegen Versuchs bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Dabei muss das die Tatvollendung verhindernde Verhalten nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun bestehen. Kann einer von mehreren Beteiligten den noch möglichen Eintritt des Taterfolgs allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht weiter fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1983 – 1 StR 615/83, NJW 1984, 2169; Urteil vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 485/83, BGHSt 32, 133, 134f.; Fischer, 58. Aufl., § 24 Rn. 40; Kudlich/Schuhr in SSW-StGB § 24 Rn. 57; Lilie/Albrecht in LK-StGB, 12. Aufl., § 24 Rn. 400 m.w.N.).
6
Nach den Feststellungen des Landgerichts stand dem Angeklagten noch eine Brandflasche zur Verfügung, die mit den bereits geworfenen Brandflaschen baugleich und deshalb wie diese geeignet war, das Gebäude in Brand zu setzen. Da seine Mittäter ihre Brandflaschen bereits geworfen hatten, ohne das Gebäude in Brand gesetzt zu haben, konnte der Angeklagte allein durch einen Verzicht auf den Wurf dieser letzten Brandflasche eine noch mögliche Tatvollendung verhindern. Ob dadurch die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB geschaffen worden sind, hängt – neben der erforderlichen Freiwilligkeit – damit entscheidend davon ab, welche Vorstellungen der Angeklagte hatte, als er sich dazu entschloss, auf den Wurf der zweiten Brandflasche zu verzichten. Hierzu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte sich dabei ergeben, dass der Angeklagte eine Herbeiführung des noch nicht eingetretenen Erfolges durch einen Wurf seiner zweiten Brandflasche weiterhin für möglich hielt und auch davon wusste, dass seinen Mittätern keine Brandflaschen mehr zur Verfügung standen, käme ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht. Ging der Angeklagte – was hier angesichts der augenscheinlichen Erfolglosigkeit der bisherigen Würfe nicht fernliegt – dagegen da- von aus, dass auch ein Wurf seiner Brandflasche keinen Gebäudebrand mehr herbeiführen würde, wäre der Versuch fehlgeschlagen, so dass ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB ausscheiden würde (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691).
7
Ergänzend bemerkt der Senat, dass bei einer erneuten Verurteilung nach § 52 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. WaffG der Tenor auf Besitz eines verbotenen Gegenstandes lauten muss.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 425/07
vom
29. November 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Totschlags
zu 2. und 3.: Beihilfe zum Totschlag
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten V. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Vanessa B. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger Herbert und Hildegard C. ,
der Nebenkläger Herbert C. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Herbert und Hildegard C. wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum "Vortatgeschehen", zum "Nachtatgeschehen" und zur Schuldfähigkeitsbeurteilung der Angeklagten bleiben jedoch bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
II. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten O. und V. hat es jeweils wegen Beihilfe zum Totschlag zu Freiheitsstrafen von fünf (O. ) bzw. sechs (V. ) Jahren verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger Herbert und Hildegard C. - die Eltern des Tatopfers - sowie die Angeklagten mit ihren Revisionen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger erstreben eine Verurteilung wegen (gemeinschaftlich begangenen) Mordes bzw. wegen Beihilfe zum Mord (V. ). Der Angeklagte S. hat seine Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Er beanstandet, dass das Landgericht zu Unrecht von seiner vollen Schuldfähigkeit ausgegangen sei. Die Angeklagten O. und V. wenden sich gegen den vom Landgericht jeweils angenommenen Gehilfenvorsatz zur Tötung des Tatopfers.
3
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben weitgehend Erfolg; die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.

I.


4
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Der Angeklagte S. und der drogenabhängige Christian C. - das spätere Tatopfer - standen in Geschäftsbeziehung und waren miteinander be- freundet. C. bezog von S. , der einen "Espresso Pub" betrieb, Kokain. Ende November 2005 befand er sich in einer schlechten finanziellen Situation. Seine Firma hatte hohe Verbindlichkeiten bei den Finanzbehörden, er selbst hatte wenigstens 24.500 Euro Schulden beim Angeklagten S. , wobei nicht festgestellt werden konnte, ob diese Verbindlichkeiten allein aus Drogenlieferungen oder auch aus anderen Geschäften stammten. Als C. dem S. zur Rückzahlung seiner Schulden ein Fahrzeug übergab, das dem C. aber gar nicht gehörte, war S. sehr verärgert. Er fühlte sich von C. , der ihm nach seiner Meinung auf Grund der bestehenden Freundschaft und Geschäftsbeziehung zu "Loyalität und Dankbarkeit" verpflichtet sein musste, hintergangen. Hinzu kam, dass S. von eigenen Gläubigern aus den Niederlanden, vermutlich wegen Forderungen aus Betäubungsmittelgeschäften, stark unter Druck gesetzt worden war, er aber nicht zahlen konnte.
6
Am Tag vor der Tat übergab C. dem Angeklagten S. 500 Euro zur (Teil-)Rückzahlung seiner Schulden. Es kam - wohl in diesem Zusammenhang - zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen beiden, bei der S. massive Drohungen gegen Leib und Leben des Christian C. ausstieß. Nachdem C. gegangen war und er aus Angst Telefonanrufe des S. nicht entgegennahm, entschloss sich dieser, zu C. zu fahren, um ihn zur Rückzahlung des dringend benötigten Geldes zu bewegen. Er rief die Angeklagten O. und V. in seine Wohnung und äußerte - nach dem gemeinsamen Genuss von Alkohol und Kokain - dass "er den umbringen werde, wenn er seine Schulden nicht bezahle" (UA 12 f.). Bevor die Angeklagten die Wohnung des S. verließen, um zu C. zu fahren, steckte S. eine scharfe, geladene Pistole ein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fasste er den Entschluss, C. zu töten, falls dieser seine Schulden nicht bezahlen würde. Sodann fuhren die Angeklagten mit dem Fahrzeug des V. , das dieser steuerte, zur Wohnung des Christian C. . Auf der Fahrt sah der Angeklagte O. die Waffe des S. . Wegen der Bewaffnung, der gereizten Stimmung des S. und der in der Wohnung zuvor geäußerten Todesdrohung "argwöhnte" O. , dass es zu einer Tötung des C. kommen könnte, wenn dieser seine Schulden nicht begleichen würde.
7
Als die Angeklagten kurz nach Mitternacht am Wohnhaus des Christian C. ankamen, forderte S. den Angeklagten O. auf, an der Haustür zu klingeln , sich wahrheitswidrig als “der Mann aus Holland" auszugeben und von C. die Rückzahlung der Schulden zu fordern. Er sollte C. erklären, dass das Geld, das C. schuldete, nicht S. allein zustehe, sondern auch den "Leuten aus Holland", die das Geld dringend haben müssten. Der Angeklagte O. wurde nach diesem Ansinnen des S. in seiner Vermutung noch bestärkt, dass es möglicherweise zu einer Tötung des C. kommen könnte. Er ging gleichwohl zur Wohnungstür, die ihm nach dem Läuten von C. geöffnet wurde. Wegen der mit S. geführten heftigen Auseinandersetzung und dessen Drohung fürchtete C. um sein Leben. Er rechnete mit einem Angriff des S. und hatte sich deshalb zur Verteidigung mit einer geladenen Vorderschaftrepetierflinte ("Pumpgun") bewaffnet. Diese hielt er beim Öffnen der Tür in seiner rechten Hand. Als O. das sah, war ihm ohne jeden Zweifel bewusst, dass bei einem Scheitern der Geldbeitreibung von S. die Tötung des C. beabsichtigt war.
8
Inzwischen hatte S. dem Angeklagten V. im Einzelnen mitgeteilt, dass er gegebenenfalls beabsichtige, Christian C. zu töten. Er wies ihm einen Platz an, wo V. sich mit seinem Fahrzeug hinstellen sollte, um nach der Tat eine schnelle Flucht zu ermöglichen.
9
Nachdem C. dem Angeklagten O. die Tür geöffnet hatte, stellte sich dieser, der Anweisung des S. folgend, als “der Mann aus Holland" vor, der gekommen sei, um über die Schulden zu sprechen. C. ließ den Angeklagten O. eintreten und stellte die Waffe ab. Er erklärte O. , dass er sich derzeit bemühe , das Geld für S. zu beschaffen, er aber Schulden beim Finanzamt habe. Im Verlauf des Gesprächs rief S. mehrfach das Mobiltelefon des O. an. Er warf dem C. , an den O. das Telefon weitergereicht hatte, vor, dass dieser ihn mit der Übergabe des ihm nicht gehörenden Fahrzeugs getäuscht und er ihn im Stich gelassen habe. In einem weiteren Gespräch erteilte S. dem Angeklagten O. die Anweisung, ihm unter der Vorgabe, er - O. - müsse austreten , die Hauseingangstür zu öffnen. Das tat der Angeklagte O. auch. Ihm war dabei bewusst, dass der bewaffnete Angeklagte S. so für C. unbemerkt in das Haus eindringen und dieses Überraschungsmoment zur Tötung nutzen konnte.
10
Als S. das Haus betreten hatte, war Christian C. von dessen Erscheinen überrascht. Er war auf Grund der Telefongespräche davon ausgegangen , dass sich S. in dem mehr als 30 km entfernten Ort Neunkirchen aufhielt. C. befürchtete nun endgültig, auch auf Grund dieser Täuschung, dass S. einen Anschlag auf ihn plante. Um S. zu beschwichtigen, umarmte er ihn freundschaftlich. S. verlangte erneut die Rückzahlung des ausstehenden Geldes, worauf C. wieder auf seine hohen Verbindlichkeiten beim Finanzamt hinwies. Die nunmehr zum Teil heftig und lautstark geführte Diskussion - bei der Kokain konsumiert wurde - steigerte sich immer mehr. S. lief aufgebracht in dem Raum hin und her. Als er glaubte, keine Rückzahlung seiner Schulden erhalten zu können, wollte er C. hierfür bestrafen (UA 48). Er feuerte, in der Absicht, Christian C. zu töten, aus der mitgeführten Pistole, die er unbemerkt unter seiner über dem Arm liegenden Lederjacke verborgen hatte, von hinten einen aufgesetzten Schuss durch die Jacke in den linken Brustkorb des C. . Als dieser daraufhin zu Boden fiel, gab S. zwei weitere, wiederum aufgesetzte Schüsse in den Kopf des Christian C. ab. Dieser verstarb innerhalb weniger Minuten. Anschließend reinigten S. und O. den Tatort, beseitigten Spuren und flüchteten mit V. .
11
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte S. nach den getroffenen Feststellungen lediglich des Totschlags schuldig gemacht. Ein "heimtückisches" Vorgehen (§ 211 Abs. 2 5. Alt. StGB) liege nicht vor, weil das Tatopfer vor dem Angriff des Angeklagten S. nicht arglos gewesen sei. Der Angeklagte O. habe sich wegen Beihilfe zum Totschlag strafbar gemacht, weil er vorsätzlich zu dem von S. begangenen Totschlag dadurch Hilfe geleistet habe, dass er diesem mit der wahrheitswidrigen Behauptung, er sei “der Mann aus Holland", der über die Rückzahlung der Schulden verhandeln wolle, und durch die spätere heimliche Öffnung der Haustür Zutritt zum Haus des Opfers verschafft und hierdurch die Tat erst möglich gemacht habe. O. sei nicht Mittäter gewesen, weil er - wovon zu seinen Gunsten auszugehen sei - in eine gemeinsame Planung der Tat nicht mit eingebunden gewesen sei und er keine Tatherrschaft und auch kein eigenes Interesse an der Tat gehabt habe. Auch der Angeklagte V. habe sich der Beihilfe zum Totschlag schuldig gemacht, weil er die Tatausführung des S. dadurch gefördert habe, dass er sein Fahrzeug weisungsgemäß zur schnellen Flucht bereit gestellt und nach der Tat die Flucht ermöglicht habe.

II.


12
Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Herbert und Hildegard

C.


13
1. Die Verfahrensrügen greifen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zu den Revisionen der Nebenkläger genannten Gründen, in der auch zu der ebenfalls von der Staatsanwaltschaft erhobenen Aufklärungsrüge betreffend die Zeugin Z. Stellung genommen wurde, nicht durch.
14
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Herbert und Hildegard C. haben jedoch mit der Sachrüge im Wesentlichen Erfolg.
15
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht allerdings ein "heimtückisches" Vorgehen des Angeklagten S. rechtsfehlerfrei verneint.
16
Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer dann, wenn es nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für die Beurteilung grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist. Die Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles. Aus der Sicht des Täters ist Voraussetzung für ein heimtückisches Handeln, dass dieser sich bewusst ist, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. nur BGH NJW 2006, 1008, 1010 = BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 33; BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07 jew. m.w.N.).
17
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien war das Mordmerkmal der Heimtücke bei der Tat nicht erfüllt:
18
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen hatte der später getötete Christian C. nach der Drohung durch den Angeklagten S. am Tag vor der Tat erhebliche Angst um sein Leben. Er hatte sich in seiner Wohnung mit einer Schusswaffe bewaffnet, als O. an der Tür klingelte. Als der Angeklagte S. überraschend bei dem zahlungsunfähigen C. erschien, fürchtete dieser endgültig, dass S. einen Anschlag auf ihn vorhatte. Bei dem anschließenden Gespräch kam es zu einer heftigen Diskussion, bevor S. schließlich die tödlichen Schüsse abgab.
19
Dass das Landgericht nach diesen Feststellungen ausgeschlossen hat, dass C. seinen Argwohn vor Abgabe des ersten Schusses - dem hier für die Frage der Heimtücke maßgeblichen Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (vgl. BGH NJW 1991, 1963) - aufgegeben haben könnte (UA 45), ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
20
Die von den Revisionen für ihre Auffassung, S. habe heimtückisch gehandelt, herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Heimtücke durch von langer Hand geplantes, wohl durchdachtes Locken in einen Hinterhalt bzw. raffiniertes Stellen einer Falle (BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH NStZ 1989, 364, 365; BGH, Urteil vom 14. Juni 1960 - 1 StR 73/60), in denen von der Regel, dass die Arglosigkeit bei Beginn des Tötungsversuchs vorliegen muss, eine Ausnahme gemacht wird (vgl. Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 131), betreffen andere Fallgestaltungen. Sie unterscheiden sich vom vorliegenden Fall insbesondere dadurch, dass das Tatopfer hier von der Tat nicht überrascht worden ist (vgl. BGH NStZ 1989, 364, 365: keine Heimtücke) und die Ausführung der Tat von einem Verhalten des dann Getöteten abhängig war (vgl. BGH NJW 1991, 1963: keine Heimtücke), nämlich dass Christian C. nicht zahlen würde. S. entschloss sich zur Tötung erst, als aus seiner Sicht die “Bedingung“ für die Tötung (keine Rückzahlung der Schulden) eingetreten war. Zu diesem Zeitpunkt war Christian C. aber nicht arglos.
21
Der vom Generalbundesanwalt gerügte Erörterungsmangel, das Landgericht habe sich rechtsfehlerhaft nicht damit beschäftigt, dass S. sein Opfer möglicherweise fälschlich für arglos gehalten haben könnte, liegt angesichts der bisherigen Feststellungen nicht vor; denn S. kannte alle wesentlichen Umstände , aus denen sich der Argwohn des C. ergab.
22
b) Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch, dass das Landgericht sich nicht mit dem Mordmerkmal der Tötung aus sonst "niedrigen Beweggründen" auseinandergesetzt hat.
23
Beweggründe sind nach der Rechtsprechung im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB "niedrig", wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen. Bei einer Tötung - wie hier festgestellt - aus Wut oder Ärger kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. nur BGHSt 47, 128, 130; BGH, Urteil vom 5. September 2007 – 2 StR 306/07 m.w.N.).
24
Die Feststellungen des Landgerichts, nach denen der Angeklagte S. sein Tatopfer, mit dem er freundschaftlich verbunden war, zur “Bestrafung“ für die Nicht-Rückzahlung von Schulden gleichsam “hingerichtet“ hat (UA 48), bieten tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme (sonst) niedriger Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2004 – 3 StR 115/04 ["Hinrichtung" eines Drogenschuldners]; Schneider aaO Rdn. 71 ff.), zumal das Schwurgericht in seinen Strafzumessungserwägungen selbst davon ausgeht, dass die Tötung des Christian C. "auf einem als niedrig einzustufenden Motiv" beruhte (UA 48).
25
Das Mordmerkmal der (sonst) niedrigen Beweggründe hätte daher der Prüfung bedurft. Dies wird nachzuholen sein.
26
Sollte der neue Tatrichter beim Angeklagten S. zu einem Schuldspruch wegen Mordes aus (sonst) niedrigen Beweggründen gelangen, so wird er zu bedenken haben, dass eine Verurteilung von Teilnehmern an dieser Tat - hier: möglicherweise der beiden Mitangeklagten - wegen Beihilfe zum Mord (aus niedrigen Beweggründen) nur dann möglich ist, wenn diese selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des (Haupt-)Täters erbracht haben (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 43; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 42 f. m.w.N.). Auch dies bedarf ggf. der Erörterung.
27
c) Die Verurteilung des Angeklagten O. nur wegen Beihilfe (zum Totschlag ) und nicht wegen Mittäterschaft hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.
28
Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) - auf der Grundlage gemeinsamen Wollens - einen die Tatbestandserfüllung fördernden Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann. Hat ein Tat-Beteiligter einen wesentlichen Beitrag geleistet, so ist er als Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte. Ob er ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Bedeutsame Anhaltspunkte dafür können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (vgl. BGH StV 1983, 501; NStZ-RR 2002, 74, 75; 2004, 40, 41).
29
Von diesen Kriterien geht das Landgericht bei seiner Abgrenzung, ob der Angeklagte O. Mittäter oder Gehilfe war, im Ansatz zutreffend aus. Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch seine Wertung, der Angeklagte O. habe keine Tatherrschaft gehabt, weil er nicht – wie S. – das “Geschehen in den Händen gehalten (habe)“ (UA 46); denn Tatherrschaft ist nicht nur gegeben, wenn der Tatbeteiligte die Tatbestandsverwirklichung eigenhändig vornimmt, sondern bereits dann, wenn er in Arbeitsteilung mit Anderen eine für das Gelingen der Tat wesentliche Funktion innehat (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 74, 75).
30
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte O. das Tatopfer durch Täuschung zum Weglegen seiner Waffe veranlasst und dem bewaffneten An- geklagten S. in dem Bewusstsein, dass es zur Tötung des Christian C. kommen konnte, heimlich den Zugang zu dessen Wohnung verschafft. Durch diesen wesentlichen Tatbeitrag (UA 49) hat er die Tat überhaupt erst ermöglicht (UA 46). Er hat somit den Geschehensablauf mit beherrscht. Damit hatte er Tatherrschaft (vgl. BGHSt 28, 346, 349; BGH NStZ-RR 2004, 40, 41).
31
Selbst wenn der Angeklagte O. , wovon das Landgericht ausgeht, kein eigenes Interesse an der Tat hatte, kommt diesem Umstand im Hinblick auf den von ihm erbrachten wesentlichen Tatbeitrag als Abgrenzungskriterium nur eine marginale indizielle Bedeutung zu (vgl. BGH wistra 2001, 420, 421). Er schließt, ebenso wenig wie der Umstand, dass O. (zunächst) in eine gemeinsame Planung der Tat nicht mit eingebunden war (vgl. BGH NStZ 2006, 44, 45), nicht aus, dass der Angeklagte die Tat als eigene wollte. Die Frage (mit )täterschaftlichen Handelns des Angeklagten O. wird daher unter umfassender Würdigung des Beweisergebnisses - auch seiner Einbindung in die sonstige Tat-Vorbereitung (UA 30 ff.) - neu zu bewerten sein.

III.


32
Revisionen der Angeklagten
33
Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

IV.


34
Die Fragen des Vorliegens des Tatbestands des § 211 StGB und der Täterschaft des Angeklagten O. bedürfen somit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen zum "Vortatgeschehen" (UA 9 bis 11), zum "Nachtatgeschehen" (UA 20 bis 22) und zur Schuldfähigkeitsbeurteilung der Angeklagten sind rechtsfehlerfrei getroffen; sie können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bestehen gebliebenen nicht widersprechen, sind zulässig. Die übrigen Feststellungen müssen aufgehoben werden. Der neu entscheidende Tatrichter wird insoweit Gelegenheit haben, Näheres über die Beziehungen der Angeklagten zueinander festzustellen, um nachvollziehbar zu machen, warum sich die Angeklagten O. und V. an der Tat des S. beteiligt haben. Auch bedürfen insbesondere die direkt vor der Tat geführten Telefongespräche, die auf eine stärkere Einbindung des Angeklagten O. in die Tatplanung und Tat als bisher festgestellt hindeuten (UA 16 f., 30, 33 [u.a. der Hinweis, dass auch O. eine Waffe bei sich trug]), einer gesamt würdigenden Bewertung.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.