Bundesgerichtshof Urteil, 07. Dez. 2005 - 1 StR 391/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts vom 18. Februar 2002 war der Angeklagte, ein Arzt, wegen zahlreicher Verstöße gegen das Transfusionsgesetz (TFG) sowie wegen fahrlässiger Tötung einer Patientin zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Auf seine Revision hatte der Senat das Verfahren wegen der Verstöße gegen das TFG gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt und die weiter gehende Revision des Angeklagten verworfen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat das genannte Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äuße-ren Tatgeschehen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden war (Urteil vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02). Auf der Grundlage der damit bindend gewordenen Feststellungen und der ergänzend von ihm vorgenommenen Beweisaufnahme hat das Landgericht nunmehr festgestellt: Bei einer vom Angeklagten in seiner Klinik in S. vorgenommenen, medizinisch nicht gebotenen Operation, trat bei der zuvor nicht ordnungsgemäß aufgeklärten Patientin eine zwar seltene, aber doch voraussehbare Komplikation auf. Aus sachwidrigen Gründen, die in jahrelangen Streitigkeiten mit einer anderen Klinik in S. und dem Rettungsdienst des Roten Kreuzes in S. wurzeln, sorgte der Angeklagte nicht für die schnellst- und bestmögliche Hilfe für die Patientin, die hätte geleistet werden können, wenn die Patientin alsbald, etwa von dem hierfür ausgerüsteten Rettungsdienst S. , in die andere Klinik in S. verbracht worden wäre. Der Angeklagte hatte demgegenüber erst nach Stunden veranlasst, dass die Patientin von einem von ihm in dem etwa 50 km von S. entfernt liegenden R. angeforderten Sanitätswagen in eine Klinik nach R. verlegt wurde. Dass als Konsequenz dieses Verhaltens tödliche Folgen für die Patientin eintreten könnten, hatte der Angeklagte dabei billigend in Kauf genommen. Tatsächlich konnte der Patientin in R. nicht mehr geholfen werden, sodass sie dort am nächsten Morgen verstarb. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge (Vornahme einer medizinisch nicht gebotenen Operation nach unzulänglicher Aufklärung) in Tateinheit mit Totschlag (unzulängliche Rettungsbemühungen) bei Annahme eines minder schweren Falles (§ 227 Abs. 2 StGB, § 213 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem wurde ein Berufsverbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochen.
II.
Gegen dieses Urteil richten sich die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten und die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Beide Rechtsmittel, die beide auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützt sind, bleiben erfolglos. 1. Die Revision des Angeklagten: Das Revisionsvorbringen erschöpft sich im Wesentlichen darin, die Feststellungen in dem Urteil vom 18. Februar 2002, insbesondere soweit sie aufgehoben wurden, den jetzt getroffenen Feststellungen gegenüber zu stellen und die jetzigen (sorgfältig und eingehend begründeten) tatrichterlichen Feststellungen unter Zugrundelegung eigener Erwägungen z.B. als „unschlüssig“, „keinesfalls ausreichend“, „unzulässig“, „keinesfalls tragfähig“ zu bezeichnen und zu bewerten. Weder damit noch mit ihrem sonstigen Vorbringen ist die Möglichkeit eines den Angeklagten beschwerenden revisiblen Rechtsfehlers aufgezeigt. Auch im Übrigen hat die auf Grund der Sachrüge umfassende Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. All dies hat auch der Generalbundesanwalt, ebenso wie schon in seinem schriftlichen Antrag vom 20. September 2005 im Einzelnen zutreffend dargelegt.2. Auch die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Soweit geltend gemacht wird, die Strafkammer hätte strafzumessungserhebliche Erkenntnisse gewonnen, wenn sie nicht nur den Tenor, sondern auch die von der Revision nicht mitgeteilten Gründe eines Bescheids der Regierung von Niederbayern zum Ruhen der Approbation des Angeklagten verlesen hätte,
handelt es sich der Sache nach um eine nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende unzulänglich vorgetragene Verfahrensrüge. Im Übrigen wird mit dem gesamten Vorbringen - etwa: gegen die von der Strafkammer angenommene langjährige „aufopferungsvolle“ ärztliche Tätigkeit des Angeklagten spreche, dass er in nicht unerheblichem Umfang „Strafanzeigen, Eingaben, Petitionen und Dienstaufsichtsbeschwerden“ im Zusammenhang mit der Tätigkeit des genannten Nachbarkrankenhauses angebracht habe; von Rechts wegen hätte die Strafkammer nur berücksichtigen dürfen, dass er seinen Beruf bis zur Tat „lege artis“ ausgeübt habe; - oder: es hätten z. B. das Alter des (1938 geborenen) Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und die sozialen Folgen der Verurteilung einschließlich des Berufsverbots entweder gar nicht oder jedenfalls nur in einem geringeren Maße als geschehen berücksichtigt werden dürfen, weder die Möglichkeit eines Rechtsfehlers bei der Strafrahmenwahl, noch bei der Strafzumessung im Übrigen verdeutlicht. Die ergänzenden Erwägungen des Generalbundesanwalts führen zu keinem anderen Ergebnis: Die Strafkammer erwägt, dass dem Angeklagten „ein hohes Maß“ an Pflichtwidrigkeit zur Last liegt. Der Senat teilt nicht die Besorgnis, sie könne wegen dieser sachgerechten Zusammenfassung bei der Strafzumessung die von ihr im Einzelnen festgestellten und minutiös aufgeführten Pflichtverletzungen des Angeklagten außer Betracht gelassen haben. Die Strafkammer hat die (nahe liegenden) Feststellungen getroffen,
- dass der Angeklagte ursprünglich in „Heilungsabsicht“ gehandelt hat und - dass er im späteren Verlauf im Hinblick auf für ihn vorrangige Gesichtspunkte den Tod der Patientin zwar billigend in Kauf genommen hat, ihm diese Folge seines Handelns als solche aber gleichwohl unerwünscht war. Unter diesen Umständen vermag der Senat schließlich auch nicht zu erkennen , warum es ein Rechtsfehler sein könnte, dass die Strafkammer nicht ausdrücklich erwogen hat, „dass das Opfer für das Verhalten des Angeklagten nicht den geringsten Anlass gab“. Auch im Übrigen hat die Strafkammer die Grenzen tatrichterlicher Strafzumessung eingehalten. Nack Wahl Kolz Elf Graf
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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.