Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08

bei uns veröffentlicht am26.11.2008
vorgehend
Amtsgericht Dresden, 305 F 2181/06, 18.06.2007
Oberlandesgericht Dresden, 21 UF 475/07, 15.05.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 85/08
vom
26. November 2008
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2008 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und den Richter Sprick, die Richterin
Weber-Monecke sowie die Richter Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Prozesskostenhilfe ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu gewähren. Zwar hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen, weil „die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sozial-familiären Gemeinschaft grundsätzliche Bedeutung hat und der BGH bisher nicht über die Frage entschieden hat, wie dieser Rechtsbegriff in den Fällen auszulegen ist, in denen der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet ist“. Die Zulassungsfrage stellt sich aber nicht. Die Voraussetzungen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater sind höchstrichterlich geklärt (Senatsurteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 - FamRZ 2007, 538 ff.) und unabhängig davon, ob der rechtliche Vater mit der Kindesmutter verheiratet ist oder nicht (zur zweiten Alternative vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 150/06 - FamRZ 2008, 1821, das hinsichtlich dieser Voraussetzungen auf die erstgenannte Entscheidung verweist). Eine zwischen ihnen bestehende Ehe ist lediglich für die gesetzliche Vermutung in § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB von Bedeutung, dass der Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat. Besteht eine solche Ehe nicht, reicht es für diese Vermutung aus, dass der Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. In allen Fällen setzt eine sozial-familiäre Beziehung aber voraus, dass der Vater die übernommene Verantwortung auch dauerhaft trägt oder im Zeitpunkt seines Todes getragen hat (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 - FamRZ 2007, 538 ff.).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 18.06.2007 - 305 F 2181/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 15.05.2008 - 21 UF 475/07 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08 zitiert 1 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1600 Anfechtungsberechtigte


(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:1.der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,2.der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,3.die Mutter und4

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZR 85/08 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 164/04

bei uns veröffentlicht am 06.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 164/04 Verkündet am: 6. Dezember 2006 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juli 2008 - XII ZR 150/06

bei uns veröffentlicht am 30.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 150/06 Verkündet am: 30. Juli 2008 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 164/04 Verkündet am:
6. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Artt. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1; BGB § 1600 Abs. 2 und 3

a) Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, der es dem (angeblichen
) leiblichen Vater verwehrt, die Vaterschaft eines rechtlichen Vaters anzufechten
, wenn zwischen diesem und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung
besteht.

b) Zum Verhältnis zwischen der Definition einer sozial-familiären Beziehung in
§ 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB und den Regelannahmen des § 1600 Abs. 3
Satz 2 BGB.

c) Zur Unzulässigkeit einer isolierten Abstammungsfeststellungsklage, mit der
keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 - OLG Dresden
AG Hohenstein-Ernstthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2004 wird auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es bei der vom Amtsgericht ausgesprochenen Abweisung des Hilfsantrages als unzulässig verbleibt.
Von Rechts wegen Tenor berichtigt durch anliegenden Beschluss.

Tatbestand:

1
Der Kläger hatte mit der Ehefrau des Beklagten zu 1, die am 3. Januar 2003 die Beklagte zu 2 gebar, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt und zu Urkunde des Jugendamts vom 4. September 2002 anerkannt, Vater des damals noch ungeborenen Kindes zu sein. Er behauptet dies nach wie vor.
2
Er hatte die Ehefrau des Beklagten zu 1 nach eigener Darstellung Anfang Februar 2002, nach Darstellung des Beklagten zu 1 Anfang April 2002 kennen gelernt. Die Beziehung endete nach übereinstimmender Darstellung der Parteien Anfang Juni 2002. Etwa zeitgleich nahmen der Beklagte zu 1 und seine Ehefrau, die seit 1998 verheiratet sind, ihr eheliches Zusammenleben wieder auf und wohnen seit der Geburt des Kindes mit diesem zusammen. Zuvor hatten sie nach Darstellung des Klägers von Anfang April bis Mitte Juni 2002 getrennt gelebt.
3
Das Familiengericht wies die vom Kläger gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage auf Feststellung, dass dieser nicht der Vater des Kindes sei, unter Hinweis auf § 1600 BGB in der seinerzeit geltenden Fassung mangels Anfechtungsbefugnis als unzulässig ab.
4
Auf die Berufung des Klägers setzte das Berufungsgericht das Verfahren aus, weil das Bundesverfassungsgericht diese Vorschrift einen Tag vor Verkündung des angefochtenen Urteils (mit Beschlüssen vom 9. April 2003 FamRZ 2003, 816 ff.) für teilweise verfassungswidrig erklärt und angeordnet hatte, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung anhängige Verfahren, deren Entscheidung hiervon abhängt, auszusetzen sind.
5
Nach der ab 30. April 2004 geltenden Neufassung des § 1600 BGB und der Wiederaufnahme des Verfahrens versicherte der Kläger an Eides Statt, der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängniszeit, nämlich im Zeitraum März bis Mai 2002, beigewohnt zu haben, und erweiterte seine Klage gegen die Beklagte zu 2. Ferner beantragte er hilfsweise festzustellen, dass diese von ihm abstamme.
6
Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat die Klage für insgesamt zulässig, aber sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag für unbegründet gehalten. Der Kläger habe seine Anfechtungsklage zwar, wie in §§ 1600 e Abs. 1, 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgeschrieben, sowohl gegen das Kind als auch gegen dessen Vater im Sinne des § 1592 Nr. 1 BGB erhoben. Er sei aber nach § 1600 Abs. 2 BGB zur Anfechtung nicht berechtigt, weil zwischen den beiden Beklagten eine sozialfamiliäre Beziehung bestehe. Das sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB der Fall, wenn der Vater im Rechtssinne für das Kind tatsächliche Verantwortung trage. Davon sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB in der Regel auszugehen, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet sei oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Beide Voraussetzungen seien hier erfüllt, da der Beklagte zu 1 mit der Mutter der Beklagten zu 2 seit 1998 verheiratet sei und die Beklagte zu 2 seit ihrer Geburt im Januar 2003 mit diesen in der gemeinsamen Wohnung lebe, was auch der Kläger nicht in Abrede stelle.
9
Diese gesetzlichen Regelungen seien, soweit sie den vorliegenden Fall beträfen, verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit ihnen habe der Gesetzgeber die ihm vom Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 9. April 2003 aaO) gemachten Vorgaben zutreffend umgesetzt. Insbesondere habe er damit das hier vom Kläger beanspruchte Recht auf Klärung der biologischen Abstammung gegen den durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten unbeeinträchtigten Fortbestand der aus dem Vater im Rechtsinne, dem Kind und dessen Mutter bestehenden sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft abgewogen und in nicht zu beanstandender Weise diesem Schutz den Vorrang vor der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung eingeräumt, indem er diese nur in Fällen zulasse, in denen keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bestehe.
10
Diese Wertung gebiete zugleich die Abweisung des Hilfsantrages, da auch die begehrte Feststellung, dass die Beklagte zu 2 vom Kläger abstamme, diese sozial-familiäre Beziehung gefährde. Auch insoweit müsse ein möglicherweise aus dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) des angeblichen biologischen Vaters herzuleitendes Recht, die Abstammung des Kindes von ihm gerichtlich klären zu lassen, hinter dem durch Art. 6 Abs. 2 GG gebotenen Schutz der Familie der Beklagten und dem auch dem Kind zustehenden Persönlichkeitsrecht zurücktreten, das es auch einschließe, ungestört in der durch seine Familie gewährleisteten Geborgenheit aufwachsen zu können.

II.

11
Das hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision im Ergebnis - bis auf die Beurteilung des Hilfsantrages als zulässig - stand.
12
1. Die angefochtene Entscheidung ist nicht schon deshalb (insgesamt) aufzuheben, weil sie der minderjährigen Beklagten zu 2 noch nicht wirksam zugestellt wäre, wie dies die Revisionserwiderung zur Amtsprüfung durch den Senat stellt. Würde es - etwa mangels Vertretungsbefugnis ihrer (rechtlichen) Eltern - an einer wirksamen Zustellung an die Beklagte zu 2 fehlen, hätte aller- dings auch noch keine Entscheidung über die gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage getroffen werden dürfen. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit einheitlicher Prozessführung und Entscheidung, § 1600 e Abs. 1 Satz 1 BGB und § 640 h Abs. 2 ZPO.
13
Bedenken gegen die wirksame Vertretung der Beklagten zu 2 durch den Beklagten zu 1 und dessen Ehefrau und damit auch gegen die Wirksamkeit der von ihnen namens des Kindes erteilten Prozessvollmacht bestehen hier aber nicht. Die dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau gemeinsam zustehende elterliche Sorge für das Kind umfasst auch dessen Vertretung, § 1629 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
14
Ein Fall, in dem dies nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1795 BGB ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen ist, liegt hier nicht vor. Die Vorinstanzen haben dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau die Vertretung des Kindes auch nicht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB entzogen. Auf die Frage, ob dies wegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen ihnen und dem Kind geboten gewesen wäre, kommt es nicht an, da die Vertretungsbefugnis erst mit der Entziehung und nicht bereits mit dem Auftreten des Interessengegensatzes entfällt (vgl. OLG Celle FamRZ 1976, 97; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1796 Rdn. 6; Staudinger/Engler BGB [1999] § 1796 Rdn. 18 m.w.N.). Im Übrigen ist ein solcher erheblicher Interessengegensatz, für den im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte vorliegen müssten (vgl. MünchKomm/Huber BGB § 1629 Rdn. 68 m.N.), hier nicht ersichtlich. Ein Interesse des jetzt knapp vierjährigen Kindes, seine Abstammung zu klären und gegebenenfalls statusrechtlich dem Kläger zugeordnet zu werden, kann noch nicht ohne weiteres unterstellt werden; sollte es mit zunehmender Verstandesreife ein solches Interesse entwickeln, ist dieses durch die Möglichkeit, sein eigenes Anfechtungsrecht nach Erreichen der Volljährigkeit selbst wahrzunehmen, hinreichend gewahrt (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 737, 739). Ein dem Interesse des Kindes möglicherweise zuwiderlaufendes Interesse der Mutter, einen bislang verschwiegenen Ehebruch nicht durch ein Abstammungsgutachten offenbar werden zu lassen , scheidet hier aus, da sie den Ehebruch hier auch gegenüber ihrem Ehemann nicht in Abrede gestellt hat. Eine Entziehung der Vertretung ist auch nicht angebracht, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern trotz eines möglichen Interessenwiderstreits in der Lage sind, eine dem Wohl des Kindes entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. MünchKomm/Huber aaO § 1629 Rdn. 68; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831); davon ist hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch der das Kindschaftsverfahren beherrschende Amtsermittlungsgrundsatz geeignet ist, die Interessen des Kindes zu wahren (vgl. OLG Celle aaO).
15
2. Der Senat schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, dass das ein Anfechtungsrecht des Klägers ausschließende Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den beiden Beklagten eine Frage der Begründetheit und nicht schon der Zulässigkeit ist (ebenso Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 40; Höfelmann FamRZ 2004, 745, 748 f.; Seidel FPR 2005, 181, 184 und Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7: "negative Tatbestandsvoraussetzung" ; Weinreich/Klein/Pieper Kompaktkommentar Familienrecht 2. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 3; ders. in FA-FamR 5. Aufl. Kap. 3 Rdn. 131 c; a.A. Wieser FamRZ 2004, 1773, 1774).
16
Hierfür spricht die Begründung der Neufassung des § 1600 BGB durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft etc. vom 23. April 2004 (BGBl. 2004 I 598), derzufolge die positive Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft ausschließen soll (BT-Drucks. 15/2253 S. 11; Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7). Diese Folge ist aber nur zu erreichen, wenn eine Entscheidung in der Sache ergeht. Nach der Intention des Gesetzes ist deshalb davon auszugehen, dass das Nichtbestehen einer solchen Beziehung nicht schon Voraussetzung der Prozessführungsbefugnis des Klägers und damit der Zulässigkeit seiner Anfechtungsklage nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist, sondern erst ihrer Begründetheit.
17
3. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist auch der (vom Berufungsgericht unausgesprochen zugrunde gelegte) Ausgangspunkt, dass es für die Frage, ob die negative Voraussetzung des Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) gegeben ist, entsprechend den allgemeinen Regeln (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 5/04 -, zur Veröffentlichung bestimmt) auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt und nicht etwa auf den Zeitpunkt, in dem sie rechtshängig wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 41).
18
Denn die Anfechtung der Vaterschaft ist keine rechtsgestaltende Willenserklärung , bei der es allein auf die Sachbefugnis im Zeitpunkt ihrer Abgabe ankäme. Die bestehende rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu einem bestimmten Mann als dessen Vater kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung im Statusverfahren aufgehoben werden, nicht aber schon durch die Erhebung der Anfechtungsklage selbst.
19
Wäre es anders, könnte beispielsweise einer unmittelbar nach Geburt des Kindes erhobenen Anfechtungsklage die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind zumindest schon übernommen hat, nur in den Fällen des § 1592 Nr. 1 BGB entgegengehalten werden, wenn also der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Beruht dessen rechtliche Vaterschaft hingegen auf einem Anerkenntnis (§ 1592 Nr. 2 BGB), kommt die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. BGB noch nicht in Betracht, weil der rechtliche Vater zu dem Zeitpunkt, in dem die Anfechtungsklage rechtshängig wird, naturgemäß noch nicht längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben kann. Dies könnte zur Folge haben, dass auf die zunächst schlüssige Klage ein gerichtliches Gutachten eingeholt wird, das die Vaterschaft des Klägers und zugleich die Nichtvaterschaft des beklagten Mannes ergibt, die Klage aber gleichwohl abgewiesen werden muss, weil der rechtliche Vater inzwischen längere Zeit mit dem Kind zusammengelebt hat und daraus eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist.
20
Diese Gefahr, die dem Zweck der gesetzlichen Regelung evident zuwiderläuft , ist deutlich geringer, wenn die Voraussetzung, dass keine derartige Beziehung besteht, im Laufe des Verfahrens erfüllt bleiben muss. Denn ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Diese kann bereits auch bei kürzerem Zusammenleben bejaht werden, wenn dieses noch andauert und der Tatrichter überzeugt ist, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat und in einer Weise trägt, die auf Dauer angelegt erscheint.
21
4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Neuregelung des § 1600 BGB werde der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der gegenläufigen Interessen in mehrfacher Weise nicht gerecht:
22
Zum einen werde durch die gesetzlichen Vermutungen und Regelannahmen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine nicht widerlegbare Priorität des Schutzes eines nur vermuteten Familienverbandes begründet, wobei diese Vermutung in der ersten Alternative der Regelung nicht etwa auf die Belange des Kindes abstelle, sondern lediglich auf das formale Bestehen einer Ehe zwischen seiner Mutter und deren Ehemann.
23
Zum anderen führe dies angesichts der Anfechtungsfrist von zwei Jahren dazu, dass einem biologischen Vater, dem die gegen die Vaterschaft des Ehemannes sprechenden Umstände von Anfang an bekannt gewesen seien, eine Anfechtung bereits dann für immer verwehrt bleibe, wenn die Ehe der Kindesmutter über das zweite Lebensjahr des Kindes hinaus zumindest formal Bestand habe. Auch wenn die Ehe und/oder die sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater nach Ablauf der Anfechtungsfrist zerbreche, lebe das Anfechtungsrecht nämlich nicht wieder auf, so dass der biologische Vater selbst einer Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte tatenlos zusehen müsste.
24
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht beide die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB begründenden Alternativen geprüft und bejaht hat, obwohl für die Vermutung, dass der Beklagte zu 1 tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen habe, bereits die Tatsache ausgereicht hätte, dass er mit dessen Mutter verheiratet ist. Die zweite Alternative (ein längeres, nicht notwendigerweise aber noch fortbestehendes Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft) bedarf insoweit nur dann der Prüfung, wenn nicht schon die erste Alternative diese Vermutung rechtfertigt , etwa weil die Ehe inzwischen geschieden ist oder eine Ehe - im Fall der rechtlichen Vaterschaft durch Anerkenntnis, § 1592 Nr. 2 BGB - nicht bestanden hat.
25
b) Soweit die Revision in der gesetzlichen Regelung eine "nicht widerlegbare Priorität eines (nur vermuteten) Familienverbandes" sieht, differenziert sie nicht hinreichend zwischen zwei Fragen, nämlich einerseits der Wertung des Gesetzes, das in der Tat einem bestehenden Familienverband den Vorrang vor den Interessen des Anfechtenden einräumt, und andererseits der Frage der Widerlegbarkeit der gesetzlichen Regelannahme in § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Regelannahme betrifft nur die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung , begründet ihrerseits aber noch keine weitere Annahme dafür, dass die übernommene Verantwortung weiterhin getragen wird. Werden allerdings vom Anfechtungskläger keine Umstände dargelegt und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine fortdauernd wahrgenommene tatsächliche Verantwortung sprechen, wird der Tatrichter auch ohne weitere Amtsermittlung davon ausgehen dürfen, dass der rechtliche Vater die übernommene Verantwortung weiterhin trägt. Im Einzelnen:
26
aa) Die der bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind in § 1600 Abs. 2 BGB eingeräumte Priorität begegnet aus der Sicht des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie sich im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Gestaltungsspielraums hält, den der Gesetzgeber bei der Abwägung gegenläufiger, verfassungsrechtlich geschützter Interessen und Rechte nach seinem Ermessen ausfüllen darf. Die getroffene Regelung ist auch sachgerecht.
27
Zwar mögen die im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützten gegenläufigen und gegeneinander abzuwägenden Interessen des Kindes und des Anfechtenden einander gleichwertig sein. Das im Regelfall zu vermutende Interesse des Kindes am Erhalt seines Status (auch im weiteren Sinne einer "possession d'état", vgl. Art. 311-1 frz. Code Civil ) und der Abwehr von Störungen seiner fortbestehenden oder zumindest für längere Zeit vorhanden gewesenen sozial-familiären Beziehung steht aber unter dem zusätzlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Bereitschaft des (mutmaßlichen ) leiblichen Vaters, Verantwortung tragen zu wollen, und sein Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihm und dem Kind erst entstehen zu lassen, verdienen diesen Schutz hingegen nicht (BVerfG FamRZ 2006, 1661, 1662) oder zumindest nicht in gleichem Maße.
28
Soweit der leibliche Vater sich grundsätzlich auch auf seine durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternschaft berufen kann, umfasst dieser Schutz zwar auch sein Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, und damit den Zugang zu einem Verfahren, das dies ermöglicht. Dem steht aber das mindestens gleichwertige Interesse des rechtlichen Vaters gegenüber, der diese Rechtsstellung bereits einnimmt und die sich daraus ergebende Verantwortung auch wahrnimmt (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 818 f. unter C I 1 b). Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG kann aber nur einer von beiden sein (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 a), und zwar derjenige, der zugleich die Elternverantwortung bereits wahrnimmt, unabhängig davon, ob sich die Elternverantwortung auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet. Trägt der rechtliche Vater diese Verantwortung, verliert er sein Elternrecht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als leiblicher Vater herausstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2006 aaO 1661 und FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 b).
29
Das Bundesverfassungsgericht hat § 1600 BGB a.F. daher nur insoweit als mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar erklärt, als diese Vorschrift dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthielt, wenn die rechtlichen Eltern oder auch nur der rechtliche Vater mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG - vorrangig - zu schützen gilt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 f. unter C I 5, 6 und 6 a).
30
Dieser Vorgabe entspricht die Neuregelung in § 1600 Abs. 2 BGB. Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits das Bestehen einer sozialen Familie aus rechtlichem Vater und Kind ein Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ausnahmslos ausschließt, so dass eine Einzelabwägung zwischen dem dieser Familie gebührenden Schutz und dem damit in Konflikt stehenden Elternrecht des leiblichen Vaters gerade nicht mehr stattzufinden hat. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, eine solche Abwägung generalisierend vorwegzunehmen, auch um die bestehende Familie davor zu schützen, deren Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen (a.A. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 40).
31
Verfassungsrechtlich bedenklich könnte insoweit allenfalls sein, dass die Neufassung des § 1600 Abs. 2 BGB das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind als negative Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltet hat mit der Folge, dass eine non-liquet-Situation sich zu Lasten des anfechtenden leiblichen Vaters auswirkt (vgl. Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7; Hoppenz/Müller Familiensachen 8. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 9; Höfelmann aaO 745, 749). In einem solchen Fall steht gerade nicht fest, ob dem Begehren des leiblichen Vaters eine familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater entgegensteht, die vorrangig zu schützen ist. Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht § 1600 BGB a.F. nur in der Hinsicht für mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar erklärt hat, als er dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthält, wenn die rechtlichen Eltern mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG zu schützen gilt (FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 6). Für die - voraussichtlich sehr seltenen - Einzelfälle, in denen dies auch bei Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes ebenso wenig festgestellt werden kann wie das Gegenteil, ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daher kein Gebot zu entnehmen, dieses Verfahrensrisiko zu Lasten des rechtlichen Vaters gehen zu lassen.
32
bb) Unbedenklich ist insoweit auch, dass das Bestehen einer sozialfamiliären Beziehung aufgrund ihrer gesetzlichen Definition in § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB - unwiderleglich - stets zu bejahen ist, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Falle seines Todes bis dahin getragen hat. Dies schließt es im übrigen nicht aus, das (Fort-)Bestehen einer sozial-familiären Beziehung auch dann zu bejahen, wenn - etwa in den von der Revisionserwiderung angesprochenen Fällen sehr später Vaterschaftsanfechtung - vom rechtlichen Vater eine tatsächliche Verantwortung für das inzwischen volljährige und voll im Berufsleben stehende Kind in der Vergangenheit getragen wurde und inzwischen weitgehend gegenstandslos geworden ist.
33
cc) Verfehlt wäre es jedoch, die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB und ihr Zusammenspiel mit Abs. 3 Satz 1 dieser Vorschrift unter Außerachtlassung des unterschiedlichen Wortlauts dieser beiden Sätze dahin zu verstehen, dass bei fortbestehender Ehe der Kindesmutter mit dem rechtlichen Vater oder dessen längerem Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft bereits zu vermuten sei, dass der rechtliche Vater tatsächliche Verantwortung im Sinne des § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB trage und deshalb eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des Absatzes 2 dieser Vorschrift bestehe. § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB enthält lediglich eine Regelannahme dafür, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat. Dies allein reicht indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB voraussetzt, dass der rechtliche Vater diese tatsächliche Verantwortung für das Kind (noch) trägt oder bis zu seinem Tod getragen hat. Dies kann nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass die übernommene Verantwortung auch über den Zeitpunkt ihrer erstmaligen Übernahme hinaus weiterhin wahrgenommen wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 42, 44).
34
Mit anderen Worten: Zwar besteht unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Lebenserfahrung entsprechende gesetzliche Regelannahme der (ursprünglichen) Übernahme der tatsächlichen Verantwortung. Diese ist jedoch widerleglich. Das ermöglicht eine sachgerechte, auf den Einzelfall bezogene Lösung auch jener Fälle, in denen die Ehe zwischen den rechtlichen Eltern des Kindes nur formal besteht (z.B. Scheinehe) und deshalb einen Ausschluss des Anfechtungsrechts allein aufgrund dieses Kriteriums schwerlich rechtfertigen könnte, wie die Revision zu Recht ausführt.
35
Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Anfechtenden regelmäßig faktisch unmöglich wäre, die Regelannahme zu entkräften. Denn hierfür können auch nach außen in Erscheinung tretende und damit für den Anfechtenden erkennbare Umstände wie z.B. getrennte Wohnungen der Eheleute hinreichende Anhaltspunkte bieten, denen das Gericht dann wegen des im Vaterschaftsanfechtungsverfahren geltenden Grundsatzes der Amtsermittlung (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1, 640 d ZPO) von sich aus nachzugehen hat.
36
Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründet aber ihrerseits noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung auch weiterhin wahrgenommen wird und somit eine sozial-familiäre Beziehung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch besteht.
37
Der Anfechtende braucht daher insoweit entgegen der Auffassung der Revision keine gesetzliche Vermutung zu widerlegen, kann sich andererseits aber nicht darauf beschränken, das Bestehen einer solchen Beziehung mit Nichtwissen zu bestreiten. Dass er die (negativen) Voraussetzungen seines Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) zumindest schlüssig darlegen muss und es nicht etwa den Anfechtungsbeklagten obliegt, ihre sozial-familiäre Beziehung im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, beeinträchtigt seine Möglichkeit, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise. Wie bereits ausgeführt, kann er objektive Umstände vortragen wie etwa, dass das Kind nicht bei seinem Vater lebe, sondern bei seiner Mutter und deren neuem Partner; dem wird das Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nachzugehen haben.
38
Damit ist auch der Kritik an der gesetzlichen Neuregelung, die eine Abwägung zwischen dem Elternrecht des biologischen Vaters und einer wirklich existierenden sozialen Familie von Kind und rechtlichem Vater fordert (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 16 m.w.N.), der Boden entzogen. Denn ob eine solche Familie wirklich existiert, ist bei richtigem Verständnis des § 1600 Abs. 2 und 3 BGB im Wege der Amtsermittlung zu prüfen, sobald Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Anlass geben, daran zu zweifeln. Dass eine Anhörung des Jugendamtes, die noch im Regierungsentwurf als § 640 d Abs. 2 ZPO vorgesehen war (BT-Drucks. 15/2253 S. 6), nach Kritik des Bundesrates (BT-Drucks. aaO S. 16 f.) nicht in das Gesetz übernommen wurde, bedeutet nicht, dass sie zu unterbleiben hat. Vielmehr hat das Gericht, soweit dies zweckmäßig erscheint, auch das Jugendamt zu befragen (vgl. BT-Drucks aaO S. 21; Friederici jurisPR-FamR 7/2004 Anm. 6). Die von der Kritik erhobene Forderung erweist sich damit als hinreichend erfüllt.
39
c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Verfassungswidrigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB n.F. ergebe sich auch aus der Konsequenz, dass ein leiblicher Vater, dem diese Vorschrift die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters verwehre, gegebenenfalls eine spätere Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte nicht verhindern könne. Dies mag in der Tat verfassungsrechtlich bedenklich sein (vgl. Staudinger/Rauscher § 1600 Rdn. 14 a.E.; Hoppenz /Müller aaO § 1600 Rdn. 11), stellt aber nicht die Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, sondern allenfalls die des § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB in Frage.
40
Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB durch das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 BGB nicht gehemmt wird. Mit der Intention, bei positiver Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung durch das Gericht eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft auszuschließen (vgl. BT-Drucks. aaO S. 11), geht das Gesetz zwar im Falle der Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch über die allgemeine Beschränkung der Anfechtung durch die Frist des § 1600 b BGB hinaus; auch dies erscheint jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und des Schutzes der bestehenden sozialen Familie , das auch der Fristenregelung zugrunde liegt (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 b Rdn. 4), sachgerecht und zumutbar (vgl. auch EGMR FamRZ 2006, 181 Rdn. 39, 44).
41
5. Auch die Angriffe der Revision gegen die Abweisung des Hilfsantrages , die Abstammung des Kindes vom Kläger festzustellen, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Diese hilfsweise erhobene Abstammungsfeststellungsklage ist allerdings bereits unzulässig, weil mit ihr keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden. Eine solche isolierte (folgenlose) Abstammungsfeststellungsklage sieht das deutsche Recht - zumindest de lege lata - nicht vor (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 1365), auch nicht als "normale" Feststellungsklage nach § 256 ZPO (vgl. Gaul FamRZ 2000, 1461, 1474; OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1578, 1579).
42
§ 1600 d Abs. 1 BGB stellt eine abschließende Sonderregelung für die Abstammungsfeststellung dar (vgl. OLG Düsseldorf aaO; OLG Köln NJW-RR 2002, 4, 5; OLG Hamm FamRZ 1999 aaO 1366). Danach ist die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nur zulässig, soweit keine andere Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Hier besteht jedoch die Vaterschaft des Beklagten zu 1, weil er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB. Diese ist auch vorrangig gegenüber dem vorgeburtlichen Anerkenntnis des Klägers, § 1594 Abs. 1 BGB. Nur in Verbindung mit einer erfolgreichen Anfechtung dieser Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der leibliche Vater die Feststellung seiner Vaterschaft erreichen , § 640 h Abs. 2 ZPO. Der darauf gerichtete Hauptantrag des Klägers hat aber keinen Erfolg.
43
Auch dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Ist dem Kläger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise der Zugang zum Verfahren der Vaterschaftsanfechtung verwehrt, mit dessen Hilfe allein er auch rechtlich die Vaterstellung einnehmen könnte, ist das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren , allein Kenntnis und Gewissheit über die Abstammung des Kindes zu erlangen und diese feststellen zu lassen, jedenfalls nicht durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 unter C I 3 b).
44
Soweit das Bundesverfassungsgericht es hat dahinstehen lassen (aaO), ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einen Anspruch gewähren kann, die Abstammung des Kindes klären zu lassen, bedarf diese Frage auch hier keiner Entscheidung. Selbst wenn ein solcher Anspruch zu bejahen wäre, müsste er hier nämlich hinter den aufgezeigten und durch Art. 6 GG geschützten Belangen der Beklagten zurückstehen. Denn auch die bloße gerichtliche Feststellung, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater, sondern von einem anderen Mann abstammt, gefährdet den Zusammenhalt des bisherigen Familienverbandes und erschwert dem Kind die für seine Entwicklung bedeutsame Orientierung, zu wem es letztlich gehört (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 5 b).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Hohenstein-Ernstthal, Entscheidung vom 10.04.2003 - 1 F 134/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.08.2004 - 20 UF 255/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 150/06 Verkündet am:
30. Juli 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Amtsaufklärungspflicht und zur Darlegungslast des Klägers für
das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen
Vater und dem Kind im Falle der Anfechtung der Vaterschaft durch den biologischen
Vater.
BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 150/06 - OLG Hamm
AG Minden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juli 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Sprick, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. August 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist der leibliche Vater der am 19. April 2004 geborenen Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 2, der die Vaterschaft für die Beklagte am 14. Mai 2004 mit Zustimmung der Kindesmutter anerkannt hat, lebt mit dieser zusammen.
2
Mit seiner den Beklagten am 4. August 2004 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass nicht der Beklagte zu 2, sondern er selbst der Vater der Beklagten zu 1 ist.
3
Das Amtsgericht (Familiengericht) gab der Klage nach Einholung eines Abstammungsgutachtens durch ein nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenes Urteil statt. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 änderte das Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung und wies die Klage ab.
Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat trotz des vorliegenden Verstoßes gegen § 310 Abs. 2 ZPO in der Sache entschieden, weil keine der Parteien die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht beantragt hat. Es hat es ferner als unschädlich angesehen, dass der Beklagte zu 2 sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt hat, weil er notwendiger Streitgenosse der Beklagten zu 1 und infolge der von dieser eingelegten Berufung selbst Partei des Berufungsverfahrens geworden sei.
6
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

II.

7
1. Die Parteien streiten allein darüber, ob zwischen den Beklagten eine sozial-familiäre Bindung besteht, die es dem nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich anfechtungsberechtigten Kläger hier nach § 1600 Abs. 2 BGB verwehrt, die nach § 1592 Nr. 2 BGB bestehende rechtliche Vaterschaft des Beklagten zu 2 anzufechten.
8
Das Berufungsgericht hat dies bejaht, weil der Beklagte zu 2 mit der Beklagten zu 1 seit längerer Zeit, nämlich seit mehr als zwei Jahren, in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebe. Deshalb sei nach § 1600 Abs. 3 BGB a.F. davon auszugehen, dass er die tatsächliche Verantwortung für die Beklagte zu 1 trage und somit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des Absatzes 2 dieser Vorschrift bestehe.
9
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein längeres Zusammenleben im Sinne des § 1600 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. BGB a.F. vorliege , sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung , sondern der der letzten mündlichen Verhandlung. Wegen dieser Frage, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
10
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es komme insoweit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung an, trifft zu; davon geht auch die Revision aus. Der Senat hat die Zulassungsfrage nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in diesem Sinn beantwortet (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 166 f. = FamRZ 2007, 538, 539 f. mit zust. Anm. Luthin FamRZ 2007, 542). Auf die dort gegebene Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
11
3. Die Angriffe der Revision richten sich allein gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei seiner Darlegungslast für Umstände, die gegen die Regelvermutung des § 1600 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. BGB sprächen, nicht nachgekommen. Insoweit habe das Berufungsgericht übersehen, dass in Kindschaftssachen der Amtsermittlungsgrundsatz herrsche (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO). Deshalb habe der Kläger sich darauf beschränken können, die Darlegungen der Beklagten zu den Umständen, die für eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihnen sprächen, mit Nichtwissen zu bestreiten. Ferner habe das Berufungsgericht bei seiner Würdigung der Voraussetzungen des § 1600 Abs. 2 BGB auch nicht den Umstand außer Acht lassen dürfen, dass der Beklagte zu 2 das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten habe.
12
4. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
13
a) Das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung, das zur Unbegründetheit einer Anfechtungsklage nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB führt (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 166 = FamRZ 2007, 538, 539) ist aufgrund der gesetzlichen Definition dieser Beziehung in § 1600 Abs. 4 Satz 1 BGB unwiderleglich stets zu bejahen, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt; dies begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 171 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b bb).
14
b) Soweit der Begründung der angefochtenen Entscheidung allerdings entnommen werden könnte, schon ein längeres Zusammenleben des rechtlichen Vaters mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft rechtfertige stets die Vermutung, dass der rechtliche Vater auch die tatsächliche Verantwortung für das Kind im Sinne des § 1600 Abs. 4 Satz 1 BGB trage, ginge dies über die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB in ihrem Zusammenspiel mit Absatz 4 Satz 1 dieser Vorschrift hinaus. Denn Absatz 4 Satz 1 hat das Tragen der tatsächlichen Verantwortung zur Voraussetzung, während Satz 2 lediglich eine - widerlegliche - Regelannahme für die (anfängliche) Übernahme dieser Verantwortung enthält. Letztere reicht indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese nach § 1600 Abs. 4 Satz 1 BGB voraussetzt, dass der rechtliche Vater die einmal übernommene Verantwortung (noch) trägt, diese also auch über den Zeitpunkt ihrer erstmaligen Übernahme hinaus weiterhin von ihm wahrgenommen wird. Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründet ihrerseits noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung auch weiterhin wahrgenommen wird und somit eine sozial-familiäre Beziehung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch besteht (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 172 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b cc).
15
c) Dies verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg.
16
aa) Es ist bereits fraglich, ob das Berufungsgericht mit seiner unter II 2 b der Entscheidungsgründe möglicherweise verkürzt dargestellten gesetzlichen Regelannahme eine von der vorstehend wiedergegebenen Auffassung des Senats abweichende Ansicht vertreten wollte. Jedenfalls hat sich das Berufungsgericht nicht darauf beschränkt, allein aus dem längeren Zusammenleben der Beklagten in häuslicher Gemeinschaft auf eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihnen zu schließen. Es hat vielmehr den vom Kläger lediglich mit Nichtwissen bestrittenen weiteren Vortrag der Beklagten zu 1 zur fortgesetzten Wahrnehmung der tatsächlichen Verantwortung durch den Beklagten zu 2 im Tatbestand wiedergegeben und die Feststellung getroffen, dass der Beklagte zu 2 schon seit der Geburt der Beklagten zu 1 gemeinsam mit dieser (und der Kindesmutter) in einer familiären Struktur lebt und die tatsächliche Verantwortung für die Beklagte zu 1 seitdem gemeinsam mit der Kindesmutter trägt.
17
bb) Insoweit hat das Berufungsgericht auch zu Recht entschieden, dass das Bestreiten der Darstellung der Beklagten zu 1 mit Nichtwissen angesichts der dem Kläger obliegenden Darlegungslast unbeachtlich ist (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 173 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b cc). Daran vermag auch der Einwand der Revision, der Kläger habe sich auf ein Bestreiten mit Nichtwis- sen beschränken dürfen, weil er keinen Kontakt mehr zur Kindesmutter gehabt habe, schon deshalb nichts zu ändern, weil die Revisionserwiderung zutreffend darauf hinweist, dass der Kläger seinem eigenen Schriftsatz vom 25. Juli 2006 zufolge seit Juni 2006 regelmäßige Besuchskontakte zur Beklagten zu 1 unterhielt. Unter diesen Umständen hätte es zumindest weiteren Vortrags bedurft, warum es dem Kläger gleichwohl nicht möglich gewesen sei, zumindest ansatzweise Einblick in die Beziehung zwischen den Beklagten zu nehmen, und sei es auch nur anlässlich der von ihm nicht dargelegten äußeren Umstände, unter denen diese Besuchskontakte stattfanden.
18
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ändert auch der im vorliegenden Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz an diesem Ergebnis nichts. Der Kläger hat keine objektiven Umstände vorgetragen, die gegen eine sozialfamiliäre Beziehung sprechen könnten und denen das Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht hätte nachgehen müssen. Er hat vielmehr in seiner Berufungserwiderung eingeräumt, es möge sein, "dass bis zum heutigen Tage eine solche Beziehung zwischen der Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 gewachsen ist", und sich insoweit lediglich auf seine Rechtsansicht berufen, auf die nach Klageerhebung eingetretene Entwicklung komme es nicht an. Hat der Kläger aber keine Umstände dargelegt und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine fortdauernd wahrgenommene tatsächliche Verantwortung sprechen, darf der Tatrichter auch ohne weitere Amtsermittlung davon ausgehen, dass der rechtliche Vater die von ihm übernommene Verantwortung weiterhin trägt (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 169 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b).
19
dd) Auch der Umstand, dass der Beklagte zu 2 kein eigenes Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegt hat, bot im Gegensatz zur Auffas- sung der Revision keinen Anlass, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen zusätzliche Beweismittel heranzuziehen.
20
Der anwaltlich vertretene Beklagte zu 2 hatte in erster Instanz Klagabweisung beantragt und damit zu erkennen gegeben, dass ihm der Rechtsstreit nicht gleichgültig war. Dies hat er zudem bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht mit der Erklärung bekräftigt, dass er sich ungeachtet des vorliegenden Ergebnisses des Abstammungsgutachtens als Vater der Beklagten zu 1 fühle und dies auch bleiben wolle.
21
Mit dieser Anhörung hatte das Amtsgericht seiner Amtsaufklärungspflicht genügt, da es deren Ergebnis in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt als ausreichend ansehen durfte, um sich von dem Bestehen einer sozialfamiliären Beziehung zwischen den Beklagten zu überzeugen. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung bedurfte es insbesondere nicht einer Anhörung des Jugendamtes. Zwar hatte der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes eine solche Anhörung im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater vorgesehen, indem § 640 d ZPO um einen entsprechenden Absatz 2 ergänzt werden sollte (BT-Drucks. 15/2253 S. 6); dies ist jedoch nicht in das Gesetz übernommen worden. Eine Befragung des Jugendamtes ist daher nur angebracht , soweit dies dem Gericht zur Sachaufklärung zweckmäßig oder notwendig erscheint (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161, 173 = FamRZ 2007, 538, 541; Friederici in juris-PR-FamR 7/2004 Anm. 6). Auch die seit dem 1. Juni 2008 geltende Neufassung des § 640 d ZPO schreibt die Anhörung des Jugendamtes in Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift nur für den Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB (Anfechtung durch die zuständige Behörde) vor.
22
Der Umstand, dass der Beklagte zu 2 das gegen ihn ergangene Urteil nicht selbst mit der Berufung angegriffen hat, lässt auch nicht etwa auf einen Sinneswandel schließen, der das Berufungsgericht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung hätte veranlassen können. Denn durch die Berufung der Beklagten zu 1 wurde auch der Beklagte zu 2 zur Partei des Rechtsmittelverfahrens , das zu betreiben er der Beklagten zu 1 überlassen konnte. Als Partei des Berufungsverfahrens hat er zudem - entgegen der Darstellung der Revision - an der Berufungsverhandlung teilgenommen, wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 4. August 2006 ergibt.
23
d) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht habe auch die Beziehungen zwischen dem Beklagten zu 2 und der Kindesmutter aufklären und eine Prognose über die weitere Entwicklung dieser Beziehung sowie der Beziehung der Beklagten untereinander treffen müssen.
24
Auf die Beziehung des rechtlichen Vaters zur Kindesmutter kommt es nach § 1600 Abs. 2 BGB nicht an. Sie kann allenfalls, wenn die Kindesmutter wie hier bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht den Fortbestand dieser "festen Beziehung" und ihren Willen bekräftigt, sie unter Einschluss des Kindes auch weiterhin aufrecht zu erhalten, als zusätzliches Indiz für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den Beklagten herangezogen werden.
25
Auch einer Prognose über die weitere Entwicklung der Beziehung zwischen den Beklagten bedurfte es nach mehr als zwei Jahren des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft nicht, da dem Kläger die Anfechtungsklage bereits stets dann verwehrt ist, wenn der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung trägt. Lediglich dann, wenn dies fraglich ist, weil der rechtliche Vater und das Kind noch nicht längere Zeit zusammengelebt haben, muss der Tatrichter prüfen, ob das Zusammenleben noch andauert und der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat und in einer Weise wahrnimmt, die auf Dauer angelegt erscheint (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 167 = FamRZ 2007, 540 unter II 3). Allenfalls die Prüfung der zuletzt genannten Voraussetzung erfordert eine prognoseähnliche Beurteilung.
Hahne Sprick Vézina Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
AG Minden, Entscheidung vom 02.11.2005 - 10 F 776/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 04.08.2006 - 9 UF 32/06 -

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 164/04 Verkündet am:
6. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Artt. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1; BGB § 1600 Abs. 2 und 3

a) Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, der es dem (angeblichen
) leiblichen Vater verwehrt, die Vaterschaft eines rechtlichen Vaters anzufechten
, wenn zwischen diesem und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung
besteht.

b) Zum Verhältnis zwischen der Definition einer sozial-familiären Beziehung in
§ 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB und den Regelannahmen des § 1600 Abs. 3
Satz 2 BGB.

c) Zur Unzulässigkeit einer isolierten Abstammungsfeststellungsklage, mit der
keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 - OLG Dresden
AG Hohenstein-Ernstthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2004 wird auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es bei der vom Amtsgericht ausgesprochenen Abweisung des Hilfsantrages als unzulässig verbleibt.
Von Rechts wegen Tenor berichtigt durch anliegenden Beschluss.

Tatbestand:

1
Der Kläger hatte mit der Ehefrau des Beklagten zu 1, die am 3. Januar 2003 die Beklagte zu 2 gebar, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt und zu Urkunde des Jugendamts vom 4. September 2002 anerkannt, Vater des damals noch ungeborenen Kindes zu sein. Er behauptet dies nach wie vor.
2
Er hatte die Ehefrau des Beklagten zu 1 nach eigener Darstellung Anfang Februar 2002, nach Darstellung des Beklagten zu 1 Anfang April 2002 kennen gelernt. Die Beziehung endete nach übereinstimmender Darstellung der Parteien Anfang Juni 2002. Etwa zeitgleich nahmen der Beklagte zu 1 und seine Ehefrau, die seit 1998 verheiratet sind, ihr eheliches Zusammenleben wieder auf und wohnen seit der Geburt des Kindes mit diesem zusammen. Zuvor hatten sie nach Darstellung des Klägers von Anfang April bis Mitte Juni 2002 getrennt gelebt.
3
Das Familiengericht wies die vom Kläger gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage auf Feststellung, dass dieser nicht der Vater des Kindes sei, unter Hinweis auf § 1600 BGB in der seinerzeit geltenden Fassung mangels Anfechtungsbefugnis als unzulässig ab.
4
Auf die Berufung des Klägers setzte das Berufungsgericht das Verfahren aus, weil das Bundesverfassungsgericht diese Vorschrift einen Tag vor Verkündung des angefochtenen Urteils (mit Beschlüssen vom 9. April 2003 FamRZ 2003, 816 ff.) für teilweise verfassungswidrig erklärt und angeordnet hatte, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung anhängige Verfahren, deren Entscheidung hiervon abhängt, auszusetzen sind.
5
Nach der ab 30. April 2004 geltenden Neufassung des § 1600 BGB und der Wiederaufnahme des Verfahrens versicherte der Kläger an Eides Statt, der Mutter des Kindes innerhalb der Empfängniszeit, nämlich im Zeitraum März bis Mai 2002, beigewohnt zu haben, und erweiterte seine Klage gegen die Beklagte zu 2. Ferner beantragte er hilfsweise festzustellen, dass diese von ihm abstamme.
6
Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat die Klage für insgesamt zulässig, aber sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag für unbegründet gehalten. Der Kläger habe seine Anfechtungsklage zwar, wie in §§ 1600 e Abs. 1, 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgeschrieben, sowohl gegen das Kind als auch gegen dessen Vater im Sinne des § 1592 Nr. 1 BGB erhoben. Er sei aber nach § 1600 Abs. 2 BGB zur Anfechtung nicht berechtigt, weil zwischen den beiden Beklagten eine sozialfamiliäre Beziehung bestehe. Das sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB der Fall, wenn der Vater im Rechtssinne für das Kind tatsächliche Verantwortung trage. Davon sei nach § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB in der Regel auszugehen, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet sei oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Beide Voraussetzungen seien hier erfüllt, da der Beklagte zu 1 mit der Mutter der Beklagten zu 2 seit 1998 verheiratet sei und die Beklagte zu 2 seit ihrer Geburt im Januar 2003 mit diesen in der gemeinsamen Wohnung lebe, was auch der Kläger nicht in Abrede stelle.
9
Diese gesetzlichen Regelungen seien, soweit sie den vorliegenden Fall beträfen, verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit ihnen habe der Gesetzgeber die ihm vom Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 9. April 2003 aaO) gemachten Vorgaben zutreffend umgesetzt. Insbesondere habe er damit das hier vom Kläger beanspruchte Recht auf Klärung der biologischen Abstammung gegen den durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten unbeeinträchtigten Fortbestand der aus dem Vater im Rechtsinne, dem Kind und dessen Mutter bestehenden sozial-familiären Verantwortungsgemeinschaft abgewogen und in nicht zu beanstandender Weise diesem Schutz den Vorrang vor der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung eingeräumt, indem er diese nur in Fällen zulasse, in denen keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bestehe.
10
Diese Wertung gebiete zugleich die Abweisung des Hilfsantrages, da auch die begehrte Feststellung, dass die Beklagte zu 2 vom Kläger abstamme, diese sozial-familiäre Beziehung gefährde. Auch insoweit müsse ein möglicherweise aus dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) des angeblichen biologischen Vaters herzuleitendes Recht, die Abstammung des Kindes von ihm gerichtlich klären zu lassen, hinter dem durch Art. 6 Abs. 2 GG gebotenen Schutz der Familie der Beklagten und dem auch dem Kind zustehenden Persönlichkeitsrecht zurücktreten, das es auch einschließe, ungestört in der durch seine Familie gewährleisteten Geborgenheit aufwachsen zu können.

II.

11
Das hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision im Ergebnis - bis auf die Beurteilung des Hilfsantrages als zulässig - stand.
12
1. Die angefochtene Entscheidung ist nicht schon deshalb (insgesamt) aufzuheben, weil sie der minderjährigen Beklagten zu 2 noch nicht wirksam zugestellt wäre, wie dies die Revisionserwiderung zur Amtsprüfung durch den Senat stellt. Würde es - etwa mangels Vertretungsbefugnis ihrer (rechtlichen) Eltern - an einer wirksamen Zustellung an die Beklagte zu 2 fehlen, hätte aller- dings auch noch keine Entscheidung über die gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage getroffen werden dürfen. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit einheitlicher Prozessführung und Entscheidung, § 1600 e Abs. 1 Satz 1 BGB und § 640 h Abs. 2 ZPO.
13
Bedenken gegen die wirksame Vertretung der Beklagten zu 2 durch den Beklagten zu 1 und dessen Ehefrau und damit auch gegen die Wirksamkeit der von ihnen namens des Kindes erteilten Prozessvollmacht bestehen hier aber nicht. Die dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau gemeinsam zustehende elterliche Sorge für das Kind umfasst auch dessen Vertretung, § 1629 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
14
Ein Fall, in dem dies nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1795 BGB ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen ist, liegt hier nicht vor. Die Vorinstanzen haben dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau die Vertretung des Kindes auch nicht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB entzogen. Auf die Frage, ob dies wegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen ihnen und dem Kind geboten gewesen wäre, kommt es nicht an, da die Vertretungsbefugnis erst mit der Entziehung und nicht bereits mit dem Auftreten des Interessengegensatzes entfällt (vgl. OLG Celle FamRZ 1976, 97; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1796 Rdn. 6; Staudinger/Engler BGB [1999] § 1796 Rdn. 18 m.w.N.). Im Übrigen ist ein solcher erheblicher Interessengegensatz, für den im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte vorliegen müssten (vgl. MünchKomm/Huber BGB § 1629 Rdn. 68 m.N.), hier nicht ersichtlich. Ein Interesse des jetzt knapp vierjährigen Kindes, seine Abstammung zu klären und gegebenenfalls statusrechtlich dem Kläger zugeordnet zu werden, kann noch nicht ohne weiteres unterstellt werden; sollte es mit zunehmender Verstandesreife ein solches Interesse entwickeln, ist dieses durch die Möglichkeit, sein eigenes Anfechtungsrecht nach Erreichen der Volljährigkeit selbst wahrzunehmen, hinreichend gewahrt (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 737, 739). Ein dem Interesse des Kindes möglicherweise zuwiderlaufendes Interesse der Mutter, einen bislang verschwiegenen Ehebruch nicht durch ein Abstammungsgutachten offenbar werden zu lassen , scheidet hier aus, da sie den Ehebruch hier auch gegenüber ihrem Ehemann nicht in Abrede gestellt hat. Eine Entziehung der Vertretung ist auch nicht angebracht, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern trotz eines möglichen Interessenwiderstreits in der Lage sind, eine dem Wohl des Kindes entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. MünchKomm/Huber aaO § 1629 Rdn. 68; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831); davon ist hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch der das Kindschaftsverfahren beherrschende Amtsermittlungsgrundsatz geeignet ist, die Interessen des Kindes zu wahren (vgl. OLG Celle aaO).
15
2. Der Senat schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, dass das ein Anfechtungsrecht des Klägers ausschließende Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den beiden Beklagten eine Frage der Begründetheit und nicht schon der Zulässigkeit ist (ebenso Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 40; Höfelmann FamRZ 2004, 745, 748 f.; Seidel FPR 2005, 181, 184 und Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7: "negative Tatbestandsvoraussetzung" ; Weinreich/Klein/Pieper Kompaktkommentar Familienrecht 2. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 3; ders. in FA-FamR 5. Aufl. Kap. 3 Rdn. 131 c; a.A. Wieser FamRZ 2004, 1773, 1774).
16
Hierfür spricht die Begründung der Neufassung des § 1600 BGB durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft etc. vom 23. April 2004 (BGBl. 2004 I 598), derzufolge die positive Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft ausschließen soll (BT-Drucks. 15/2253 S. 11; Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7). Diese Folge ist aber nur zu erreichen, wenn eine Entscheidung in der Sache ergeht. Nach der Intention des Gesetzes ist deshalb davon auszugehen, dass das Nichtbestehen einer solchen Beziehung nicht schon Voraussetzung der Prozessführungsbefugnis des Klägers und damit der Zulässigkeit seiner Anfechtungsklage nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist, sondern erst ihrer Begründetheit.
17
3. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist auch der (vom Berufungsgericht unausgesprochen zugrunde gelegte) Ausgangspunkt, dass es für die Frage, ob die negative Voraussetzung des Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) gegeben ist, entsprechend den allgemeinen Regeln (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 5/04 -, zur Veröffentlichung bestimmt) auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt und nicht etwa auf den Zeitpunkt, in dem sie rechtshängig wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 41).
18
Denn die Anfechtung der Vaterschaft ist keine rechtsgestaltende Willenserklärung , bei der es allein auf die Sachbefugnis im Zeitpunkt ihrer Abgabe ankäme. Die bestehende rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu einem bestimmten Mann als dessen Vater kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung im Statusverfahren aufgehoben werden, nicht aber schon durch die Erhebung der Anfechtungsklage selbst.
19
Wäre es anders, könnte beispielsweise einer unmittelbar nach Geburt des Kindes erhobenen Anfechtungsklage die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind zumindest schon übernommen hat, nur in den Fällen des § 1592 Nr. 1 BGB entgegengehalten werden, wenn also der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Beruht dessen rechtliche Vaterschaft hingegen auf einem Anerkenntnis (§ 1592 Nr. 2 BGB), kommt die Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. BGB noch nicht in Betracht, weil der rechtliche Vater zu dem Zeitpunkt, in dem die Anfechtungsklage rechtshängig wird, naturgemäß noch nicht längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben kann. Dies könnte zur Folge haben, dass auf die zunächst schlüssige Klage ein gerichtliches Gutachten eingeholt wird, das die Vaterschaft des Klägers und zugleich die Nichtvaterschaft des beklagten Mannes ergibt, die Klage aber gleichwohl abgewiesen werden muss, weil der rechtliche Vater inzwischen längere Zeit mit dem Kind zusammengelebt hat und daraus eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist.
20
Diese Gefahr, die dem Zweck der gesetzlichen Regelung evident zuwiderläuft , ist deutlich geringer, wenn die Voraussetzung, dass keine derartige Beziehung besteht, im Laufe des Verfahrens erfüllt bleiben muss. Denn ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Diese kann bereits auch bei kürzerem Zusammenleben bejaht werden, wenn dieses noch andauert und der Tatrichter überzeugt ist, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat und in einer Weise trägt, die auf Dauer angelegt erscheint.
21
4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Neuregelung des § 1600 BGB werde der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der gegenläufigen Interessen in mehrfacher Weise nicht gerecht:
22
Zum einen werde durch die gesetzlichen Vermutungen und Regelannahmen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine nicht widerlegbare Priorität des Schutzes eines nur vermuteten Familienverbandes begründet, wobei diese Vermutung in der ersten Alternative der Regelung nicht etwa auf die Belange des Kindes abstelle, sondern lediglich auf das formale Bestehen einer Ehe zwischen seiner Mutter und deren Ehemann.
23
Zum anderen führe dies angesichts der Anfechtungsfrist von zwei Jahren dazu, dass einem biologischen Vater, dem die gegen die Vaterschaft des Ehemannes sprechenden Umstände von Anfang an bekannt gewesen seien, eine Anfechtung bereits dann für immer verwehrt bleibe, wenn die Ehe der Kindesmutter über das zweite Lebensjahr des Kindes hinaus zumindest formal Bestand habe. Auch wenn die Ehe und/oder die sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater nach Ablauf der Anfechtungsfrist zerbreche, lebe das Anfechtungsrecht nämlich nicht wieder auf, so dass der biologische Vater selbst einer Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte tatenlos zusehen müsste.
24
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht beide die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB begründenden Alternativen geprüft und bejaht hat, obwohl für die Vermutung, dass der Beklagte zu 1 tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen habe, bereits die Tatsache ausgereicht hätte, dass er mit dessen Mutter verheiratet ist. Die zweite Alternative (ein längeres, nicht notwendigerweise aber noch fortbestehendes Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft) bedarf insoweit nur dann der Prüfung, wenn nicht schon die erste Alternative diese Vermutung rechtfertigt , etwa weil die Ehe inzwischen geschieden ist oder eine Ehe - im Fall der rechtlichen Vaterschaft durch Anerkenntnis, § 1592 Nr. 2 BGB - nicht bestanden hat.
25
b) Soweit die Revision in der gesetzlichen Regelung eine "nicht widerlegbare Priorität eines (nur vermuteten) Familienverbandes" sieht, differenziert sie nicht hinreichend zwischen zwei Fragen, nämlich einerseits der Wertung des Gesetzes, das in der Tat einem bestehenden Familienverband den Vorrang vor den Interessen des Anfechtenden einräumt, und andererseits der Frage der Widerlegbarkeit der gesetzlichen Regelannahme in § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Regelannahme betrifft nur die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung , begründet ihrerseits aber noch keine weitere Annahme dafür, dass die übernommene Verantwortung weiterhin getragen wird. Werden allerdings vom Anfechtungskläger keine Umstände dargelegt und sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine fortdauernd wahrgenommene tatsächliche Verantwortung sprechen, wird der Tatrichter auch ohne weitere Amtsermittlung davon ausgehen dürfen, dass der rechtliche Vater die übernommene Verantwortung weiterhin trägt. Im Einzelnen:
26
aa) Die der bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind in § 1600 Abs. 2 BGB eingeräumte Priorität begegnet aus der Sicht des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie sich im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Gestaltungsspielraums hält, den der Gesetzgeber bei der Abwägung gegenläufiger, verfassungsrechtlich geschützter Interessen und Rechte nach seinem Ermessen ausfüllen darf. Die getroffene Regelung ist auch sachgerecht.
27
Zwar mögen die im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützten gegenläufigen und gegeneinander abzuwägenden Interessen des Kindes und des Anfechtenden einander gleichwertig sein. Das im Regelfall zu vermutende Interesse des Kindes am Erhalt seines Status (auch im weiteren Sinne einer "possession d'état", vgl. Art. 311-1 frz. Code Civil ) und der Abwehr von Störungen seiner fortbestehenden oder zumindest für längere Zeit vorhanden gewesenen sozial-familiären Beziehung steht aber unter dem zusätzlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Bereitschaft des (mutmaßlichen ) leiblichen Vaters, Verantwortung tragen zu wollen, und sein Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihm und dem Kind erst entstehen zu lassen, verdienen diesen Schutz hingegen nicht (BVerfG FamRZ 2006, 1661, 1662) oder zumindest nicht in gleichem Maße.
28
Soweit der leibliche Vater sich grundsätzlich auch auf seine durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternschaft berufen kann, umfasst dieser Schutz zwar auch sein Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen, und damit den Zugang zu einem Verfahren, das dies ermöglicht. Dem steht aber das mindestens gleichwertige Interesse des rechtlichen Vaters gegenüber, der diese Rechtsstellung bereits einnimmt und die sich daraus ergebende Verantwortung auch wahrnimmt (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 818 f. unter C I 1 b). Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG kann aber nur einer von beiden sein (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 a), und zwar derjenige, der zugleich die Elternverantwortung bereits wahrnimmt, unabhängig davon, ob sich die Elternverantwortung auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet. Trägt der rechtliche Vater diese Verantwortung, verliert er sein Elternrecht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als leiblicher Vater herausstellt (vgl. BVerfG FamRZ 2006 aaO 1661 und FamRZ 2003 aaO 819 unter C I 2 b).
29
Das Bundesverfassungsgericht hat § 1600 BGB a.F. daher nur insoweit als mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar erklärt, als diese Vorschrift dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthielt, wenn die rechtlichen Eltern oder auch nur der rechtliche Vater mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG - vorrangig - zu schützen gilt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 f. unter C I 5, 6 und 6 a).
30
Dieser Vorgabe entspricht die Neuregelung in § 1600 Abs. 2 BGB. Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits das Bestehen einer sozialen Familie aus rechtlichem Vater und Kind ein Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ausnahmslos ausschließt, so dass eine Einzelabwägung zwischen dem dieser Familie gebührenden Schutz und dem damit in Konflikt stehenden Elternrecht des leiblichen Vaters gerade nicht mehr stattzufinden hat. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, eine solche Abwägung generalisierend vorwegzunehmen, auch um die bestehende Familie davor zu schützen, deren Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen (a.A. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 40).
31
Verfassungsrechtlich bedenklich könnte insoweit allenfalls sein, dass die Neufassung des § 1600 Abs. 2 BGB das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind als negative Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltet hat mit der Folge, dass eine non-liquet-Situation sich zu Lasten des anfechtenden leiblichen Vaters auswirkt (vgl. Palandt/Diederichsen aaO § 1600 Rdn. 7; Hoppenz/Müller Familiensachen 8. Aufl. § 1600 BGB Rdn. 9; Höfelmann aaO 745, 749). In einem solchen Fall steht gerade nicht fest, ob dem Begehren des leiblichen Vaters eine familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater entgegensteht, die vorrangig zu schützen ist. Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht § 1600 BGB a.F. nur in der Hinsicht für mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar erklärt hat, als er dem leiblichen Vater das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft auch dann vorenthält, wenn die rechtlichen Eltern mit dem Kind keine soziale Familie bilden, die es nach Art. 6 Abs. 1 GG zu schützen gilt (FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 6). Für die - voraussichtlich sehr seltenen - Einzelfälle, in denen dies auch bei Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes ebenso wenig festgestellt werden kann wie das Gegenteil, ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daher kein Gebot zu entnehmen, dieses Verfahrensrisiko zu Lasten des rechtlichen Vaters gehen zu lassen.
32
bb) Unbedenklich ist insoweit auch, dass das Bestehen einer sozialfamiliären Beziehung aufgrund ihrer gesetzlichen Definition in § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB - unwiderleglich - stets zu bejahen ist, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Falle seines Todes bis dahin getragen hat. Dies schließt es im übrigen nicht aus, das (Fort-)Bestehen einer sozial-familiären Beziehung auch dann zu bejahen, wenn - etwa in den von der Revisionserwiderung angesprochenen Fällen sehr später Vaterschaftsanfechtung - vom rechtlichen Vater eine tatsächliche Verantwortung für das inzwischen volljährige und voll im Berufsleben stehende Kind in der Vergangenheit getragen wurde und inzwischen weitgehend gegenstandslos geworden ist.
33
cc) Verfehlt wäre es jedoch, die gesetzliche Regelannahme des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB und ihr Zusammenspiel mit Abs. 3 Satz 1 dieser Vorschrift unter Außerachtlassung des unterschiedlichen Wortlauts dieser beiden Sätze dahin zu verstehen, dass bei fortbestehender Ehe der Kindesmutter mit dem rechtlichen Vater oder dessen längerem Zusammenleben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft bereits zu vermuten sei, dass der rechtliche Vater tatsächliche Verantwortung im Sinne des § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB trage und deshalb eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des Absatzes 2 dieser Vorschrift bestehe. § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB enthält lediglich eine Regelannahme dafür, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat. Dies allein reicht indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB voraussetzt, dass der rechtliche Vater diese tatsächliche Verantwortung für das Kind (noch) trägt oder bis zu seinem Tod getragen hat. Dies kann nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass die übernommene Verantwortung auch über den Zeitpunkt ihrer erstmaligen Übernahme hinaus weiterhin wahrgenommen wird (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 Rdn. 42, 44).
34
Mit anderen Worten: Zwar besteht unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Lebenserfahrung entsprechende gesetzliche Regelannahme der (ursprünglichen) Übernahme der tatsächlichen Verantwortung. Diese ist jedoch widerleglich. Das ermöglicht eine sachgerechte, auf den Einzelfall bezogene Lösung auch jener Fälle, in denen die Ehe zwischen den rechtlichen Eltern des Kindes nur formal besteht (z.B. Scheinehe) und deshalb einen Ausschluss des Anfechtungsrechts allein aufgrund dieses Kriteriums schwerlich rechtfertigen könnte, wie die Revision zu Recht ausführt.
35
Insoweit ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Anfechtenden regelmäßig faktisch unmöglich wäre, die Regelannahme zu entkräften. Denn hierfür können auch nach außen in Erscheinung tretende und damit für den Anfechtenden erkennbare Umstände wie z.B. getrennte Wohnungen der Eheleute hinreichende Anhaltspunkte bieten, denen das Gericht dann wegen des im Vaterschaftsanfechtungsverfahren geltenden Grundsatzes der Amtsermittlung (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1, 640 d ZPO) von sich aus nachzugehen hat.
36
Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründet aber ihrerseits noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung auch weiterhin wahrgenommen wird und somit eine sozial-familiäre Beziehung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch besteht.
37
Der Anfechtende braucht daher insoweit entgegen der Auffassung der Revision keine gesetzliche Vermutung zu widerlegen, kann sich andererseits aber nicht darauf beschränken, das Bestehen einer solchen Beziehung mit Nichtwissen zu bestreiten. Dass er die (negativen) Voraussetzungen seines Anfechtungsrechts (§ 1600 Abs. 2 BGB) zumindest schlüssig darlegen muss und es nicht etwa den Anfechtungsbeklagten obliegt, ihre sozial-familiäre Beziehung im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, beeinträchtigt seine Möglichkeit, die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise. Wie bereits ausgeführt, kann er objektive Umstände vortragen wie etwa, dass das Kind nicht bei seinem Vater lebe, sondern bei seiner Mutter und deren neuem Partner; dem wird das Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nachzugehen haben.
38
Damit ist auch der Kritik an der gesetzlichen Neuregelung, die eine Abwägung zwischen dem Elternrecht des biologischen Vaters und einer wirklich existierenden sozialen Familie von Kind und rechtlichem Vater fordert (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 Rdn. 16 m.w.N.), der Boden entzogen. Denn ob eine solche Familie wirklich existiert, ist bei richtigem Verständnis des § 1600 Abs. 2 und 3 BGB im Wege der Amtsermittlung zu prüfen, sobald Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Anlass geben, daran zu zweifeln. Dass eine Anhörung des Jugendamtes, die noch im Regierungsentwurf als § 640 d Abs. 2 ZPO vorgesehen war (BT-Drucks. 15/2253 S. 6), nach Kritik des Bundesrates (BT-Drucks. aaO S. 16 f.) nicht in das Gesetz übernommen wurde, bedeutet nicht, dass sie zu unterbleiben hat. Vielmehr hat das Gericht, soweit dies zweckmäßig erscheint, auch das Jugendamt zu befragen (vgl. BT-Drucks aaO S. 21; Friederici jurisPR-FamR 7/2004 Anm. 6). Die von der Kritik erhobene Forderung erweist sich damit als hinreichend erfüllt.
39
c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Verfassungswidrigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB n.F. ergebe sich auch aus der Konsequenz, dass ein leiblicher Vater, dem diese Vorschrift die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters verwehre, gegebenenfalls eine spätere Freigabe des Kindes zur Adoption durch Dritte nicht verhindern könne. Dies mag in der Tat verfassungsrechtlich bedenklich sein (vgl. Staudinger/Rauscher § 1600 Rdn. 14 a.E.; Hoppenz /Müller aaO § 1600 Rdn. 11), stellt aber nicht die Verfassungsmäßigkeit des § 1600 Abs. 2 BGB, sondern allenfalls die des § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB in Frage.
40
Entgegen der Auffassung der Revision ist es auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB durch das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 BGB nicht gehemmt wird. Mit der Intention, bei positiver Feststellung des Bestehens einer solchen Beziehung durch das Gericht eine Anfechtung durch den leiblichen Vater auch für die Zukunft auszuschließen (vgl. BT-Drucks. aaO S. 11), geht das Gesetz zwar im Falle der Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch über die allgemeine Beschränkung der Anfechtung durch die Frist des § 1600 b BGB hinaus; auch dies erscheint jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und des Schutzes der bestehenden sozialen Familie , das auch der Fristenregelung zugrunde liegt (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 b Rdn. 4), sachgerecht und zumutbar (vgl. auch EGMR FamRZ 2006, 181 Rdn. 39, 44).
41
5. Auch die Angriffe der Revision gegen die Abweisung des Hilfsantrages , die Abstammung des Kindes vom Kläger festzustellen, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Diese hilfsweise erhobene Abstammungsfeststellungsklage ist allerdings bereits unzulässig, weil mit ihr keine statusrechtlichen Folgen begehrt werden. Eine solche isolierte (folgenlose) Abstammungsfeststellungsklage sieht das deutsche Recht - zumindest de lege lata - nicht vor (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 1365), auch nicht als "normale" Feststellungsklage nach § 256 ZPO (vgl. Gaul FamRZ 2000, 1461, 1474; OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1578, 1579).
42
§ 1600 d Abs. 1 BGB stellt eine abschließende Sonderregelung für die Abstammungsfeststellung dar (vgl. OLG Düsseldorf aaO; OLG Köln NJW-RR 2002, 4, 5; OLG Hamm FamRZ 1999 aaO 1366). Danach ist die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nur zulässig, soweit keine andere Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Hier besteht jedoch die Vaterschaft des Beklagten zu 1, weil er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB. Diese ist auch vorrangig gegenüber dem vorgeburtlichen Anerkenntnis des Klägers, § 1594 Abs. 1 BGB. Nur in Verbindung mit einer erfolgreichen Anfechtung dieser Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der leibliche Vater die Feststellung seiner Vaterschaft erreichen , § 640 h Abs. 2 ZPO. Der darauf gerichtete Hauptantrag des Klägers hat aber keinen Erfolg.
43
Auch dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Ist dem Kläger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise der Zugang zum Verfahren der Vaterschaftsanfechtung verwehrt, mit dessen Hilfe allein er auch rechtlich die Vaterstellung einnehmen könnte, ist das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren , allein Kenntnis und Gewissheit über die Abstammung des Kindes zu erlangen und diese feststellen zu lassen, jedenfalls nicht durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt (BVerfG FamRZ 2003 aaO 820 unter C I 3 b).
44
Soweit das Bundesverfassungsgericht es hat dahinstehen lassen (aaO), ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einen Anspruch gewähren kann, die Abstammung des Kindes klären zu lassen, bedarf diese Frage auch hier keiner Entscheidung. Selbst wenn ein solcher Anspruch zu bejahen wäre, müsste er hier nämlich hinter den aufgezeigten und durch Art. 6 GG geschützten Belangen der Beklagten zurückstehen. Denn auch die bloße gerichtliche Feststellung, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater, sondern von einem anderen Mann abstammt, gefährdet den Zusammenhalt des bisherigen Familienverbandes und erschwert dem Kind die für seine Entwicklung bedeutsame Orientierung, zu wem es letztlich gehört (vgl. BVerfG FamRZ 2003 aaO 821 unter C I 5 b).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Hohenstein-Ernstthal, Entscheidung vom 10.04.2003 - 1 F 134/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.08.2004 - 20 UF 255/03 -