Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Apr. 2011 - XII ZR 111/10

bei uns veröffentlicht am06.04.2011
vorgehend
Amtsgericht Böblingen, 16 F 1390/06, 30.10.2009
Oberlandesgericht Stuttgart, 11 UF 243/09, 29.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 111/10
vom
6. April 2011
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2011 durch den Richter
Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2010 einstweilen einzustellen , wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um Zugewinnausgleich aus ihrer durch Verbundurteil des Familiengerichts vom 30. Oktober 2009 - insoweit rechtskräftig - geschiedenen Ehe. Auf Antrag der Antragsgegnerin wurde der Antragsteller vom Familiengericht u.a. zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 16.337,04 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Auf die Berufung der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil abgeändert und den Antragsteller vorläufig vollstreckbar zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Höhe von 71.890,43 € nebst Zinsen verurteilt und die Revision insoweit zugelassen.
2
Nach Einlegung der Revision und Beantragung von Prozesskostenhilfe beantragt der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil einstweilen einzustellen. Zur Begründung trägt er vor, durch die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Vollstreckung in einen 1/2 Miteigentumsanteil an einem im Grundbuch von O. eingetragenen Grundbesitz würde ihm ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen, weil die Antragsgegnerin mittellos und es daher zu befürchten sei, dass ein etwaiger Erlös aus der Zwangsversteigerung des Grundbesitzes von ihr nicht mehr zurückgefordert werden könne.

II.

3
Der Einstellungsantrag des Antragstellers ist nicht begründet.
4
Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt , so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088 und vom 4. September 2002 - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650). Zumutbar ist ein solcher Antrag unabhängig davon, ob die Partei damit rechnet, dass das Berufungsgericht die Revision zulassen werde. Dass im Falle seiner Verurteilung zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs eine Zwangsvollstreckung, auch in das Miteigentum, in Betracht käme, war für den Antragsteller im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ebenso bereits erkennbar wie die sich daraus ergebenden Nachteile. Gleichwohl hat der Antragsteller einen solchen Antrag im Berufungsverfahren nicht gestellt.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Böblingen, Entscheidung vom 30.10.2009 - 16 F 1390/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.07.2010 - 11 UF 243/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 719 Einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch


(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung einges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 712 Schutzantrag des Schuldners


(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläub

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2002 - XII ZR 173/02

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bei uns veröffentlicht am 06.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 80/06 vom 6. Juni 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 712, 714, 719 Abs. 2 Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht kommt im Verfahren über d
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Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - XII ZR 114/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 114/13 vom 31. Juli 2013 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dr. Klinkhammer, D

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(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.

(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.

(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.

(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.

(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 80/06
vom
6. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht kommt im
Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht, wenn der
Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag
nach § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich
und zumutbar gewesen wäre (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom
22. April 2004 - XII ZR 16/04 - GuT 2004, 129). Bei einem solchen Schutzantrag
des Schuldners nach § 712 ZPO handelt es sich um einen Sachantrag, der
in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss. Ein im Berufungsverfahren
gestellter Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil
einstweilen einzustellen, ersetzt einen Schutzantrag nach § 712 ZPO nicht (im
Anschluss an den Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 -
FamRZ 2003, 598).
BGH, Beschluss vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. April 2006 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

1
Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27. Juni 2005 zur Zahlung rückständiger Miete und zur Räumung und Herausgabe der gemieteten Gewerberäume in der K.-straße 76 in F. verurteilt worden. Das Landgericht hat sein Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten eingeräumt, die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 48.000 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Während des Berufungsverfahrens hat das Oberlandesgericht auf Antrag der Beklagten die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vorläufig bis zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gegen Sicherheit in Höhe von 15.000 € eingestellt.
2
Das Berufungsgericht hat die gegen den Räumungs- und Herausgabeanspruch gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat sein Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und den Parteien nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der zu zahlenden Beträge durch Sicherheitsleistungen abzuwenden. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
3
Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und innerhalb verlängerter Begründungsfrist beantragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € einstweilen einzustellen. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei nicht in der Lage, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 48.000 € aufzubringen. Im Falle einer späteren Abweisung des Räumungs- und Herausgabeantrags seien Schadensersatzansprüche aus § 717 Abs. 2 ZPO gegen die Klägerin nicht beizutreiben.

II.

4
Der Einstellungsantrag der Beklagten ist nicht begründet.
5
Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt , so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 4. September 2002 - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650).
6
An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier. Die Beklagten haben im Berufungsrechtszug lediglich beantragt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabeanspruchs ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird. Über diesen Antrag hat das Berufungsgericht gemäß §§ 719, 707 ZPO entschieden und die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € bis zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren eingestellt. Dieser Antrag, der nur für die Dauer des Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus wirkt, ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, dass das Berufungsgericht der Beklagten auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren sollte (Senatsbeschlüsse vom 4. September 2002 aaO, vom 22. April 2004 - XII ZR 16/04 - GuT 2004, 129 f. und vom 21. September 2005 - XII ZR 126/05 - Grundeigentum 2005, 1347).
7
Dem Antrag der Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil ohne Sicherheitsleistung ist nicht zugleich ein Antrag nach §§ 712, 714 ZPO zu entnehmen. Das folgt schon aus dem Wortlaut und der Begründung des Einstellungsantrags vom 12. September 2005 in Verbindung mit dem Inhalt des weiteren Schriftsatzes vom 19. September 2005. Denn danach begehrte die Beklagte lediglich die Einstellung der Zwangsvollstreckung während des Berufungsverfahrens, um die für den 28. September 2005 anberaumte Räumung zu verhindern. Einen weiteren Schutzantrag nach § 712 ZPO hat die Beklagte auch in der Folgezeit weder ausdrücklich noch nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze im Berufungsverfahren angekündigt. Bei dem Schutzantrag nach § 712 ZPO handelt es sich um einen Sachantrag, der in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss (Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 - FamRZ 2003, 598). Die Beklagte hat einen solchen Antrag auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht gestellt.
8
Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass es ihr im Berufungsrechtszug aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, einen entsprechenden Schutzantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergangen ist (§ 714 Abs. 1 ZPO), zu stellen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juli 1991 - XII ZR 262/90 - FamRZ 1991, 1176, 1177).
Hahne Wagenitz Ahlt Vézina Dose
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 27.06.2005 - 2 O 545/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 19.04.2006 - 3 U 157/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 173/02
vom
4. September 2002
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs,
Dr. Ahlt und Dr. Vézina

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem durch Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2002 teilweise bestätigten Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 1999 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beklagte hat mit der VE EHB (HO) Gaststätten Potsdam einen Nutzungsvertrag über eine Gaststätte abgeschlossen. Das Landgericht hat die Beklagte in zwei selbständigen Verfahren zur Zahlung von rückständigem Mietzins und Nebenkosten und zur Räumung und Herausgabe der Gaststättenräume verurteilt. Es hat das Räumungsurteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt und jeweils Klagabweisung beantragt. Sie hat weiter beantragt, das Räumungsurteil des Landgerichts hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit dahin abzuändern , daß es für nicht vorläufig vollstreckbar erklärt wird, hilfsweise es im Rah-
men der Vollstreckung auf die in § 720 a Abs. 1, 2 ZPO bezeichneten Maßregeln zu beschränken und weiter hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden. Das Oberlandesgericht hat hierauf die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil des Landgerichts gegen Sicherheitsleistung der Beklagten von 42.000 DM eingestellt. Mit Urteil vom 29. Mai 2002 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gewendet hat; im übrigen hat es der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen. Es hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs den Parteien eine gegenseitige Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung gestattet. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Die Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Räumungsurteil. Die Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

II.

Der Einstellungsantrag der Beklagten ist unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zulässig und begründet ist und ob, wenn der Senat ihr stattgeben
würde, die Revision der Beklagten Aussicht auf Erfolg hätte. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung (§ 719 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind. Für den Fall, daß gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt wird, sieht das Gesetz in § 719 Abs. 2 ZPO eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur vor, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Einstellung der Zwangsvollstrekkung nach § 719 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ein letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners angesehen, dem regelmäßig der Erfolg zu versagen ist, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (st. Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 - XII ZR 262/90 - NJW-RR 1991, 1216). Das gilt auch dann, wenn die Vollstreckung die Gefahr des Existenzverlustes eines Gaststättenbetreibers zur Folge hat (vgl. Senatsbeschluß vom 7. September 1999 - XII ZR 237/99 - BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Einstellungsgründe 3). An dieser Voraussetzung für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier. Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug zwar einen Vollstreckungsschutzantrag dahin gestellt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts abzuändern, dem das Berufungsgericht durch einstweilige Einstellung gegen Sicherheitsleistung der Beklagten gemäß §§ 707, 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprochen hat. Dieser Antrag ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, daß das Berufungsgericht ihr auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren solle (BGH Be-
schlüsse vom 3. Oktober 1989 - VI ZR 277/89 - VersR 1990, 994, vom 3. Februar 1993 - IV ZR 229/92 - BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Nachteil 3). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt. Nur ein solcher Antrag hätte aber den oben dargelegten Anforderungen genügt. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, daû es ihr im Berufungsrechtszug aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, einen entsprechenden Schutzantrag zu stellen (Senatsbeschluû vom 3. Juli 1991 aaO).
Hahne Wagenitz Fuchs
Ahlt Vézina