Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - XII ZB 245/10

published on 08/06/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2011 - XII ZB 245/10
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Amtsgericht Frankfurt am Main, XVII NUE 642/10, 15/03/2010
Landgericht Frankfurt am Main, 29 T 50/10, 04/05/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 245/10
vom
8. Juni 2011
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach Erledigung der Hauptsache bedarf die Feststellung, dass die vorinstanzliche
Entscheidung den Rechtsmittelführer in seinen Rechten verletzt hat, eines
darauf gerichteten Antrags.
BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - XII ZB 245/10 - LG Frankfurt amMain
AG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2011 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Mai 2010 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:


I.

1
Die Beteiligte zu 1 ist die Betreuerin der Betroffenen, ihrer Mutter. Die Betroffene und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann hatten durch notariellen Erbvertrag vereinbart, sich gegenseitig zu Alleinerben und die Beteiligte zu 1 als Nacherbin einzusetzen. Nach dem Tode ihres Vaters schlug die Beteiligte zu 1 die Nacherbschaft aus und machte ihren Pflichtteilsanspruch geltend. Dazu beantragte sie beim Amtsgericht die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers für den Aufgabenkreis "Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch die Tochter des verstorbenen Ehemanns der Betroffenen".
2
Das Amtsgericht bestellte die Beteiligte zu 2 zur Ergänzungsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "Erbschaftsangelegenheiten nach dem verstorbenen Ehemann der Betroffenen".
3
Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 1 im Namen der Betroffenen und im eigenen Namen Beschwerde ein mit dem Ziel einer Beschränkung des Aufgabenkreises der Ergänzungsbetreuerin auf die "Regelung des Pflichtteilsanspruchs der Tochter der Betroffenen".
4
Gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem die Beschwerden zurückgewiesen wurden, hat die Beteiligte zu 1 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie weiter eine Beschränkung des Aufgabenkreises der Ergänzungsbetreuerin anstrebt.
5
Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht den angegriffenen Beschluss über die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers aufgehoben.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 ist unzulässig, weil die angegriffene Entscheidung während des Rechtsmittelverfahrens aufgehoben wurde und die Beteiligte zu 1 trotz eines Hinweises des Senats keinen sachgerechten Antrag gestellt hat.
7
1. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. Januar 2011 den von der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschluss über die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Ergänzungsbetreuerin aufgehoben, weil die Aufgaben der Ergänzungsbetreuung abgeschlossen wurden. Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit führt eine nach Erlass der angegriffenen Entscheidung eingetretene Erledigung der Angelegenheiten der Hauptsache regelmäßig zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, weil ein Rechtsschutzbedürfnis des Beteiligten nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes nicht mehr gegeben ist (BGH Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10 - FGPrax 2011, 39 Rn. 11; MünchKomm- ZPO/Koritz 3. Aufl. § 62 FamFG Rn. 3; Müther in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 62 Rn. 1; Unger in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 2. Aufl. § 62 Rn. 6; Bumiller/Harders Freiwillige Gerichtsbarkeit/FamFG 9. Aufl. § 62 FamFG Rn. 1; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 62 FamFG Rn. 1).
8
2. Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, kann das Beschwerdegericht gemäß § 62 Abs. 1 FamFG aussprechen, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat. Diese Vorschrift ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden (BGH Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - FGPrax 2010, 150 Rn. 9). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Beschwerdeführer einen entsprechenden Antrag stellt und ein berechtigtes Interesse an der Feststellung vorliegt. Dieses Feststellungsinteresse ist in der Regel anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) oder eine konkrete Wiederholungsgefahr (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG) besteht.
9
3. Im hier zu entscheidenden Fall hat der Senat die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 1. Februar 2011 darauf hingewiesen, dass der angegriffene Beschluss über die Bestellung einer Ergänzungsbetreuerin durch das Amtsgericht aufgehoben worden ist und sich dadurch der Verfahrensgegenstand der Rechtsbeschwerde erledigt haben dürfte. Dennoch hat die Beteiligte zu 1 den nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag nicht gestellt, sondern an ihren in der Rechtsbeschwerdebegründung gestellten Anträgen festgehalten. Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der angegriffenen Entscheidung durch das Amtsgericht besteht insoweit jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Günter Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.03.2010 - 42 XVII NUE 642/10 -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.05.2010 - 2-29 T 50/10 -
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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ
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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.