Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 325/02
vom
23. September 2003
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller,
Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Juli 2002 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 125.266,51

Gründe:


Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist nach Auffassung des Senats nicht veranlaßt.
Das Landgericht B. hat eine Sache, in der ein Realkreditvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung aufgrund einer Haustürsituation abgeschlossen worden sein soll, ohne Aufklärung des Sachverhalts dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Beschluß vom 29. Juli 2003 (WM 2003, 1609 ff.) vorgelegt. Seiner Ansicht nach gebietet der in der Haustürgeschäfterichtlinie verankerte Grundsatz der Effektivität des Verbraucherschutzes eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Abs. 1 HWiG dahingehend, daß der Darlehensnehmer die kreditgebende Bank generell auf etwaige Ansprüche gegen den Wohnungskäufer verweisen kann. Dem ist nicht zu folgen.
Art. 7 der Richtlinie 85/577 EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl Nr. L 372/31 vom 31. Dezember 1985, "Haustürgeschäfterichtlinie") überläßt die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs ausdrücklich dem "einzelstaatlichen Recht, insbesondere bezüglich der Rückerstattung von Zahlungen für Waren oder Dienstleistungen und der Rückgabe empfangener Waren". Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem "H.-Urteil" (WM 2001, 2434, 2437) in Kenntnis der Rückabwicklungsprobleme im Zusammenhang mit verbundenen Geschäften unter Nr. 35 mit folgenden Worten hervorgehoben: "Für alle Fälle sei hinzugefügt, daß zwar ein Kreditvertrag wie der im Ausgangsverfahren fragliche somit unter die Haustürgeschäfterichtlinie fällt, sich die Folgen eines gemäß dieser Richtlinie erfolgten etwaigen Widerrufs dieses Vertrages für den Kaufvertrag über die Immobilie und die Bestellung des Grundpfandrechts aber nach nationalem Recht richten." Dies legt den Schluß nahe, daß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - auch unter Beachtung
der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie (effet utile) - nicht verlangt, daß der Darlehensnehmer die direkt an den Wohnungsverkäufer ausgezahlte Darlehensvaluta im Falle eines Widerrufs des Darlehensvertrages nach der Haustürgeschäfterichtlinie nicht zurückzahlen muß, sondern er die kreditgebende Bank auf etwaige Ansprüche gegen den Wohnungsverkäufer verweisen kann. Hinzu kommt, daß die Haustürgeschäfterichtlinie keinerlei Vorschriften über verbundene Geschäfte enthält, sondern in Art. 3 Abs. 2 a bestimmt, daß sie für Verträge über den Kauf von Immobilien nicht gilt. Die Richtlinie 87/102 EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit (ABl Nr. L 42/48 vom 12. Februar 1987, "Verbraucherkreditrichtlinie") regelt in Art. 2 Abs. 1 a in gleicher Weise, daß sie auf Kreditverträge nicht anwendbar ist, die hauptsächlich zum Erwerb von Eigentumsrechten an einem Grundstück bestimmt sind. Angesichts dessen erscheint es aus Sicht des Senats ausgeschlossen, daß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu dem Ergebnis gelangen könnte, nach einem wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages sei der finanzierte Wohnungskaufvertrag auch bei Nichtvorliegen eines verbundenen Geschäfts in die Rückabwicklung einzubeziehen.
Dessen ungeachtet wäre es nach deutschem Recht, dem die Haustürgeschäfterichtlinie die Regelung der Rechtsfolgen eines Widerrufs explizit überläßt, auch nicht möglich, eine abweichende Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege richtlinienkonformer Auslegung umzusetzen. Nach der eindeutigen Regelung des § 3 Abs. 1 HWiG haben die Vertragsparteien nach einem Widerruf "die empfangenen Leistungen zurückzugewähren". Diese Rechtsfolge tritt
nach geltendem Recht nur dann nicht ein, wenn der Kreditnehmer die Darlehenssumme durch Zahlung der finanzierenden Bank an den Woh- nungsverkäufer nicht empfangen hat oder wenn Darlehens- und Wohnungskaufvertrag nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien verbundene Geschäfte sind. Davon kann im vorliegenden Streitfall aus den im Berufungsurteil dargelegten Gründen nicht ausgegangen werden.
Im übrigen wird von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)