Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2003 - XI ZR 21/03

bei uns veröffentlicht am14.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 21/03
vom
14. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller,
Dr. Wassermann und Dr. Appl
am 14. Oktober 2003

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 158.380,23

Gründe:


Die Revision des Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche des Beklagten verneint, die er der Klageforderung entgegensetzen oder auf die er die Widerklage stützen könnte. Aus § 31 WpHG ergeben sich - auch unter Berücksichtigung der Europäischen Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie) - offensichtlich keine Pflichten gegenüber dem Beklagten, denen die Klägerin nicht nachgekommen wäre. Der Klägerin als Discount-Broker oblagen nur eingeschränkte Aufklärungspflichten (vgl. Senatsurteil BGHZ 142, 345,
353 ff.), denen sie mit dem dem Beklagten zur Verfügung gestellten schriftlichen Informationsmaterial genügt hat. Das gilt auch im Hinblick auf die besonderen Gefahren der vom Beklagten betriebenen Spekulation auf Kredit. Die Frage, ob das Ausmaß der Kreditinanspruchnahme des Beklagten darüber hinaus individuelle Warnhinweise erforderlich gemacht hat, kann offenbleiben, weil die Klägerin es an gezielten Mahnungen zur Rückführung der Kontoüberziehungen und an damit verbundenen Warnungen vor den Risiken der hohen Verschuldung nicht hat fehlen lassen. Eine Pflicht, den ausreichend informierten und gewarnten Beklagten, einen damals 30 Jahre alten Akademiker mit sehr hoher Risikobereitschaft , durch Nichtausführung seiner Wertpapierkaufaufträge oder durch die Verweigerung der dafür erforderlichen Kreditmittel daran zu hindern, seine riskanten Geschäfte durchzuführen, traf die Klägerin nicht. Die Interessenwahrungspflicht des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG hat nicht die Funktion, hinreichend aufgeklärte Kunden durch Begrenzung ihrer Entscheidungsfreiheit vor sich selbst zu schützen (Senatsurteil BGHZ 147, 343, 349).
2. Aus dem Gesagten folgt zwingend die Aussichtslosigkeit der Revision des Beklagten. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990 (NJW 1991, 413, 414) über die Bejahung einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO in Fällen, in denen die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen , höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe nicht. Dabei kann offenbleiben , ob und unter welchen Voraussetzungen die aus Anlaß von Prozeßkostenhilfe-Ablehnungen durch Instanzgerichte entwickelten und ersichtlich auf die Prozeßsituation vor den Instanzgerichten zugeschnit-
tenen Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts auch auf Prozeßkostenhilfe -Anträge vor einem obersten Bundesgericht Anwendung finden können. Eine schwierige, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage wirft der vorliegende Fall nämlich nicht auf.
Die von der Revision gestellte Frage, welche Pflichten sich für einen Discount-Broker insbesondere bei Gewährung von Kredit zum Wertpapierkauf aus § 31 WpHG ergeben, läßt sich anhand des Gesetzeswortlauts unter Berücksichtigung vor allem der Senatsentscheidung BGHZ 147, 343, 349 ohne weiteres beantworten. In diesem Urteil hat der Senat ausgesprochen, daß die Entscheidung und Verantwortung, ob risikoreiche Spekulationsgeschäfte trotz unzureichender Eigenkapitalausstattung abgeschlossen werden sollen, allein dem Kunden obliegt und der Discount-Broker auch objektiv unvernünftige Aufträge hinreichend informierter Kunden ausführen darf. Daß der Beklagte über die Risiken einer Spekulation auf Kredit ausreichend informiert war, unterliegt, wie dargelegt, keinem Zweifel. Die Ansicht des Beklagten, die Klägerin habe ihre Explorationspflichten aus § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG verletzt, entbehrt angesichts der vorgelegten Unterlagen und seiner langjährigen Erfahrung mit spekulativen Anlagen auch unter Berücksichtigung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie jeder Grundlage. Die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung, die keinen ausreichenden Grund für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe darstellt (BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 1997 - IV ZR 238/97,
NJW 1998, 1154, vom 11. September 2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130, 131 und vom 15. Juli 2003 - XI ZR 172/03, Be- schlußumdruck S. 2), war danach ebenso wenig veranlaßt wie die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Vorinstanzen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

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Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Unterrichtung nach Artikel 4a Absatz 1 Un

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Unterrichtung nach Artikel 4a Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a oder nach Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a sowie der Nachweise nach Artikel 4a Absatz 2 Unterabsatz 1 oder nach Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Unterrichtung nach Artikel 4a Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a oder nach Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a sowie der Nachweise nach Artikel 4a Absatz 2 Unterabsatz 1 oder nach Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 172/03
vom
15. Juli 2003
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und
die Richterin Mayen
am 15. Juli 2003

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten zu 3) auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:


Die Revision des Beklagten zu 3) bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Hinreichende Erfolgsaussicht besteht zwar auch dann, wenn die Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozeßkostenhilfe braucht aber nicht bewilligt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinn als schwierig erscheint (vgl. BVerfG NJW 1991, 413, 414).
So liegt es hier. Die Voraussetzungen der Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die Börsentermingeschäfte vermittelt, sind in der
Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. zuletzt: Versäumnisurteil vom 1. April 2003 - XI ZR 385/02, WM 2003, 975 m.w.Nachw.; zu Warentermindirektgeschäften : Urteile vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1215 und vom 24. September 1996 - XI ZR 244/95, WM 1997, 309, 310). Daß der Beklagte zu 3) der Klägerin auch den Ersatz der Einlage schuldet, die sie erst nach seiner Abberufung als Geschäftsführer am 5. Juli 1996 geleistet hat, folgt daraus, daß seine unerlaubte Handlung im Sinne des § 826 BGB auch für den durch diese Leistung entstandenen Schaden ursächlich geworden ist. Daß das Berufungsgericht dieser Frage grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision zugelassen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 1997 - IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154 und vom 11. September 2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130, 131).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen