Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2013 - X ZR 49/12

bei uns veröffentlicht am21.01.2013
vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 59/10, 15.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 49/12
vom
21. Januar 2013
in der Patentnichtigkeitssache
Hier nur: Akteneinsichtsgesuch
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Der E. , B. , wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens (5 Ni 59/10 (EP)), einschließlich der Erteilungsakte des Deutschen Patent- und Markenamtes 600 18 608 und der Akten des vorliegenden Berufungsverfahrens (X ZR 49/12), gewährt.
Von der Akteneinsicht ist die Anlage D25 ("AVENANT AU CONTRAT DE POOL DE RECHERCHE ET DE DEVELOPPEMENT DES TECHNIQUES INDUSTRIELLES DU VITRAGE DU 19.12.91") ausgenommen , mit Ausnahme des Artikels 13 dieser Anlage ("PROPRIETE INDUSTRIELLE - BREVETS NOUVEAUX"), der der Akteneinsicht unterliegt.

Gründe:


1
I. Die E. hat um Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens gebeten. Die Beklagte widerspricht dem Gesuch mit der Begründung, dass die Akten vertrauliche Informationen und Verträge der Beklagten enthielten, die nur für die Rechtsverteidigung in dem vorliegenden Verfahren vorgelegt worden seien, nicht aber der Allgemeinheit zugänglich sein dürften. Das gelte insbesondere für die im Verfahren des ersten Rechtszuges vorgelegten Anlagen D23, D24 und D25. Zudem würden in der Berufungsbegründung und ihren Anlagen sowie der darauf bezugnehmenden Berufungserwiderung der Klägerin interne Vorgänge angesprochen und offen gelegt, die vertrauliche Informationen über konzerninterne Betriebsabläufe der Beklagten enthielten, die Dritten nicht zugänglich sein dürften.
2
Auch sei ihr, der Beklagten, die E. nicht bekannt und es sei auch nicht ersichtlich, für wen diese tätig werde. Sie, die Beklagte, habe ein erhebliches Interesse daran, die Gefahr zu vermeiden, dass vertrauliche Informationen und Informationen zur Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents Hintermännern zukämen, die dieses für weitere Nichtigkeitsangriffe nutzten könnten.
3
II. Dem Antrag auf Akteneinsicht ist mit der im Ausspruch genannten Einschränkung stattzugeben (§ 99 Abs. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 PatG).
4
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 240 041 (Streitpatents), das auf die gleichfalls von dieser angemeldete internationale Patentanmeldung PCT/FR2000/003656 zurückgeht. Das Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Voranmeldung 199 61 706 vom 21. Dezember 1999 in Anspruch, als deren Anmelderin die S. , ein Tochterunternehmen der Beklagten, eingetragen ist.
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es unter Berufung auf Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG, Art. 139 Abs. 2, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54 EPÜ i.V.m. § 3 Abs. 2 PatG ausgeführt, dass die ältere nachveröffentlichte deutsche Patent- anmeldung das Streitpatent neuheitsschädlich vorwegnehme, nachdem die Inanspruchnahme der Priorität aus dieser Schutzrechtsanmeldung nicht wirksam sei.
6
Dem tritt die Beklagte in ihrer Berufung u.a. mit der Begründung entgegen , dass das Prioritätsrecht aus der deutschen Voranmeldung noch vor Einreichung der PCT-Anmeldung, auf welche das Streitpatent zurückgeht, von der Anmelderin S. auf die Beklagte übertragen worden sei, damit diese bei der Anmeldung des Streitpatents die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nehmen konnte. Dazu trägt die Beklagte umfangreich vor und beruft sich zum Nachweis ihres Vorbringens insbesondere auch auf die bereits erstinstanzlich vorgelegten Anlagen D23, D24, Artikel 13 der Anlage D25 sowie auf weitere mit der Berufungsbegründung eingereichte Anlagen.
7
Danach besteht kein dem Antrag auf Akteneinsicht entgegenstehendes beachtliches schutzwürdiges Interesse der Beklagten. Ein solches kann zwar zugunsten eines Verfahrensbeteiligten gegeben sein, wenn durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden können (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZR 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX; Beschluss vom 4. Mai 2004 - X ZR 189/03). Ob die Beklagte danach ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihres Vorbringens und der von ihnen vorgelegten Anlagen hinreichend begründet hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall das Interesse der Öffentlichkeit vorrangig, sich darüber zu informieren, ob das Streitpatent die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nimmt, weil - wie die Beklagte geltend macht und die Klägerin bestreitet - vor Anmeldung des Streitpatents das Recht auf Inanspruchnahme der deutschen Voranmeldung wirksam von deren Anmelderin auf die Beklagte übertragen wurde.
Dass der Öffentlichkeit dabei auch Betriebsinterna der Beklagten zur Kenntnis gelangen und die Beklagte insoweit ein Geheimhaltungsbedürfnis geltend macht, muss demgegenüber zurücktreten. Die Öffentlichkeit kann insoweit auch nicht auf das Register verwiesen werden, dem lediglich der Umstand entnommen werden kann, dass Anmelder der Voranmeldung und der PCTAnmeldung , auf die das Streitpatent zurückgeht, unterschiedliche Personen sind, nämlich einerseits die S. und andererseits die Beklagte. Denn daraus ergeben sich keine Informationen zur Frage der Wirksamkeit der Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Voranmeldung auf die Beklagte.
8
Von der Akteneinsicht auszunehmen ist allerdings der als Anlage D25 vorgelegte Poolvertrag mit Ausnahme der Regelung in Artikel 13, weil sich die Beklagte in ihrem Vorbringen bislang nur auf diese Regelung bezogen hat, so dass auch nur insoweit ein vorrangiges öffentliches Informationsinteresse zu bejahen ist.
9
Im Übrigen erfordert die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens weder die Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses seitens des Antragstellers noch die Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - X ZR 133/06, GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII). Der Gewährung von Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahrens steht daher auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin und deren Auftraggeber der Beklagten unbekannt sind.
Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.02.2012 - 5 Ni 59/10 (EP) -

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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

Patentgesetz - PatG | § 31


(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in da

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 49/12 Verkündet am:
16. April 2013
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrzeugscheibe
BGB §§ 398, 413; EPÜ Art. 87 Abs. 1

a) Die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen
Patentanmeldung ist auch dann nicht formbedürftig, wenn die Priorität für eine europäische
Patentanmeldung in Anspruch genommen werden soll.

b) Zur konkludenten Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität innerhalb
eines Konzerns.
BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin
Mühlens, den Richter Gröning, die Richterin Schuster und den Richter
Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Februar 2012 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Patentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 240 041 (Streitpatents), das am 21. Dezember 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung 199 61 706 vom 21. Dezember 1999 angemeldet worden ist und eine Anordnung zum Verbinden einer Fahrzeugscheibe mit einem angrenzenden Bauteil betrifft.

2
Die Klägerin hat das Streitpatent mit Ausnahme von Anspruch 11 mit der Begründung angegriffen, sein Gegenstand sei nicht patentfähig.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie das Streitpatent in erster Linie in der erteilten Fassung, hilfsweise in beschränkter Fassung verteidigt.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet :
5
Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu. Die ältere nachveröffentlichte deutsche Anmeldung 199 61 706 nehme die Erfindung neuheitsschädlich vorweg. Der Beklagten sei der Nachweis, dass sie Inhaberin dieser Anmeldung geworden sei, nicht gelungen. Es sei nicht ersichtlich, dass die S. G. Deutschland (im Folgenden: SG Deutschland), die diese Anmeldung eingereicht hat, hierbei treuhänderisch für die Beklagte gehandelt habe. Soweit sich die Beklagte auf eine Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität dieser Anmeldung von SG Deutschland auf sie berufe, sei im Nichtigkeitsverfahren die Wirksamkeit der behaupteten Rechtsnachfolge vom Gericht zu prüfen. Die Beklagte habe den Nachweis, dass ihr das Prioritätsrecht aus der deutschen Anmeldung wirksam übertragen worden sei, nicht geführt. Die zum Beleg der Übertragung vorgelegten Schriftstücke (Anlagen D23 und D24) ließen mehrere Deutungsmöglichkeiten zu. Sei demnach für den Zeitrang des Streitpatents der 21. Dezember 2000 als Tag des Eingangs der Anmeldung maßgeblich, stelle die am 5. Juli 2001 offengelegte und damit nachveröffentlichte deutsche Anmeldung gegenüber dem Streitpatent ein älteres nationales Recht nach Art. 139 Abs. 2 EPÜ dar.
6
II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
7
Nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG wird das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent auf Antrag für nichtig erklärt, wenn sein Gegenstand nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig ist. Nach Art. 54, 138 Abs. 1 lit. a, 139 Abs. 2 EPÜ rechnet zum Stand der Technik auch eine ältere nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die deutsche Anmeldung 199 61 706 die Lehre des Streitpatents vorwegnimmt. Das führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Streitpatents, weil die Beklagte die Priorität dieser Anmeldung in Anspruch nehmen kann.
8
1. Anmelderin des Streitpatents ist die Beklagte. Die deutsche Anmeldung 199 61 706 wurde von SG Deutschland eingereicht. Dabei handelt es sich um eine Gesellschaft, die zum gleichen Konzern gehört wie die Beklagte.
9
Die vom Patentgericht erörterte Frage, ob eine Befugnis der Beklagten zur Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Anmeldung mit der Begründung angenommen werden kann, SG Deutschland habe bei der Anmeldung als Treuhänderin der Beklagten gehandelt, bedarf keiner Vertiefung. Es erscheint zweifelhaft, ob eine Anmeldung durch einen Treuhänder mit der Folge möglich ist, dass der Treugeber als Anmelder anzusehen ist (dagegen Keukenschrijver, Mitt. 2001, 233 f.; Benkard/ Grabinski, EPÜ, 2. Aufl., Art. 87 Rn. 3). Die Beklagte hat jedenfalls klargestellt, dass sie sich nicht darauf beruft, SG Deutschland habe die deutsche Anmeldung als Treuhänderin vorgenommen, sondern sich auf eine Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität stützt.
10
2. Die Beklagte kann die Priorität der deutschen Anmeldung für den Zeitrang des Streitpatents in Anspruch nehmen, weil ihr das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität dieser Anmeldung rechtzeitig und wirksam von SG Deutschland übertragen worden ist.
11
a) Die Priorität einer nationalen Anmeldung kann nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ von dem personenverschiedenen Anmelder einer europäischen Nachanmeldung in Anspruch genommen werden, wenn ihm das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität rechtzeitig - das heißt vor Einreichung der Nachanmeldung - und wirksam übertragen worden ist (EPA, Beschluss vom 14. November 2006 - T 62/05 Rn. 3.6; Benkard/ Grabinski, aaO Rn. 3 f.; Bremi in Singer/Stauder, EPÜ, 6. Aufl., Art. 87 Rn. 53).
12
b) Nach welchem nationalen Recht die Wirksamkeit einer Übertragung des Rechts zur Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung zu beurteilen ist, bestimmt sich nach den Regelungen des internationalen Privatrechts. Da hier eine Übertragung des Prioritätsrechts im Jahr 2000 in Rede steht, findet Art. 33 Abs. 2 EGBGB Anwendung. Danach unterfällt die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität dem Recht des Staates der ersten Anmeldung, hier also dem deutschen Recht (Benkard/Grabinski, EPÜ, 2. Aufl., Art. 87 Rn. 5; Singer/Stauder/ Bremi, EPÜ, 6. Aufl., Art. 87 Rn. 52; Wieczorek, Die Unionspriorität, 1975, S. 143; aA Ruhl, Unionspriorität, 2000 Rn. 260). Nach deutschem Recht ist die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität gemäß §§ 413, 398 BGB nicht formbedürftig (Benkard/Grabinski, aaO; Fischer/Gleiter in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG, 4. Aufl., § 40 Rn. 3).
13
c) Weitergehende Formerfordernisse lassen sich auch aus dem Europäischen Patentübereinkommen nicht ableiten. Art. 87 EPÜ sieht vor, dass das Prioritätsrecht nicht nur von demjenigen in Anspruch genommen werden kann, der eine nationale Patentanmeldung vorschriftsmäßig eingereicht hat, sondern auch durch seinen Rechtsnachfolger. Regelungen über die Form, in der eine Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität zu erfolgen hat, enthält die Bestimmung nicht. Die Auffassung einer Technischen Beschwerdekammer, aus Gründen der Rechtssicherheit seien die in Art. 72 EPÜ aufgestellten Anforderungen an die Form der Übertra- gung einer europäischen Patentanmeldung auf die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität anzuwenden (EPA, Technische Beschwerdekammer, Beschluss vom 14. November 2006 - T 62/05 Rn. 3.9; krit. Bremi, epi-information, 1/2010, 17 ff., anders noch EPA, Beschwerdekammer, Beschluss vom 21. März 1988 - J 19/87), hält der Senat nicht für zutreffend. Die Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens haben hier - anders als in Art. 72 für den Fall der Übertragung einer europäischen Patentanmeldung - kein Formerfordernis vorgesehen. Diese Entscheidung haben die Gerichte hinzunehmen.
14
d) Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten, dass SG Deutschland das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Patentanmeldung 199 61 706 übertragen hat. Das Patentgericht hat die Anforderungen an den Nachweis einer konkludenten Übertragung des Prioritätsrechts überspannt.
15
aa) Die Gesellschaften des S. -G. -Konzerns haben im Dezember 1991 den als Anlage D25 vorgelegten Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung geschlossen. Der Vertrag sieht vor, dass die Konzerngesellschaften sich gegenseitig über ihre jeweiligen Rechte an geistigem Eigentum informieren, diese untereinander zur Verfügung stellen und sie gegebenenfalls an eine als Koordinator bezeichnete Stelle übertragen. Aus dieser Regelung ergibt sich die Verpflichtung der konzernangehörigen Gesellschaften, der für die Koordination zuständigen Stelle die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, deren Entscheidung über das weitere Vorgehen abzuwarten und die für die Umsetzung der Entscheidung gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Da der Zeitpunkt der Priorität für den Rechtsbestand eines Patents Bedeutung hat, ist eine Konzerngesellschaft danach für den Fall einer vorangegangenen nationalen Anmeldung regelmäßig auch gehalten, diese Anmeldung oder das Recht auf Inanspruchnahme ihrer Priorität zu übertragen.

16
bb) Vor diesem Hintergrund ist dem als Anlage D23 vorgelegten Schreiben nicht nur zu entnehmen, dass SG Deutschland die zuständige Stelle darüber informiert , dass sie am 21. Dezember 1999 eine nationale Patentanmeldung eingereicht hat. Mit diesem Schreiben sollte, wie sich insbesondere aus dem vorletzten Absatz ergibt, die französische Zentrale in die Lage versetzt werden, die ihr nach dem erwähnten Vertrag vorbehaltene Entscheidung darüber zu treffen, ob eine Ausweitung der Anmeldung der Erfindung auf andere Staaten erfolgen solle, wer diese vorzunehmen habe und wer die Kosten trage. Unter den hier vorliegenden Umständen, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass auf beiden Seiten patentrechtlich geschulte Personen handelten, liegt in diesem Schreiben bereits das Angebot, gegebenenfalls das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Patentanmeldung auf die Konzerngesellschaft zu übertragen, die weitere Anmeldungen im Ausland vorzunehmen hätte.
17
cc) Die als Anlage D24 vorgelegte Urkunde belegt, dass der hierfür zuständige M. L. sich am 4. Dezember 2000 - und damit vor Ablauf der Prioritätsfrist nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ - für eine Ausweitung des Schutzes auf zahlreiche Staaten und für eine Anmeldung durch die Beklagte entschieden hat. In dieser Entscheidung liegt zugleich die Annahme des Angebots von SG Deutschland zur Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Anmeldung. Wie der weitere Gang der Dinge zeigt, wurde diese Entscheidung auch an die zuständigen Stellen innerhalb des Konzerns übermittelt und dort umgesetzt. Wann SG Deutschland hierüber informiert wurde, ist nicht ausschlaggebend. Das Zustandekommen des Vertrags, mit dem SG Deutschland der Beklagten das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität übertrug, setzt nicht voraus, dass SG Deutschland gegenüber die Annahme erklärt worden ist, denn aus dem erwähnten Vertrag ergibt sich, dass die Konzerngesellschaften untereinander hierauf verzichtet haben (§ 151 BGB).
18
dd) Die Annahme einer konkludenten Einigung der Beteiligten wird dadurch gestützt, dass SG Deutschland in der Folge Erklärungen unterzeichnet hat, mit de- nen die Übertragung des Prioritätsrechts zur Vorlage bei den zuständigen Stellen solcher Staaten belegt werden sollte, nach deren Recht es eines schriftlichen Nachweises hierüber bedarf (Anlagen BU 3, 4 und 5). Ob diese Erklärungen innerhalb der Frist des Art. 87 Abs. 1 EPÜ unterzeichnet wurden, ist nicht maßgeblich. Unerheblich ist auch, ob die Erklärungen inhaltlich zutreffend waren, was zweifelhaft wäre, wenn mit ihnen nicht lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass eine Übertragung des Prioritätsrechts in der Vergangenheit erfolgt ist. Unabhängig davon zeigen diese Erklärungen jedenfalls, dass SG Deutschland bereit war, der Beklagten das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität zu übertragen.
19
3. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 PatG). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des Patentgerichts und des Sach- und Streitstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abschließend beurteilen, ob das Streitpatent für nichtig zu erklären ist. Eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat ist nicht angezeigt (§ 119 Abs. 5 PatG).
20
Das Patentgericht wird im neu eröffneten Verfahren der zwischen den Parteien streitigen Frage nachzugehen haben, wie die Patentansprüche aus der Verfahrenssprache richtigerweise in die deutsche Sprache zu übersetzen sind.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.02.2012 - 5 Ni 59/10 (EP) -

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.

(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,

1.
wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder
2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
und ein Hinweis nach § 32 Abs. 5 veröffentlicht worden ist. Bei Anmeldungen, die nicht oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, gilt § 35a Absatz 4.

(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.

(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.

(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit

1.
ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht,
2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder
3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.

(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.

(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 189/03
vom
4. Mai 2004
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Patentanwalt A. in M. wird Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 189/03 gewährt. Auszunehmen sind der Reisebericht vom 30. Mai 1994, das Angebot 352/94 vom 6. Juni 1994 und der Anstellungsvertrag vom 17. März 1994; eine Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht in diese Unterlagen bleibt vorbehalten.

Gründe:


I. Patentanwalt A. hat - zunächst ohne Nennung des Auftraggebers - Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 189/03 begehrt ; im Lauf des Verfahrens hat er mitgeteilt, daß die Akteneinsicht für eine Firma S. begehrt werde. Der Beklagte hat gegen die Akteneinsicht keine Einwände erhoben, während die Klägerin dem Antrag mit der Begründung widersprochen hat, ein Angehöriger dieser Firma sei bei der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zugegen gewesen und habe sich auch zur anschließenden Urteilsberatung Zutritt verschafft, wobei unerkannt geblieben sei, daß
es sich nicht um einen Patentanwaltskandidaten gehandelt habe. Tatsächlich handle es sich um eine als Zeuge in Betracht kommende Person. Die Gewährung von Akteneinsicht führe dazu, daß der Beschäftigte "als Zeuge leider verbraucht" wäre. Ergänzend hat die Klägerin geltend gemacht, der Reisebericht vom 30. Mai 1994, das Angebot 352/94 vom 6. Juni 1994 und der Anstellungsvertrag vom 17. März 1994 enthielten Angaben über ihre Kunden, über die zuständigen Ansprechpartner und die Organisationsstruktur ihres Unternehmens; insoweit bestehe ein Geheimhaltungsinteresse bei ihr. Sie sei aber bereit, der Antragstellerin insoweit neutralisierte Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
II. Dem Antrag ist mit den im Tenor genannten Einschränkungen stattzugeben. Ein beachtliches schutzwürdiges Gegeninteresse eines Verfahrensbeteiligten hat der Senat insbesondere in Betracht gezogen, soweit durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden konnten (Sen.Beschl. v. 16.12.1971 - X ZA 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX). Auch bei persönlichkeitsbezogenen Angaben kann ein schutzwürdiges Gegeninteresse zu bejahen sein (vgl. BPatGE 26, 66 = GRUR 1984, 342).
Ein solches schutzwürdiges Gegeninteresse zeigt die Klägerin hier nur auf, soweit der Akteneinsichtsantrag auch den Reisebericht vom 30. Mai 1994, das Angebot 352/94 vom 6. Juni 1994 und der Anstellungsvertrag vom 17. März 1994 erfaßt. Weshalb sich aus einer möglicherweise unzulässigen Anwesenheit eines Beschäftigten der Firma S. bei der Beratung des erstinstanzlichen Urteils ein schutzwürdiges Gegeninteresse der Klägerin ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Regelung in § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG hat insoweit erkennbar keinen Sanktionscharakter. Daß der Beschäftigte des Unternehmens Kenntnis von bestimmten Vorgängen im erstinstanzlichen Verfahren haben und hierfür als Zeuge in Betracht kommen mag, begründet schon deshalb kein
schutzwürdiges Gegeninteresse, weil die Gewährung der Akteneinsicht nicht dazu führen könnte, daß der Beschäftigte nicht mehr als Zeuge vernommen werden dürfte ("verbraucht" wäre). Zudem zeigt die Klägerin nicht auf, in welchem Zusammenhang die aus ihrem Vortrag allenfalls zu entnehmenden Beweisthemen mit dem Ausgang des Verfahrens stehen können; von daher ist ihre Auffassung, der Beschäftigte könne als Zeuge "ausgesprochen wichtig" werden, nicht ohne weiteres nachvollziehbar und kann ein schutzwürdiges Gegeninteresse nicht begründen.
Da sich die Klägerin erboten hat, der Antragstellerin von den zunächst von der Akteneinsicht ausgenommenen Unterlagen neutralisierte Abschriften zur Verfügung zu stellen, geht der Senat davon aus, daß es insoweit einer weitergehenden Entscheidung über den Akteneinsichtsantrag nicht bedarf.
Melullis Keukenschrijver