Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2013 - X ZR 49/12

published on 21/01/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2013 - X ZR 49/12
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Bundespatentgericht, 5 Ni 59/10, 15/02/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 49/12
vom
21. Januar 2013
in der Patentnichtigkeitssache
Hier nur: Akteneinsichtsgesuch
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Der E. , B. , wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens (5 Ni 59/10 (EP)), einschließlich der Erteilungsakte des Deutschen Patent- und Markenamtes 600 18 608 und der Akten des vorliegenden Berufungsverfahrens (X ZR 49/12), gewährt.
Von der Akteneinsicht ist die Anlage D25 ("AVENANT AU CONTRAT DE POOL DE RECHERCHE ET DE DEVELOPPEMENT DES TECHNIQUES INDUSTRIELLES DU VITRAGE DU 19.12.91") ausgenommen , mit Ausnahme des Artikels 13 dieser Anlage ("PROPRIETE INDUSTRIELLE - BREVETS NOUVEAUX"), der der Akteneinsicht unterliegt.

Gründe:


1
I. Die E. hat um Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens gebeten. Die Beklagte widerspricht dem Gesuch mit der Begründung, dass die Akten vertrauliche Informationen und Verträge der Beklagten enthielten, die nur für die Rechtsverteidigung in dem vorliegenden Verfahren vorgelegt worden seien, nicht aber der Allgemeinheit zugänglich sein dürften. Das gelte insbesondere für die im Verfahren des ersten Rechtszuges vorgelegten Anlagen D23, D24 und D25. Zudem würden in der Berufungsbegründung und ihren Anlagen sowie der darauf bezugnehmenden Berufungserwiderung der Klägerin interne Vorgänge angesprochen und offen gelegt, die vertrauliche Informationen über konzerninterne Betriebsabläufe der Beklagten enthielten, die Dritten nicht zugänglich sein dürften.
2
Auch sei ihr, der Beklagten, die E. nicht bekannt und es sei auch nicht ersichtlich, für wen diese tätig werde. Sie, die Beklagte, habe ein erhebliches Interesse daran, die Gefahr zu vermeiden, dass vertrauliche Informationen und Informationen zur Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents Hintermännern zukämen, die dieses für weitere Nichtigkeitsangriffe nutzten könnten.
3
II. Dem Antrag auf Akteneinsicht ist mit der im Ausspruch genannten Einschränkung stattzugeben (§ 99 Abs. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 PatG).
4
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 240 041 (Streitpatents), das auf die gleichfalls von dieser angemeldete internationale Patentanmeldung PCT/FR2000/003656 zurückgeht. Das Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Voranmeldung 199 61 706 vom 21. Dezember 1999 in Anspruch, als deren Anmelderin die S. , ein Tochterunternehmen der Beklagten, eingetragen ist.
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es unter Berufung auf Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG, Art. 139 Abs. 2, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54 EPÜ i.V.m. § 3 Abs. 2 PatG ausgeführt, dass die ältere nachveröffentlichte deutsche Patent- anmeldung das Streitpatent neuheitsschädlich vorwegnehme, nachdem die Inanspruchnahme der Priorität aus dieser Schutzrechtsanmeldung nicht wirksam sei.
6
Dem tritt die Beklagte in ihrer Berufung u.a. mit der Begründung entgegen , dass das Prioritätsrecht aus der deutschen Voranmeldung noch vor Einreichung der PCT-Anmeldung, auf welche das Streitpatent zurückgeht, von der Anmelderin S. auf die Beklagte übertragen worden sei, damit diese bei der Anmeldung des Streitpatents die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nehmen konnte. Dazu trägt die Beklagte umfangreich vor und beruft sich zum Nachweis ihres Vorbringens insbesondere auch auf die bereits erstinstanzlich vorgelegten Anlagen D23, D24, Artikel 13 der Anlage D25 sowie auf weitere mit der Berufungsbegründung eingereichte Anlagen.
7
Danach besteht kein dem Antrag auf Akteneinsicht entgegenstehendes beachtliches schutzwürdiges Interesse der Beklagten. Ein solches kann zwar zugunsten eines Verfahrensbeteiligten gegeben sein, wenn durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden können (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZR 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX; Beschluss vom 4. Mai 2004 - X ZR 189/03). Ob die Beklagte danach ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihres Vorbringens und der von ihnen vorgelegten Anlagen hinreichend begründet hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall das Interesse der Öffentlichkeit vorrangig, sich darüber zu informieren, ob das Streitpatent die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nimmt, weil - wie die Beklagte geltend macht und die Klägerin bestreitet - vor Anmeldung des Streitpatents das Recht auf Inanspruchnahme der deutschen Voranmeldung wirksam von deren Anmelderin auf die Beklagte übertragen wurde.
Dass der Öffentlichkeit dabei auch Betriebsinterna der Beklagten zur Kenntnis gelangen und die Beklagte insoweit ein Geheimhaltungsbedürfnis geltend macht, muss demgegenüber zurücktreten. Die Öffentlichkeit kann insoweit auch nicht auf das Register verwiesen werden, dem lediglich der Umstand entnommen werden kann, dass Anmelder der Voranmeldung und der PCTAnmeldung , auf die das Streitpatent zurückgeht, unterschiedliche Personen sind, nämlich einerseits die S. und andererseits die Beklagte. Denn daraus ergeben sich keine Informationen zur Frage der Wirksamkeit der Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Voranmeldung auf die Beklagte.
8
Von der Akteneinsicht auszunehmen ist allerdings der als Anlage D25 vorgelegte Poolvertrag mit Ausnahme der Regelung in Artikel 13, weil sich die Beklagte in ihrem Vorbringen bislang nur auf diese Regelung bezogen hat, so dass auch nur insoweit ein vorrangiges öffentliches Informationsinteresse zu bejahen ist.
9
Im Übrigen erfordert die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens weder die Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses seitens des Antragstellers noch die Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - X ZR 133/06, GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII). Der Gewährung von Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahrens steht daher auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin und deren Auftraggeber der Beklagten unbekannt sind.
Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.02.2012 - 5 Ni 59/10 (EP) -
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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in da
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Annotations

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.

(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,

1.
wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder
2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
und ein Hinweis nach § 32 Abs. 5 veröffentlicht worden ist. Bei Anmeldungen, die nicht oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, gilt § 35a Absatz 4.

(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.

(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.

(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit

1.
ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht,
2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder
3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.

(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.

(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.