Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2005 - X ZR 186/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Entscheidung über die Berichtigung des Tenors des Senatsurteils wegen offenbarer Unrichtigkeit bleibt vorbehalten.
Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird erneut in die mündliche Verhandlung über die Berufung eingetreten, soweit sich die Berufung dagegen richtet, daß das Bundespatentgericht das Streitpatent auf die insoweit auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützte Nichtigkeitsklage im Umfang des Patentanspruchs 3 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt hat.
Im übrigen wird die Gegenvorstellung zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbesta ndes des Senatsurteils vom 7. September 2004 ist unbegründet.
Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vo r dem Senat und der Antragsbegründung (Schriftsatz vom 21. Oktober 2004, Seiten 3, 4) ergibt, ist der Sachverständige in dem Umfang, in dem der Senat nach der Erörterung des technischen Sachverhalts mit den Parteien Erläuterungen und Ergänzungen des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen für erforderlich gehalten hat, befragt und gehört worden. Der Sachverständige stand während der gesamten Dauer der mündlichen Verhandlung für Fragen des Senats wie der Parteien zur Verfügung und hat in dem Umfang, in dem Fragen zu dem Gutachten und dem Vorbringen der Parteien an ihn gerichtet wurden, diese beantwortet. Ein Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen von seiner Aufgabe zu entbinden und einen anderen Sachverständigen zu bestellen, ist zwar angekündigt, nach der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung aber nicht gestellt worden.
Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes des Senatsu rteils ist daher zurückzuweisen. Eine mündliche Verhandlung über den Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht beantragt worden; der Senat hat sie auch nicht für erforderlich gehalten.
II.
1. Die Gegenvorstellung der Klägerin ist zulässig. Von V erfassungs wegen ist es geboten, daß ein Gericht seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst korrigiert (BVerfGE 107, 395 ff.; Senatsbeschluß vom 16. September 2003 - X ZB 12/03, NJW 2004, 292), wenn die Gehörsrüge innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung erhoben wird (Senatsbeschluß vom 8. September 2004 - X ZR 68/99, GRUR 2004, 1061 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel II).
2. Die fristgemäß erhobene Gegenvorstellung ist begründet, soweit mit ihr gerügt wird, der Senat habe im Urteil vom 7. September 2004 den auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützten selbständigen Angriff gegen Patentanspruch 3 des Streitpatents übergangen. Insoweit ist daher erneut in die mündliche Verhandlung über die Berufung einzutreten (vgl. auch den Gedanken des § 321a Abs. 5 ZPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes ).
3. Dagegen bleibt die Gegenvorstellung ohne Erfolg, soweit die Klägerin im übrigen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht.
Die Klägerin rügt insoweit, der Senat habe sich in seinem Urteil nicht mit dem befaßt, was der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zur Lehre des Streitpatents, zum entgegengehaltenen Stand der Technik und zu dessen Relevanz für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents ausgeführt und was sie - die Klägerin - selbst unter Bezugnahme auf diese Ausführungen des Sachverständigen vorgetragen habe. Das komme einer (faktischen) teilweisen Stattgabe des Antrags der Beklagten gleich, den gerichtlichen Sachverständigen von seiner Aufgabe zu entbinden, und das Urteil des Senats stelle insoweit eine Überraschungsentscheidung dar. In dem
Urteil des Senats sei die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents ausschließlich mit den Merkmalen 4 bis 4.2 begründet worden. Dabei sei der Senat nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, aus dem zwischen den Parteien ergangenen, ein anderes Patent betreffenden Senatsurteil vom 21. Oktober 2003 (X ZR 220/99) ergebe sich, daß der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch die deutsche Offenlegungsschrift 32 07 074 und die US-Patentschrift 3 491 681 nahegelegt sei.
Diese Rügen sind nicht begründet. Der Senat hat den klageabweisenden Teil seiner Entscheidung damit begründet, daß der Fachmann aus dem Stand der Technik keine Anregungen erhalten habe, mehrere Tintenabsorbierungsmittel unterschiedlicher Porenweite so in einem derart gestalteten Tintenversorgungstank anzuordnen, daß das Tintenabsorbierungsmittel mit der größeren Porenweite von der Tintenversorgungsöffnung entfernt und das Tintenabsorbierungsmittel mit der geringeren Porenweite nahe der Tintenversorgungsöffnung zu liegen kommt, so daß Tinte von dem Porenelement mit größerer Porenweite zu dem Porenelement mit geringerer Porenweite und von diesem zur Tintenversorgungsöffnung fließt. Dazu hat er sich im einzelnen mit dem Stand der Technik einschließlich der beiden von der Gegenvorstellung angeführten Druckschriften auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang bedurfte es weder einer Erörterung des Urteils vom 21. Oktober 2003 noch des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen. Das Urteil des Senats vom 21. Oktober 2003 befaßt sich nämlich nicht mit der Frage, ob die Verwendung mehrerer Tintenabsobierungsmittel unterschiedlicher Porenweite nahegelegen hat, da das Streitpatent des Rechtsstreits X ZR 220/99 ein solches Merkmal nicht enthielt. Ebensowenig finden sich zu dieser Frage, die im übrigen eine Rechtsfrage ist, die nicht von dem Sachverständigen, sondern vom Gericht zu entscheiden ist (Senatsurteil vom 25. November 2003 – X ZR 162/00, GRUR 2004, 411, 413 – Diabehältnis), Erwägungen im Gutachten, die
der Senat nicht der Sache nach bei der Diskussion des Standes der Technik erörtert hätte, insbesondere auch nicht an den von der Gegenvorstellung aus der schriftsätzlichen Stellungnahme der Klägerin zum Gutachten zitierten Stellen. Daß der Senat für die Beurteilung der von ihm als entscheidend angesehenen Frage relevanten Streitstoff übergangen hätte, zeigt die Gegenvorstellung hiernach nicht auf. Die erneute Befassung mit Fragen, die als nicht entscheidungserheblich erkannt worden sind, kann mit einer auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Gegenvorstellung nicht erreicht werden.
Soweit sich aus der mündlichen Verhandlung ergänzende Fragen an den Sachverständigen ergeben haben, sind diese gestellt und beantwortet worden und haben ihren Niederschlag in den Entscheidungsgründen gefunden. Vor dem Schluß der Beweisaufnahme ist beiden Parteien ausdrücklich Gelegenheit zur Erörterung von Fragen gegeben worden, die bis dahin nicht angesprochen worden sind und aus ihrer Sicht erörterungsbedürftig erschienen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Annotations
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.