Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2005 - X ZR 186/00

bei uns veröffentlicht am14.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 186/00
vom
14. März 2005
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Gegenvorstellung im Nichtigkeitsberufungsverfahren
Mit einer auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Gegenvorstellung
kann nicht die erneute Befassung mit einer Frage erreicht werden,
die als nicht entscheidungserheblich erkannt worden ist.
BGH, Beschluß vom 14. März 2005 - X ZR 186/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbestands des Senatsurteils vom 7. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berichtigung des Tenors des Senatsurteils wegen offenbarer Unrichtigkeit bleibt vorbehalten.
Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird erneut in die mündliche Verhandlung über die Berufung eingetreten, soweit sich die Berufung dagegen richtet, daß das Bundespatentgericht das Streitpatent auf die insoweit auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützte Nichtigkeitsklage im Umfang des Patentanspruchs 3 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt hat.
Im übrigen wird die Gegenvorstellung zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Der Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbesta ndes des Senatsurteils vom 7. September 2004 ist unbegründet.
Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vo r dem Senat und der Antragsbegründung (Schriftsatz vom 21. Oktober 2004, Seiten 3, 4) ergibt, ist der Sachverständige in dem Umfang, in dem der Senat nach der Erörterung des technischen Sachverhalts mit den Parteien Erläuterungen und Ergänzungen des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen für erforderlich gehalten hat, befragt und gehört worden. Der Sachverständige stand während der gesamten Dauer der mündlichen Verhandlung für Fragen des Senats wie der Parteien zur Verfügung und hat in dem Umfang, in dem Fragen zu dem Gutachten und dem Vorbringen der Parteien an ihn gerichtet wurden, diese beantwortet. Ein Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen von seiner Aufgabe zu entbinden und einen anderen Sachverständigen zu bestellen, ist zwar angekündigt, nach der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung aber nicht gestellt worden.
Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes des Senatsu rteils ist daher zurückzuweisen. Eine mündliche Verhandlung über den Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht beantragt worden; der Senat hat sie auch nicht für erforderlich gehalten.

II.


1. Die Gegenvorstellung der Klägerin ist zulässig. Von V erfassungs wegen ist es geboten, daß ein Gericht seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst korrigiert (BVerfGE 107, 395 ff.; Senatsbeschluß vom 16. September 2003 - X ZB 12/03, NJW 2004, 292), wenn die Gehörsrüge innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung erhoben wird (Senatsbeschluß vom 8. September 2004 - X ZR 68/99, GRUR 2004, 1061 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel II).
2. Die fristgemäß erhobene Gegenvorstellung ist begründet, soweit mit ihr gerügt wird, der Senat habe im Urteil vom 7. September 2004 den auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützten selbständigen Angriff gegen Patentanspruch 3 des Streitpatents übergangen. Insoweit ist daher erneut in die mündliche Verhandlung über die Berufung einzutreten (vgl. auch den Gedanken des § 321a Abs. 5 ZPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes ).
3. Dagegen bleibt die Gegenvorstellung ohne Erfolg, soweit die Klägerin im übrigen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht.
Die Klägerin rügt insoweit, der Senat habe sich in seinem Urteil nicht mit dem befaßt, was der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zur Lehre des Streitpatents, zum entgegengehaltenen Stand der Technik und zu dessen Relevanz für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents ausgeführt und was sie - die Klägerin - selbst unter Bezugnahme auf diese Ausführungen des Sachverständigen vorgetragen habe. Das komme einer (faktischen) teilweisen Stattgabe des Antrags der Beklagten gleich, den gerichtlichen Sachverständigen von seiner Aufgabe zu entbinden, und das Urteil des Senats stelle insoweit eine Überraschungsentscheidung dar. In dem
Urteil des Senats sei die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents ausschließlich mit den Merkmalen 4 bis 4.2 begründet worden. Dabei sei der Senat nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, aus dem zwischen den Parteien ergangenen, ein anderes Patent betreffenden Senatsurteil vom 21. Oktober 2003 (X ZR 220/99) ergebe sich, daß der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch die deutsche Offenlegungsschrift 32 07 074 und die US-Patentschrift 3 491 681 nahegelegt sei.
Diese Rügen sind nicht begründet. Der Senat hat den klageabweisenden Teil seiner Entscheidung damit begründet, daß der Fachmann aus dem Stand der Technik keine Anregungen erhalten habe, mehrere Tintenabsorbierungsmittel unterschiedlicher Porenweite so in einem derart gestalteten Tintenversorgungstank anzuordnen, daß das Tintenabsorbierungsmittel mit der größeren Porenweite von der Tintenversorgungsöffnung entfernt und das Tintenabsorbierungsmittel mit der geringeren Porenweite nahe der Tintenversorgungsöffnung zu liegen kommt, so daß Tinte von dem Porenelement mit größerer Porenweite zu dem Porenelement mit geringerer Porenweite und von diesem zur Tintenversorgungsöffnung fließt. Dazu hat er sich im einzelnen mit dem Stand der Technik einschließlich der beiden von der Gegenvorstellung angeführten Druckschriften auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang bedurfte es weder einer Erörterung des Urteils vom 21. Oktober 2003 noch des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen. Das Urteil des Senats vom 21. Oktober 2003 befaßt sich nämlich nicht mit der Frage, ob die Verwendung mehrerer Tintenabsobierungsmittel unterschiedlicher Porenweite nahegelegen hat, da das Streitpatent des Rechtsstreits X ZR 220/99 ein solches Merkmal nicht enthielt. Ebensowenig finden sich zu dieser Frage, die im übrigen eine Rechtsfrage ist, die nicht von dem Sachverständigen, sondern vom Gericht zu entscheiden ist (Senatsurteil vom 25. November 2003 – X ZR 162/00, GRUR 2004, 411, 413 – Diabehältnis), Erwägungen im Gutachten, die
der Senat nicht der Sache nach bei der Diskussion des Standes der Technik erörtert hätte, insbesondere auch nicht an den von der Gegenvorstellung aus der schriftsätzlichen Stellungnahme der Klägerin zum Gutachten zitierten Stellen. Daß der Senat für die Beurteilung der von ihm als entscheidend angesehenen Frage relevanten Streitstoff übergangen hätte, zeigt die Gegenvorstellung hiernach nicht auf. Die erneute Befassung mit Fragen, die als nicht entscheidungserheblich erkannt worden sind, kann mit einer auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Gegenvorstellung nicht erreicht werden.
Soweit sich aus der mündlichen Verhandlung ergänzende Fragen an den Sachverständigen ergeben haben, sind diese gestellt und beantwortet worden und haben ihren Niederschlag in den Entscheidungsgründen gefunden. Vor dem Schluß der Beweisaufnahme ist beiden Parteien ausdrücklich Gelegenheit zur Erörterung von Fragen gegeben worden, die bis dahin nicht angesprochen worden sind und aus ihrer Sicht erörterungsbedürftig erschienen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2018 - XII ZA 58/17

bei uns veröffentlicht am 04.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZA 58/17 vom 4. Juli 2018 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2018:040718BXIIZA58.17.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkh

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 220/99 Verkündet am:
21. Oktober 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 21. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 15. September 1999 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts dadurch abgeändert, daß das europäische Patent 0 398 452 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt wird, soweit Patentanspruch 1 und in Ansehung von Anspruch 1 die Ansprüche 2 und 4 - soweit diese auf Anspruch 1 oder 2 rückbezogen sind - sowie Anspruch 5 - soweit dieser auf Anspruch 4 in Verbindung mit Anspruch 1 oder 2 rückbezogen ist - über folgende Fassung des Anspruchs 1 hinausgehen: 1. Tintenversorgungstank (2) für einen Matrix-Nadeldruckerkopf, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, wobei der Tintentank (2) mit einer Tintenversorgungsöffnung (41) versehen ist und ein offenporiges und formstabiles Tintenabsorbierungsmittel (60"; 61, 62) enthält, von welchem Tinte zur Tintenversorgungsöffnung (41) gelangen kann, gekennzeichnet durch ein Luftloch (42), welches mit einer das Tintenabsorbierungsmittel (60"; 61, 62) umgebenden Luftschicht kommuniziert, wobei das Tintenabsorbierungsmittel (60"; 61, 62) Poren aufweist, welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung (41) zu verringern sind und eine Tintenbahn bilden, wobei die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer ist als in der das Tintenabsorbierungsmittel (60"; 61, 62) umgebenden Luftschicht.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Oktober 1984 unter Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldungen JP 102 841, JP 102 842 und JP 102 843 vom 22. Mai 1984 angemeldeten und u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 398 452 (Streitpatents ), das vom Deutschen Patentamt unter der Nummer 34 86 333 geführt wird. Es umfaßt fünf Patentansprüche. Verfahrenssprache ist Englisch. Es betrifft einen "Ink supply tank for a wire dot matrix printer head". In der deutschen Übersetzung hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:
"Tintenversorgungstank (2) für einen Matrix-Nadeldruckerkopf, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, wobei der
Tintentank (2) mit einer Tintenversorgungsöffnung (41) versehen ist und Tintenabsorbierungsmittel (60'', 61, 62) enthält, von welchen Tinte zur Tintenversorgungsöffnung (41) gelangen kann, g e k e n n z e i c h n e t durch ein Luftloch (42), welches mit Luft in mindestens einem Raum (50b) zwischen den Tintenabsorbierungsmitteln (60'', 61, 62) und einer Wandung (5) des Tintenversorgungstanks (2) kommuniziert, wobei die Tintenabsorbierungsmittel (60'', 61, 62) Poren aufweisen, welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung (41) zu verringert sind."
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent teilweise mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, nämlich im Umfang der Ansprüche 1, 2 und 4 - soweit diese auf die Patentansprüche 1 oder 2 rückbezogen sind - sowie des Anspruchs 5 - soweit dieser auf Anspruch 4 in Verbindung mit Anspruch 1 oder 2 rückbezogen ist. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei insoweit nicht patentfähig, weil er durch den Stand der Technik vorweggenommen, jedenfalls aber für den Fachmann nahegelegt gewesen sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Bundespatentgericht hat der Klage stattgegeben.
Mit ihrer Berufung will die Beklagte weiterhin die Klageabweisung erreichen , hilfsweise die - teilweise - Aufrechterhaltung des Streitpatents. In der
Fassung ihrer Hilfsanträge soll Patentanspruch 1 des Streitpatents wie folgt lauten:
Hilfsantrag 1:
"1. Tintenversorgungstank (2) für einen Matrix-Nadeldruckerkopf, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, wobei der Tintentank (2) mit einer Tintenversorgungsöffnung (41) versehen ist und ein offenporiges und formstabiles Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) enthält, von welchem Tinte zur Tintenversorgungsöffnung (41) gelangen kann, gekennzeichnet durch ein Luftloch (42), welches mit Luft in mindestens einem Raum (z.B. 50b) zwischen dem Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) und einer Wandung (5) des Tintenversorgungstanks (2) kommuniziert, wobei das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) Poren aufweist, welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung (41) zu verringert sind und eine Tintenbahn bilden , wobei die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer ist als in dem mindestens einen Raum (z.B. 50b) in dem Tintentank."
Hilfsantrag 2:
"1. Tintenversorgungstank (2) für einen Matrix-Nadeldruckerkopf, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, wobei der Tintentank (2) mit einer Tintenversorgungsöffnung (41) verse-
hen ist und ein offenporiges und formstabiles Tintenabsorbierungsmittel (60’’; 61, 62) enthält, von welchem Tinte zur Tin- tenversorgungsöffnung (41) gelangen kann, gekennzeichnet durch ein Luftloch (42), welches mit Luft in mindestens einem Raum (z.B. 50b) zwischen dem Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) und einer Wandung (5) des Tintenversorgungstanks (2) kommuniziert, wobei das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) Poren aufweist, welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung (41) zu verringert sind und eine Tintenbahn bilden , wobei die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer ist als in dem mindestens einen Raum (z.B. 50b) in dem Tintentank , welcher Raum (50b) an die innere Wandoberfläche (50a) eines Tankdeckels (50) angrenzt, von der nur mindestens ein vorstehender Bereich (51) das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61) berührt, so daß der übrige Bereich der inneren Wandoberfläche (50a) von dem Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61) beabstandet ist, und wobei die Tintenversorgungsöffnung (41) im Boden des Tintenversorgungstanks (2) angeordnet ist."
Hilfsantrag 3:
"1. Tintenversorgungstank (2) für einen Matrix-Nadeldruckerkopf, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, wobei der Tintentank (2) mit einer Tintenversorgungsöffnung (41) versehen ist und ein offenporiges und formstabiles Tintenabsorbie-
rungsmittel (60’’; 61, 62) enthält, von welchem Tinte zur Tin- tenversorgungsöffnung (41) gelangen kann, gekennzeichnet durch ein Luftloch (42), welches mit einer das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) umgebenden Luftschicht kommuniziert, wobei das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) Poren aufweist, welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung (41) zu verringern (richtig: verringert) sind und eine Tintenbahn bilden, wobei die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer ist als in der das Tintenabsorbierungsmittel (60''; 61, 62) umgebenden Luftschicht."
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil; zu Hilfsantrag 3 hat die Klägerin erklärt, daß sie diesen nicht angreife.
Prof. Dr.-Ing. C. H. , hat im Auftrag des Senats ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung hat zum Teil, nämlich insoweit Erfolg, als die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrages 3 verteidigt, im übrigen ist die Berufung nicht begründet.
I. Das Streitpatent betrifft einen Tintenversorgungstank für einen MatrixNadeldruckerkopf. Bei derartigen Druckern wird die zu verdruckende Tinte in einem speziellen im Betriebszustand an den Druckkopf fest gekoppelten Tintentank bereitgehalten, so daß der Tintentank an den schnellen Bewegungen des Druckkopfes teilnimmt, der mit ständig wechselnder Richtung über das Papier fährt. Das begründet nach den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents die Gefahr, daß Tinte in dem Tank aufschäumt und durch Öffnungen austritt, wie sie u.a. zum Druckausgleich für die entnommene Tinte vorgesehen sein können. Zugleich kann bei Änderungen in der Umgebung, beispielsweise des Luftdrucks oder der Temperatur, die unterschiedliche Ausdehnung von Tankgehäuse und Tintenflüssigkeit zum Austreten von Tinte durch solche Öffnungen führen.
Die Streitpatentschrift befaßt sich eingangs mit bekannten Tintenversorgungssystemen. Bei dem aus der US-Patentschrift 4 194 846 bekannten System weise der Tintenführungsmechanismus Nadeln auf, die ein Porenelement berührten, das Tinte aus einem Tank absorbieren könne. Das Porenelement enthalte kleine in einem bestimmten Größenbereich variierende Löcher, was dazu führe, daß je nach dem Absorptionsvermögen der Porenelemente den distalen Nadelenden sowohl zu große als auch unzureichende Tintenmengen zugeführt werden könnten. Auch könne es leicht vorkommen, daß sich das Porenelement aufgrund des Zusammenwirkens mit den Seiten der Nadeln verforme. In beiden Fällen sei eine unregelmäßige Farbdichte die Folge.
Bei dem aus der europäischen veröffentlichten Anmeldung 97 009 bekannten Tintenversorgungsmechanismus komme eine Pumpe zum Einsatz, die
die Tinte aus einem Tank den distalen Nadelenden zuführe. Dies sei jedoch kompliziert und kostspielig.
Der Matrix-Nadeldruckerkopf aus der deutschen Offenlegungsschrift 25 46 835 weise einen Tintentank, ein Nadelführungsmittel mit einem Tintenaufnahmebereich und eine Drucknadel auf, deren distaler Endbereich sich in einer Öffnung in dem Nadelführungsmittel befinde, wobei eine kapillare Tintenbahn des Nadelführungsmittels sowohl mit dessen Bereich zum Aufnehmen der Tinte aus dem Tank als auch mit einem distalen Endbereich der Drucknadel kommuniziere, um dieser Tinte zuzuführen. Diese Konstruktion führe jedoch sehr leicht zu Variationen oder Unterbrechungen des Tintenflusses. Auch könne sich Luft, die durch Kapillarkraft in die Tinte gelange und vor der distalen Endoberfläche des Nadelführungsmittels nicht entweichen könne, unter dem vorhandenen niedrigen Druck ausdehnen und den Tintenfluß stören. Es fehle auch an Vorkehrungen zur Vermeidung einer zu großen Tintenmenge an der distalen Endoberfläche des Nadelführungsmittels.
Bei dem in der europäischen veröffentlichten Anmeldung 0 042 293 offenbarten Bauweise für einen Matrix-Nadeldruckerkopf sei nachteilig, daß keine Vorkehrung für eine Vergrößerung der Kapillaranziehungskraft in Richtung von dem Tintenversorgungsmittel hin zur distalen Endoberfläche angegeben werde, was dazu führe, daß in dem Tintenversorgungsmittel eventuell Tinte verschwendet werde, besonders wenn darin Luft eingeschlossen sei.
Das Streitpatent setzt es sich vor diesem Hintergrund zum Ziel, Verbesserungen der bekannten Tintenversorgungstanks zu erzielen und bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, zum Zuführen einer konstanten und angemessenen
Menge Tinte an das distale Ende einer Nadel einen Tintenversorgungstank vor- zuschlagen, der verglichen mit den bisherigen Bauweisen in geringerem Maße dem Einfluß von Veränderungen in der Umgebung, wie z.B. Temperaturschwankungen , ausgesetzt ist (deutsche Übersetzung S. 3 Z. 24-30).
Wie sich aus der Beschreibung weiter ergibt, sollen die Verbesserungen sich vor allem beziehen auf den unerwünschten Austritt von Tinte aus dem Tintenversorgungssystem sowohl an der Tintenversorgungsöffnung infolge von Luftblasen oder -schichten, die im Tintentank eingeschlossen sind, als auch an der Druckausgleichsöffnung (Streitpatentschrift deutsche Übersetzung S. 6 Z. 1 f.) und auf eine gezielte konstante ununterbrochene Leitung der im Tintentank bevorrateten Tinte in Richtung der distalen Tintenaustrittsöffnungen (Streitpatentschrift deutsche Übersetzung S. 15 Z. 16 f., 18 Z. 20 f.).
Patentanspruch 1 des Streitpatents geht dabei von einem Tintentank aus, der in bekannter Weise über eine Tintenversorgungsöffnung verfügt und der ein Tintenabsorbierungsmittel enthält, von dem aus Tinte aufgrund von Kapillarwirkung zur Tintenversorgungsöffnung gelangt. Dieser Tintenversorgungstank soll ein Luftloch enthalten, dieses Luftloch soll in direkter luftgefüllter Verbindung stehen mit mindestens einem Raum (50b) zwischen dem Tintenabsorbierungsmittel und einer Wandung des Tintenversorgungstanks. Das Absorbierungsmittel soll Poren aufweisen, die in ihrer Größe zunehmend in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung hin verringert sind.
Vorgeschlagen wird damit ein Tintenversorgungstank für einen MatrixNadeldruckerkopf , dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Der Tintenversorgungstank ist mit einer Tintenversorgungsöffnung versehen.
2. Der Tintenversorgungstank enthält Tintenabsorbierungsmittel, von welchen Tinte zur Tintenversorgungsöffnung gelangen kann.
3.1 Der Tintenversorgungstank weist ein Luftloch auf.
3.2 Das Luftloch kommuniziert mit Luft in mindestens einem Raum (50b) zwischen den Tintenabsorbierungsmitteln und einer Wandung des Tintenversorgungstanks.
4. Die Tintenabsorbierungsmittel weisen Poren auf, welche in der Größe zunehmend in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung zu verringert sind.
Wie Figur 1 verdeutlicht, wird bei dem vorgeschlagenen Tintenversorgungstank die eingefüllte Tinte von dem Tintenabsorbierungsmittel aufgesogen. Das ist, wie der gerichtliche Sachverständige auf Befragen ausdrücklich und zur Überzeugung des Senats bestätigt hat, dahin zu verstehen, daß die Tinte vollständig aufgenommen wird und keine freie Tinte verbleibt. Zwar wird dies nicht ausdrücklich angesprochen, ergibt sich für den Fachmann jedoch aus dem Ziel der Erfindung, den Austritt von Tinte aus der Luftöffnung zu vermeiden, und den Angaben zur Dimensionierung insbesondere der Poren in dem Absorbierungsmittel. Insoweit enthält Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zwar keine ausdrücklichen Größenangaben; diese entnimmt der Fachmann jedoch den Hinweisen zur jeweiligen Funktion der Bestandteile. Danach soll das Absorbie-
rungsmittel zum einen so bemessen sein, daß mindestens ein Raum (50b) verbleibt , in dem sich Luft befindet und der mit dem Luftloch kommunizieren kann (deutsche Übersetzung S. 16 Z. 9 f.), d.h. insbesondere mit diesem mit der Möglichkeit des Gasaustausches in Verbindung steht. Zum anderen gibt die Beschreibung an, daß die Kapillarwirkung in der Tintenbahn größer ist als in der das Tintenabsorbierungsmittel umgebenden Luftschicht. Bei derartigen Größenverhältnissen saugt, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, der Absorptionskörper die Tinte aus dem Luftraum bis zur Grenze seines Fassungsvermögens auf; zugleich werden damit die Mittel angegeben, mit denen freie, das Ziel der patentgemäßen Lehre gefährdende Tinte in dem umgebenden Luftraum vermieden wird.
Die Probleme, die entstehen, wenn Luftreste, die im Tintenabsorbierungsmittel vorhanden sind und durch unvollständige Füllung eingeschlossen wurden, sich aufgrund von Temperaturänderungen ausdehnen, schildert die Patentschrift bei Erläuterung der Figur 7 dahingehend, daß dann Tinte aus dem Luftloch austreten kann (deutsche Übersetzung S. 6 1. Abs.). Bei der im Patent beschriebenen Bauweise werden die mit Tinte imprägnierten Absorbierungsmittel von Rippen an den Innenseiten des Tintentanks gehalten. Die mit Tinte imprägnierten Elemente sind daher von einer Luftschicht umgeben, welche durch ein Luftloch mit der Umgebungsluft in Verbindung steht. Wenn sich hier nur Luft und keine freie Tinte befindet, wird, wie ohne weiteres einleuchtet, so ein Ausfließen von Tinte infolge von Temperaturschwankungen und Veränderungen des Atmosphärendrucks vermieden. Unten liegt das Absorptionsmittel auf der unteren Innenseite des Tanks auf; damit wird eine direkte Verbindung zwischen dem Tintenvorrat und der Abgabe mit einer durchgehenden und nicht zu unterbrechenden Tintenbahn geschaffen, mit deren Hilfe den den Druck be-
wirkenden Nadeln konstant Tinte zugeführt werden kann (deutsche Übersetzung S. 16 Z. 20 f.). Die Verringerung der Porengröße in Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung hat dabei zur Folge, daß die Kapillarwirkung und damit zugleich der auf die Flüssigkeit in dem Absorbierungsmittel ausgeübte Sog ansteigt mit der Folge, daß zum einen hier stets Flüssigkeit zur Verfügung steht und zum anderen eine zumindest nahezu vollständige Leerung des Tanks beim Gebrauch erreicht werden kann.
II. Der von der Klägerin gegen Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i.V. mit Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 56 EPÜ liegt vor. Es kann dahinstehen, ob ein Tintentank nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung neu ist, jedenfalls beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit; er ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
1. Als maßgeblicher Fachmann ist, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, ein Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluß und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Tintenpatronen für Nadeldrucker, Tintenstrahldrucker und ähnliche Geräte anzusehen. Der gerichtliche Sachverständige hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, daß auch hervorragende Techniker auf dem hier einschlägigen Fachgebiet tätig seien und mit der Entwicklung von Neuerungen befaßt seien. Er hat dies jedoch nicht als den durchschnittlichen Ausbildungsstand bezeichnet, sondern angegeben , daß dies auch vorkomme. Dies ändert nichts daran, daß durchschnittlich
solche Personen als maßgeblicher Fachmann anzusehen sind, die über eine höhere Qualifikation, nämlich einen Fachhochschulabschluß, verfügen.
2. Wie der gerichtliche Sachverständige weiter überzeugend ausgeführt hat, kommt das Schreibelement mit Piezoantrieb für Registrier- und Aufzeichnungsgeräte , das in der deutschen Offenlegungsschrift 32 007 074 beschrieben wird, dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung am nächsten.
Das Schreibelement besteht aus einem Gehäuseteil, das mit einer Kappe nach oben abgeschlossen ist. In dieser befindet sich eine Lufteintrittsöffnung. Am anderen Ende läuft das Gehäuse in eine Austrittsdüse aus. Im Gehäuse befindet sich ein geordnetes Bündel von Stäben oder Röhren, das ein Kapillarsystem bildet. Diese enden in Richtung zur Austrittsdüse an einer Drosselplatte. Innerhalb der Austrittsdüse befindet sich ein Piezoelement. Im Bereich vor der Austrittsdüse sind die Kapillaren des Kapillarsystems verengt, was z.B. durch einen Ring bewirkt wird.
Damit weist das Schreibelement der Entgegenhaltung alle Merkmale des Streitpatents auf, nämlich ein Gehäuse, eine Austrittsdüse, eine Lufteintrittsöffnung und ein Kapillarsystem mit in Richtung zum Tintenaustritt zunehmend sich verringernder Porenweite, die bei der Entgegenhaltung allerdings dadurch bewirkt wird, daß das Kapillarsystem durch einen Ring eingeschnürt ist. Nicht ausdrücklich erwähnt wird in der Entgegenhaltung ein Luft gefüllter Raum zwischen einer inneren Wandung und dem Kapillarsystem, der in durchgehend Luft gefüllter Verbindung zum Luftloch steht. Der gerichtliche Sachverständige hat jedoch überzeugend ausgeführt, daß es für den Fachmann eine Selbstver-
ständlichkeit ist, einen derartigen Raum vorzusehen. Hergeleitet hat der Sachverständige dies daraus, daß dem Fachmann die strömungstechnischen Bedingungen innerhalb des Tintentanks geläufig sind, wonach nach dem Befüllen des Tanks, das nach dem übereinstimmenden und einleuchtenden Vorbringen beider Parteien stets nach Fertigstellung des Tanks im übrigen, insbesondere dessen Verschließen, erfolgt, ein Luftspalt zwischen der Oberkante der Tintenbefüllung und der Innenfläche des Deckels verbleiben müsse. In seinem schriftlichen Gutachten ist der gerichtliche Sachverständige dabei allerdings von der Vorstellung ausgegangen, daß die entsprechenden Tintentanks für Druckeinrichtungen vor ihrer endgültigen Herstellung, insbesondere dem endgültigen Verschließen befüllt würden, und hat damit einen Sachverhalt zugrunde gelegt, dem beide Parteien widersprochen haben. Bei seiner Befragung im Termin hat er jedoch weiter bestätigt, daß die gleichen Überlegungen auch für einen Tank gelten, der nachträglich befüllt wird. Auch in diesem Fall hätte der Verzicht auf einen entsprechenden Luftraum oberhalb des Körpers, der die Tinte aufnehmen soll, ähnlich wie bei dem in seinem Gutachten geschilderten Fall technische Probleme beim Befüllen zur Folge, die der Fachmann kenne und denen er sich nicht aussetzen werde, zumal ihm mit dem Vorsehen eines Luftraums eine einfache Lösung zur Verfügung stehe. Zu besorgen seien ein Austritt der Tinte aus dem Luftloch beim Befüllen, ein Eintrocknen der Tinte in dem Luftloch, das dieses verschließen und damit ein Nachströmen von Luft bei der Entnahme von Tinte zur Vermeidung eines Unterdrucks im Tank verhindern könne, und ein Aufsaugen von Tinte infolge einer Kapillarwirkung des Luftlochs, das wiederum zum Austritt von Tinte in die Umgebung führen könne. Aus diesem Grunde werde er daher auch in diesem Fall ein Luftpolster vorsehen, um diese und weitere mögliche Probleme zu vermeiden. Außerdem mache eine Befüllung bis an die Unterkante der Lufteintrittsöffnung einen Tintentank temperaturempfind-
lich, weil mit Ausdehnungsunterschieden zwischen Tinte und Tintentank zu rechnen sei. Dies alles sei für den Fachmann selbstverständlich und gelte insbesondere auch für die Entgegenhaltung.
Der Sachverständige hat sich in seiner Einschätzung auch dadurch bestätigt gesehen, daß in Figur 1 der Entgegenhaltung ein deutlicher Abstand zwischen dem Kapillarsystem und der Kappe zu erkennen sei. Dies zeige sich ferner auch daran, daß in der Beschreibung der Entgegenhaltung der Hinweis enthalten sei, daß die einzelnen Kapillaren des Kapillarsystems für die Schreibflüssigkeit eine konstante Steighöhe ergäben, die größer sei als die maximale Füllhöhe (deutsche Übersetzung S. 6 1. Satz). Das aber bedeute, daß ein auf den Kopf gestelltes Schreibelement, wenn die Luftaustrittsöffnung nach unten weise, ebenfalls keine Tinte aus der Lufteintrittsöffnung treten lassen werde. Damit die Kapillarhöhe des Kapillarsystems aber bestimmend bleibe, dürfe das Kapillarsystem nicht die Kappe berühren, weil in dem Kontaktbereich der Verbund Kapillare, Kappe und Flüssigkeit eine eigene merkliche Kapillarhöhe entstehen ließe.
Der gerichtliche Sachverständige ist auf nachdrückliches Befragen dabei geblieben, daß der Fachmann diese Zusammenhänge nicht nur kennt, sondern es für ihn selbstverständlich ist, diese bei der Konstruktion eines Tintentanks in allen denkbaren Versionen zu beachten und das Füllvolumen eines Tintentanks in jedem Fall größer auszulegen, als dies dem Raumbedarf der größtmöglichen Füllmenge entspricht. Er hat es zugleich als für den Durchschnittsfachmann selbstverständlich bezeichnet, Größe und Aufnahmefähigkeit des Absorbierungsmittels so zu dimensionieren, daß die Tinte vollständig aufgenommen wird und keine freie Tinte verbleibt, die in dem Luftraum hin- und herschwappen
könnte. Aus diesem Grunde werde der Fachmann darauf verzichten, den Tank bis zur Grenze des Fassungsvermögens des Absorbierungsmittels zu befüllen, sondern aus den gleichen Gründen, die ihn zum Vorsehen des Luftraums veranlaßten , auch insoweit einen Sicherheitsabstand einhalten. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß diese eindeutige Aussage des gerichtlichen Sachverständigen von Fehlern oder Irrtümern beeinflußt sein könnte und hat sie deshalb seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Auf dieser Grundlage mag dahinstehen, ob durch die Entgegenhaltung der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents bereits vorweggenommen ist. Jedenfalls konnte der Fachmann ihn danach auffinden, ohne daß es erfinderischer Tätigkeit bedurft hätte.

a) Dabei spielt es keine Rolle, daß es sich bei dem Gegenstand der Entgegenhaltung um ein Schreibelement mit Piezoantrieb für Registrier- und Aufzeichnungsgeräte handelt. Wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage bestätigt hat, ist ein solches Gerät mit dem hier in Rede stehenden Drucker vergleichbar; der Fachmann bezieht es daher in den maßgeblichen Stand der Technik ein.

b) Ebenso ist es nach der überzeugenden Darlegung des Sachverständigen nicht entscheidend, daß die Entgegenhaltung in erster Linie ein aus Stäben oder Röhren gebildetes Kapillarsystem erwähnt. Die Beschreibung bezeichnet es ausdrücklich als auch im Rahmen der Erfindung liegend, anstelle des Ausführungsbeispiels, bei dem ein aus geordneten Bündeln bestehendes Kapillarsystem zum Einsatz komme, ein Kapillarsystem vorzusehen, das aus einem faserigen Material besteht, beispielsweise aus Glaswolle, wobei die Ver-
engung vor der Austrittsöffnung durch die konstruktive Gestaltung des Gehäuses bewirkt werde (deutsche Übersetzung S. 7 Z. 26 f.). Der gerichtliche Sachverständige hat dazu ausgeführt, zwar erkenne der Fachmann, daß ein Material wie Glaswolle weniger formstabil sei als das aus Röhren gebildete Kapillarsystem. Ihm sei aber aus der Entgegenhaltung bekannt, daß das Material nicht nur ein Schwingen freier Flüssigkeit im Gehäuse verhindern solle, sondern daß es auf eine gewisse Dichte zur Erzeugung der Kapillarwirkung ankomme. Da Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lediglich angibt, daß das Tintenabsorbierungsmittel Poren aufweist, die zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung verringert sind, folgt daraus nicht, wie dieser Effekt bewirkt werden soll. Ausgeschlossen ist insbesondere auch nicht, die gewünschte Wirkung durch Einzwängen des Tintenabsorbierungsmittels zu erzeugen.
Andere Beispiele, wie eine Erhöhung der Kapillarwirkung zu erzielen war, konnte der Fachmann aber der französischen Patentschrift 2 229 320 und der US-Patentschrift 3 491 685 entnehmen. Erstere beschreibt ein kontinuierlich arbeitendes Tintenwerk mit einem Behälter, der in zwei getrennte Zellen unterteilt ist, welche in unterschiedlicher Dichte mit einem porösen Material gefüllt sind. Zwischen den Zellen befindet sich eine für die Schreibflüssigkeit durchlässige Wandung. Die US-Patentschrift betrifft eine rotierbare Tintenspeicher- und Zumeßkartusche, die mit einem ersten Schaummaterial mit großen Poren, das einen Tintenspeicher bildet und mit einem zweiten Schaummaterial mit kleineren Poren, das in Berührung mit dem ersten Schaum angeordnet und einem Abschnitt des äußeren der Kartusche ausgesetzt ist, um Tinte bereitzustellen. Der Schaum dient dabei als Tintenspeicher, die Kartusche ist vollständig mit dem Schaummaterial ausgefüllt. Diese Entgegenhaltungen gaben dem Fach-
mann, ohne daß er dazu erfinderisch tätig werden mußte, Mittel an die Hand, bei dem eingesetzten Tintenabsorbierungsmittel durch eine Verringerung der Größe der Poren eine Erhöhung der Kapillarwirkung zu erreichen.
III.1. Beruht danach der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit, so gilt dies ebenso für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der mit dem Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung.
Diese unterscheidet sich von der erteilten Fassung zum einen dadurch, daß das Tintenabsorbierungsmittel als offenporig und formstabil bezeichnet wird, und zum anderen dadurch, daß zur Dimensionierung des Luftraums (50b) an Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung angefügt werden soll, daß die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer sein soll als in dem mindestens einen Raum (z.B. 50b) in dem Tintentank.
2. Diese zusätzlichen Angaben sind in der Ursprungsoffenbarung enthalten (S. 16, Z. 21,22).
3. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in dieser Fassung beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Angabe, daß das Absorbierungsmittel offenporig (zum Gegensatz zu geschlossenporig) sein soll, ist eine Selbstverständlichkeit, wenn dieses die Tintenflüssigkeit aufnehmen soll. Die Angabe, daß das Absorbierungsmittel formstabil sein soll, ergibt sich zwangsläufig , wenn das Absorbierungsmittel die Flüssigkeit vollständig aufnehmen und keine freie Flüssigkeit im Tank zulassen soll. Auch die Kapillarwirkung setzt jedenfalls eine hinreichende Formstabilität voraus. Die Angaben zur Dimensionie-
rung des Luftraums reichen für die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit nicht aus. Legt man zugrunde, daß es dem Fachmann darum ging, diesen Luftraum aus den oben genannten Gründen vorzusehen, so beruhte dies u.a. auf der ihm selbstverständlichen Erkenntnis, daß die Kapillaranziehung in der Tintenbahn größer sein mußte als in dem Luftraum, weil andernfalls die beabsichtigte Wirkung des Luftraums, einen Tintenaustritt aus dem Luftloch zu vermeiden, nicht zu erreichen war.
IV. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrages 2 übernimmt die Fassung des Hilfsantrages 1 und fügt hinzu, wie der mindestens eine Raum (50b) ausgestaltet sein soll, daß er nämlich an die innere Wandoberfläche eines Tankdeckels angrenzen soll, von der nur mindestens ein vorstehender Bereich das Tintenabsorbierungsmittel berühre, so daß der übrige Bereich der inneren Wandoberfläche von dem Tintenabsorbierungsmittel beabstandet sei und wobei die Tintenversorgungsöffnung im Boden des Tintenversorgungstanks angeordnet sei. Damit beschreibt der Patentanspruch 1 in dieser Fassung als Abstandshalter eine Rippe an der inneren Wandoberfläche. Auch dies ist zwar in den Ursprungsunterlagen, dort in Patentanspruch 2, enthalten , jedoch beruht diese Ausgestaltung nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Denn der Fachmann konnte, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, ohne weiteres als naheliegend erkennen, daß, um den Abstand zwischen dem Absorbierungsmittel und dem Tankdeckel zu wahren, der Einsatz eines Abstandshalters sinnvoll war. Diesen in Form einer Rippe zu gestalten, war eine von mehreren ohne weiteres in Betracht zu ziehenden konstruktiven Möglichkeiten.
V. Die Fassung des Patentanspruchs 1 im Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von den übrigen Fassungen dadurch, daß das Luftloch mit einer das Tintenabsorbierungsmittel umgebenden Luftschicht korrespondieren soll. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dies sei dadurch offenbart, daß in der Ursprungsanmeldung (S. 16, Z. 33 ff.) wie in der Beschreibung des Streitpatents (deutsche Übersetzung S. 16 Z. 19 f.) ausgeführt sei, die mit Tinte imprägnierten Elemente seien von einer Luftschicht umgeben, die durch ein Luftloch mit der Umgebungsluft in Verbindung stehe.
Allerdings steht diese Aussage in der Beschreibung des Streitpatents im Zusammenhang mit der Ausführungsform, bei der die mit Tinte imprägnierten Elemente von Rippen gehalten werden. Die Einfügung eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in dem Patentanspruch ist dann nicht zulässig, wenn es dort zwar erwähnt, in seiner Bedeutung für die im Anspruch umschriebene Erfindung jedoch nicht zu erkennen ist. Dienen dagegen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die für sich aber auch zusammen mit den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, dann hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Danach steht vorliegend der Einfügung dieses Merkmals nicht schon entgegen, daß es im Zusammenhang mit der Beschreibung einer Ausführungsform steht, bei der Rippen als Hilfsmittel eingesetzt werden, um zu erreichen, daß das Tintenabsorbierungsmittel von einer Luftschicht umgeben wird. Als zur Erfindung gehörend wird damit jedenfalls eine Ausführungsform bezeichnet, bei der das Tintenabsorbierungsmittel insgesamt von einer Luftschicht umgeben wird.

Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, daß Patentanspruch 1 des Streitpatents in dieser Fassung nicht von ihr angegriffen werde. In dieser Form hat Patentanspruch 1 des Streitpatents danach Bestand.
Die Formulierung des Hilfsantrags 3 enthält dabei einen offenbaren Schreibefehler, der auch in die verkündete Urteilsformel eingegangen ist. Richtig sind beide dahin zu lesen, daß das Tintenabsorbierungsmittel Poren aufweist , welche zunehmend in der Größe in einer Richtung auf die Tintenversorgungsöffnung zu verringert (nicht: verringern) sind.
VI. Mit Patentanspruch 1 in dieser Fassung bleiben die übrigen mittelbar und unmittelbar hierauf bezogenen Patentansprüche bestehen.
VII. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Beklagten insgesamt auferlegt worden, da die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung über ihre Berufung mit ihrem Hilfsantrag 3 das Streitpatent in der Fassung verteidigt hat, in der es Bestand hat. Die Klägerin hat den so gefaßten Patentanspruch 1 nicht angegriffen. Es entspricht daher der Billigkeit, der Beklagten die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Diese Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V. mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 162/00 Verkündet am:
25. November 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Diabehältnis
Der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht
Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln
, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen
trachtet. Ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem
festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist als Akt wertender Erkenntnis
nicht vom Sachverständigen zu beurteilen.
BGH, Urt. v. 25. November 2003 - X ZR 162/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 11. April 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 228 536 (Streitpatents). Das Streitpatent , das auf einer Anmeldung vom 5. November 1986 beruht, für die italienische Prioritäten vom 11. November 1985 in Anspruch genommen werden, betrifft ein Diabehältnis und umfaßt in der Fassung, die es im Einspruchsverfahren erhalten hat, fünf Verwendungsansprüche und sechs weitere Ansprüche, die sich mit Verfahren zum automatischen Verpacken von gerahmten Dias in dem Behältnis befassen.
Patentanspruch 1 hat (ohne Bezugszeichen) folgenden Wortlaut:
"Use of a container consisting of a continuous strip of transparent material folded longitudinally and welded together along transverse lines to define a plurality of transverse pockets closed at one end and open at the other end, said strip bearing a plurality of reference marks separated by a distance equal to the distance between the axes of adjacent transverse pockets, as container housing mounted slides, wherein each pocket is adapted to contain a predetermined plural number of mounted slides and is constructed such that the slides are inserted into the pocket through its open end and the insertion of a slide moves a previously inserted slide forward into the pocket."
Seine deutsche Fassung lautet:
"Verwendung eines Behälters, bestehend aus einem kontinuierlichen Streifen aus transparentem Material, welcher längs gefaltet und entlang Querlinien verschweißt ist, um eine Vielzahl von Quertaschen zu bilden, die an einem Ende geschlossen und am anderen Ende offen sind, wobei der Streifen eine Vielzahl von Referenzmarken aufweist, die durch einen Abstand gleich dem Abstand zwischen den Achsen benachbarter Quertaschen voneinander getrennt sind, als Behälter zur Aufnahme montierter Dias, wobei jede Tasche angepaßt ist, um eine vorbestimmte Vielzahl montierter Dias zu enthalten, und so ausgebildet ist, daß die Dias in die Tasche durch deren offenes Ende eingeführt werden
und das Einführen eines Dias das vorher eingeführte Dia in der Tasche vorwärts bewegt."
Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die neue europäische Patentschrift (B2-Schrift) verwiesen.
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin die Patentansprüche 1 bis 5 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei insoweit nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Nichtigkeitsklage erstrebt und hilfsweise das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. habil. H. G., Geschäftsführender Direktor des Instituts für Verarbeitungsmaschinen, Landmaschinen und Verarbeitungstechnik der ... Universität ..., ein schriftliches Gutachten erstattet. Der Senat hat ferner Zeugenbeweis erhoben.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zurecht im Umfang des Klageangriffs für nichtig erklärt, da sein Gegenstand insoweit dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 52 Abs. 1, 56, 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
I. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Streifens aus transparentem Material als Diabehältnis.
Die Streitpatentschrift schildert es einleitend als bekannt, in Photolabors gerahmte Dias zum Versand entweder in einer steifen Schachtel oder in einer faltbaren, mit Taschen versehenen Sichthülle zu verpacken. Die Verwendung einer Schachtel als Diabehältnis sieht die Streitpatentschrift u.a. wegen deren Größe und Gewicht sowie wegen des notwendigen Arbeitsaufwands als nachteilig an. An der Verwendung von Sichthüllen beanstandet sie die Notwendigkeit , jedes Dia einzeln von Hand in eine Tasche der Hülle einzusetzen.
Durch das Streitpatent soll ein leichtes, kleinvolumiges und kostengünstiges Diabehältnis bereitgestellt werden, das einfach und schnell und gegebenenfalls auch automatisch zu befüllen ist.
Patentanspruch 1 lehrt hierzu die Verwendung eines Behältnisses zur Aufnahme gerahmter Dias, das durch folgende Merkmale umschrieben ist:
1. Das Behältnis besteht aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der
1.1 längsgefaltet und 1.2 entlang Querlinien geschweißt ist und 1.3 eine Mehrzahl von querverlaufenden Taschen bildet.
2. Die Taschen sind an einem Ende verschlossen und am anderen Ende offen.
3. Jede Tasche ist so ausgebildet, daß 3.1 sie eine vorbestimmte Mehrzahl ("plural number") gerahmter Dias aufnehmen kann, 3.2 die Dias durch ihr offenes Ende eingeführt werden und 3.3 das Einführen eines Dias ein zuvor eingeführtes in die Tasche hineinschiebt.
4. Der transparente Streifen trägt eine Mehrzahl von Referenzmarken , deren Abstand voneinander dem Achsabstand benachbarter Taschen entspricht.
Zur Aufnahme gerahmter Dias wird damit erfindungsgemäß ein einfaches und leichtes Behältnis verwendet, das durch das Einschieben einer vorbestimmten Anzahl von Dias in eine Tasche unschwer zu befüllen ist, wobei die Referenzmarken die exakte Positionierung eines Automaten zur Einführung der Dias erleichtern.
II. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die erfindungsgemäße Verwendung eines Behältnisses
mit den Merkmalen 1 bis 4 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
1. Der hier angesprochene Fachmann ist, wie auch die Parteien an- nehmen, ein erfahrener Meister oder Techniker, der aufgrund mehrjähriger Praxis mit den Problemen der Verpackung und Versendung in einem Photolabor erzeugter oder bearbeiteter Produkte vertraut ist.
2. Dieser Fachmann kannte bereits Hüllen aus transparentem Material , bei denen durch Längsfalten und Querschweißen eines fortlaufenden Materialstreifens eine Mehrzahl querverlaufender, einseitig offener Taschen gebildet wird (Merkmale 1 und 2), die jeweils zur Aufnahme von zwei durch das offene Ende eingeführten gerahmten Dias bestimmt und entsprechend dimensioniert sind (Merkmale 3.1 und 3.2).

a) Solche Diadoppeltaschenhüllen wurden, wie die Vernehmung der Zeugen U. und R. zur Überzeugung des Senats ergeben hat, vor dem Prioritätstag von der G. mbH in S. (im folgenden: G.) an Photolabors vertrieben und damit offenkundig vorbenutzt.
Als Doppeltaschen ausgebildete Dia-Taschen werden in der Preisliste "Verbrauchsmaterialien für Fotofinishing" der G. vom 4. Oktober 1982 aufgeführt. Der Geschäftsführer der G., der Zeuge U., hat geschildert, daß entsprechend den Merkmalen 1 bis 3.2 ausgebildete und als Rollenware gelieferte Taschen auf Kundenwunsch in das Vertriebsprogramm der G. aufgenommen wurden, um Photolaboren insbesondere für die Rücksendung einer kleineren Anzahl gerahmter Dias nach der Ausführung von Nachbestellungen ein geeig-
netes und kostengünstiges Transportmedium zur Verfügung stellen zu können. Der Zeuge hat hierzu ein an G. gerichtetes Angebot des Herstellers L. & Co. vom 23. September 1981 vorgelegt und erläutert, daß das Produkt tatsächlich durch den Zeugen R. hergestellt worden sei. Der Zeuge R. hat dies bestätigt und geschildert, daß er zunächst als Betriebsleiter des Herstellers H. und sodann, nachdem er sich zum 30. Juni 1984 selbständig gemacht hatte, in seinem eigenen Betrieb Dia-Doppeltaschen hergestellt hat. Die Taschen sind hinsichtlich ihrer technischen Beschaffenheit von den Zeugen sachlich übereinstimmend geschildert worden. Ihre Aussagen sind glaubhaft und Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der eingehend befragten Zeugen nicht hervorgetreten; insbesondere hat der Zeuge R. seine Tätigkeit in den Jahren vor und nach seinem Wechsel in die Selbständigkeit auch außerhalb des eigentlichen Beweisthemas so anschaulich und plausibel geschildert, daß trotz des erheblichen seither verstrichenen Zeitraums seine Aussagen zu den für G. produzierten Diataschen einleuchtend und nachvollziehbar sind.

b) Daß bei der bestimmungsgemäßen Benutzung der vorbenutzten Diataschen das zweite Dia das zunächst eingeführte (weiter) in die Tasche hineinschiebt (Merkmal 3.3), ergibt sich bei unter Berücksichtigung des benötigten Spiels (annähernd) der Größe gerahmter Dias angepaßter Taschen zwangsläufig und wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt , daß es, wie der Zeuge U. bekundet hat, zu einem Übereinanderschieben von Dias kommen konnte. Es mag auch sein, daß die Nutzer der Diataschen , die nach der Aussage des Zeugen U. nicht maschinell, sondern von Hand befüllt wurden, häufig das erste Dia mit dem Finger bis zum anderen Ende in die Tasche hineingeschoben haben, so daß es eines Einsatzes des zweiten Dias als Werkzeug zum Transport des ersten nicht bedurfte. Nach der Lebenserfahrung kann jedoch ausgeschlossen werden, daß das erste Dia stets
bis zum Anschlag in die Tasche hineingeschoben worden ist. Das Hineinschie- ben wird vielfach mehr oder weniger unvollständig erfolgt sein, und in diesem Fall dient das zweite Dia zwangsläufig als Werkzeug zur weiteren Einführung des ersten in die Tasche.
3. Um zu der erfindungsgemäßen Verwendung zu gelangen, mußte der Fachmann daher den transparenten Streifen nur noch entsprechend Merkmal 4 mit einer Mehrzahl von Referenzmarken versehen. Das lag jedoch ohne weiteres nahe.

a) Denn dem Fachmann war nicht nur bekannt, solche transparenten Streifen zu den vorbenutzten Diadoppeltaschen zu formen. Er kannte vielmehr auch ein Behältnis (eine Hülle) zur Aufnahme entwickelter Filmabschnitte mit mehreren Einzelbildern, wie es in dem als Anlage K 6 (= E 9) zu den Akten gereichten Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt ist.
Dieses Behältnis besteht, wie der Abbildung auf der Vorderseite der Anlage K 6 zu entnehmen ist, aus einem fortlaufenden Streifen aus transparentem Material, der längs gefaltet und entlang von Querlinien verschweißt ist, so daß sich quer über den Streifen verlaufende, auf einer Seite offene Taschen ergeben , in die die Filmabschnitte eingeschoben werden. Jeweils zwischen zwei benachbarten Schweißlinien ist am geschlossenen Ende der Taschen eine als Referenz dienende Markierung angebracht.
Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, daß derartige Filmhüllen vor dem Prioritätstag der Streitpatents in den Verkehr gebracht worden sind. Die Vorbekanntheit derartiger Behältnisse ist bereits im Einspruchsverfahren von der Technischen Beschwerdekammer (Beschl. v.
21. September 1995 - T 32/93, S. 6) als unbestritten behandelt worden. Für sie sprechen nicht nur die im Einspruchsverfahren zu den Akten des Europäischen Patentamts gereichten Unterlagen (= Anlagen E 2 bis 10), die nach den dort verwendeten Produktkennungen deutliche Indizien dafür liefern, daß das japanische Unternehmen D. International Co. Ltd. 1983 Eintaschmaterial für Filme, wie es in der Anlage K 6 dargestellt ist, u.a. in den "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 beworben und in den Jahren 1982 und 1983 beispielsweise in die Schweiz geliefert hat. Vielmehr hat auch der Zeuge R. - ohne daß für ihn die Erheblichkeit dieser Umstände erkennbar war und daher glaubhaft - geschildert , daß er zu Beginn seiner Selbständigkeit mit einer Ende 1984 erworbenen und von ihm wieder instandgesetzten "Schrottmaschine" entsprechende Filmabschnitthüllen mit Ansteuerungsmarken für eine automatische Bestückung als Rollenware hergestellt und vertrieben hat.

b) In Kenntnis der vorbenutzten Diadoppeltaschenhüllen lag es für den Fachmann ebenso auf der Hand, daß er entsprechend aufgebaute Filmhüllen , wie sie etwa in dem Informationsblatt "Film Sleeves" dargestellt sind, bei geeigneter Dimensionierung auch für gerahmte Dias verwenden konnte, wie er umgekehrt ohne weiteres die vorbekannten Diadoppeltaschenhüllen, wenn er deren automatische Befüllung in Erwägung zog, mit Referenzmarken gemäß Merkmal 4 versehen konnte, wie sie ihm von den Filmhüllen bekannt waren.
Für diese Schlußfolgerung bedarf der Senat keiner sachverständigen Beratung , die wegen der Erkrankung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Verfügung gestanden hat. Denn aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehen die Kenntnisse fest, die dem Fachmann am Prioritätstag zur Verfügung standen. Weiterer Überlegungen, für die geklärt werden müßte, ob sie vom Durchschnittsfachmann nach seiner Aus-
bildung, seiner praktischen Erfahrung und seiner hierdurch bestimmten Metho- dik der Lösung technischer Probleme seines Fachgebiets erwartet werden konnten, bedurfte es nicht. Der gerichtliche Sachverständige hat indes in diesem Zusammenhang die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen trachtet. Die Beurteilung, ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist nicht Aufgabe des Sachverständigen. Sie ist ein Akt wertender Erkenntnis (Senat, BGHZ 128, 270, 275 - elektrische Steckverbindung), der dem Gericht obliegt.
III. Hilfsweise verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 in einer Fassung , bei der die Worte "as container housing mounted slides" durch die Wendung ersetzt sind "as container for automatic packaging of mounted slides". Auch in dieser - in zulässiger Weise beschränkten Fassung - kann Patentanspruch 1 jedoch keinen Bestand haben. Die Verwendung des Behältnisses zur automatischen Verpackung gerahmter Dias lag für den Fachmann gleichfalls nahe, wenn er die vorbekannten Filmhüllen, die nach der Aussage des Zeugen R. und ausweislich der Werbung in "Japan Camera Trade News" von Mai 1983 (Anl. E 10) bereits automatisch befüllt wurden ("film advance and sleeve feeding are automatically controlled by motor") und hierzu mit den Referenzmarken versehen waren, für Dias verwendete.
Es mag zwar zutreffen, daß die erfindungsgemäße Verwendung, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, gegenüber einer Einführung jedes Dias in eine Einzeltasche eine erhebliche Steigerung der Bestückungsgeschwindigkeit erlaubt. Ob vom Durchschnittsfachmann auch diese Erkenntnis erwartet werden konnte, ist jedoch unerheblich. Es genügt, daß es
für ihn überhaupt nahelag, die vorbekannten Behältnisse maschinell zu bestükken.
Nach Hilfsantrag II soll Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags der dem erteilten Patentanspruch 5 entsprechende Halbsatz angefügt werden "wherein each weld has a length less than the width of the folded strip and stops before the free edge of its two side portions". Hierfür gilt nichts anderes als für den ersten Hilfsantrag, denn die Filmhüllen, deren Verwendung für den erfindungsgemäßen Zweck für den Fachmann nahelag, weisen bereits Schweißnähte auf, die kürzer sind als die Breite des gefalteten transparenten Streifens und vor dessen freien Enden enden.
IV. Zu den Gegenständen der Unteransprüche 2 bis 4 konnte der Fachmann gleichfalls ohne erfinderische Tätigkeit finden. Sie entsprechen hinsichtlich der Ausgestaltung der Behältnisse ebenfalls dem Stand der Technik nach dem Informationsblatt "Film Sleeves". Auch die Beklagte macht insoweit für eine erfinderische Tätigkeit nichts geltend.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf