Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2002 - X ZR 176/01

published on 12/11/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Nov. 2002 - X ZR 176/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 176/01
vom
12. November 2002
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja

a) Der Ausschlußgrund des § 86 Abs. 2 Nr. 2 PatG kann nicht auf die Beteiligung
eines Richters in einem Patentverletzungsverfahren ausgedehnt
werden.

b) Bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents mit Rücksicht auf
den zur Zeit seiner Anmeldung bestehenden Stand der Technik handelt es
sich um eine im Rahmen des Verletzungsverfahrens typisch auftretende Art
der Vorbefassung mit Rechtsfragen, die für sich eine Ablehnung wegen Besorgnis
der Befangenheit grundsätzlich nicht rechtfertigt.
BGH, Beschl. v. 12. November 2002 - X ZR 176/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

beschlossen:
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 24. Mai 2002 gegen den Richter am Bundesgerichtshof M. wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt mit der Berufung die Nichtigerklärung des Streitpatents. Sie hat die vorliegende und vom Bundespatentgericht zurückgewiesene Nichtigkeitsklage erhoben, nachdem sie vor dem Landgericht D. wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen und verurteilt worden ist. An der Entscheidung hat der abgelehnte Richter mitgewirkt, der zum Zeitpunkt der Entscheidung im Verletzungsprozeß Vorsitzender Richter der für den Verletzungsstreit zuständigen Patentstreitkammer war.
II. Der abgelehnte Richter ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht bereits kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts im vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahren ausgeschlossen.
1. Es kann offenbleiben, ob für die Ausschließung von Richtern von der Ausübung des Richteramts im Nichtigkeitsberufungsverfahren unmittelbar oder über § 86 PatG in entsprechender Anwendung auf die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 ZPO zurückzugreifen ist. Auch dann scheidet eine Ausschließung des abgelehnten Richters aus; andere Rechtsgrundlagen für eine Ausschließung sind nicht ersichtlich. Nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Regelung in § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen , wenn er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die Entscheidung im Verletzungsprozeß, sondern die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Patentnichtigkeitsverfahren. Da der abgelehnte Richter an der Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren nicht mitgewirkt hat, ist er nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramts im vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahren ausgeschlossen.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Ausschlußgrund des § 86 Abs. 2 Nr. 2 PatG nicht auf die Beteiligung eines Richters in einem Patentverletzungsverfahren ausgedehnt werden. Das Patentverletzungsverfahren ist durch die Bindung des Richters an das erteilte Patent gekennzeichnet. Es ist daher kein Verfahren, in dem der Richter wie im Erteilungs- oder Einspruchsverfahren mit der Frage des Bestands des Patents befaßt wird. Daß im Verletzungsverfahren gegebenenfalls im Rahmen einer Prognose über die Aussichten des Nichtigkeitsverfahrens zu entscheiden sein kann, wenn es - wie hier - um eine Aussetzung des Verfahrens geht, führt zu keiner anderen Beurteilung.
III. Das Ablehnungsgesuch ist auch unbegründet, soweit die Klägerin den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Die Klägerin legt keinen Grund dar, der Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters rechtfertigen könnte (§ 42 ZPO, § 86 PatG).
Allein aus dem Umstand, daß die Klägerin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters im erstinstanzlichen Verletzungsprozeß mit ihrem Vorbringen zum Stand der Technik und daraus resultierend mit ihrem Vorbringen zum Schutzbereich des Streitpatents nicht durchgedrungen ist, läßt sich ein Ablehnungsgrund nicht herleiten. Die prozeßrechtlich typische Mitwirkung des Richters an einem früheren Verfahren, das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, rechtfertigt für sich die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 42 Rdn. 15). Bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents mit Rücksicht auf den zur Zeit seiner Anmeldung bestehenden Stand der Technik handelt es sich um eine im Rahmen des Verletzungsverfahrens typisch auftretende Art der Vorbefassung mit Rechtsfragen, die nicht nur Gegenstand des Verletzungsverfahrens , sondern auch Gegenstand eines Nichtigkeitsverfahrens sind oder werden können (vgl. Sen.Beschl. v. 30.1.1986 - X ZR 70/84, GRUR 1986, 731 - Mauerkasten I). Ein Fall prozeßrechtlich atypischer Vorbefassung (dazu Zöller /Vollkommer, aaO, § 42 ZPO Rdn. 17), wie er im Bereich des Verfahrens vor dem Patentgericht durch § 86 Abs. 2 PatG geregelt wird, liegt - wie bereits ausgeführt - nicht vor.
Anhaltspunkte, die aus dem persönlichen Verhalten des Richters im Verletzungsverfahren aus der Sicht einer vernünftigen Prozeßpartei einen Grund zur Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, legt die Klägerin nicht dar.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Asendorf
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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

Annotations

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen

1.
im Beschwerdeverfahren, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgewirkt hat;
2.
im Verfahren über die Erklärung der Nichtigkeit des Patents, wer bei dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat.

(3) Über die Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört. Wird der Senat durch das Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern.

(4) Über die Ablehnung eines Urkundsbeamten entscheidet der Senat, in dessen Geschäftsbereich die Sache fällt.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen

1.
im Beschwerdeverfahren, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgewirkt hat;
2.
im Verfahren über die Erklärung der Nichtigkeit des Patents, wer bei dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat.

(3) Über die Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört. Wird der Senat durch das Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern.

(4) Über die Ablehnung eines Urkundsbeamten entscheidet der Senat, in dessen Geschäftsbereich die Sache fällt.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen

1.
im Beschwerdeverfahren, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgewirkt hat;
2.
im Verfahren über die Erklärung der Nichtigkeit des Patents, wer bei dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat.

(3) Über die Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört. Wird der Senat durch das Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern.

(4) Über die Ablehnung eines Urkundsbeamten entscheidet der Senat, in dessen Geschäftsbereich die Sache fällt.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen

1.
im Beschwerdeverfahren, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgewirkt hat;
2.
im Verfahren über die Erklärung der Nichtigkeit des Patents, wer bei dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat.

(3) Über die Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört. Wird der Senat durch das Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern.

(4) Über die Ablehnung eines Urkundsbeamten entscheidet der Senat, in dessen Geschäftsbereich die Sache fällt.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen

1.
im Beschwerdeverfahren, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mitgewirkt hat;
2.
im Verfahren über die Erklärung der Nichtigkeit des Patents, wer bei dem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht über die Erteilung des Patents oder den Einspruch mitgewirkt hat.

(3) Über die Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat, dem der Abgelehnte angehört. Wird der Senat durch das Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern.

(4) Über die Ablehnung eines Urkundsbeamten entscheidet der Senat, in dessen Geschäftsbereich die Sache fällt.