Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2000 - X ZR 113/99

bei uns veröffentlicht am20.06.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 113/99
vom
20. Juni 2000
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Rogge, die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und die Richterin
Mühlens
am 20. Juni 2000

beschlossen:
Die Erinnerung der Beklagten zu 1 gegen die Kostenrechnung des Bundesgerichtshofes vom 7. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Beklagte zu 1 als Unternehmen und der in Großbritannien wohnhafte Beklagte zu 2 als deren zeitweiser Geschäftsführer sind von der Klägerin wegen Patentverletzung klageweise in Anspruch genommen und von Landgericht und Oberlandesgericht verurteilt worden. Auf die Revision beider Beklagten hat der Kostenbeamte des Bundesgerichtshofes durch Kostenrechnung vom 7. Dezember 1999 die vorzuschießende Gebühr von 7.090,-- DM in vollem Umfange bei der Beklagten zu 1 angefordert. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1 mit ihrer Erinnerung. Sie meint, die angeforderten Gerichtskosten müßten zwischen beiden Revisionsklägern aufgeteilt werden.

II. Die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 7. Dezember 1999 hat in der Sache keinen Erfolg.
Da die Kosten des Revisionsverfahrens bislang nicht durch gerichtliche Entscheidung verteilt sind, haften die Beklagten gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Satz 1 GKG für den in Ansatz gebrachten Vorschuß als Gesamtschuldner. Denn sie sind gemäß § 60 ZPO Streitgenossen. Gesamtschuldnerschaft bedeutet, daß der Gläubiger, hier also die Staatskasse, nach Belieben von jedem Schuldner die ganze Leistung verlangen kann (§ 421 BGB).
Der Sache nach greift die Beklagte zu 1 mit ihrer Erinnerung § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 der aufgrund des Beschlusses des Bundesministers der Justiz und der Landesjustizverwaltungen als Verwaltungsvorschrift in Kraft gesetzten Kostenverfügung auf, wonach die Staatskasse gehalten sein kann, die angesetzten Kosten zunächst von sämtlichen Kostenschuldnern nach Kopfteilen anzufordern. Auch diese Regelung verhilft der Erinnerung jedoch nicht zum Erfolg. Dabei kann unentschieden bleiben, ob mit der Erinnerung nach § 5 GKG auch die ermessensfehlerhafte Anwendung einer Verwaltungsvorschrift (so BFH, Beschl. v. 12.12.1996 - VII E 8/96) oder nur die Verletzung eines Kostengesetzes (so Oestrich/Winter/Hellstab, Komm. z. Gerichtskostengesetz, § 58 Rdn. 4 m.w.N.) gerügt werden kann. Denn nach § 8 Abs. 3 Kostenverfügung soll im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Anforderung nach Kopfteilen nur gewählt werden, soweit die Sicherheit der Staatskasse keine andere Art der Inanspruchnahme geboten erscheinen läßt. Angesichts des Wohnsitzes des Beklagten zu 2 in Großbritannien wäre diese Sicherheit jedoch im Falle einer Ko-
stenanforderung bei dem Beklagten zu 2 betroffen. Es ist damit zu rechnen, daß eine Kostenanforderung beim Beklagten zu 2 nicht nach der Justizbeitreibungsordnung im Inland vollstreckt werden kann. Auch eine Vollstreckung im Wohnsitzland des Beklagten zu 2 kommt nicht in Betracht. Die Kostenrechnung betrifft eine öffentlich-rechtliche Forderung, die weder durch eine gerichtliche Entscheidung eines Zivilgerichts noch einen förmlichen Kostenfestsetzungsbeschluß tituliert ist. Sie ist daher keine Entscheidung im Sinne des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art. 25 EuGVÜ); weil sie in der bloßen Aufstellung der Kostenrechnung und der Feststellung der Kostenschuldner besteht (§ 4 Abs. 1 Kostenverfügung), handelt es sich bei dem Kostenansatz vom 7. Dezember 1999 auch nicht um eine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 50 EuGVÜ; sie wird deshalb in Großbritannien nicht anerkannt (Art. 26, 31 EuGVÜ; vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., Anh. I, Art. 25 GVÜ Rdn. 10 m.w.N.). Dies verbietet es, die alleinige Inanspruchnahme der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Beklagten zu 1 als ermessensfehlerhaft zu bezeichnen.
Gemäß § 5 Abs. 6 GKG ist das Verfahren über die Erinnerung gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Rogge Jestaedt Melullis Scharen Mühlens

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Referenzen - Gesetze

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 421 Gesamtschuldner


Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von j

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 5 Verjährung, Verzinsung


(1) Ansprüche auf Zahlung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Für die Ansprüche auf Zahlung vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 60 Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche


Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegensta

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 58 Insolvenzverfahren


(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedi

Referenzen

(1) Ansprüche auf Zahlung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Für die Ansprüche auf Zahlung von Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beginnt die Frist frühestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens.

(2) Ansprüche auf Rückerstattung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlung erfolgt ist. Die Verjährung beginnt jedoch nicht vor dem in Absatz 1 bezeichneten Zeitpunkt. Durch Einlegung eines Rechtsbehelfs mit dem Ziel der Rückerstattung wird die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt.

(3) Auf die Verjährung sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden; die Verjährung wird nicht von Amts wegen berücksichtigt. Die Verjährung der Ansprüche auf Zahlung von Kosten beginnt auch durch die Aufforderung zur Zahlung oder durch eine dem Schuldner mitgeteilte Stundung erneut. Ist der Aufenthalt des Kostenschuldners unbekannt, genügt die Zustellung durch Aufgabe zur Post unter seiner letzten bekannten Anschrift. Bei Kostenbeträgen unter 25 Euro beginnt die Verjährung weder erneut noch wird sie gehemmt.

(4) Ansprüche auf Zahlung und Rückerstattung von Kosten werden vorbehaltlich der nach Nummer 9018 des Kostenverzeichnisses für das erstinstanzliche Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geltenden Regelung nicht verzinst.

(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt. Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist von den bei der Fortführung erzielten Einnahmen nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben ergibt. Dies gilt auch, wenn nur Teile des Unternehmens fortgeführt werden.

(2) Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag nach dem Betrag seiner Forderung, wenn jedoch der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, nach diesem Wert erhoben.

(3) Bei der Beschwerde des Schuldners oder des ausländischen Insolvenzverwalters gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gilt Absatz 1. Bei der Beschwerde eines Gläubigers gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags gilt Absatz 2.

(4) Im Verfahren über einen Antrag nach Artikel 36 Absatz 7 Satz 2 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Mehrbetrag, den der Gläubiger bei der Verteilung anstrebt.

(5) Im Verfahren über Anträge nach Artikel 36 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers.

(6) Im Verfahren über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102c § 26 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gegen die Entscheidung über die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens bestimmt sich der Wert nach der Höhe der Kosten.

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

(1) Ansprüche auf Zahlung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Für die Ansprüche auf Zahlung von Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beginnt die Frist frühestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens.

(2) Ansprüche auf Rückerstattung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlung erfolgt ist. Die Verjährung beginnt jedoch nicht vor dem in Absatz 1 bezeichneten Zeitpunkt. Durch Einlegung eines Rechtsbehelfs mit dem Ziel der Rückerstattung wird die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt.

(3) Auf die Verjährung sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden; die Verjährung wird nicht von Amts wegen berücksichtigt. Die Verjährung der Ansprüche auf Zahlung von Kosten beginnt auch durch die Aufforderung zur Zahlung oder durch eine dem Schuldner mitgeteilte Stundung erneut. Ist der Aufenthalt des Kostenschuldners unbekannt, genügt die Zustellung durch Aufgabe zur Post unter seiner letzten bekannten Anschrift. Bei Kostenbeträgen unter 25 Euro beginnt die Verjährung weder erneut noch wird sie gehemmt.

(4) Ansprüche auf Zahlung und Rückerstattung von Kosten werden vorbehaltlich der nach Nummer 9018 des Kostenverzeichnisses für das erstinstanzliche Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geltenden Regelung nicht verzinst.