Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2007 - X ZB 3/06

bei uns veröffentlicht am23.01.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 3/06
vom
23. Januar 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 101 13 038
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning
am 23. Januar 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 8. Februar 2006 verkündeten Beschluss des 9. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Patentinhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Dem Rechtsbeschwerdeführer ist das deutsche Patent 101 13 038 erteilt worden. Hiergegen hat die Verfahrensbeteiligte Einspruch eingelegt. Der Patentinhaber hat mit einem Hauptantrag und vier Hilfsanträgen gebeten, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten. Nach dem Hauptantrag sollen die Patentansprüche 1 und 11 wie folgt lauten: 1. Verfahren zur Steuerung und Betrieb einer Windenergieanlage in einem Betriebsbereich, in welchem die Erregerfrequenz des Rotors der Windenergieanlage in einer Bandbreite der Eigenfrequenz des Turmes +/- 5 % liegt, mit einem Turm, einer Steuereinrichtung zur Betriebsführung der Windenergieanlage oder Teile hiervon, wobei Mittel vorgesehen sind, mit denen eine Schwingung des Turms der Windenergieanlage erfasst wird, wobei die Mittel zur Erfassung der Turmschwingung den Schwingweg und/oder die absolute Auslenkung des Turms im oberen Teil des Turms aus seiner Ruhelage erfassen und die von dem Mittel zur Erfassung der Turmschwingung ermittelten Werte in der Steuerungseinrichtung verarbeitet werden und zwar derart, dass die Betriebsführung der Windenergieanlage oder Teile hiervon verändert wird, wenn der Schwingweg und/ oder die absolute Auslenkung des Turms einen vorgebbaren ersten Grenzwert überschreitet.
11. Windenergieanlage mit einem Turm und einer Steuerungseinrichtung zur Betriebsführung der Windenergieanlage sowie einer Einrichtung zur Erfassung des Schwingweges des Turms, wobei die Windenergieanlage für einen Betrieb, in welchem die Erregerfrequenz des Rotors der Windenergieanlage in einer Bandbreite der Eigenfrequenz des Turms +/- 5 % liegt, vorgesehen ist, und wobei Mittel vorgesehen sind, mit denen eine Schwingung des Turms der Windenergieanlage erfasst wird, wobei die Mittel zur Erfassung der Turmschwingung den Schwingweg und/oder die absolute Auslenkung des Turms im oberen Teil des Turms aus seiner Ruhelage erfassen und die von dem Mittel zur Erfassung der Turmschwingung ermittelten
Werte in der Steuerungseinrichtung verarbeitet werden und zwar derart, dass die Betriebsführung der Windenergieanlage oder Teile hiervon verändert wird, wenn der Schwingweg und/ oder die absolute Auslenkung des Turms einen vorgebbaren ersten Grenzwert überschreitet.
2
Wegen des Wortlauts der mit den Hilfsanträgen 1 bis 4 verteidigten jeweiligen Hauptansprüche wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
3
Das Bundespatentgericht hat das Patent widerrufen. Dabei hat es näher ausgeführt, die Schritte der Verfahren, die nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen mit dem jeweiligen Verfahrensanspruch 1 beansprucht seien, seien dem zuständigen Fachmann durch den Stand der Technik auf Grund seines Fachwissens nahe gelegt gewesen. Die jeweils nebengeordneten, auf eine Windenergieanlage bezogenen Vorrichtungsansprüche teilten das Schicksal der Verfahrensansprüche.
4
Hiergegen richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Patentinhabers.
5
Die Einsprechende tritt diesem Rechtsmittel entgegen.
6
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 100 Abs. 3 PatG ohne Zulassung statthaft, weil der Patentinhaber rügt, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) und der angefochtene Beschluss sei nicht mit Gründen versehen (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG).
7
Beide Rügen sind jedoch nicht berechtigt, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.

8
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur, m.w.N.) ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat oder wenn es Erkenntnisse verwertet hat, zu denen die Verfahrensbeteiligten nicht Stellung nehmen konnten.
9
Letzteres macht der Patentinhaber geltend, soweit er beanstandet, die vom Bundespatentgericht zur Rechtfertigung seiner Entscheidung herangezogene Richtlinie für Windkraftanlagen des Deutschen Instituts für Bautechnik sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen und das Bundespatentgericht habe einen Hinweis unterlassen, dass es - wie Seite 16 des angefochtenen Beschlusses geschehen - bei seiner Entscheidung dieser Richtlinie Bedeutung zumessen werde. Eine Gehörsverletzung ergibt sich daraus jedoch nicht.
10
Denn die Richtlinie war in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen und in der Beschreibung des Patents als ein für Windkraftanlagen maßgebliches Regelwerk benannt, und zwar unter ausdrücklicher Wiedergabe der Angabe, die das Bundespatentgericht bei seiner Prüfung der Patentfähigkeit des Patents in der verteidigten Fassung verwertet hat. Damit gehörte dieser Inhalt der Richtlinie zum Prozessstoff und der Patentinhaber konnte damit rechnen, dass es für die vom Bundespatentgericht vorzunehmende Bewertung des Patents in der verteidigten Fassung auch auf diese Schrift und insoweit darauf werde ankommen können, dass dort bereits auf die Notwendigkeit einer Schwingungsüberwachung bei Windenergieanlagen abgestellt war, die - wie es in den verteidigten Patentansprüchen 1 heißt - in einem Bereich betrieben werden, in welchem die Erregerfrequenz des Rotors der Windenergieanlage in einer Bandbreite der Eigenfrequenz des Turms +/- 5 % liegt.
11
Der Patentinhaber war dadurch in die Lage versetzt, seine Sicht von der Bedeutung dieser Notwendigkeit für die Frage des Naheliegens des Gegenstands des mit geänderter Fassung verteidigten Patents zu Gehör zu bringen. Zu weitergehenden Hinweisen bestand kein Anlass (vgl. Senat, Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792, 793 - Spiralbohrer).
12
Soweit die Rechtsbeschwerde noch meint, der Richtlinie für Windkraftanlagen des Deutschen Instituts für Bautechnik sei nichts zu entnehmen, was dem Patent nach dem Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen entgegengehalten werden könne, stellt die Rechtsbeschwerde allein in Frage, ob die Wertung des Patents in der verteidigten Fassung durch das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei getroffen worden ist. § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG steht aber nur zur Verfügung, damit ein sich insoweit verletzt fühlender Verfahrensbeteiligter sein Recht auf rechtliches Gehör wahren kann. Für eine Richtigkeitskontrolle der angefochtenen Entscheidung ist das hiermit eröffnete Verfahren nicht zugelassen (ständige Rechtsprechung z.B. Senat, Beschl. v. 29.4.2003 - X ZB 10/02, Umdr. S. 7; Beschl. v. 26.7.2005 - X ZB 1/04, Umdr. S. 11 m.w.N.)
13
2. Die Rechtsbeschwerde macht ferner geltend, das Bundespatentgericht habe vom Patentinhaber vorgetragene Unterschiede zu herkömmlicher Beschleunigungsmessung und damit den von dem Patentinhaber vorgetragenen Inhalt des Patents nicht zur Kenntnis genommen und sich deshalb nicht mit dessen Besonderheiten befasst. Auch damit wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargetan.
14
Die Behauptung des Patentinhabers, auf welche die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang abhebt, nämlich dass mit der vom Bundespatentgericht erörterten Schwingungsüberwachung mittels Beschleunigungsmessung weder ein Grenzwert für den Schwingweg vorgegeben sei noch Mittel bereitgestanden hätten, die Betriebsführung der Windenergieanlage oder Teile hiervon zu ändern, wenn der Schwingweg und/oder die absolute Auslegung des Turms einen vorgebbaren ersten Grenzwert überschreitet, ist Teil der Auseinandersetzung des Patentinhabers mit den Entgegenhaltungen gewesen, die als Anlagen D 1 und D 2 in das Einspruchsverfahren eingeführt worden sind. Auf diese Schriften hat das Bundespatentgericht seine Entscheidung jedoch nicht gestützt. Es hat das Patent in der verteidigten Fassung allein deshalb widerrufen, weil neben der bereits erwähnten Richtlinie auch das 1988 erschienene Buch "Windkraftanlagen" von Erich Hau zum Stand der Technik gehört, in dem schon damals angegeben war, dass große Windkraftanlagen über eine elektronisch arbeitende Schwingungsüberwachung verfügen, bei der Signale verschiedener Indikationen wie Dehnmessstreifen und Beschleunigungsmesser in einem Prozessor ausgewertet und bei Überschreiten der festgesetzten Grenzwerte des Sicherheitssystems aktiviert werden. Eine ausdrückliche Erwähnung und Behandlung des in anderem Zusammenhang gemachten Vortrags des Patentinhabers war deshalb entbehrlich, so dass aus deren Fehlen nicht darauf geschlossen werden kann, der Vortrag des Patentinhabers sei vom Bundespatentgericht nicht zur Kenntnis genommen und bei dessen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Der Umstand, dass das Bundespatentgericht - wie auch die Rechtsbeschwerde angibt - den Gegenstand des verteidigten Patents als neue Lehre zum technischen Handeln erkannt und nur deshalb als nicht patentfähig angesehen hat, weil unzulässig hohe Schwingungsausschläge eines Turms einer Windenergieanlage eine Schwingungsüberwachung erforderten und die hierzu im Patent beanspruchten Mittel aufgrund des allgemeinen Fachwissens durch diese Notwendigkeit veranlasst naheliegend gewesen seien, folgt vielmehr, dass das Bundespatentgericht sich durchaus bewusst war, dass das Patent vom Stand der Technik abweicht.
15
Soweit die Rechtsbeschwerde darzulegen versucht, auch das Buch von Hau setze sich nicht mit den Maßnahmen auseinander, auf die es nach dem Patent in seiner verteidigten Fassung ankomme, danach werde vielmehr eine besondere Schwingungsüberwachung beansprucht, wird lediglich die Richtigkeit der Auslegung des Patents durch das Bundespatentgericht und dessen Würdigung eines Stands der Technik angegriffen. Die hiermit gewünschte Richtigkeitsüberprüfung durch den Senat sieht § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG - wie bereits ausgeführt - jedoch nicht vor.
16
3. Die Rechtsbeschwerde rügt ferner, dass das Bundespatentgericht die im druckschriftlichen Stand der Technik nicht offenbarten Merkmale des Patents in seiner verteidigten Fassung als zum allgemeinen Fachwissen gehörende Lösungsmittel angesehen habe, ohne das Bestreiten des Patentinhabers insoweit zur Kenntnis genommen und ohne die Frage des Vorhandenseins eines solchen Fachwissens mit den Verfahrensbeteiligten erörtert zu haben. Wenn das Gericht ohne nachprüfbare Belege ein angeblich bestehendes allgemeines Fachwissen immer heranziehe, wenn es eine Lücke zwischen der beanspruchten Lehre und dem Stand der Technik zu schließen gelte, so werde auf das Fehlen von Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit ohne jede Möglichkeit einer tatsächlichen Überprüfung willkürlich geschlossen. Auch das füllt den Tatbestand des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht aus.
17
Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Bundespatentgericht ein Bestreiten des Patentinhabers nicht zur Kenntnis genommen hat. Das Bundespatentgericht hat gemäß § 87 Abs. 1 PatG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dem ist das Gericht im Streitfall nachgekom- men. Denn es hat das von ihm seiner Entscheidung zugrunde gelegte Fachwissen nicht etwa als unstreitig behandelt, sondern insoweit aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung unter Nutzung des technischen Sachverstands seiner Mitglieder eigene Feststellungen getroffen.
18
Das Bundespatentgericht hat hierbei die Möglichkeit, nach freier Überzeugung zu entscheiden, genutzt, die auch diesem Gericht zusteht (§ 93 Abs. 1 Satz 1 PatG). Diese Möglichkeit schließt grundsätzlich ein, auch Umstände festzustellen und zu verwerten, für die das Gericht nicht auf förmliche Beweismittel verweisen kann, die also nicht durch entsprechende Urkunden, Sachverständigengutachten , Aussagen von Zeugen oder Verfahrensbeteiligten oder eine Augenscheinseinnahme belegt sind. Das Fachwissen des Fachmanns betreffende Umstände sind hiervon nicht ausgenommen. Als Ergebnis freier Würdigung ist eine Feststellung insoweit zudem Teil der Entscheidungsfindung. Der Akt der Entscheidungsfindung ist aber allein dem Gericht übertragen. Dieser Vorgang kann als solcher den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht berühren. Der Rechtsbeschwerde kann deshalb auch nicht insoweit beigetreten werden , als in ihr anklingt, das Bundespatentgericht habe seine Überzeugung, wie weit das Fachwissen zum für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Zeitpunkt reichte und welche Möglichkeiten es dem Fachmann bot, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör den Verfahrensbeteiligten zuvor eröffnen und mit diesen diskutieren müssen.
19
Zum anderen musste der Patentinhaber damit rechnen, dass das Bundespatentgericht sich mit dem Sachverstand seiner technischen Mitglieder das allgemeine Fachwissen des Fachmanns zu erschließen sucht und die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse verwertet. Da gemäß § 4 PatG eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, kann auf die Heranziehung des allgemeinen Fachwissens bei der Bewertung, ob eine patentfähige Erfindung gegeben ist, nicht verzichtet werden. Denn das allgemeine Fachwissen repräsentiert zusammen mit dem Fachkönnen das, was den Fachmann ausmacht, auf den nach § 4 PatG abzustellen ist. Es bildet die Grundlage für die Erfassung und Nutzung derjenigen Kenntnisse, die gemäß § 3 Abs. 1 PatG der Stand der Technik umfasst. Das Bundespatentgericht musste deshalb Feststellungen zum allgemeinen Fachwissen treffen, soweit es im Hinblick auf die Entwicklung der verteidigten Lehre zum technischen Handeln von Bedeutung ist.
20
Für Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist es schließlich eine Selbstverständlichkeit, dass hierzu der Sachverstand der zur Entscheidung berufenen technischen Richter genutzt wird. Eine vorherige Ankündigung unter Darlegung der vorhandenen technischen Kenntnisse, wie sie von anderen Gerichten zu verlangen sein mag (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 23.11.2006 - III ZR 65/06, Tz. 14), ist deshalb entbehrlich. Unter diesen Umständen bestand für den Patentinhaber auch ohne entsprechende Vorgabe des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung alle Veranlassung, zum Fachwissen des Fachmanns alles vorzutragen, was er für berücksichtigungswert hielt, und sich auf diese Weise rechtliches Gehör zu verschaffen.
21
4. Ebenfalls zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mit ihrem Vorwurf geltend, das Bundespatentgericht habe ohne vorherige Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten eine neue Rechtsprechung begründet, weil es allein auf das jeweilige Bekanntsein der einzelnen Merkmale der verteidigten Patentansprüche abgestellt habe, obwohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts die funktionale Wirkung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit im Hinblick auf die Lösung der gestellten Aufgabe zu Grunde zu legen sei und die Frage des Naheliegens für diese Gesamtheit beantwortet werden müsse.
22
Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Bundespatentgericht erkannt hat, mit den hierfür von der Rechtsbeschwerde ins Feld geführten Ausführungen auf Seite 20 des angefochtenen Beschlusses könnten anerkannte Rechtsgrundsätze in Frage gestellt werden. Auch die Art und Weise, wie das Bundespatentgericht zuvor geprüft hat, ob es den verteidigten Patentansprüchen an einer erfinderischen Tätigkeit mangele, lässt nicht erkennen, dass das Bundespatentgericht im Streitfall einen Maßstab anlegen wollte, der durch höchstrichterliche Rechtsprechung nicht gedeckt ist. Veranlassung zu einer Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten, ob ein solcher Maßstab zugrunde gelegt werden könne oder dürfe, bestand deshalb nicht.
23
5. Eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann schließlich auch nicht wegen der Erwähnung einer "Temperaturdrift bei Beschleunigungssensoren" im Rahmen der Behandlung des mit dem 4. Hilfsantrag verteidigten Patentanspruchs 1 festgestellt werden.
24
Den - wenn auch kurzen - Ausführungen des Bundespatentgerichts zu dem diesen Patentanspruch kennzeichnenden zusätzlichen Merkmal, nach dem wenigstens ein Parameter zur Ermittlung des Schwingweges zunächst vorgegeben und im laufenden Betrieb anhand der tatsächlich erfassten Messwerte korrigiert wird, kann ohne weiteres entnommen werden, dass das Bundespatentgericht der Sache nach diesen Patentanspruch als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend eingestuft hat, weil bei ihm nur ein Merkmal hinzukommt , dessen Verwirklichung mangels jeglicher Konkretisierung im Patentanspruch selbst im Belieben des Fachmanns gelegen habe. Der Hinweis des Bundespatentgerichts, dass bei Beschleunigungssensoren die Temperaturdrift als Parameter genommen werden könne, hat dann nur den Charakter eines Beispiels, das zudem durch die Beschreibung des Patents vorgegeben war, weil dort zur Ermittlung des Schwingwegs die Verwendung von zwei Beschleunigungssensoren an der Spitze des Turms als Teil der beschriebenen bevorzugten Lösung vorgeschlagen ist, diese Sensoren Temperaturschwankungen ausgesetzt sind und ihr Temperaturgang die Messung und die Feststellung des jeweiligen Schwingwegs beeinflussen kann, so dass es nötig sein kann, im laufenden Betrieb auch ihre jeweilige Temperatur zu messen und hiernach die ausgehend von einer vorgegebenen Temperatur ermittelten Werte des Schwingwegs anzupassen. Unter diesen Umständen war der Patentinhaber nicht gehindert, sich Gehör auch hinsichtlich des insoweit der Entscheidung des Bundespatentgerichts zugrunde gelegten Prozessstoffs zu verschaffen. Denn bei der Breite des zusätzlichen Merkmals handelt es sich um einen Umstand, der auch ihm nicht verborgen geblieben sein kann.
25
6. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht leidet auch nicht an dem ferner gerügten Mangel, dass der angefochtene Beschluss nicht mit Gründen versehen sei.
26
§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG soll sicherstellen, dass der unterlegene Verfahrensbeteiligte aus den Gründen der Entscheidung entnehmen kann, welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte nach dem Willen des Bundespatentgerichts die getroffene Entscheidung tragen sollen. Darauf, ob diese Gesichtspunkte in tatsächlicher Hinsicht zutreffen oder gar durch druckschriftlichen oder anderen Stand der Technik belegt sind, ob die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind und eine lückenlose Herleitung, dass eine erfinderische Tätigkeit nicht gegeben ist, erlauben, und ob die rechtliche Würdigung der herangezogenen Umstände fehlerfrei ist, kommt es dagegen nicht an. Denn § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG eröffnet keine Richtigkeitskontrolle der angefoch- tenen Entscheidung (st. Rspr.; z.B. Senat, Beschl. v. 12.7.2006 - X ZB 33/05, GRUR 2006, 929 - Rohrleitungsprüfverfahren, m.w.N.). Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde deshalb, der sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch hinsichtlich der Hilfsanträge vom Bundespatentgericht allein für ausreichend gehaltene Hinweis, deren Einzelmerkmale beinhalteten bekannte, selbstverständliche oder sich dem Fachmann ohne Schwierigkeiten erschließende Maßnahmen , bedeute keine Begründung, weil dies durch keinen Stand der Technik belegt sei. Das Bundespatentgericht hat vielmehr unter Abhandlung aller Merkmale der Fassungen des Verfahrensanspruchs 1, mit denen der Patentinhaber sein Patent verteidigt hat, angegeben, warum es den jeweiligen Gegenstand für nicht patentfähig hält. Wie die vorstehend gemachten Ausführungen zum Hilfsantrag 4 ergeben, ist auch die insoweit vom Bundespatentgericht gegebene Begründung keinesfalls schlechterdings nicht nachvollziehbar. Wie schließlich in den beiden letzten Sätzen des angefochtenen Beschlusses noch einmal zum Ausdruck kommt, wird die Entscheidung des Bundespatentgerichts vielmehr von der Überzeugung getragen, dass die jeweiligen Fassungen des verteidigten Patents nur bekanntes Fachwissen zusammenführen und dass das Beanspruchte deshalb in seiner jeweiligen Gesamtheit für den Fachmann naheliegend war.
27
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.02.2006 - 9 W(pat) 370/03 -

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Patentgesetz - PatG | § 100


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Patentgesetz - PatG | § 109


(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei

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Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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(1) Das Patentgericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In der Entscheidung sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Die Entscheidung dar

Patentgesetz - PatG | § 87


(1) Das Patentgericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied hat schon vor der mündlichen Verhandlung

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(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 27/01
vom
11. Juni 2002
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Patent 37 23 555
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zahnstruktur
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3 Fassung 2. PatGÄndG
Die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegende Entscheidung, mit der dieses
die Zuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen ablehnt, stellt regelmäßig
keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör der Partei dar, die einen
solchen Beweisantrag gestellt hatte.
BGH, Beschl. v. 11. Juni 2002 - X ZB 27/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Juni 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 10. Juli 2001 verkündeten Beschluû des 21. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Patentinhabers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 50.000,-- ? festgesetzt.

Gründe:


I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber des Patents 37 23 555, das ein "Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz" betrifft. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz, bei dem Höhenschichtoder Konturlinien (6; 25) auf dem beschliffenen Zahn (5) und seiner Umgebung erzeugt werden,
die Linien (6; 25) mit einer optoelektronischen Einrichtung (7) erfaût werden,
aus den erfaûten Werten die räumliche Struktur des Zahnes (5) und des Zahnersatzes nach der Formel
I = a x (1 + m x cos q)
berechnet wird, wobei bedeuten:
I = Intensität a = Untergrundhelligkeit m = Kontrast q = Winkel x = Multiplikationszeichen
und der Zahnersatz anhand der berechneten Werte gefertigt wird."
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Patent nach Prüfung zweier Einsprüche widerrufen, weil es die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daû ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Beschwerde des Patentinhabers ist ohne Erfolg geblieben.
Gegen die Beschwerdeentscheidung richtet sich die vom Bundespatentgericht nicht zugelassene Rechtsbeschwerde des Patentinhabers, mit der er rügt, daû die angefochtene Entscheidung seinen Anspruch auf rechtliches Ge-
hör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletze (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) und im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht mit Gründen versehen sei.
II. Die Rechtsbeschwerde, mit der der Patentinhaber Verfahrens- und Begründungsmängel nach §§ 100 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6 PatG geltend macht, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn die gerügten Mängel liegen nicht vor.
1. a) Die durch das 2. PatGÄndG in den Katalog des § 100 Abs. 3 PatG eingefügte Regelung des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als verfassungsrechtlichem Gebot Rechnung und knüpft damit an die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieses Anspruchs und seine Ausprägung insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Bei der Interpretation der Vorschrift sind daher die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Ausbildung dieses Rechts heranzuziehen (Sen.Beschl. v. 25.01.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792, 793 - Spiralbohrer). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet danach das mit der Sache befaûte Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 11, 218, 220; 62, 347, 352; 79, 51, 61; 83, 24, 35; 86, 133, 144). Verletzt ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn das entscheidende Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 47, 182, 188; Sen.Beschl. v. 25.01.2000 aaO; Beschl. v. 19.05.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 - Zugriffsinformation), oder wenn es Erkenntnisse verwertet hat, zu denen die Verfahrensbeteiligten nicht Stellung nehmen konnten (BGH, Beschl. v.
30.01.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637 - TOP-Selection). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs keinen Schutz dagegen, daû ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht erhoben wird; die Nichtberücksichtigung eines Beweisangebots verstöût jedoch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozeûrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 69, 141, 144). Die Zurückweisung eines Beweisantrags wie des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens enthält daher keine Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieses verwehrt es den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt zu lassen (BVerfGE 21, 191, 194; 22, 267, 273; 70, 93, 100); eine Verletzung des Gebots ist erst dann gegeben , wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, daû das Gericht tatsächliches Vorbringen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 54, 86, 92). Das Prozeûrecht gebot hier eine solche Einholung nicht. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat und auch die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nicht in Abrede nimmt, steht die Entscheidung über die Zuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen im pflichtgemäûen Ermessen des Gerichts. Danach bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht, wenn das Gericht gegebenenfalls aufgrund der Vorbereitung des Prozeûstoffs durch die Parteien und seiner eigenen langjährigen Erfahrung mit entsprechenden Verfahren selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt (Sen.Urt. v. 28.01.1988 - X ZR 6/87, GRUR 1988, 444, 446 - Betonstahlmattenwender; v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436, 440 - Befestigungsvorrichtung II; s.a. BGH, Urt. v. 18.03.1993 - IX ZR 198/92, MDR 1993, 579 = NJW 1993, 1796;
BVerfGE 54, 86, 93); ihre Ablehnung bedeutet in diesem Rahmen daher regelmäûig keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör.
Danach scheidet hier eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aus.

b) Das Beschwerdegericht ist in den Entscheidungsgründen auf das Vorbringen des Patentinhabers eingegangen; die Hinzuziehung eines Sachverständigen hat es für entbehrlich gehalten, weil es die entscheidungserheblichen Fragen selbst beurteilen könne, die keine so groûen Schwierigkeiten bereiteten , daû sie von dem mit sachkundigen Mitgliedern besetzten, seit langem für den technischen Fachbereich derartiger Verfahren zuständigen Senat nicht ohne eine Unterstützung durch einen Sachverständigen hätten erfaût und beurteilt werden können. Bei dieser Würdigung hat das Beschwerdegericht das Vorbringen des Patentinhabers zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen.
Der Patentinhaber hat zu allen verwerteten Erkenntnissen Stellung nehmen können und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht, unter anderem, indem er in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zuzuziehen. Allein der Umstand, daû das Berufungsgericht diesem Antrag nicht entsprochen hat, verletzt den Patentinhaber nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, Besonderheiten des vorliegenden Falls geböten die Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen und lieûen die Ablehnung eines entsprechenden Antrags als ermessens- und damit verfahrensfehlerhaft erscheinen, berührt dies nicht die Beachtung dieses
Grundrechts, sondern allein die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Im Rahmen der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, bei der es aber allein um die Frage der Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes rechtlichen Gehörs geht, ist dies jedoch nicht zu prüfen.
Als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt sich die Nichteinholung des Gutachtens auch nicht deshalb dar, weil das Beschwerdegericht damit von einer Aufklärungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird nur sichergestellt, daû einerseits das Gericht die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis nimmt und seiner Entscheidung zugrunde legt und andererseits nur solche Tatsachen von ihm verwertet werden , zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (BVerfGE 64, 135, 144). Es gibt ihnen jedoch keinen Anspruch darauf, daû es Tatsachen erst beschafft (BVerfGE 63, 45, 60).
2. a) Auch der von der Rechtsbeschwerde angeführte Mangel der Begründung liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Begründungsmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG bei einer vorhandenen Begründung dann vorliegen, wenn diese Begründung nicht erkennen läût, welche Überlegungen für die Entscheidung maûgeblich waren, oder wenn die Gründe inhaltslos sind bzw. sich auf eine Wiederholung des Gesetzestextes beschränken (vgl. Sen.Beschl. v. 03.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159 - Crackkatalysator II; BGHZ 39, 333 - Warmpressen).

b) Auch solche Gründe hat der Patentinhaber nicht geltend gemacht. Die Gründe der Entscheidung lassen erkennen, worauf das Beschwerdegericht seine Würdigung, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und
vollständig, daû ein Fachmann sie ausführen könne, gestützt hat. Das Beschwerdegericht hat seine zu diesem Ergebnis führenden Überlegungen im einzelnen dargelegt. Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen handelt es sich bei der abschlieûenden Stellungnahme des Beschwerdegerichts zu dem Beweisantrag des Patentinhabers nicht nur um eine inhaltsleere Floskel. Das Beschwerdegericht hat nicht nur die eigene Sachkunde bejaht, sondern zuvor die entscheidungserheblichen Fragen, für die die Sachkunde erforderlich war, eingehend abgehandelt. Dem hält die Rechtsbeschwerde allein die abweichende Beurteilung anderer Patentbehörden entgegen. Dieser Angriff zielt wiederum darauf, daû die tatrichterliche Beurteilung fehlerhaft sei. Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, die "Begründungslast" sei um so höher, je stärker für das Beschwerdegericht Veranlassung bestanden habe, sich inhaltlich mit dem Vorbringen oder den Beweisanträgen von Verfahrensbeteiligten auseinanderzusetzen , so hat das Beschwerdegericht diesen Anforderungen durch seine Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Fragen genügt. Es hat damit ausreichend deutlich gemacht, daû die Fragen von dem seit langem für den technischen Fachbereich derartiger Verfahren zuständigen Senat ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden konnten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/99
vom
25. Januar 2000
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Spiralbohrer
PatG 1981 § 100 Abs. 3 Nr. 3 i.d.F. des 2. PatGÄ ndG

a) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 100 Abs. 3
Nr. 3 i.d.F. des 2. PatGÄ ndG schließt keine allgemeine Pflicht zu Hinweisen
an die Parteien im Sinne der §§ 139, 238 ZPO, § 91 PatG ein.

b) Ein solcher Hinweis kann im Hinblick auf das Gebot der Gewährung rechtlichen
Gehörs allenfalls dann geboten sein, wenn wegen der Auffassung des
Gerichts für die Parteien nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen
das Gericht seine Entscheidung stützen wird.
BGH, Beschluß vom 25. Januar 2000 - X ZB 7/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Januar 2000
durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis,
Scharen und Keukenschrijver

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Senats (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts vom 16. März 1999 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des am 22. Mai 1982 angemeldeten Patents 32 19 341, das einen Spiralbohrer betrifft.
Nachdem gegen dieses Schutzrecht von seiten der weiteren Verfahrensbeteiligten Einspruch eingelegt worden war, hat die Patentabteilung 14 des Deutschen Patentamtes es mit Beschluß vom 3. April 1997 in beschränktem
Umfang aufrechterhalten. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden Beschwerde und die Patentinhaberin Anschlußbeschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung über die Beschwerden hat die Patentinhaberin neu gefaßte Unterlagen eingereicht, auf deren Grundlage sie das Streitpatent mit Haupt- und Hilfsanträgen verteidigt hat.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Berücksichtigung aller dieser Anträge mit Beschluß vom 16. März 1999 insgesamt widerrufen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Bundespatentgericht nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin, mit der sie geltend macht, das Bundespatentgericht habe ihr zum einen das rechtliche Gehör versagt, zum anderen fehle der angefochtenen Entscheidung eine hinreichende Begründung. Die Einsprechenden treten der Rechtsbeschwerde entgegen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig, weil sie geltend macht, daß der angefochtene Beschluß auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG 1981 i.d.F. des 2. Gesetzes zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze [2. PatGÄ ndG] v. 16.7.1998 - BGBl. I S. 1827), und ferner beanstandet, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen versehen (§ 100 Abs. 3 Nr. 5 PatG 1981 - seit der Ä nderung durch das 2. PatGÄ ndG § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG). Sie ist jedoch nicht begründet , weil die gerügten Mängel nicht vorliegen.
1. a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs macht die Rechtsbeschwerde mit der Begründung geltend, das Bundespatentgericht habe die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen, daß seine gegenüber der Zulässigkeit der ursprünglich formulierten Ansprüche be-
stehenden Zweifel auch nach der Neufassung nach den Haupt- und Hilfsanträgen fortbestünden. Da gegenüber diesen auch von der Einsprechenden Zweifel nicht geäußert worden seien, hätten die Patentinhaberin und ihre anwaltlichen Vertreter darauf vertrauen dürfen, daß nach der Modifizierung der Schutzansprüche solche Bedenken nicht mehr bestünden, zumal sie mit der mit Wortlaut und Wortsinn nicht zu vereinbarenden Interpretation durch das Bundespatentgericht weder hätten rechnen müssen noch können. Darüber hinaus habe ihr Prozeßbevollmächtigter mit der Anmerkung, daß nach der Neufassung der Ansprüche seiner Ansicht nach allen Bedenken Rechnung getragen worden sei, für alle Beteiligten deutlich gemacht, daß aus der Sicht der Patentinhaberin solche Bedenken nicht mehr bestünden und aus ihrer Sicht daher weitere Reaktionen nicht erforderlich seien.
Das hätte dem Bundespatentgericht nach Meinung der Rechtsbeschwerde Anlaß geben müssen, auf gleichwohl fortbestehende Bedenken hinzuweisen. Hätte es dieser Verpflichtung genügt, hätte die Patentinhaberin entweder ohne weiteres diese Bedenken ausräumen oder aber in dem vom Bundespatentgericht als wesentlich angesehenen Punkt auf den Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs zurückgreifen können, bei dem das in der angefochtenen Entscheidung herausgestellte Zulässigkeitsbedenken nicht bestehe.
Der Verstoß gegen die Pflicht zur sachgemäßen und angemessenen Erörterung (§ 91 PatG) und der Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 93 PatG) wiege um so schwerer, als die Patentinhaberin, wovon das Bundespatentgericht nach den Erklärungen ihrer Vertreter habe ausgehen müssen, zu weiteren Ä nderungen in den Patentansprüchen bereit gewesen sei, um etwa noch bestehende Mängel zu beheben.


b) Mit diesem Vorbringen wird eine der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde zum Erfolg verhelfende Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Die durch das 2. PatGÄ ndG in den Katalog der Verfahrensmängel, bei deren Vorliegen auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zulässig ist, in das Gesetz eingefügte Regelung des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als verfassungsrechtlichem Gebot und grundlegender Verfahrensregel Rechnung (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/9971 S. 34 zu Art. 2 Nr. 25 - BIPMZ 1998, 393, 405). Sie knüpft damit an die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieses Anspruchs und seine Ausprägung insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, so daß die von diesem entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Ausbildung dieses Rechts auch bei der Interpretation der Vorschrift heranzuziehen sind.
Danach verpflichtet das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs das mit der Sache befaßte Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 11, 218, 220; 62, 347, 352; 79, 51, 61; 83, 24, 35; 86, 133, 144; vgl. a. BVerfG NJW 1993, 51; NJW 1999, 1387, 1388). Er ist verletzt, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, daß das Gericht das Vorbringen einer oder mehrerer Parteien entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerfGE 47, 182, 188). Daß das Beschwerdegericht in diesem Sinne Vorbringen der Patentinhaberin übergangen hat, wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Von ihr wird lediglich gerügt, daß das Bundespatentgericht seine Rechtsauffassung nicht vor seiner Entscheidung in einer Weise geäußert hat, die der Patentinha-
berin eine weitere Anpassung ihrer Anträge ermöglicht hätte. In diesem Unterlassen kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs indessen nicht gesehen werden.
Zwar kann es im Einzelfall im Hinblick auf das verfassungsrechtlich in Art. 103 GG geschützte Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs unter besonderen Voraussetzungen, nämlich dann, wenn die Parteien bei der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt die maßgeblichen Gesichtspunkte nicht schon von sich aus haben erkennen können, erforderlich sein, sie auf die Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will (vgl. BVerfG DVBl. 1995, 34). An einer hinreichenden Gelegenheit zur Stellungnahme , die das Gebot des rechtlichen Gehörs gewährleisten will, fehlt es nicht nur dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder das Gericht bei seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde gelegt hat, zu denen die Parteien nicht Stellung nehmen konnten. Ein dem verfahrens- wie verfassungsrechtlichen Gebot genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt vielmehr auch voraus, daß die Beteiligten in Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt erkennen konnten, auf welches Vorbringen es für die Entscheidung ankommen kann und wird (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144).
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs schließt jedoch auch in diesem Zusammenhang keine allgemeine Pflicht zu Hinweisen an die Parteien ein, wie sie ihren Niederschlag etwa in den §§ 139, 238 ZPO und § 91 PatG gefunden hat (vgl. BVerfGE 66, 116, 147). Ihr läßt sich daher weder eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts zur Darlegung seiner Rechtsauffassung (vgl. dazu BVerfGE 74, S. 1, 6) noch eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht entnehmen (vgl. BVerfGE 66, 116, 147). Im Hinblick auf das Gebot der
Gewährung rechtlichen Gehörs kann ein solcher Hinweis allenfalls dann geboten sein, wenn wegen der Auffassung des Gerichts für die Beteiligten nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen es seine Entscheidung stützen wird, und deshalb, weil diese Gesichtspunkte nicht angesprochen wurden, ein für die Entscheidung relevanter Sachvortrag unterbleibt (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; s.a. BVerfG NJW 1994, 848, 849).
Eine Ungewißheit in diesem Sinne ist von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt worden. Wie sich aus der von ihr insoweit nicht in Zweifel gezogenen angefochtenen Entscheidung ergibt, ist die für das Beschwerdegericht maßgebliche Frage nach der Zulässigkeit der von der Patentinhaberin vorgenommenen Ä nderungen am Wortlaut der Patentansprüche und der Beschreibung in der Verhandlung vom Gericht angesprochen und mit den Parteien diskutiert worden. Mit diesem Hinweis hat das Gericht die möglichen Grundlagen seiner Entscheidung bezeichnet und den Parteien und ihren Vertretern Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Hiervon hat die Patentinhaberin durch eine Neufassung der Ansprüche, mit denen sie das Patent verteidigen wollte, auch Gebrauch gemacht. Die Rechtsbeschwerde stützt ihre Rüge gerade unter anderem auch darauf, daß die Patentinhaberin im Hinblick auf diese Hinweise die Schutzansprüche neu formuliert hat.
Zu weitergehenden Hinweisen, insbesondere dazu, ob die bereits vorgenommenen Ä nderungen ausreichten, um den Bedenken des Gerichts Rechnung zu tragen, war dieses auch dann nicht gehalten, wenn es erkannt haben sollte, daß die Patentinhaberin nach ihrer Auffassung von einer nunmehr erreichten Zulässigkeit aller Ä nderungen ausgegangen sein sollte. Mit dem Hin-
weis auf die bestehenden Zweifel und deren Diskussion hat das Beschwerdegericht der aus dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs folgenden Hinweispflicht , die ohnehin nur in Ausnahmefällen besteht, genügt. Eine weitergehende Hinweispflicht konnte sich damit allenfalls aus § 91 PatG ergeben, auf dessen Verletzung sich die Rechtsbeschwerde ebenfalls stützt. Da ein solcher Verfahrensmangel im Katalog der Gründe nicht aufgeführt ist, die nach § 100 Abs. 3 PatG die Rechtsbeschwerde auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht eröffnen, bedarf es hier keines Eingehens auf die Frage, ob das Gericht gehalten sein kann, auch nach einer Erörterung der Sach- und Rechtslage einen zum behandelten Thema fortbestehenden Rechtsirrtum der Parteien oder ihrer Vertreter entgegenzuwirken, und in welchem Umfang eine solche Belehrung mit seiner Pflicht zur Unparteilichkeit zu vereinbaren ist.
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, der angefochtenen Entscheidung fehle die erforderliche Begründung (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG). Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, ist der Beschluß des Beschwerdegerichts mit einer Begründung versehen und genügt daher insoweit den formalen Anforderungen des Begründungszwangs.
Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe bei seiner Auslegung übersehen, daß der von ihm zitierte Keilwinkel normalerweise für die gesamte Hauptschneide definiert sei und damit entgegen seiner Auffassung doch einen Hinweis darauf bilde, daß die gesamte Hauptschneide von der Ausspitzung gebildet werde, wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Dasselbe gilt für die Angriffe gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, um zu einer anderen als der von ihm vorgenommenen Auslegung des Patents zu gelangen, wären zusätzli-
che Angaben in der Patentbeschreibung erforderlich gewesen, die zwingend erforderten, daß mit der Lehre des Patents auch die Verwendung nur einer der alternativ durch das Wort "oder" verbundenen Ausführungsformen unter Schutz gestellt sein solle.
Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde schließlich einen Begründungsmangel auch mit der Erwägung, der angefochtene Beschluß lasse nicht erkennen, ob und mit welchem Gewicht das Beschwerdegericht die seiner Auslegung entgegenstehende zeichnerische Darstellung der patentgemäßen Lehre berücksichtigt habe. Mit der darauf gestützten Rüge, die Ausführungen des Beschwerdegerichts ließen mindestens drei Interpretationsmöglichkeiten zu, wird ein Begründungsmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht aufgezeigt. Geltend gemacht werden Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit in der Begründung, die einen Begründungsmangel nur dann darstellen, wenn die vorhandenen Gründe ganz unverständlich, verworren oder in sich widersprüchlich sind oder wenn sie sich auf leere Redensarten oder die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken, so daß sie nicht erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (st. Rspr., vgl. u.a. Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer), oder wenn eines von mehreren geltend gemachten Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, das einen selbständigen Charakter hat und deshalb in den Gründen auch zu bescheiden war, bei der Begründung übergangen wurde (vgl. Sen.Beschl. v. 26.9.1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, 122 - elektrisches Speicherheizgerät ; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 5/97, GRUR 1998, 907 - Alkyläther). Einen solchen Mangel zeigt die Rechtsbeschwerde hier nicht auf; sie wendet sich allein dagegen, daß das Beschwerdegericht bei seiner Begründung der von ihr
in den Vordergrund gerückten zeichnerischen Darstellung eine oder nicht die von ihr gewünschte Aufmerksamkeit geschenkt hat und dabei nicht zu den Ergebnissen gelangt ist, wie sie die Rechtsbeschwerde als allein richtig ansieht. Auch das betrifft lediglich die sachliche Richtigkeit der getroffenen Entscheidung , nicht jedoch einen Verfahrensmangel im Sinne des § 100 Abs. 3 PatG.
3. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
Rogge Jestaedt Melullis Scharen Keukenschrijver

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Patentgericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied hat schon vor der mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche nicht stattfindet, vor der Entscheidung des Patentgerichts alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um die Sache möglichst in einer mündlichen Verhandlung oder in einer Sitzung zu erledigen. Im übrigen gilt § 273 Abs. 2, 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Das Patentgericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In der Entscheidung sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Die Entscheidung darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(3) Ist eine mündliche Verhandlung vorhergegangen, so kann ein Richter, der bei der letzten mündlichen Verhandlung nicht zugegen war, bei der Beschlußfassung nur mitwirken, wenn die Beteiligten zustimmen.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 65/06
Verkündet am:
23. November 2006
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist zwischen einem Telefonanschlussinhaber und seinem Teilnehmernetzbetreiber
strittig, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich ein
auf dem Heimcomputer des Anschlussinhabers vorgefundenes
Schadprogramm auf das Telefonentgeltaufkommen ausgewirkt hat, ist
über die widerstreitenden Behauptungen ein Sachverständigengutachten
einzuholen, es sei denn das Gericht verfügt ausnahmsweise über
eigene besondere Sachkunde und legt diese im Urteil und in einem
vorherigen Hinweis an die Parteien dar.
BGH, Urteil vom 23. November 2006 - III ZR 65/06 - LG Stralsund
AG Stralsund
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die
Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 22. Februar 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz für die Öffentlichkeit und stellt ihren Kunden Telefonanschlüsse zur Verfügung. Der Beklagte schloss 1999 mit der Klägerin einen Vertrag über einen ISDN-Anschluss. Diesen verwendeten der Beklagte und seine Angehörigen auch, um mit ihrem Heimcomputer das Internet zu nutzen. Der Zugang hierzu wurde ihnen durch ein anderes Unternehmen verschafft.
2
Unter dem 28. Mai 2001 berechnete die Klägerin dem Beklagten für von ihr hergestellte Verbindungen im Zeitraum vom 18. Februar bis 16. Mai 2001 sowie für die Bereithaltung des Anschlusses insgesamt 2.886,44 DM (= 1.475,81 €). Darin enthalten waren 2.341,90 DM (= 1.197,39 €) für Verbindungen zu mehreren Mehrwertdienstenummern. Diesen Betrag beglich der Beklagte nicht. Auf seinem Rechner wurde bei einer Überprüfung ein Schadprogramm der Kategorie "Backdoor-Explorer 32-Trojan" festgestellt.
3
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, aufgrund dieses Programms sei der Anschein der Richtigkeit der von der Klägerin erstellten Rechnung erschüttert worden. Das Schadprogramm habe, so hat er behauptet, einen Dialer installiert und damit das unbemerkte Anwählen der berechneten Mehrwertdienste verursacht. Dies habe er nicht zu vertreten.
4
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der strittigen Verbindungsentgelte verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe


5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


6
Dieses hat in seiner in MMR 2006, 487 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, der Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der Rechnung der Klägerin sei erschüttert. Das auf dem Rechner des Beklagten vorgefundene Virus könne dazu geführt haben, dass Nutzerdaten ausgespäht worden seien. Diese hätten dazu missbraucht werden können, um mit den Zugangscodes, die der Beklagte und seine Angehörigen zur Einwahl in das Internet verwendeten, ohne das Zutun und den Willen des Berechtigten das Internet auf Kosten des Anschlussinhabers zu nutzen, vergleichbar mit dem unbefugten Aufschalten einer zweiten Leitung. Dies sei von dem berechtigten Nutzer, der zu Vorkehrungen gegen Computerviren nicht ohne besonderen Anlass verpflichtet sei, nicht zu vertreten.

II.


7
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
1. Das angefochtene Urteil beruht, wie die Revision mit Recht rügt, darauf, dass das Berufungsgericht die tatsächlichen Feststellungen, die seiner Entscheidung zugrunde liegen, verfahrensfehlerhaft getroffen hat.
9
a) Das Berufungsgericht durfte nicht ohne weiteres davon ausgehen, das auf dem Heimcomputer vorgefundene Schadprogramm habe dazu führen können , dass unbefugte Dritte unter Ausspähung und anschließender Verwendung der Zugangsdaten des Beklagten über eine virtuelle "zweite Leitung" auf dessen Kosten Mehrwertdienste nutzten sowie Dialer aktivierten und so die strittigen Verbindungsentgelte verursachten. Der Sachvortrag der Parteien bot für diese Annahme keine hinreichende Grundlage.
10
Der Beklagte hat, wie für die erste Instanz auch aufgrund des Tatbestandes des amtsgerichtlichen Urteils feststeht (§ 314 ZPO), in tatsächlicher Hinsicht lediglich behauptet, durch das Schadprogramm sei heimlich ein Dialer installiert worden, der unbemerkt Verbindungen in das Internet über Mehrwertdienstenummern hergestellt habe. Diesen Sachvortrag hat der Beklagte in der Berufungsinstanz schriftsätzlich wiederholt. Dass er darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung weitere Behauptungen über die Wirkungsweise des "Trojaners" aufgestellt hat, ist weder dem Sitzungsprotokoll noch den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils zu entnehmen. Die vom Berufungsgericht angenommene Funktionsweise des Schadprogramms unterscheidet sich wesentlich von derjenigen, die der Beklagte vorgetragen hat. Während ein heimlich installierter Dialer von dem betroffenen Computer aus Internetverbindungen selbsttätig über teure Mehrwertdienstenummern herstellt (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 201), geht das Berufungsgericht, wie es im Einzelnen ausführt, im Gegensatz dazu davon aus, dass der "Trojaner" "nur“ die Internetzugangsdaten des befallenen Rechners ausspäht und es so ermöglicht, auch von anderen Computern aus das Internet auf Kosten des geschädigten Anschlussinhabers zu nutzen. Im ersten Fall wird stets der betroffene Rechner für die Verbindungen verwendet. In der zweiten Fallgestaltung können hingegen andere Computer genutzt werden, wobei ein berechtigter Zugang vorgetäuscht wird.
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Auch mit dem Vortrag der Klägerin ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht in Einklang zu bringen. Diese hat den Behauptungen des Beklagten - insoweit noch in Übereinstimmung mit dem Ausgangspunkt der Vorinstanz - entgegen gehalten, das Schadprogramm habe es lediglich ermöglicht, dass Dritte die auf dem Computer gespeicherten Benutzerdaten ausspähen. Nicht vorgetragen hat die Klägerin hingegen, dass der Missbrauch dieser Daten dazu führen konnte, dass sich die Rechnung für die von der Klägerin hergestellten Verbindungen erhöhte. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang ihrer Ausführungen der Wille der Klägerin, dies zu bestreiten. In der Anspruchsbegründung hat die Klägerin zwar erklärt, über die ausspionierte Zugangsberechtigung hätten auf Kosten des Berechtigten Verbindungen aufgebaut werden können. Dem ist aber - entgegen der Schlussfolgerung der Vorinstanz - nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Klägerin eingeräumt hat, diese Verbindungen würden, wie die hier strittigen, als solche, die sie hergestellt hat, auf der Telefonrechnung erscheinen. Soweit die Behauptungen der Klägerin mehrdeutig waren, hätte die Vorinstanz gemäß § 139 Abs. 1 und 2 ZPO auf die von ihr aus dem Vortrag gezogenen Schlüsse hinweisen und Gelegenheit zu dessen Präzisierung geben müssen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - juris Rn. 13, insoweit nicht in NJW-RR 1988, 1373 f abgedruckt).
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Die Klägerin hätte, wie sie mit der Revision geltend macht, auf einen solchen Hinweis vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, das Ausspähen der Benutzerdaten hätte allenfalls ermöglicht, dass sich der unberechtigte Nutzer auf Kosten des Anschlussinhabers bei dem Unternehmen, das diesem den Zugang zum Internet verschafft (Access-Provider), einwählt. Dies hätte bewirkt, dass sich die vom Provider abgerechneten, auf der Telefonrechnung der Klägerin gesondert ausgewiesenen Kosten erhöht hätten, nicht aber - wie hier - das Entgelt für die von der Klägerin hergestellten 0190-Verbindungen. Das Berufungsgericht hätte, wenn es diesen Vortrag, wie geboten, berücksichtigt hätte, zu den unterschiedlichen Behauptungen der Parteien Beweis erheben müssen (dazu auch sogleich b). http://www.juris.de/jportal/portal/t/8sv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=21&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE309119500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/8sv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=21&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE309119500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/8sv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=21&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE309119500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
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b) Das Berufungsgericht hätte, wie die Revision ebenfalls zutreffend rügt, überdies nicht ohne vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens davon ausgehen dürfen, der auf dem Rechner des Beklagten vorgefundene "Trojaner" habe, vergleichbar mit einer zweiten Leitung, das strittige erhöhte Entgeltaufkommen verursachen können. Die Annahme der Vorinstanz beruht auf einer technischen Schlussfolgerung aus dem Vortrag der Klägerin. Diesen Schluss durfte das Berufungsgericht nicht aus eigener Sachkompetenz ziehen. Es hätte die Stellung eines entsprechenden Beweisantrags anregen oder die Beweisanordnung gegebenenfalls von Amts wegen (§ 144 Abs. 1 ZPO) treffen müssen.
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Es ist zwar grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters überlassen, ob er seine eigene Sachkunde für ausreichend erachtet und deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absieht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - NJW 2000, 1946, 1947). Die Grenze seines Ermessens hat das Berufungsgericht jedoch nicht eingehalten. Die Würdigung eines nicht einfachen technischen Sachverhalts, wie die Beurteilung , in welcher Weise das auf dem Rechner des Beklagten vorgefundene Schadprogramm wirkt und ob es das umstrittene Entgeltaufkommen verursachen konnte, setzt besondere computertechnische Kenntnisse voraus und wird nicht schon durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht (Ernst CR 2006, 590, 594). Der Tatrichter kann, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (z.B.: BGHZ 159, 254, 262; BGH, Urteile vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - NJW-RR 2002, 166, 167 und vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - NJW 1995, 1619 jew. m.w.N.). Eigenes computer- technisches Fachwissen hat das Berufungsgericht jedoch weder in dem Urteil noch, wie es außerdem geboten gewesen wäre (vgl. MünchKommZPO/Damrau , ZPO, 2. Aufl., § 402 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 402 Rn. 7), in einem vorherigen Hinweis an die Parteien dargetan.
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2. Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
AG Stralsund, Entscheidung vom 08.08.2005 - 91 C 114/04 -
LG Stralsund, Entscheidung vom 22.02.2006 - 1 S 237/05 -

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.