Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2000 - VII ZB 25/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
1. Der Kläger hat gegen das ihm am 21. September 1998 zugestellte Urteil am 1. Oktober 1998 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist vom Rechtsanwalt nicht unterzeichnet worden. Die Berufungsbegründung ist am 3. November 1998 bei Gericht eingegangen. Auf den telefonischen Hinweis des Vorsitzenden vom 15. Juli 1999 hatte der Kläger am 20. Juli 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegenVersäumung der Berufungsfrist beantragt. Eine Berufungsschrift war nicht beigefügt. 2. Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt sei im Sinne des § 236 Abs. 2 ZPO. 3. Die gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Frist auch dann in Frage kommt, wenn die fristgebundene Prozeßhandlung zwar rechtzeitig, jedoch unwirksam vorgenommen worden ist. Es macht für die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Unterschied, ob die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist überhaupt oder in wirksamer Weise einzuhalten (BGH, Beschluß vom 2. Mai 1962 - V ZB 10, 11/96, NJW 1962, 1248). Nicht beigetreten werden kann seiner Ansicht, die Wiedereinsetzung sei deshalb zu versagen, weil die versäumte Prozeßhandlung der wirksamen Berufungseinlegung nicht nachgeholt sei. Von einer erneuten, formgerechten Einlegung der Berufung konnte der Kläger absehen, weil mit der dem Gericht vorliegenden ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsbegründung zugleich die Prozeßhandlung der Berufung erklärt ist. Die versäumte Prozeßhandlung ist dann nicht nachzuholen, wenn sie bereits vor Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den v origen Stand gegenüber dem Gericht vorgenommen worden ist (BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 - VIII ZB 34/91, VersR 1992, 1023). Aus dem Antrag der Berufungsbegründungsschrift ist klar ersichtlich, welches Urteil angefochten
wird, von welcher Partei und mit welchem Ziel. Die Berufungsbegründung enthält damit zugleich eine Wiederholung der Berufung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 1958 - VI ZB 20/57, VersR 1958, 180; vom 8. Januar 1962 - VII ZB 14/61, VersR 1962, 218). Es bedeutete eine überflüssige Förmelei, eine Prozeßhandlung nachzuholen, wenn der hierauf bezogene Schriftsatz dem Gericht bereits vorliegt (BGH, Beschluß vom 7. Januar 1958, aaO). 4. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist auch begründet. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, daß die zuverlässige und erfahrene Bürokraft R. die unterschriebene Urschrift und die Abschrift vertauscht hat und somit versehentlich das für die Handakten vorgesehene Exemplar ohne Unterschrift dem Gericht zugeleitet hat. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Einreichung des nicht unterschriebenen Berufungsschriftsatzes bei Gericht sonach nicht zu vertreten (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO). Ullmann Thode Haß Wiebel Wendt
Annotations
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.