Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2012 - V ZR 8/12

bei uns veröffentlicht am30.08.2012
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 5 O 95/09, 20.05.2011
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 23 U 94/11, 14.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 8/12
vom
30. August 2012
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 26. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.

1
Die Beklagten wenden sich mit der Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie meinen, der Beschluss verletze sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie aufgezeigt hätten, dass und aus welchen Gründen die Revision zuzulassen sei. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Beschluss sei ihnen nicht möglich, da er nicht näher begründet sei. Das zwinge sie dazu, auf ihre Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vollumfänglich Bezug zu nehmen.

II.

2
Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genügt.
3
Eine Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das erkennende Gericht gerügt wird; dabei ist darzulegen, dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO; vgl. Senat, Beschl. v. 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609). Das gilt auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet , durch den eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ohne nähere Begründung zurückgewiesen worden ist.
4
Hierdurch wird nichts Unmögliches verlangt. Dem Beschwerdeführer wird lediglich auferlegt, die eigene Rechtsansicht nochmals zu prüfen und zu erläutern , warum er meint, die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen sei. Eine solche Darlegung kann im Übrigen auch erforderlich sein, wenn der Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Begründung enthält. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 54, 43, 46 mwN), und da sich das Gericht deshalb auch nicht mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen muss (BVerfGE 96, 205, 217), folgt nämlich allein daraus, dass der Vortrag einer Partei in den Beschlussgründen unerwähnt geblieben ist, noch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Vielmehr müssen besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten, aus denen sich klar ergibt, dass das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 85, 386, 404).
5
Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn Gründe des formellen oder materiellen Rechts, die die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde tragen könnten, nicht erkennbar sind und sich deshalb der Schluss aufdrängt, die Entscheidung beruhe darauf, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Das ist in der Anhörungsrüge darzutun. Liegt, wie hier, eine Beschwerdeerwiderung vor, muss sich der Beschwerdeführer zudem mit dieser auseinandersetzen und darlegen, dass sich die Zurückweisung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur damit erklären lässt, dass Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609, 1610; Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZR 108/09, juris). Eine solche Darlegung enthält die Anhörungsrüge der Beklagten nicht, obwohl sichsowohl die Klägerin als auch die Hilfsdrittwiderbeklagte zu der Nichtzulassungsbeschwerde geäußert haben. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.05.2011 - 2-5 O 95/09 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.12.2011 - 23 U 94/11 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2010 - V ZR 108/09

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2020 - III ZR 36/19

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 142/08
vom
19. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO erfordert eine eigenständige Auseinandersetzung mit der
angegriffenen Entscheidung. Eine Wiederholung der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
in der Anhörungsrüge erfüllt auch dann nicht die Voraussetzungen
für die Darlegung einer Gehörsverletzung durch das Revisionsgericht, wenn das damit
begründet wird, dass der angegriffene Beschluss über die Zurückweisung der
Nichtzulassungsbeschwerde keine Begründung enthält.
BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08 - Kammergericht
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch
, Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 29. Januar 2009 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.

1
Die Beklagten wenden sich mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss des Senats, mit dem dieser die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen und dabei von einer Begründung abgesehen hat.
2
Zur Begründung geben die Beklagten den Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde im Wortlaut wieder und führen anschließend aus, eine eigenständige Gehörsverletzung durch das Revisionsgericht liege schon darin, dass der Beschluss keine Begründung enthalte. Schon deshalb sei zu befürchten, dass der Senat das Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht in Erwägung gezogen habe. Dass das Übergehen von Vorbringen zur Beweislastverteilung das rechtliche Gehör verletze, finde seine Bestätigung in einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 26. November 2008, 1 BvR 670/08, in juris veröffentlicht).

II.

3
Die nach § 321a Abs. 1 ZPO statthafte Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, weil es an der vorgeschriebenen Darlegung (§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO) einer eigenständigen entscheidungserheblichen Gehörsverletzung durch den Senat fehlt.
4
1. Eine Anhörungsrüge muss Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergeben soll (vgl. BT-Drucks. 15/3706, S. 16; BSG NJW 2005, 2798). Dazu bedarf es Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision. Die Anhörungsrüge gegen diesen Beschluss ist nämlich nur dann zulässig, wenn dadurch das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) neu und eigenständig durch den Bundesgerichtshof verletzt worden ist (BGH, Beschl. v. 20. November 2007, VI ZR 38/07, NJW 2008, 923, 924; Beschl. v. 13. Dezember 2007, I ZR 47/06, NJW 2008, 2126, 2127; BVerfG NJW 2008, 2635, 2636). Eine Anhörungsrüge muss sich damit auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darlegen. Fehlt es daran, ist die Anhörungsrüge als unzulässig zu verwerfen.
5
2. So ist es hier.
6
a) Die Wiederholung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Darlegung einer Gehörsverletzung durch das Revisionsgericht, auch wenn das damit begründet wird, dass der Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde keine Begründung enthält. Eine eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht darin, dass das Revisionsgericht gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO von einer näheren Begründung seiner Entscheidung abgesehen hat (BGH, Beschl. v. 20. Novem- ber 2007, NJW 2008, 923, 924). Die Anhörungsrüge kann nicht zur Herbeiführung der Begründung einer Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden (vgl. BT-Drucks. 15/3706, S. 16).
7
b) Gründe für eine Gehörsverletzung durch den Senat sind auch im Übrigen nicht dargelegt.
8
aa) Der ohne weitere Ausführungen erfolgte Hinweis, dass das Übergehen des Vorbringens zur Beweislastverteilung Art. 103 Abs. 1 GG verletze, entspricht den Anforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO nicht. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte zwar dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 11, 218, 220; 83, 24, 35; Senat, BGHZ 154, 288, 300; st. Rspr.). Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass sie diesen Pflichten nachgekommen sind, auch wenn sie das Vorbringen nicht ausdrücklich beschieden haben (BVerfGE 47, 182, 187; 86, 133, 146; 96, 205, 216; BVerfG RdL 2004, 68, 69 - st. Rspr.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 22, 267, 274; 65, 293, 295; 88, 366, 375 f.; Senat, BGHZ 154, 288, 300).
9
bb) Die schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung genügt danach nicht.
10
(1) Darzulegen im Sinne des § 321 Abs. 2 Satz 5 ZPO ist nämlich mehr als ein allgemeiner Hinweis, sondern erfordert die Angabe der Tatsachen, aus denen sich die geltend gemachte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ergibt, sowie einen substantiierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung (vgl. BGHZ 152, 182, 185 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 5. Juni 2008, V ZR 187/07, dokumentiert in juris - zur Nichtzulassungsbeschwerde). Wird die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Revisionsgericht gerügt, sind daher in der Anhörungsrüge - wie bei einer Verfassungsbeschwerde - die Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht bei der Entscheidung das Vorbringen übergangen haben muss (vgl. dazu: BVerfGE 92, 205, 216; Senat, BGHZ 154, 288, 300 m.w.N. - std. Rspr.).
11
(2) Da Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht dazu verpflichtet, der von der Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33), und es deren Sachvortrag aus Gründen des formellen und materiellen Rechts unberücksichtigt lassen darf (BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294; 96, 205, 216), muss die Anhörungsrüge die Erheblichkeit des als übergangenen gerügten Vorbringens für die beantragte Zulassung der Revision aufzeigen.
12
cc) Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht von einer weiteren Begründung der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen hat. Durch das Darlegungserfordernis werden die Anforderungen an die Gewährung von Rechtsschutz bei einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG auch in diesen Fällen nicht überspannt. Dem Beschwerdeführer wird dadurch nämlich nur auferlegt, die eigene Rechtsansicht auf Grund der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde nochmals zu prüfen und in der Anhörungsrüge aufzuzeigen, dass die Entscheidung des Revisionsgerichts auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht.
13
dd) Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird.
14
(1) Waren - wie hier - Angriffe gegen die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen durch das Berufungsgericht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde , hat eine Anhörungsrüge die Gehörsverletzung durch das Revisions- gericht in einem entscheidungserheblichen Punkt anhand der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde aufzuzeigen. Diese Darlegung der Umstände, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben soll, ist schon deshalb unverzichtbar, weil die tatrichterliche Auslegung individual-vertraglicher Abreden in einem Revisionsverfahren nur in sehr beschränktem Umfang auf Fehler überprüft werden kann (BGH, Beschl. v. 16. September 2003, XI ZR 238/02, NJW 2004, 1167), welche wiederum nur unter besonderen Voraussetzungen (Unterlassung einer Auslegung; Verstoß gegen das Willkürverbot) die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begründen (Senat, Urt. v. 7. Oktober 2004, V ZR 328/03, NJW 2005, 153). Es muss aus der Anhörungsrüge wenigstens ansatzweise erkennbar werden, welches Vorbringen, das die Zulassung der Revision geboten hätte, nach der Meinung des Beschwerdeführers das Revisionsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen habe.
15
(2) Wird im Zusammenhang mit der Auslegung eines Vertrages gerügt, dass das Revisionsgericht das Vorbringen hinsichtlich der Verletzung von Beweislastregeln übergangen oder nicht in Erwägung gezogen habe, ist anhand des Vorbringens in der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, welche bestrittenen Behauptungen des Gegners das Berufungsgericht unter Verletzung der Regeln über die Darlegungs- und Beweislast bei seiner Auslegung des Vertrages zugrunde gelegt hat. Auch daran fehlt es.
16
(3) Zur näheren Darlegung der Gehörsverletzung gehört es beispielsweise auch, sich mit einer etwa vorliegenden Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen, soweit sich nämlich daraus Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine verfahrens- oder materiellrechtliche Rüge in der Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet sein könnte. Das wird im vorliegenden Fall besonders deutlich. Der Kläger hat in der Erwiderung eingehend ausgeführt , aus welchen Gründen er die Einwendungen der Beklagten gegen die Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht einschließlich eines von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten Beweisantritts für unerheblich hält. Soll geltend gemacht werden, dass der Senat in diesem Zusammenhang das Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Erwägung gezogen hat, ist darzulegen, dass die Entscheidung des Senats auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur dann erklärbar ist, wenn man eine Gehörsverletzung unterstellt.
17
ee) Da es hier an alledem fehlt, kann der Senat letztlich nur darüber spekulieren , worin nach Ansicht der Beklagten die Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG durch das Revisionsgericht liegen soll. Die Anhörungsrüge ist daher mangels Darlegung der die Gehörsverletzung begründenden Umstände als unzulässig zu verwerfen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Roth Czub Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 21.11.2006 - 13 O 615/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 01.07.2008 - 21 U 215/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 108/09
vom
25. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 7. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.

1
Der Beklagte wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss , durch den seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist. Er meint, er könne den Anforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO an die Darlegung einer neuen und eigenständigen Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch den Senat nicht nachkommen, weil er mangels Begründung des Zurückweisungsbeschlusses nicht zu erkennen vermöge, ob und in welchem Umfang sein Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden sei.

II.

2
Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genügt.
3
Eine Anhörungsrüge ist nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das erkennende Gericht gerügt wird; dabei ist darzulegen, dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 321a Abs. 2 Satz 5 ZPO; vgl. Senat, Beschl. v. 19. März 2009, V ZR 142/08, NJW 2009, 1609). Letzteres gilt auch dann, wenn sich die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss richtet, durch den eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ohne nähere Begründung zurückgewiesen worden ist.
4
Hierdurch wird nichts Unmögliches verlangt. Dem Beschwerdeführer wird lediglich auferlegt, die eigene Rechtsansicht nochmals zu prüfen und zu erläutern , warum er meint, die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde lasse nur den Schluss zu, dass sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Einer solchen Darlegung bedarf es im Übrigen auch, wenn der Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Begründung enthält. Da das Gericht sich dabei nicht mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen muss (vgl. BVerfGE 96, 205, 217), folgt nämlich allein daraus, dass bestimmtes Vorbringen in den Beschlussgründen unerwähnt geblieben ist, noch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Vielmehr müssen besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten, aus denen sich klar ergibt, dass das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 85, 386, 404).
5
Ein solcher Umstand ist gegeben, wenn Gründe des formellen oder materiellen Rechts, die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde tragen könnten, nicht erkennbar sind und sich deshalb der Schluss aufdrängt, die Entscheidung beruhe darauf, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Das ist in der Anhörungsrüge darzutun. Liegt eine Beschwerdeerwiderung vor, muss sich der Beschwerdeführer mit dieser auseinandersetzen und darlegen, dass sich die Zurückweisung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Argumente der Gegenseite nur damit erklären lässt, dass bestimmtes Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. Senat , Beschl. v. 19. März 2009, V ZR 142/08, NJW 2009, 1609, 1610).
6
Eine solche Darlegung enthält die Anhörungsrüge des Beklagten nicht. Insbesondere fehlt jede Auseinandersetzung mit dem Argument der Beschwerdeerwiderung , der Gebäudekaufvertrag vom 15. Juni 1990 sei wegen Fehlens der erforderlichen staatlichen Genehmigung zunächst schwebend unwirksam gewesen und nach dem 3. Oktober 1990 endgültig unwirksam geworden, so dass die Frage, mit wem er geschlossen wurde, schon nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Entsprechendes gilt für den Hinweis der Erwiderung, das Berufungsgericht habe den Vortrag zur Vorlage einer Vollmacht der KGD bei der Beurkundung des Gebäudekaufvertrages zugunsten des Beklagten als wahr unterstellt, also gerade nicht - wie auf Seite 12 der Nichtzulassungsbeschwerde und Seite 4 der Anhörungsrüge gerügt - übergangen. Ebenso wenig setzt sich die Anhörungsrüge mit der nachvollziehbar begründeten Auffassung der Klägerin unter III. der Erwiderung auseinander, dass es sich bei den Rügen des Beklagten nicht um Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO handelt. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 17.10.2008 - 2 O 5044/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 19.05.2009 - 9 U 1838/08 -