Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2013 - V ZR 189/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2001 verpflichtete sich der Beklagte, „in Vorwegnahme der späteren Erbfolge“ ein Grundstück unentgeltlich an seinen Sohn, den Kläger, zu übertragen. In dem Vertrag wurden die Auflassung erklärt sowie die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch bewilligt und beantragt. Hintergrund war ein - inzwischen abgeschlossenes - Scheidungs - und Unterhaltsverfahren zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau, in dem unklar war, ob und inwieweit der Grundbesitz des Beklagten oder Mieteinnahmen hieraus für Zugewinn- und Unterhaltsansprüche von Bedeutung sein würden. Durch schriftliche Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 widerriefen die Parteien gegenüber dem Notar den Auftrag zum Vollzug des Vertrages und wiesen ihn an, den Übertragungsvertrag erst auf erneute gemeinsame Weisung hin zu vollziehen.
- 2
- Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Abgabe der zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Erklärungen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie im ersten Berufungsverfahren abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2011 (V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18) aufgehoben. Mit dem zweiten Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht die Klage erneut abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er möchte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
II.
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- Das Berufungsgericht geht nunmehr davon aus, dass der Vertrag nur dann nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Benachteiligung der geschiedenen Ehefrau des Beklagten und Mutter des Klägers nichtig ist, wenn diese tatsächlich geschädigt worden ist. Das sei nicht der Fall. Der Beklagte habe sich schon im Jahr 2000 mit seiner Ehefrau über den Zugewinn geeinigt und im Scheidungsverfahren erläutert, dass die Einnahmen aus dem veräußerten Grundstück zur Tilgung von Schulden verwandt worden seien. Der Kläger habe aber nicht beweisen können, dass er berechtigt sein sollte, die Erfüllung des Übertragungsvertrags zu verlangen, sobald das Grundstück nicht mehr auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen drohte. Den Nachweis, dass solche Risiken nicht bestünden, habe er ebenfalls nicht erbracht. Der Beklagte sei schließlich wegen der Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2009 von dem Übertragungsvertrag zurückgetreten.
III.
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- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
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- 1. Ein Verstoß gegen diese Norm liegt unter anderem vor, wenn ein erhebliches Beweisangebot unberücksichtigt bleibt und die Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze hat (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1218 Rn. 10; Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 182/10, juris Rn. 10). Dieser Fehler ist dem Berufungsgericht unterlaufen.
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- 2. Der Senat hat das erste Berufungsurteil unter anderem deswegen aufgehoben, weil das Berufungsgericht die unter Beweisantritt aufgestellte Behauptung des Klägers unberücksichtigt gelassen hat, der Vollzug des Übertragungsvertrags sei nur für einen absehbaren Zeitraum zurückgestellt worden, nämlich so lange, bis abzusehen gewesen sei, dass der neu eingerichtete Betrieb des Klägers gut lief und das Grundstück deshalb nicht auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen drohte (NJW-RR 2012, 18, 19 Rn. 16). Für diese Behauptung hatte der Kläger den Urkundsnotar als Zeugen benannt. Das Berufungsgericht hat aber nicht diesen Zeugen, sondern nur die Mutter des Beklagten vernommen.
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- 3. Dieses Vorgehen findet im Prozessrecht keine Stütze.
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- a) Der Kläger hatte den Zeugen schon in erster Instanz benannt, diesen Beweisantritt im Berufungsverfahren in Bezug genommen und auf diesen Beweisantritt auch nicht verzichtet. Er hat zwar im zweiten Berufungsverfahren vorgetragen, nach dem Plan seiner Eltern habe ihm das Haus ohnehin zugewandt werden sollen, und dazu seine Mutter als Zeugin benannt. Das ist aber ersichtlich ein Vortrag, der die Plausibilität seiner Behauptung zum Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 untermauern soll. Dass zu dem Inhalt der Vereinbarung jetzt nur die Mutter vernommen werden sollte, die die Vereinbarung gar nicht kannte, und nicht mehr der Urkundsnotar, der sie entworfen hatte, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen.
- 9
- b) Von der Vernehmung des Notars konnte das Berufungsgericht auch nicht absehen, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 abhängt.
- 10
- aa) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der Übertragungsvertrag nicht wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und die Klage nicht schon daran scheitert.
- 11
- bb) Sollte die Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 den von dem Kläger behaupteten Inhalt haben, ist der Übertragungsvertrag auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, durch einen Rücktritt des Beklagten beendet worden. Das von dem Berufungsgericht angenommene Rücktrittsrecht besteht dann nämlich nicht. Grundlage dieses Rücktrittsrechts soll der Umstand sein, dass der Übertragungsvertrag keine Regelung für den Fall enthält, dass er von dem Beklagten in einem - im Jahr 2009 gegebenen - Zeitpunkt zu erfüllen ist, in dem der Kläger zahlungsunfähig oder insolvent ist und das Grundstück auf Grund der in dem Vertrag für solche Fälle vorgesehenen Rückübertragungsverpflichtung gleich wieder zurückzuübertragen hat. Sollte der Vortrag des Klägers zum Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 zutreffen, dann hätten die Parteien eben dieses Problem durch diese Vereinbarung geregelt, und zwar nicht durch ein Rücktrittsrecht, sondern durch die Aussetzung der Übertragungsverpflichtung aus dem Übertragungsvertrag bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Grundstücksverlust durch geschäftliche Risiken nicht mehr droht. Der Übertragungsvertrag könnte dann nicht im Sinne des Berufungsgerichts ausgelegt werden.
- 12
- cc) Die Feststellung des Inhalts der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 ist schließlich auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger, wie das Berufungsgericht meint, nicht dargelegt und bewiesen hat, dass das Hausgrundstück jetzt nicht mehr auf Grund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen droht. Dafür muss hier nicht geklärt werden, ob der Kläger seine gegenwärtigen Vermögensverhältnisse hinreichend schlüssig dargestellt hat und welche Risiken im gegenwärtigen Zeitpunkt einen Verlust des Grundstücks erwarten lassen könnten. Das Berufungsgericht hat die Klage nicht nur als derzeit unbegründet, sondern endgültig abgewiesen. Dazu konnte es, sollte die Behauptung des Klägers zutreffen, nur kommen, wenn eine Solvenz des Klägers auf Dauer ausgeschlossen werden kann. Das hat es aber nicht festgestellt.
IV.
- 13
- Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wo- bei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. In der neuen Verhandlung wird zunächst der Urkundsnotar zu dem von dem Kläger behaupteten Inhalt der Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 zu vernehmen sein. Sollte sich die Behauptung des Klägers bestätigen, wird zu prüfen sein, ob seine - dann allerdings umfassend und unter Beifügung von Belegen darzulegenden - Vermögensverhältnisse einem Vollzug des Übertragungsvertrags im jetzigen Zeitpunkt noch entgegenstehen.
Brückner Kazele
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 30.06.2010 - 16 O 3076/09 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 03.07.2012 - 12 U 61/10 -
Annotations
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.