Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2003 - V ZB 59/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 12.338,60
Gründe:
I.
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Ersatz für Einbußen in der Bewirtschaftung von gepachteten Ackerflächen zu zahlen hat, die dieser ihr für den Bau der Bundesautobahn A 20 überlassen hatte. Das Landgericht hat der Klage durch ein der Beklagten am 15. Juli 2002 zugestelltes Urteil dem Grunde nach stattgegeben. Die von der Beklagten hiergegen am 15. August 2002 eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift von dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten nicht unterschrieben sei. Das am Ende der Berufungsschrift angebrachte Schriftgebilde sei nur eine Paraphe, keine Unterschrift. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluß richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen und damit implizit das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bejaht, ohne dies allerdings näher auszuführen. An diese Beurteilung ist der Senat aber nicht gebunden, weil § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO, der eine solche Bindung bestimmt, auf Rechtsbeschwerden, die kraft Gesetzes statthaft sind, nicht anwendbar ist. Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde hängt zwar in der Sache stets davon ab, daß die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Anders als bei der Revision, die bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen von den Berufungsgerichten und, wenn diese eine zulassungsfähige Revision nicht zulassen, (im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde) auch vom Revisionsgericht, zugelassen werden kann, sind bei Rechtsbeschwerden Verfahren und Entscheidungskompetenz in den beiden Fallgruppen des § 574 Abs. 1 ZPO unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde von ihrer Zulassung durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht abhängen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), dem deshalb auch die alleinige Kompetenz zur Entscheidung
darüber zugewiesen ist, ob die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das Ergebnis dieser Prüfung soll bei Zulassung wie auch bei Ablehnung bindend sein. In bestimmten, für den Rechtschutz besonders bedeutsamen Fällen soll die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde dagegen bewußt nicht von einer Zulassung durch das Berufungsoder Beschwerdegericht abhängen, sondern ohne weiteres gegeben sein (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Da in solchen Fällen eine Zulassung nicht stattfindet, kann die gleichwohl erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sinnvollerweise nur durch das Rechtsbeschwerdegericht erfolgen, dem diese Prüfung auch allein zugewiesen ist. In diesem Punkt sind die Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit den Vorschriften des früheren Revisionsrechts vergleichbar. Jenes hatte mit der Rechtsbeschwerde gemein, daß die Entscheidungskompetenz über die Durchführung des Rechtsmittels zwischen dem Ausgangsgericht und dem Rechtsmittelgericht nach Sachkriterien (dort Wert der Beschwer, hier Statthaftigkeit des Rechtsmittels von Gesetzes wegen) verteilt war. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der dem Revisionsgericht vorbehaltenen Materie war nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Wirkung (BGHZ 69, 93, 95; Beschl. v. 30. November 1979, I ZR 30/79, NJW 1980, 786; v. 23. Juni 1983, IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927). Nichts anderes gilt hier. Die Zulassung einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde durch das Berufungs- oder Beschwerdegericht entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und löst deshalb auch keine Bindungswirkung aus. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Schaffung der Vorschriften über die Zulassung der Rechtsbeschwerde. In den Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes statthaft ist, "obliegt die Überprüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen stets dem Rechts-
beschwerdegericht", heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4722 S. 116).
3. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung in der Sache ist auch weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Anforderungen, die an das Vorliegen einer gültigen Unterschrift zu stellen sind, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem geklärt (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1997, IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380 f. m.w.N.), was auch die Beschwerdebegründung nicht verkennt. Es geht nur um die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall. Diese hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und läßt über den Fall hinausreichende Erkenntnisse nicht erwarten. Rechtsfehler, die eine Zulassung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch
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Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)